Das Osterei scheint nicht mehr an Ostern gebunden zu sein.[1052] Wer heute beispielsweise durch die Salzburger Judengasse geht, der findet dort, in Abwandlung einer Erzählung eines bekannten deutschen Schriftstellers, nicht essbare Ostereier „nicht nur zur Osterzeit” angeboten, sondern das ganze Jahr über, gefärbelt, bemalt, bedruckt, beklebt, beschriftet oder in anderer Weise verziert, aber auch aus Glas, Speckstein und anderen Materialien. Im Supermarkt findet man gleichfalls ganzjährig Ostereier aus Schokolade als so genannte Kinderüberraschung, gefüllt mit allerlei Krimskrams aus Plastik, der bereits zum begehrten Sammelobjekt geworden ist.[1053] Zu Ostern füllen sich die Regale dort nicht nur mit gefärbten Hühnereiern, die es als „Brotzeiteier” (Jauseneier) ebenfalls das ganze Jahr über gibt, sondern auch mit solchen aus Schokolade, Marzipan, Zucker und anderen Süßigkeiten. Man findet bunte Eier in Sträußen, an Bäumen hängend, im Salzburger Land in den Palmbuschen, sie werden gesammelt, in Schalen, Setzkästen oder auf Podesten aus Draht aufbewahrt und so zur Schau gestellt.
Gar nicht zu reden von den kostbaren, aus Gold, Silber und Emaille gefertigten, Eiern, die der Hofjuwelier des Zaren Alexander III. (Kaiser von Russland 1881 –1894), Peter Carl Fabergé, für die Zarenfamilie ab 1885 zum russisch-orthodoxen Osterfest herstellte und die bald Nachahmer fanden. Zum 30-jährigen Bestehen der Salzburger Osterfestspiele im Jahre 1996 wurden ähnlich kostbare Eier den Abonnenten der ersten Stunde zum Geschenk gemacht, Kunstfreunde konnten sie käuflich erwerben, eine Form des modernen Kultursponsoring. In Volterra/Italien stellt man Ostereier in kleinen Manufakturen aus farbigem Alabaster her. Dazu kommen Dosen in Eierform aus Silber, Porzellan, Horn oder Elfenbein und nicht zuletzt auch aus buntem Pappmaché, die als attraktive Hülle für die eigentlichen Ostergeschenke dienen.[1054] Das Osterei ist also auch ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor.
Das Ei, zumal bemalt oder sonst dekorativ verziert, übt offenbar eine große Faszination aus. Dabei sind bunte Eier, die wir heute mit Ostern verbinden, nicht vor dem 16. Jahrhundert nachweisbar.[1055] Dass dazu verschiedene Überlieferungsstränge zusammenlaufen, wird im Allgemeinen weniger zur Kenntnis genommen. Von Leopold Schmidt (1912–1981), dem großen Universalisten der Österreichischen Volkskunde, stammt der Satz, dass vieles, was einfach als Brauch hingenommen wird, wesentlich genauer agnostiziert werden kann, wenn man auch dem rechtlichen Element Beachtung schenkt.[1056] Dies soll im Folgenden am Beispiel des Ostereies etwas näher geschehen.
Die für die Ausbildung eines Brauches um das Ei wichtigen frischen Hühnereier stammten oft aus den Zinseiern, wie sie zu bestimmten Terminen[1057] von den Untertanen an die Herrschaft zu liefern waren. Die Urkunden sprechen oftmals von Küchendienst, Kuchlgfäll oder, weil Eier oftmals zu Ostern fällig wurden, von Osterdienst oder Osterzins. Als Beispiel sei aus dem Stiftsrecht des Salzburger Domkapitels zitiert – einer Urkunde aus dem 17. Jahrhundert, aber wohl auf ältere Bestimmungen zurückgehend – was man der Verwendung der Worte „nach alter Gewohnheit” entnehmen darf. Wir lesen dort: „Zum ainliften (elften) soll man uns dienen nach alter gewonheit die air zu ostern, die gras- und maihennen nach ostern, käs und schmalz zwischen st. Geörgen und st. Martinstag, schaf nach st. Augustinstag ... und die faschanghennen (Fastnachtshühner) nach liechtmessen”.[1058]
Eier wurden aber als Zins nicht nur zu Ostern geschuldet, sondern auch zu anderen Terminen, etwa Michaeli (29. September) oder Martini (11. November), ja sogar wöchentlich[1059] oder nach Bedarf der herrschaftlichen Küche, die oft die Hälfte des Eierzinses zu Ostern, die andere Hälfte im Herbst einforderte. Und öfters war das ganze lebende Huhn als Eierlieferant geschuldet, wie eben das Fastnachtshuhn an das Salzburger Domkapitel in unserem Fallbeispiel oder das so genannte Herbsthuhn im Herbst.
