16 km südlich von Salzburg liegt die ehemalige Salinenstadt Hallein, der aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für das Erzstift 1230 das Stadtrecht verliehen worden war. Salz, das weiße Gold, war etwa 2.500 Jahre lang eines der wichtigsten Handels- und Kulturgüter. Seit der Schließung der Saline 1989 fahren heute am Dürrnberg bei Hallein jährlich etwa 230.000 Besucher in das älteste Schaubergwerk der Welt zu einer Zeitreise in die Vergangenheit. Heute wirbt der Dürrnberg mit den modernen Mythen „Kelten und Salz”. Der Dürrnberg zählt neben Hallstatt zu den bedeutendsten keltischen Fundgebieten Europas. Reste der einstigen Kultur der Bergleute gehören heute, in angepasster Form, zu den Identifikatoren der Halleiner, unter denen viele einstige Bergleute und Salinenarbeiter sind. Dazu zählen der schon im Jahre 1529 erwähnte „Dürrnberger Schwerttanz” oder die im 17. Jahrhundert entstandene Bergmusik. Montanhistorische Forschungen haben in den letzten Jahrzehnten die „Instruktion und Ordnung für den Salzberg am Dürrnberg” vom Jahre 1592 sowie die „Beschreibung des gesamten Halleiner Salzwesens” aus dem Jahre 1617 bearbeitet.
Für das Abbaugebiet des Salzbergbaues Dürrnberg, das sich untertage großenteils über die österreichische Staatsgrenze in bayerisches – vormals berchtesgadnerisches – Gebiet erstreckt, besteht ein einzigartiges Arbeitsrecht, das „Lehensschichtenrecht” – auch Bergrecht genannt. Es besteht darin, dass die Besitzer von Bauerngütern (Lehen), sowohl auf der österreichischen wie auf der bayerischen Seite, ein Recht auf Arbeit als Knappen im Salzbergwerk Dürrnberg haben. Das Bergschichtenrecht wurde schließlich in der österreichisch-bayrischen Salinenkonvention von 1829 auf Dauer vertraglich verankert.[1777]
Schon früh gab es in Form der Bruderlade eine soziale Einrichtung für die im Montanbereich Tätigen. Für das Gasteiner/Rauriser Revier ist die Bruderlade bereits zu Ende des 15. Jahrhunderts erwähnt. Sie gewährte Unterstützungen an die Mitglieder und deren Familien bei Unfall, Krankheit und zur Altersversorgung.[1778] Im deutschen Bergbau gab es seit dem 13. Jahrhundert eine ähnliche Einrichtung, den Knappschaftsverein. Bei der Saline Hall in Tirol geht das Bruderladewesen bis zum beginnenden 16. Jahrhundert zurück. Eine gesetzliche Regelung wurde erst durch das erste allgemeine Berggesetz vom Jahre 1854 eingeleitet. Jeder Berg- und Hüttenarbeiter wurde zum Beitritt verpflichtet. Bis zur Errichtung einer Bruderlade blieben die Werksbesitzer verpflichtet, ihren erkrankten und verunglückten Arbeitern und Meistern wenigstens diejenige Hilfe zu leisten, welche nach den geltenden Gesetzen den Dienstherren gegen ihre Dienstboten oblag.[1779]
Schon unter dem Halleiner Pfleger Raphael Geizkofler (†13. August 1587) war eine „Püchsen samt der Ordnung den armen Arbeitern zu guetem aufgerichtet ” worden. Da Erzbischof Wolf Dietrich erfahren hatte, dass man das Geld daraus „untereinander vergebentlich ausgeliehen” hat, ordnete er am 6. November 1593, als er in Hallein weilte, an, dass die „Arbeiterbüchse” vom Pfannhausverwalter selbst verwahrt und das Geld nur ordnungsgemäß verwendet werden sollte. Jährlich war dem Pfleger im Beisein „etlicher Pfannhausarbeiter” die Rechnung zu legen und das nicht benötigte Geld anzulegen.[1780] Die Vermutung liegt nahe, dass eine ähnliche Bruderladen-Ordnung auch für die Dürrnberger Bergknappen bestand.
