Karl Adrians (17. 02. 1861–14. 10. 1949) wesentliche Aktionszeit fällt in die letzten Jahre der „Altertumssehnsucht“ am Übergang zur Zeit der restaurativen Heimatschutzideen rund um 1900. Karl Adrian gehörte zu den 24 Gründungsmitgliedern des 1910/11 gebildeten Sonderausschusses des Salzburger Landtages „betreffend Förderung und Hebung der Salzburger Eigenart in Tracht, Sitten und Gebräuchen“. Er wurde Vorsitzender des Arbeitsausschusses, denn er war bereits seit 1908 Obmann der Fachabteilung IV „Sitte, Tracht und Brauch“ des Vereines für Heimatschutz in Salzburg, der sich am Bayerischen Vorbild entwickelt hatte.[1909] Die Ergebnisse der Tätigkeiten wurden dem Landtag zwischen 24. Jänner 1912 und 19. Oktober 1913 vorgelegt und bildeten die Grundlage für Karl Adrians Bücher und Aufsätze.[1910]
Diese Bemühungen trafen sich mit den Bestrebungen des 1912 gegründeten Österreichischen Heimatschutzverbandes, dessen vorrangiges Anliegen primär dem Denkmalschutz, dem Schutz des Orts- und des Landschaftsbildes und der Pflege einer landschaftsgerechten Bauweise galt.[1911] Die Statuten sahen allerdings auch dezidiert die „Erhaltung und Wiederbelebung volkstümlicher Art in Gerät, Tracht, Brauch und Musik“ vor.[1912]
Mit seinen Forschungen und Dokumentationen, die sich in einer Reihe von Publikationen niederschlugen, schuf er die ersten Grundlagen für die Brauchtumspflege. Dokumentation, Rettung, Wiederbelebung, Schutz und zeitgemäße Adaption wie Stilisierung gehörten zu seinen Bemühungen, die Friederike Prodinger darstellte.[1913]
Sitte und Brauch
Mit Karl Adrian wurde in Salzburg der Denkmalschutzgedanke auch auf immaterielle Dinge und Handlungen übertragen. Am 18. September 1913 legte Adrian nach mehreren Sitzungen zum Thema „Sitte und Brauch in unserm Heimatlande“ eine „zusammenfassende Darstellung“ vor, die eigene Darstellungen und ältere Landes- und Volksbeschreibungen verband.[1914] Vielfach erinnert sie uns an die topografisch-statistischen Volksbeschreibungen der Aufklärungszeit, die dem Streben nach Verbesserung der staatlichen Wirtschafts- und Sozialaufgaben entsprangen. Adrian zählt darin „zur Zeit noch als festgewurzelt“ zu betrachtende, „im Abnehmen begriffene“ und „fast oder gänzlich erloschene“ sowie erst kürzlich auf Initiative von Einzelpersonen „wiedererneuerte“ Bräuche auf (z. B. Unkener Stelzentanz durch Franz Eder, vulgo Peschbauer; Aperschnalzen in der Umgebung Salzburgs).
Vereinzelt erfahren wir daraus die Initiatoren von Bräuchen, die heute als „uralt“ und „immer schon da gewesen“ gelten. Adrians Unterteilung der Sitten und Bräuche umfasst: „A. Sitte und Brauch im öffentlichen Leben S. 772–774“, „B. Sitte und Brauch im Kreise der Familie S. 775–776“ und „C. Sitte und Brauch in Beziehung auf das kirchliche Leben S. 776–78“, „D. Taufe S. 776“, „E. Hochzeit S. 779“ (S. 778 fehlt in der Zählung), „F. Begräbnis S. 880“, „G. Unsere Volksspiele S. 880“, „H. Der Tanz S. 882“ sowie „I. Der Gruß S. 882“.
Zu den Weihnachtsgebräuchen des Pinzgaues gehört auch das sogenannte Brotperchtenspringen. Dieses geschieht meist im Advent und in den Weihnachtsfeiertagen. Die Brotpercht ist ganz vermummt, spricht nichts und drückt ihr Begehren nur durch Gesten aus. Bekleidet ist sie mit einem langen, rupfenen Hemd, das in der Mitte mit einem Strick oder einfachen Ledergurt gebunden wird. Der Kopf ist in ein weißes Tuch gehüllt, das nur für Augen, Nase und Mund geöffnet ist. Ihn bedeckt ein Hut mit lang herabhängenden, bunten Bändern. Die Fußbekleidung besteht in niederen Schuhen und Wadenstrümpfen. Am Rücken trägt die Perchten einen einfachen Buckelsack zur Aufnahme des erbettelten Brotes. Dieser wird in jedem Hause dem Geber zugedreht.
Beim Gehen machen die Brotperchten merkwürdige Sprünge. Sie lassen niemand in ihre Nähe kommen, sondern schlagen mit ihren langen Stöcken unbarmherzig nach allen Seiten aus. Kommen sie in ein Haus, zeigen sie ihre Anwesenheit durch ein eigentümliches Gestrampel mit den Füßen an, machen verschiedene Zeichen mit den Händen und deuten auf den Buckelsack. Ein gleiches Gestrampel bildet den Dank und den Abschied. Die Hausmutter steckt ihnen Brot und hie und da auch einen „Zelten“ in den Sack. Sehr selten verlieren die Perchten ihre Stummheit und beantworten an sie gerichtete Fragen so verworren und im Gegensatze zur Wahrheit und Wirklichkeit, um ihre Person ja nicht zu verraten.
Die meisten sind überhaupt nicht zum Sprechen zu bringen. Es sind gewöhnlich ärmere Leute, auch Bauernknechte, die sich daran beteiligen. Geht ausnahmsweise einmal ein Besitzer mit, so tut er es nur des Spasses halber. Dieser überläßt die erbeuteten Brotstücke dann den Armen. Die Brotperchten gehen fast immer allein, selten zu zweien. In dem Falle haben sie einen kleinen Ziehschlitten „Bocker“ mit, auf dem sie ihre Brotstücke nach Hause ziehen. Niemand weigert sich, der Brotpercht etwas zu schenken, das würde als ein schweres Unrecht gelten. Vielfach werden sie geneckt, aber ein paar Nachsprünge, ein Umsichschlagen mit dem Stocke und der Gegner ist verschwunden.
Eine gewisse Verwandtschaft mit vorstehendem Brauch hat das Klotzenbrotfahren im nördlichen Flachgau. In der Gegend von Lamprechtshausen ziehen die Burschen eines Ortes von Gehöft zu Gehöft und sammeln Abschnitte dieses weihnachtlichen Kultbrotes; vielleicht ließe sich darin eine ganz verblaßte Spur einstigen Perchtentreibens erblicken.
[1909] [Kammerhofer-Aggermann 1993a]. – [Kammerhofer-Aggermann 1996], bes. S. 85–89.
[1910] SLA, Landtagsbericht Nr. 150, L.-T.1911/12, 24. 01. 1912, S. 931 und Beilage B, S. 936. – [Gewerbeförderungsinstitut Salzburg] 1908, S. 7 ff.
[1912] [Prodinger/Schmidt 1950]. – [Prodinger 1950]. – Herrn HR Direktor Dr. Franz Grieshofer ist für die Überlassung von Textpassagen wie den Zitaten aus Prodinger, Johler, Nikitsch und Tschofen herzlich zu danken!
[1914] SLA, Landtagsbericht Nr. 150, L.-T.1911/12, 24. 01. 1912, S. 931 und Beilage B, S. 770–885.
[1915] [Adrian 1924], S. 71.