In großer Zahl berichten die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Quellen von solchen Eier- und Osterdiensten. Meist waren es 100 oder 60 Stück, der alten Mengeneinheit, die als Schock bezeichnet wird und die heute noch in den modernen Verpackungen der frischen Eier weiterlebt, die oft in Zwölfer- oder Sechser-Packungen angeboten werden, eben 1/5 oder 1/10 Schock. Übrigens auch im weiter entfernt liegenden deutschsprachigen Raum, etwa in Sachsen oder der Mark Brandenburg. Auch dort finden wir das Schock als Maßeinheit.[1060] Daneben finden sich aber auch andere Mengeneinheiten. Das Salzburger Bürgerspital nahm im Jahre 1573 über 4.000 Eier jährlich ein,[1061] die es teils als Naturalabgaben, teils aus Eierstiftungen (auch Seelgerät oder Jahrzeitstiftungen genannt) erhielt. Denn neben den Eiern aus eigenem landwirtschaftlichen Grundbesitz wurden dem Spital aus frommen Stiftungen Naturalien zugewendet, manchmal mit der Auflage der Stifter, Eier zu Ostern an die Pfründner [Insasse eines Pfründhauses (Altersheim, Armenhaus)] auszuteilen. So erhielten beispielsweise die Pfründner des Salzburger Bürgerspitals jeweils zu Ostern 18 Eier.
Die so eingelangten Eier dienten aber nicht nur dem Verzehr durch die Herrschaft und ihrer Bediensteten oder der Spitalsinsassen. Vielfach wurden die Eier als Naturalien zur Entlohnung für die Dienste anderer wieder ausgegeben. So erhielten etwa die Schäfer in der Oberpfalz für die tierärztliche Versorgung der ihnen anvertrauten Tiere als Vergütung Eier.[1062] Auch ein Teil ihres Lohnes bestand darin, weil es der bäuerlichen Bevölkerung eben leichter fiel, landwirtschaftliche Erzeugnisse aufzubringen als Bargeld. Umgekehrt hatten gelegentlich die Hirten Eier als eine Art Handgeld an den Dienstherren zu leisten, was voraussetzte, dass sie über eine kleine Landwirtschaft verfügten.[1063] Die Benutzer der Fähre von Rossatz/Wachau gaben dem Fährmann zu Ostern ein „walgai”.[1064]
Allerdings sind wir über solche Vorgänge weit weniger gut informiert als über die Eierzinse, weil die ursprünglichen Naturalabgaben nach und nach durch Geldzahlungen abgelöst wurden. Aber immerhin erinnern Rechtswörter wie Eiergeld, Eiergebühr und ähnliche Ausdrücke an die früheren Eiergaben.[1065] Als Salzburger Beispiel sei das Rechtswort „hennenkreizer” erwähnt, ein Geldstück, wie es statt eines Huhnes an den Pfleger des Gerichts Wartenfels, dem heutigen Gerichtsbezirk Thalgau, für das Abfangen von Füchsen zu entrichten war.[1066]
Allerdings findet man auch den umgekehrten Fall. Im Jahr 1771 bestimmt die Herrschaft des Reichsstifts Marchtal an der oberen Donau (zwischen Sigmaringen und Ulm), gleichfalls auf ältere Bestimmungen zurückgehend, „daß kuenftig keine ayer-, gaenß-, huener- oder hennenzettel mehr um das gelt ausgegeben, sondern solche in natura werden bezogen werden, und zwar also, dass die helfte deren ayeren von Mariä Liechtmess bis Georgi, die weitere helfte aber von Mariä Geburt bis Martini nach von löblichem kuchlamt gemachter bestimmung deren monaten solle gelieferet werden”.[1067] Zettel sind hier wohl schriftliche Anforderungen, in denen die Zahl der zu dienenden Eier in Geld umgerechnet wurde.