Aus der von Erzbischof Wolf Dietrich 1592 für den Salzbergbau Dürrnberg erlassenen „Instruktion und Ordnung” (Bergordnung) erfahren wir, dass unter Beratung des Pflegers, Offiziers und Obersten Bergmeisters Vorschüsse an kranke, schwache und hilflose Knappen als Darlehen verliehen wurden, die zurückzuzahlen waren.[1781]
Im Jahre 1692 fand die Gründung des so genannten „1095 Gulden-Fonds” statt, dessen jährliche Interessen (Erträgnisse) von 1.095 Gulden an die Ärmsten unter den Salinenarbeiter wie ihre Witwen und Waisen verteilt wurden.[1782]
Unter Erzbischof Hieronymus erfolgte die Zahlung der Hälfte der Pensionen durch die Amtskassen, die andere Hälfte durch die vom Hofkammerpräsidenten Freiherrn von Moll im Jahre 1791 errichteten Bruderschaftskassen und das Brudergeld hatte nun auch für Heilungskosten Kranker und für Erziehungszwecke zu dienen. Benefizien waren die unentgeltliche Behandlung durch den Arzt und der Bezug eines Krankengeldes, der Bezug einer Provision im Falle der Arbeitsunfähigkeit, weitere Unterstützung aus der Knappen-Bruderlade, in welche die Knappen (1780) von jedem Gulden Verdienst 6 Kreuzer einzulegen hatten. Das 1791 bzw. 1798 modifizierte und erlassene „Pensions-Normale”, welches für die Ärmsten der Pfannhauser und Bergknappen in Anwendung kam, sei wie der 1840 gegründete „Boursy Fond” der Ordnung halber erwähnt.[1783]
Die Bruderlade der Dürrnberger Knappen reicht nach dem Dürrnbergforscher H. F. Wagner in das Jahr 1669 zurück und steht in enger Verbindung zu den religiösen Bruderschaften.[1784] Näheres darüber ist unten bei den Dürrnberger Bruderschaften zu lesen. Der seinerzeitige Bergverwalter Karl Dadlez (1867–1888) stellte – auf der Suche nach der Geschichte der Bruderladen – fest, dass sich die Zeit des Bestehens der Bruderlade nicht eruieren lässt, sondern nur darauf geschlossen werden kann, dass sie seit Mitte des 18. Jahrhunderts (ca. 1740–1760) bestehen dürfte. „Bis jetzt wurde dieselbe immer nur nach den alten Gepflogenheiten verwaltet”.[1785] Dennoch dürfen wir einen Beginn im Mittelalter annehmen wie bei anderen Bergbauten auch.
Versicherungs-Fonde (Fonds) im 19. und 20. Jahrhundert
In Folge der alten Bruderladen wurde 1840 der „Boursy Fond” zur sozialen Unterstützung der Berg- und Hüttenarbeiter ins Leben gerufen.
1873 wurden schließlich die verschiedenen Regelungen der habsburgischen Salinen koordiniert und vereinheitlicht. Am 28. Juli 1889 erschien ein Gesetz über die Berg- Bruderladen, das am 17. September 1898 abgeändert wurde. Die Statuten von 1889 und 1898 wurden mehrfach modifiziert bzw. mit ergänzenden Bestimmungen versehen. Nach O. Buschmann betrug das Vermögen der zwei Bruderladen in Hallein und Dürrnberg zu Ende des Jahres 1897 insgesamt 92.111 Gulden – also eine außerordentlich hohe Summe.[1786]
1910 wurde die Bergarbeiter- oder Knappen-Bruderlade in den „Verein für Unterstützungen von Bergarbeitern der Salinen Verwaltung Hallein ” als Rechtsnachfolger umgebildet (Statuten vom 11. Mai 1874) und 1927 als „Dürrnberger Knappen-Bruderlade” angepasst.
1938 wurde die allgemeine Versicherungspflicht eingeführt. Um 1960 wurden die Aktivitäten der Knappen-Bruderlade stark eingeschränkt bzw. eingestellt mit dem Zusatz „bis auf Widerruf ruhend!”. 1963 nützten die ersten Bergleute die Möglichkeit zum freiwilligen Übertritt von der Bundesversicherungsanstalt (BVA) zur Knappschaftsversicherung (VAdÖB). Damit waren sie im Falle eines Betriebsunglückes unfallversichert und hatten Anspruch auf eine Unfallrente.
