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Das Pferd war bis zur Jahrhundertwende wichtiger Bestandteil des Alltags und Arbeitspartner der Menschen (Fortbewegungsmittel, Feld- und Holzarbeit). Heute werden teils alte Bräuche rund um das Pferd wiederentdeckt, teils neue von Vereinen und Reitklubs entwickelt. Wallfahrt und Brauch, Selbstdarstellung und Wettbewerb bei verschiedenen Reiterspielen gehen dabei Hand in Hand.
Pferdewallfahrten, besonders zu Ehren der „Rossheiligen“ St. Georg (23. April), St. Koloman (13. Oktober) und St. Leonhard (6. November), waren auch früher als große Bauernfeiertage mit Flurumritten und Pferdesegnungen verbunden. Seit 1960 gibt es in St. Koloman wieder den Kolomaniritt zum Erntedankfest; 1960 nahmen noch 26 Reiter teil, 2000 bereits 60. Leonhardiritte finden in St. Leonhard bei Grödig mit einer Umzugsfigur des Heiligen statt, in Aufhausen bei Piesendorf reitet auch der Geistliche mit und in Irrsdorf bei Straßwalchen fährt er in der Kutsche.
Unter den seit den 1960er-Jahren üblichen Bräuchen sind zu nennen: Erntedankaufzüge, Hochzeitszüge und Patrozinien. Im Winter gibt es das Dreikönigsreiten (seit 1949 in Annaberg und Lungötz, 5. Jänner; seit 1990 in Großarl und Hüttschlag, 5. und 6. Jänner) sowie Pferdeschlitten-Sternfahrten und das Schlenkerfahren zu St. Blasius (3. Februar). In Unken lebte 2000 der Stephaniritt am 26. Dezember mit Festmesse und Pferdeweihe wieder auf.
Klöcker oder Schnalzer auf ihren Norikerpferden reiten im Pinzgau, südlichen Tennengau und Pongau vor fast jedem Festzug her und schaffen mit ihrem Peitschenknallen Platz und Aufmerksamkeit. Meistens führt ein Vorreiter die Schnalzergruppe an. Fußknechte (Weiser oder Steckenknechte) begleiten heute die Pferde. Die Kleidung der Klöcker ist oftmals historischen Männertrachten nachempfunden. Waren es auch einst berittene Garden und Militär, die Festzüge begleiteten, so entsprechen heutige Gruppen dem Bedürfnis der Menschen nach Tradition und Beheimatung.
Der Umgang mit der 2,5 bis 4 Meter langen Hanfpeitsche muss etwa ein Jahr lang erlernt werden. Erst durch viel Übung werden Peitschenführung und Takt in der Gruppe synchron. Das Takthalten erleichtern Merksprüche (z. B. Vierertakt für zwei Mann: „Wurst und Bun-z’n“). Die Reiter stehen beim Klöcken in den Steigbügeln, sehr geübte Reiter auch auf dem Pferd, und führen die Peitsche hoch über dem Kopf des Pferdes. Früher machten die Fuhrleute durch Peitschenknallen in Kurven auf sich aufmerksam.
Vor den Veranstaltungen werden die Pferde und das Geschirr geputzt und geschmückt. Alle Schnalzergruppen nehmen an den Erntedankfesten in ihrer Pfarre teil. Die Großarler Klöcker und Herreiter führen jedes Jahr einen Erntewagen, der von zwei Norikerpferden gezogen wird, mit.
Heute messen die Klöcker- und Schnalzergruppen bei der Alpentrophäe (Preis: Wanderpokal) vor einer Jury ihr Können. Bisher wurde die Alpentrophäe 1997 in Saalfelden, 1999 in Großarl, 2001 in Rußbach, 2003 in Wagrain, 2007 in Bad Hofgastein, 2009 in Altenmarkt und 2011 zum achten Mal in Rußbach ausgetragen. Dass die Klöcker aber auch das Schnalzen auf dem Boden beherrschen, zeigen sie beim jährlichen Rupertipreisschnalzen um den 24. September.
Über den bayerischen Raum ist das Goaßlschnalzen Mitte der 1970er-Jahre wieder nach Salzburg gekommen und mittlerweile pflegen Vereine in St. Johann im Pongau, im Gasteinertal und in Wagrain diesen Brauch. Bei Festzügen fahren die Goaßlschnalzer in einem Pferdewagen mit und schnalzen. Typisch für die Goaßlschnalzer ist aber das Schnalzen in einem Saal oder Festzelt; dabei stehen die Männer auf den Tischen. Eine besondere Kunst ist das beidhändige Schnalzen mit zwei Goaßln. Die Goaßln bestehen aus einem etwa 1,50 Meter langen Handstecken, an dem eine ca. 1,20 Meter lange Hanfschnur befestigt ist. Zum Knallen braucht die Goaßl, wie die Peitsche der Klöcker, den „Bast“ („Schmitz“, „Schmies“, „Schmeizl“, „Schmiss“).
Das Peitschenknallen war früher Teil des täglichen Umganges mit Fuhr- und Arbeitspferden, ländlicher Wettbewerb bei Fest- und Faschingsaufzügen. Heute wird es als Brauch und Erinnerung an vergangene Zeiten verstanden.
Ein Reiterfest ohne die Reiterspiele, die als Wettkampf durchgeführt werden, ist schwer vorstellbar. Am bekanntesten ist das Kranzlstechen (auf Zeit, auf Höhe, mit Hindernisparcours). Noriker- und Haflingerpferde nehmen am Blochziehen teil, das als „Schwerzug“ oder „Schwachholzrücken“ durchgeführt wird. Beliebt ist das Sesselreiten, bei dem – ähnlich dem Sesseltanz – zur Musik um Sessel geritten wird. Stammen Braut und Bräutigam aus verschiedenen Pinzgauer Orten, findet im Winter nach der Hochzeit das „Hochzeitseisschießen“ um einen Widder oder Geißbock statt. Die Mannschaft der Braut reist mit Pferdeschlitten in deren neuen Wohnort an.
Einen Sternritt gibt es in St. Veit im Pongau, wo sich Reiter am 24. Dezember beim Pfarrhof treffen, um das Friedenslicht zu holen und im ganzen Ort zu verteilen. In Erinnerung an den Dienstbotenwechsel am Lichtmesstag (2. Februar) führen die Großarler Klöcker und Herreiter am Wochenende um St. Blasius (3. Februar) eine Schlenkerfahrt durch. Regelmäßige Pferdeschlitten-Sternfahrten gibt es im Pinzgau. Auf den Schlitten nehmen acht bis 14 Leute Platz, manche haben sogar eine eigene Musik dabei. Das ist eine „Mordsgaudi“, und die Pferde, Geschirr und Schlitten bleiben in Schuss. Seit etwa 100 Jahren finden in Zell am See (Unterbrechungen: Zweiter Weltkrieg und 1963–1978) alle drei bis sechs Jahre viel besuchte Trachtenschlittenfahrten statt. Daran nehmen Goaßlschlitten und Fuhrschlitten teil. Die Gruppen stellen unterschiedliche Themen des ländlichen Lebens mit darauf abgestimmten Wagen und Pferdegeschirren dar.