Alle diese Zeugnisse liefern aber noch keine schlüssigen Hinweise auf ein Schenkbrauchtum zu Ostern und schon gar nicht auf eine Bemalung der Eier. Etwas näher kommt man dem aber, wenn man sich vergegenwärtigt, dass besonders die Kirche die Eier zur Zubereitung von Ostergebäck, Osterfladen oder auch Eierspeisen verwendete, die sie zu Ostern an Schulkinder, Arme, Kranke und Alte verteilte. Hans Moser[1068] hat hierzu eine Vielzahl von archivalischen Belegen besonders aus dem benachbarten Bayern gesammelt. Danach darf man annehmen, dass ähnlich wie die heutigen kleinen Aufmerksamkeiten zu Weihnachten an Briefträger, Rauchfangkehrer, Zeitungszusteller oder Müllmann, die früher auch schon üblich waren, nach und nach sich ein Schenkbrauchtum zu Ostern entwickelte, zu welchem neben Nahrungsmitteln wie Brot oder Gebäck eben auch Eier gehörten.
Eier wurden auch von den Gläubigen am Karfreitag in die Heiligen Gräber gelegt und so letztlich der Kirche gespendet. Noch in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts wird aus dem bayerischen Bistum Eichstätt berichtet, dass am Karfreitag neben dem Kreuzbild ein Becken aufgestellt wurde, in welches die Gläubigen ihre Eierspenden und sonstigen Opfer legten, die anschließend verteilt wurden.[1069] Soweit es sich um Geldspenden handelte, wurde hiervon Brot und dergleichen gekauft, welches dann gleichfalls wie die Eier an den schon genannten Personenkreis, Schulkinder, Alte, Arme und Kranke, gespendet wurde. Auch die Stifter bestimmten oftmals, dass die von ihnen gestifteten Eier zu Ostern und/oder in der Zeit danach zu ihrem Seelenheil ausgegeben werden sollten.
Hierzu ist dann doch daran zu erinnern, dass das Ei schon seit der Antike als Symbol der Fruchtbarkeit und des Lebens, das aus ihm kommt, gilt. So finden wir Eier als Grabbeigaben beispielsweise schon im alten Ägypten und auch bei den Römern. Dieses Symbol passte besonders gut zur Botschaft der Kirche, die am Ostersonntag die Auferstehung und ein ewiges Leben predigt. Die Kirche bediente sich gerne der Formen, die sie in ihrem Missionierungsgebiet bereits vorfand und dort in Gebrauch waren, füllte sie mit neuen, nunmehr christlichen Inhalten.[1070] Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, wie die Kirche alte Brauchformen, etwa der Germanen, in die römische Liturgie übertrug. So lebt der germanische Rechtsbrauch, Zeugen zur Stärkung ihres Gedächtnisses über rechtserhebliche Vorgänge einen Backenstreich zu versetzen oder sie am Ohrläppchen zu zupfen,[1071] im Firmungsritus der römisch-katholischen Kirche fort.
In den römischen Ritualien, das sind Liturgiebücher oder Handschriften liturgischen Inhalts, wurden, wahrscheinlich schon im 12. Jahrhundert, besondere Formeln zur Weihe (Sakramentale) von Speisen – Eiern, aber auch Butter, die uns noch beschäftigen soll – aufgenommen, die in der Frühe des Karsamstags vorgenommen wurden. Arnold van Gennep (1873–1957), der bedeutende französische Volkskundler und Ethnologe, findet zwar, dass diese Benedictio ovorum nicht unbedingt Ostereier betroffen haben müsse.[1072] Aber auffallend ist doch der Zeitpunkt der Weihe, eben Ostern.