Die Bruderlade[1787]
Die Brudergelder (Einnahmen) der Bruderlade setzten sich aus den vorgegebenen Beiträgen der ständigen oder stabilen und der unständigen oder interimalen Berg- und Hüttenleute und der Meister- und Steigerschaft zusammen. Weiters aus den Zinsen der Kapitalien, den 5 % von den Schuldscheinen etc. Dazu kamen die Zuschüsse der k.k. Salinenverwaltung Hallein, der Nutzen vom unbeweglichen Vermögen, der Immobilien etc. Einnahmen von verkauften Viktualien und Überschüsse aus der Bergbefahrung ergänzten die Bruderlade ebenso wie die Gewinne von Obligationen, Agio und Kursdifferenzen.
Die Ausgaben für soziale Leistungen ergingen an aktive Arbeiter und Beamte, provisionierte Dienstnehmer, Witwen und Waisen (diese erhielten kein „Normale”, sondern wurden nach dem Grade der Bedürftigkeit beteilt). Die Leistungen enthielten Krankenlöhne, Armut-, Waisen- und Invaliditätsrenten, Arzthonorare, Hebammen- Entschädigungen, Spitalkostenersatz, Arznei- und Medikamentenkosten, Apothekerspesen, Teuerungsunterstützungen, Begräbniskostenbeiträge. Ein Teil der Ausgaben erinnerte an die Aufgaben der einstigen religiösen Bruderschaften, nämlich: Kosten für Seelsorge und Gottesdienste, für das tägliche Berg- oder Salzgebet, weiters für die Kirchensänger, die drei Bruder(schafts)knechte für das Zechkreuztragen, die Beschaffung der Bruderlade und Kirchenfahne sowie für die Quatembermessen in Berchtesgaden. So wurden etwa 1877 „für das Engl- und Zechkreuztragen 1 Gulden und 60 Kreuzer” und 1901 für diesen Zweck 3 Kronen 20 Heller bezahlt. Weitere Kosten verursachten Ausgaben für Steuern und Stempelmarken, die Verwaltungskosten für die Rechnungsführung, die Belohnung für den Bruderknecht für Botengänge, für Schreibrequisiten, Möbel, Buchbinderkosten. Eigenartig klingen heute – im Zusammenhang mit der Selbstverständlichkeit von Weckern, Armbanduhren und Radio – die Auslagen für das tägliche „Fünfuhrläuten” zum Wecken der Knappen. Der nach außen sichtbaren Vereinsdarstellung dienten die Ausgaben zur Erhaltung der Bergmusikbande, deren Uniformierung, die Zuschüsse für Noten und Instrumente wie für Knappen-Jahrtage. Wichtige Sozialleistungen wiederum waren Unterstützungen für die Bezahlung von Schule, Lehrern und Lernbedarf wie der Ankauf von Lebensmitteln für Bedürftige. Ein „Holzrelutum” erhielten Beamte, Ortspfarrer und Lehrer für ihre Leistungen für die Knappen. Unter „Sonstiger Aufwand” wurden die Kosten für Kirchen-, Zechkreuz- und Fahnenrenovierungen etc. verbucht. Letztmalig wurde eine finanzielle Unterstützung für Studierende 1960 gewährt.
Diese Rechnungsbücher der Dürrnberger Bruderlade bestehen aus folgenden Verzeichnissen: Kassajournal, Rubrikenbuch, Schuldenbuch, Inventurprotokolle, Provisions-Verschreibbuch, Kaiser Franz Joseph I.-Siftung usw. Dazu gehören an Beilagen: Geldgebahrungs-Nachweise, Verdienstausweise, Zahlungsquittungen, Empfangsbestätigungen, Notae, Kassajournale, Schuldbriefe, Löschungsquittungen, Kundmachungen etc.