Lorenz Hübner (1751–1807), Chronist und Topograph des Erzstiftes, berichtet, dass die Bewohner von Tittmoning um Ostern gern geweihte Sachen essen.[1073] Auch wenn er diese Speisen nicht näher beschreibt, so darf man doch annehmen, dass darunter auch Eier und Butter waren.
Eier und Butter, wie überhaupt Tierprodukte, unterfielen den Fastengeboten der Kirche. Die kirchlichen Verbote untersagten nicht nur den Verzehr von Fleisch während der Fastenzeit, sondern den Verzehr aller Nahrungsmittel, die aus dem Tier kamen: Eier, Milch, Käse, Butter. Schon im Konzil von Toledo 653 wurde beschlossen, den Genuss von Fleisch während der Fastenzeit bei Strafe der Exkommunikation zu verbieten. Die Bischofsversammlung von Konstantinopel, der so genannte II. Trullana synodus von 692,[1074] so genannt weil die Versammlung im Trullo, dem Kuppelsaal des Kaiserpalastes, abgehalten wurde, dehnte dies auf Laktizinien, also Milchprodukte schlechthin, sowie Eier aus. In einem kirchlich beherrschten Staat wie Salzburg wurde streng auf die Einhaltung der Fastengebote geachtet. Auch wenn die Verbote nach und nach gelockert wurden, so bestimmte etwa die so genannte Freiung des Marktes St. Michael im Lungau (1758): „... solle sich keiner unterstehen konftigen frei – oder sambstag fleisch zu speisen bei schwerer straff”.[1075]
Ähnlich das Landrecht des Landgerichts Haunsberg im Flachgau aus dem 17. Jahrhundert: „Vermügen außgegangener hochfürstlichen bevelch solle sich nemiclich, wer der sei, vor dem fleischessen an verpotnen fasttägen sonderlich fasten und quatemberzeiten hieten, allein es sei dennen durch geistlich obrigkeit erlaubt, im widerigen solle der verpröcher (Verbrecher!) darumb gestraft werden."[1076]
Im Salzburger Landesarchiv findet sich im Aktenbestand des Pfelggerichtes Werfen ein ausführlicher Aktenbestand des 17. und 18. Jahrhunderts zu den Verboten, Dispensen und Übertretungen des Fleischessens an gebotenen Fasttagen. Darin sind die verbotenen Speisen nicht näher aufgeführt. Es fällt allerdings auf, dass der verbotene Fleischkonsum in der Fastenzeit oft gemeinsam mit dem Besitz Lutherischer Bücher beanstandet wird – also offenbar Protestanten betraf.[1077]
Wir lesen im 17. und 18. Jahrhundert nur noch vom Verbot des Fleischessens zur Fastenzeit. Der Hintergrund ist, dass sich die strengen Fastengebote in der von der Milchwirtschaft bestimmten Alpenregion nicht durchsetzen ließen. Als Fastenspeise blieb ja nur Brot, Wasser, Kraut und Rüben sowie Fisch, der für den Großteil der Bevölkerung nicht zur Verfügung stand. Denn die meisten der Fischrechte standen dem Landes- bzw. Grundherren zu. Der Masse der Bevölkerung blieb oft nur ein bescheidenes Fischrecht zur Aufbesserung der ansonsten eiweißarmen Kost. Hübner berichtet, dass den Salzarbeitern der Halleiner Saline zwischen Ostern und Christi Himmelfahrt das so genannte Nasenstechen erlaubt war, das sie abends bei brennenden Fackeln am Auslauf des Albenbaches zur Ergötzung der Zuschauer ausübten.[1078] Nasen sind die etwas minderwertigen, weil grätenreiche Weißfische. In Strasswalchen durfte die Bürgerschaft in den kleinen Gewässern innerhalb des Burgfriedens fischen, die Fische aber nicht verkaufen.[1079]
So wurden die Fastengebote nach und nach gelockert und schließlich für die Laktizinien und Eier um die Mitte des 15. Jahrhunderts aufgehoben. Diesen kirchlichen Verboten verdanken wir aber einen besonderen Bildtypus des spätmittelalterlichen Mahnbildes ähnlich des Feiertagschristus, der an die Einhaltung der sonn- und feiertäglichen Arbeitsverbote mahnen soll.[1080] Der so genannte Fastenchristus[1081] gemahnt noch an die Einhaltung der umfassenden Fastengebote. Sie wurden unter dem Einfluss des Cusanus (1401–1464) für dessen Diözese Brixen im Jahre 1453 weiterhin beschlossen. Sein Einfluss ging aber über die Grenzen seines Bistums hinaus. Und so finden wir diesen Bildtypus – vorläufig sind nur zwei solcher Bilder bekannt – an der zum Bistum Salzburg gehörenden Pfarrkirche St. Andrä in Lienz/Osttirol sowie in Maria Rojach/Lavantal in Kärnten.