Die ruhende Knappen-Bruderlade ist laut Rechnungsbucheinträgen der Jahre 1877 bis 1901 im Besitz der alten Knappenfahne vom Jahre 1750 (siehe unten bei der Knappen- Bruderschaft) sowie dreier barocker Zechkreuze und anderer Bruderschaftsgegenstände.
Die einst umfangreiche Bruderlade-Bibliothek, mit zum Teil sehr alten und wertvollen Bänden, wurde m Zuge der Stilllegung von Salzbergbau und Saline Hallein 1989 aufgelassen.
Folgende Berufsstände waren im 16. und 17. Jahrhundert im Bergbau vertreten, ob sie eigene Bruderladen und Bruderschaften hatten oder sich in die bisher bekannten (siehe weiter unten) teilten, ist derzeit nicht bekannt. Die Bergordnung von 1592 und die „Beschreibung des gesamten Halleiner Salzwesens” vom Jahre 1617 nennen folgende Gewerbe: Eisenwürcher (Handeisenhäuer), Truhen- oder Stosskarrenläufer (Förderer mit der Bergtruhe), Sulzen-Massschöpfer an den Pütten (Solschöpfgesinde mit Pulgen am Schöpfwerksschacht), Wasserknechte (Wässerer Ober- und Untertage), Wöhrschläger oder Lettendrescher (Laistverdämmer), Püttenrüster (Schachtzimmerer), Bergschmiede und Knechte (Schmiedegesellen und Hilfspersonal), Wagner, Bergmalder und Gschirrer (Hölb- und Gezähehersteller, Schaufelmacher), Pulgenmacher (Anfertiger der ochsenledernen Schöpfkübel und hölzernen Eimer) etc.
Ursprünglich bestanden im Bereich der Saline Hallein zumindest sieben, heute nachweisbare, Bruderladen: jene für Sudarbeiter, Bauarbeiter der Saline, Getreidemagazinsarbeiter, des Eisenhammers, jene der dem Faktorie- und dem Forstamt formal zugeordneten Personen, der Rechenarbeiter, der Holzknechte. Die beiden letzten Bruderladen wurden im Zuge der Trennung des Salinen- und Forstwesens um 1851 dem Forstamt zugeteilt.
Alle großen offiziellen Änderungen – sowohl zur Zeit des Erzbistums als auch unter der österreichischen Regierung – betrafen diese ebenso wie die Bruderlade der Knappen am Dürrnberg. 1870 wurden an Unterstützungen für arbeitsunfähige und erkrankte Arbeiter, für Provisionisten und Jubilanten jährlich aus diesen Bruderladen insgesamt etwa 5.000 Gulden ausbezahlt.[1788]
Im Jahre 1874 konnten die angeführten Bruderladen in der „Vereinigten Bruderlade zu Hallein” zusammengefasst werden. Am 18. November 1874 wurde die „Kaiser Franz Josef I.-Stiftung” zur Linderung der großen Not der bedürftigen Pfannhauser, welche durch die Einstellung der Salzschifffahrt im Zuge der Eröffnung der Eisenbahnlinie Salzburg-Hallein im Jahre 1871 brotlos wurden, gegründet. Die Mittel wurden aus einem Fonds von der neu gegründeten „Vereinigten Salinen-Bruderlade” aufgebracht. In den Rechnungsbüchern der Dürrnberger Knappen-Bruderlade scheint diese „Kaiser Franz Josef I.-Stiftung” ebenfalls auf. 1877 besaß der Fonds ein Barvermögen von 200 Gulden, davon wurden fünf arme Knappschafts-Angehörige, also verarmte Witwen und Waisen, mit je 1 Gulden 68 Kreuzer beteilt.[1789]
Wie am Salzbergbau Dürrnberg musste auch die „Vereinigte Salinen-Bruderlade” 1910 in den „Verein zur Unterstützung von Hüttenarbeitern der Salinen Verwaltung Hallein ” umgebildet werden. Dieser Unterstützungsverein besteht de facto bis zum heutigen Tage und wird von den ehemaligen Salinenarbeitern (Pensionisten) durch kleinere Beiträge finanziert. Für Krankenbehelfe, Zahnersatz etc. können bescheidene Zuschüsse gewährt werden.