Wenn also diese in der Fastenzeit verbotenen Speisen zur Weihe in die Kirche gebracht wurden, so schwang dabei auch die Freude über den wieder erlaubten Genuss mit. Ganz deutlich wird dies bei der Butter, die besonders schön im Lungau, aber auch im benachbarten Berchtesgaden zur Osterweihe[1082] mittels kleiner Holzformen verziert wird.[1083] Hierzu ein historisches Zeugnis: „Die Butterweihe am Ostersonntage bietet dem Auge eine angenehme Weide, da die Leute eine Art Eitelkeit darein setzen, wer die schönst gezierte Butter zur kirchlichen Weihe bringt. Tempel von stattlichstem Säulenbau, das Osterlamm, Christkindeln, Wallfische und hundert andere aus Butter niedlich gearbeitete Figuren zieren die Körbe der Weihsuchenden”, berichtet Ignaz von Kürsinger in seiner Beschreibung des Lungau von 1853.[1084] Noch heute ist es im Salzburger Land üblich, zur österlichen Weihe aus Butter geformte Lämmer zu bringen.[1085] Übrigens verdankt auch die „Bartel-Mä-Butter” ihren Namen einem Rechtstermin. Am Bartholomäustag (24. August) war ein erster Butterzins fällig.[1086]
Es liegt daher nahe, das Formen der Butter zu Figuren oder ihre sonstige Verzierung mit der Bemalung der Eier zu Ostern in Verbindung zu bringen, ihre besondere Färbung und Verzierung also als Ausdruck der Freude darüber zu werten, dass die Zeit, in welcher kirchenrechtlich ein Verzehr von Eiern untersagt war, nunmehr vorüber ist. Aber wiederum wird man eine eindeutige Antwort hierauf nicht finden.
Die ersten bekannten bunten Eier waren rot.[1087] Nun ließe sich dies schlicht damit erklären, dass als einfaches und überall vorhandenes Mittel zum Färben die Schalen von roten Zwiebeln verwandt worden sind, wie dies heute noch in Armenien und anderswo geschieht. Nur: hierzulande waren die rotschaligen Zwiebeln unbekannt. Die landläufigen braunen Zwiebeln geben den Eiern dagegen eine gelb-braune Farbe.[1088] Sie wurden – später – als billiger und überall vorhandener Grundstoff zum Färben der Ostereier verwendet. Die rote Farbe dagegen steht wiederum im Zusammenhang mit der religiösen Überlieferung. Ein barocker Schriftsteller schreibt dazu im Jahre 1708: „Es werden zu solcher Zeit die Eyer insgemein roth gefärbt zum Andencken, wie es scheint, des vergossenen Blutes Christi, welche aber hieran nicht gedencken, streichen ihnen eine andere Gestalt an, und bemahlen sie mit allerhand Figuren und Worten".[1089]
Wir können diesem Zeugnis entnehmen, dass zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Farbe rot nicht mehr ausschließlich war, sondern schon bunt gefärbte Ostereier gebräuchlich waren, aber auch solche mit Beschriftung, mit Versen und Sprüchen versehen wurden, teils religiösen, teils profanen Inhalts, die noch heute in verschiedenen Landschaften eine große Rolle spielen,[1090] auch in Salzburg. Die rote Farbe übrigens erhielt man oftmals dadurch, dass so genanntes Brezil-Holz – ein tropisches Holz, welches eingeführt werden musste und deshalb relativ teuer war – „zerspant” und mit Wasser angesetzt wurde.[1091]Die barocken Prediger hatten allerdings für die roten Eier noch eine andere Erklärung. Danach soll im alten Rom bei der Geburt des Alexander Severus (geboren 208 n.Chr.) ein Ei von purpurner Farbe in den Palast gebracht worden sein, woraus die Priester weissagten, das Kind werde einmal Kaiser werden, was dann auch eintrat (römischer Kaiser von 222 –235 n.Chr.). Deshalb segne und weihe man zur Osterzeit die Eier und mache sie sich gegenseitig zum Geschenk.