Die Bibliothek des Salinen-Unterstützungsvereines, mit einem Bestand von einigen hundert zum Teil historischen Büchern, wurde nach der Stilllegung von Salzbergbau und Saline Hallein 1989 zum Salzbergbau-Dürrnberg-Steigerhaus überstellt. Die „Truhe”, eine große versperrbare Eisenkiste aus dem 19. Jahrhundert, birgt wichtige Schriften, Urkunden, Verträge und Dokumente. Die Betreuung und Aufsicht hat ehrenamtlich ein Salinenpensionist inne. Durch den vorgesehen Abbruch des Steigerhauses im Jahre 2003 läuft die Salinen-Bruderlade wie die des Bergbaues Gefahr, aufgelöst oder verbracht zu werden.
Die Vorläufer eines Bruderschaftswesens beginnen in vorchristlicher Zeit bei Römern wie Germanen. Besonders die christlichen Toten-Bruderschaften hatten ihre Vorbilder in der heidnischen Antike. Im römischen Altertum entstanden Korporationen, die das Begräbnis der Verstorbenen zum Hauptziel ihrer Tätigkeit gemacht haben. Die Bestattung von Leichen und das Totengedenken können als menschliche Kulturleistungen angesehen werden. Einerseits zeigt sich darin die Individualisierung der Menschen, die als einzigartig und erinnerungswürdig angesehen werden, andererseits wird damit auch ein mehrstufiges Weltbild zum Ausdruck gebracht, das sich auf ein Transzendentes bezieht.
In der Ostkirche entstanden Frühformen von Bruderschaften im 4. Jahrhundert, das Totengedächtnis war dafür formgebend und kult-dynamisch wirksam. Das abendländische Mittelalter hat diese Entwicklung gesteigert (Gebetsverbrüderung als Vorstufe des Bruderschaftswesens). Die vielfach nach Berufen gegliederten mittelalterlichen Bruderschaften verbanden sich mit Gilden und Zechen, so dass religiöse, wirtschaftliche und soziale Interessen verbunden wurden.[1791]
Als Organisationsformen des städtischen Handwerks erschienen in Salzburg vor allem Zechen und Bruderschaften. Vorbild für sie war zweifellos die Salzburger Bürgerzeche, deren älteste Statuten aus der Zeit um 1100 überliefert sind.[1792]
Ein Spezifikum der kirchlichen Konfraternitäten (Bruderschaften) war ihre Ausstattung mit besonderen Gnaden. Ihnen waren privilegierte Altäre zugeordnet, die Mitglieder konnten Ablässe ihrer Sünden gewinnen, die den übrigen Gläubigen nicht in so reichem Masse zugänglich waren.[1793] Die baldige Erlösung aus dem Fegefeuer war wesentliches Interesse.[1794] Die katholische Kirche sieht im Ablass den Erlass einer zeitlichen Strafe vor Gott für Sünden, die hinsichtlich der Schuld schon getilgt sind – für die Lebenden in der Weise der Lossprechung, für die Toten in der Weise einer Fürbitte. Voraussetzungen für den Ablassgewinner sind u.a. Taufe, Freiheit von Exkommunikation und Erfüllung des vorgeschriebenen Ablasswerkes. Man unterscheidet bei den Ablässen verschiedene Arten: den vollkommenen und unvollkommenen Ablass sowie personen-, ding-, orts- und zeitgebundene Ablässe. So konnten etwa Rosenkränze, Kreuzwege oder religiöse Bilder, Altäre, Kirchen oder Wallfahrtsorte, aber auch Wochentage, Heiligenfeste, Jubiläen oder Bruderschaftsfeste mit Ablässen beteilt werden.[1795]
Die Wurzeln des Ablasses liegen in der ältesten Bußtheologie, die Buße als Voraussetzung zur Tilgung von Sünden ansieht. Diese Bußen wurden von der Kirche, mindestens vom 2. Jahrhundert an, unter Aufsicht genommen. Die ersten eigentlichen Ablässe entstanden im 11. Jahrhundert, für die Kreuzfahrer wurden gegen Ende des 11. Jahrhunderts die „Vollkommenen Ablässe” erstmals erteilt; ab Mitte des 15. Jahrhunderts dehnten sich päpstliche Ablassbewilligungen auch auf Verstorbene aus. Das Ablasswesen – besonders in seinen Ausartungen – war schließlich ein Ansatzpunkt für die Reformen Martin Luthers.
Das Konzil von Trient war die Antwort der katholischen Kirche auf die Reformen Martin Luthers, es sollte eine innerkirchliche Reform bewirken. Nach den Beschlüssen des Konzils von Trient 1562 und den nachtridentinischen Salzburger Provinzialkonzilien von 1569–1576 ist eine Bruderschaft – kirchenrechtlich gesehen – ein körperschaftlich verfasster Verein, der neben Werken der Frömmigkeit oder Nächstenliebe auch zur Mehrung des amtlichen Gottesdienstes beitragen will, z.B. durch besondere Andachten und Messen. Dadurch unterscheiden sich die Bruderschaften von anderen kirchlichen Vereinen. Die kanonische Errichtung einer Bruderschaft kann grundsätzlich nur durch ein förmliches Dekret des Ortsoberhirten in Kirchen, öffentlichen und halböffentlichen Kapellen geschehen sowie mit Zustimmung des Kapitels in Kathedral- und Kollegiatskirchen. Die Bruderschaft wird dadurch eine juristische Person im kirchlichen Bereich. „Eine Bruderschaft ist eine durch kirchliche Obrigkeit gebildete und geleitete Vereinigung von Gläubigen zum Zwecke besonderer, nicht schon aller gebotener Werke der Gottes- und Nächstenliebe”. Verwirrend ist, dass im Mittelalter eine Differenzierung zwischen religiöser und weltlicher Zielsetzung nicht vorgenommen wurde. Erst mit den tridentinischen Regeln für das Bruderschaftswesen werden nur noch kirchliche Vereinigungen als „Bruderschaft” bezeichnet.[1796]
Religiöse Bruderschaften waren seit dem Mittelalter aus dem kirchlichen Leben nicht mehr wegzudenken. Die kanonische Errichtung, die Ablassgewährung und Privilegierung durch den Papst brachten die Bruderschaften in ein enges Verhältnis zur Amtskirche. Allgemein waren in einer kirchlichen Bruderschaft Personen beider Geschlechter, aller Alters- und Berufsgruppen mit dem gemeinsamen Anliegen, für das eigene Seelenheil und jenes der Verstorbenen zu sorgen, vereinigt.[1797]
Durch die einzelnen Konfraternitäten mit ihren bestimmten Schutzheiligen und Gebetsmeinungen wurde das religiöse Leben der Mitglieder in genormte Bahnen gelenkt. Die Abwendung weiter Bevölkerungskreise von jenen Glaubensäußerungen, die von Martin Luther (1483–1546) und lokalen Reformatoren (für Dürrnberg: Josef Schaitberger) als verwerflich erachtet wurden, bewirkte auch einen starken Rückgang des Bruderschaftswesens. Erzherzogin Maria Theresia (1717 –1780; sie war ja nur als Ehefrau von Kaiser Franz I. „Kaiserin”) verfügte 1771 ein Verbot der Neuerrichtung von Bruderschaften, ihr Sohn Kaiser Joseph II. (1741–1790; ab 1765 römisch-deutscher Kaiser in Nachfolge seines Vaters; 1765–1780 Mitregent seiner Mutter für die habsburgischen Erblande) setzte das Reformwerk seiner Mutter teils für das gesamte Reich fort. Für das Erzbistum Salzburg erließ der Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo (1772–1803, als geistlicher und weltlicher Landesfürst) in den 1780er Jahren diesbezüglich einschneidende Beschränkungen. Durch diese Verbote kam es schließlich zu einem weitgehenden Erlöschen der Konfraternitäten, obwohl dies nur kurze Zeit wirksam war. Bereits im frühen 19. Jahrhundert kam es zu Neugründungen. So brachte das 19. Jahrhundert abermals eine Blütezeit des religiösen Vereinslebens. Zu allen Zeiten haben die Bruderschaften im Rahmen der katholischen Kirche neben ihrer Spiritualität soziale und karitative Aufgaben erfüllt, die nach den Reformen der Aufklärung auch von den an ihre Stelle getretenen neuen religiösen Vereinigungen wahrgenommen wurden. Damit waren Bruderschaften als Selbsthilfeorganisationen Vorläufer unseres heutigen Sozial- und Versicherungswesens.