Das Bemalen und Beschriften der Ostereier war auch noch im vorletzten Jahrhundert als bäuerliches Hausgewerbe üblich, vor allem im Südtiroler Enneberg. Hermann Wopfner berichtet in seinem Bergbauernbuch, dass die bäuerlichen Maler die Eier mit Alpenblumen und feinen Ornamenten verziert und kistenweise in die Städte verschickt hätten.[1092] Man nannte dieses Hausgewerbe „Ostereier-Schreiben”.
Auch gewisse österliche Eierspiele besitzen eine rechtliche Dimension. Es war Eberhard von Künßberg (1881–1941), der Begründer der Rechtlichen Volkskunde im deutschen Sprachraum, der auf die Beziehungen zwischen Rechtsbrauch und Kinderspiel aufmerksam machte.[1093] Der Wurf eines Eies oder gar eines ganzen Huhnes diente zur Ermittlung der Grenze, wie weit Hühner sich ungehindert von Haus und Hof entfernen dürfen. Dabei treten mancherlei Erschwerungen auf. So soll der Wurf vom First des Hauses aus vorgenommen werden oder nach rückwärts, zwischen den Beinen hindurch oder mit seltsamen Gebärden wie stehend auf einem Bein oder das linke Ohr mit der rechten Hand fassend.[1094]
Daran wird man erinnert, wenn im Salzburgischen das als besonders heilkräftige Antlassei, das heißt, das am Gründonnerstag, dem Antlass-Pfinztag, gelegte Ei, vom Bauern über das Hausdach geworfen wird, um Schutz vor Unwettern oder Lawinen zu erlangen.[1095] Und letztlich hat sich um das österliche Eierlesen, Eierklauben, wie es auch in Salzburg üblich war,[1096] auch noch eine Art Volksgericht entwickelt: nach Beendigung des wettkampfmäßigen Eiersammelns wurden die Schandtaten der Teilnehmer öffentlich zu Gehör gebracht, wie dies in ähnlicher Form in Faschings- und Tanzstundenzeitungen geschieht. So etwa noch in Zams/Oberinntal bis ca. 1840.[1097]
Oben war bereits die Rede davon, dass Eier wegen ihres stark symbolischen Gehaltes gerne auch als Freundschaftsgaben geschenkt wurden, wie etwa die Göden-Eier an die Patenkinder zu Ostern, aber auch von Burschen an die von ihnen auserwählten Mädchen, auch umgekehrt. Auch solches findet man in Salzburg und im benachbarten Chiemgau. Manchmal steckte der Bursche einen Zettel in das ausgeblasene Ei, auf welchem allerlei Verse und Liebesgrüße geschrieben wurden ähnlich denen, mit denen man auch die Ostereier verzierte. Dabei wurde durch das hohle Ei eine Längsachse gesteckt, um die man einen Papierstreifen wickelte, auf welchem auch längere Texte untergebracht werden konnten. Die Achse wurde oben und unten mit einem kleinen Knopf versehen, so dass sie nicht herausrutschen konnte. Durch eine Spalte im Ei konnte man den Zettel herausziehen, den Text lesen und durch Drehen des eingelassenen Stäbchens den Text wieder aufrollen.[1098]
Ganz ähnlichen Zwecken diente wohl eine Tabaksdose in Eiform aus Horn, in welche folgender Spruch eingraviert war: „Lieber allein als bey falsche Herzn sein”.[1099] Solche Gegenstände waren beliebte Erzeugnisse des alten Sterzinger Gewerbes.