Die Mitglieder mussten an Umzügen, Prozessionen und Begängnissen mit Kutte oder „Sack” und sonstigen Insignien und Requisiten teilnehmen und Bruderschaftszeichen (wie Ablasspfennige etc.) zum Zeichen der Verbundenheit öffentlich tragen. Weiters mussten sie an den jährlichen Bruderschaftsversammlungen mit rituellem Mahl und den vierteljährlichen Seelenämtern teilnehmen und die verstorbenen Brüder und Schwestern zu Grabe begleiten; dazu verlieh die Bruderschaft Bahrtuch, Kreuz und Kerzen und unterhielt das ewige Licht. Die Brudergelder, also Mitgliedsbeiträge, waren zu entrichten. Vorgeschrieben waren auch tägliche Gebete, etwa das tägliche Vaterunser für die Seelen im Fegefeuer. Wichtig war es, Almosen zu geben, die Armenversorgung zu unterstützen und das Armenhaus zu unterhalten.[1798] Jede Gilde, Zeche, Innung und Bruderschaft besaß Zechkreuze, Zunftabzeichen und führte das Siegel.[1799]
Leitung und Organisation
Diese Körperschaften wurden von eigenen Bruderschaftsvorständen verwaltet und erreichten manchmal im Laufe der Jahre ein ansehnliches Vermögen; andere verschuldeten sich hoch, um schöne Requisiten anzuschaffen.[1800]
Der Vorstand wurde in der Regel jährlich durch Wahl bestellt und setzte sich aus dem Zech- oder Brudermeister und gewöhnlich zwei Zechpröpsten zusammen. Die Bruderschaft besaß eine interne, begrenzte Strafgewalt. Die Beiträge (Brudergelder; Zechpfennige) wurden für wohltätige Zwecke, die Begräbniskosten der Angehörigen wie für Ausstattungen verwendet. Nachlässigkeit oder Widersetzlichkeit wurden mit Strafgeldern geahndet. Fremde Handwerker durften nur mit Bewilligung des Zechmeisters in der Stadt (Salzburg) das Handwerk ausüben und waren verpflichtet, an den religiösen Übungen teilzunehmen.[1801]
Typologie der Bruderschafts-Gerätschaften und Requisiten
Ein gewisses materielles Denken war den barocken Bruderschaften nach den Konventionen dieser Zeit eigen. So galten äußerer Prunk und Vermögen als Spiegelbild des religiösen Eifers. Die wichtigsten Ausstattungen waren: Kutte/Sack (Prozessionsmäntel), eventuell Skapulier, Gürtel oder andere Bruderschaftszeichen, Rosenkränze und andere Gebetshilfen – Gegenstände, die sich reichere Mitglieder selbst bezahlten und die für ärmere Mitglieder angekauft und verliehen wurden. Stäbe, Stangen, Laternen, Bilder, Heiligenfiguren, Tort(sch)zen (spezielle große Fackeln bzw. Leuchterkerzen), Kerzenleuchter und Fahnen dienten der prunkvollen Ausstattung der Bruderschaftsandachten und ihrer Selbstdarstellung in den Prozessionen. Bruderschaftsaltäre oder Kapellen wurden oft prächtig ausgestattet. Auch für den Bruderschaftsgeistlichen wurden häufig eigene Messgewänder, Messkelche und Monstranzen angeschafft. Kreuze, Bahrtücher (bei großen Bruderschaften auch Trauergerüste) und Leichenkerzen dienten der würdigen Aufbahrung und Beerdigung der Mitglieder. Opferstöcke, die Sammeltafel- (die „Tafelsammlung” galt als verpflichtender Beitrag und wurde auf der Tafel vermerkt) Kassen, Kapitalbücher, Inventar- und Stiftungs-Verzeichnisse machten das finanzielle Gebaren der Bruderschaften aus. Die Bruderschaften lebten von Stiftungen, aus deren Kapitalerträgen laufende Zahlungen beglichen wurden. Päpstliche Bullen, Errichtungsurkunden, das Bruderschafts-Siegel, ein Bruderschaftsbuch als Mitgliederverzeichnis und Tagebuch machten das Rechtsleben aus; Informations- und Gebetszetteln sowie Instruktionsbücher für die Mitglieder vermittelten die Ziele und Anliegen.[1802]
Im Raume Hallein-Dürrnberg überwiegen die Berufsvereinigungen am Sektor der Bruderschaften; es gab die Bstehholzer-, Pfannhauser-, Kueffer-, Trager-, Schliesser-, Fuedertrager-, Schiffer- und Knappen-Bruderschaft.