Die Bedeutung des Eies als Freundschaftsgabe ging soweit, dass man in der Hingabe eines Eies ein Heiratsversprechen sah. Im Fränkischen Höchstadt an der Aisch konnte ein Mädchen zum Beweis für ein gegebenes Eheversprechen, bei dem gewöhnlich ja keine Zeugen anwesend sind, ein beschriftetes Ei vorweisen: „sein lieb und ihr lieb seye ein lieb, ihr herz und sein herz seye ein herz”, stand darauf zu lesen.[1100]
[1052] Zu diesem Phänomen: [SchmidtL 1966b], S. 289ff.
[1053] [Ilgen/Schindelbeck 1997], insb. S. 122ff.
[1054] [Pieske 1983], S. 210ff. „Papp-Ostereier”.
[1055] [SchmidtL 1966d]. Bd. 2, S. 210ff.
[1056] [SchmidtL 1962], S. 226.
[1057] Brauchtermine haben sich oftmals an die früheren Rechtstermine angelehnt. Vgl. hierzu [KramerKS 1974a], S. 37ff.
[1058] [SiegelH/Thomaschek 1871], S. 6f.
[1059] [Dollinger 1982], S. 174.
[1061] [StadlerG 1981]; [StadlerG 1991], bes. S. 148f.; [StadlerG 1985], S. 116.
[1062] [Carlen 1970], S. 116.
[1063] [Carlen 1970], S. 46.
[1064] [SchmidtL 1966d]. Bd. 2, S. 212.
[1065] Nachweise im: [Deutsches Rechtswörterbuch 1914]. Bd. 2, Sp. 1320.
[1066] [Siegel/Thomaschek 1871], S. 158.
[1067] [Gehning 1941]. Bd. 3, S. 404.
[1068] [MoserH 1985c], hier S. 172ff.
[1069] [GrassN 1957a], S. 63.
[1072] [Gennep 1999], S. 273.
[1073] [Hübner 1983], S. 98.
[1074] [Feine 1964]. Bd. 1, S. 90.
[1075] [Siegel/Tomaschek 1981], S. 241.
[1076] [Siegel/Tomaschek 1981], S. 60.
[1077] Für die Hinweise danke ich Frau Mag. Andrea Weiß: SLA, Pfleggericht Werfen, Rep. 21 –11/45 (185) Lit. C (1652–1675); Rep. 21–11/46(187), PG Werfen 1 (1675–1775), Fach 33, Religions Sachen und serselben Commissions Akten, nebst solch verschiedenen Strafen, Bund 4, Nr. 93, 98, 99, 104, 109, 113, 197, 202 und weiter.
[1078] [Hübner 1983], S. 319; dazu auch [Adrian 1924], S. 329.
[1079] [Hübner 1983], S. 213.
[1082] [Kriss 1947], S. 88.
[1083] [Prodinger 1963], S. 11.
[1084] [Kürsinger 1981], S. 772.
[1086] [SchmidtL 1952], S. 23.
[1088] [GrassN 1957a], S. 85.
[1089] [Hilscher 1708], S. 23. Paul Christian Hilscher (1666–1730) war Prediger in Dresden.
[1090] [KönigW 1961], hier S. 82.
[1091] [GrimmJ/GrimmW 1971]. Bd. 2, Sp. 372.
[1092] [Wopfner 1995], S. 362.
[1093] [Künßberg 1952], S. 46.
[1094] [Künßberg 1936], S. 130; [Künssberg 1936].
[1095] [Zinnburg 1972], S. 122.
[1096] [Adrian 1924], S. 284.
[1097] [GrassN 1957a], S. 88.
[1098] [Andree-Eysn 1978], S. 202 und Fig. 162.
[1099] [Beitl 1974], S. 134 und Abb. 9a.
[1100] Zitiert nach [KramerKS 1967], S. 143f.