Die Pfannhauser-Bruderschaft (Hallein) – Salzkufenbinder-Bruderschaft:
Sie wurde 1347 gegründet; aus ihr entwickelte sich um ca. 1470 die „Kleizler-Innung oder Bruderschaft” (Salzkufenbinder). Stiftsbriefe sind von 1347, 1365, 1454 erhalten. 1776 errichtete die Pfannhauser-Bruderschaft einen Bruderschaftsaltar in der Halleiner Kirche. 1904 wurden zwei Zechkreuze der ehemaligen Kleizler- und Pfannhauser- Innung an eine nicht bekannte Institution um eine billige Entschädigung veräußert (vermutlich war es das k.k. Hofmuseum oder Kultusministerium in Wien). Das Datum der Auflassung dieser Bruderschaft ist unbekannt.
Die Kueffer-Bruderschaft (Hallein):
Das Gründungsjahr ist unbekannt, jedoch dürfte es in das 13. bis 14. Jahrhundert zurückreichen. Erwähnung findet die Bruderschaft 1617 in „Ordentliche Beschreibung des ganzen Halleiner Salzwesens ... vom Jahre 1617”: „Das Salzsieden/Pfieselarbeit und Abgabe des Frei- und Gnadensalzes: ... Von solchen den Klöstern abgegebenen Salz gibt man in die Küfer-Bruderschaft 16 Kreuzer.” 1776 errichtete die Kueffer- Bruderschaft in der Halleiner St. Antonius Kirchen einen Seitenaltar. Aus der Zeit um 1520/40 wird von einem Siebenjahrtanz der Halleiner Küfer berichtet, der 1996 wieder aufgenommen wurde. Erhalten ist die Melodie des Tanzes, die Franz Kirnbauer, Leoben, für die „Leobener Grünen Hefte” aufgezeichnet hat.
Der Schiffer-Fond Hallein:
Der Schiffer-Fond Hallein besteht laut dem Bruderladenbriefe vom Jahre 1440 und einem solchen vom „Allerseelentag des 1507-ten Jahrs” schon seit jenen Zeiten „ze erhalt und förderung des Gottesdienstes auch den armen erkrankten Schöffleiten (Schöffährtlern, Flößer) und anderen gemainen Schöffleuten zu Hilf und Handtraichung”. Zu diesem Zwecke hatte die Schifferlade „den 10. Teil vom Salztransporte zu genießen”, erhielt also eine öffentliche Subvention. Damit die „alten abgearbeiteten Schiffleute” eine Zuflucht hatten, wurde jederzeit „ihren zweyn aus der Bruederschaft, bei denen die Noth und Armuth am größten, die Pfründt im hiesigen (Bürger-)Spital erkauft und davon jährlich in berürts Spittal 5 fl. zu raichen verwilligt ”. Ab 1719 erhöhte man diese Einzahlung für zwei Freiplätze im Bürgerspital (das ist das Altersheim) auf 10 Gulden.
Zwischen der Halleiner und der Laufener Schiffergilde gab es heftige und lang andauernde Streitigkeiten „wegen Gewerbstörung”, die zu einem – vom 26. November 1774 datierten – Hofkammerbefehl führten, der den Schiffleuten in Hallein und Laufen „genauist eingprägt”, dass sie sich „von allem unanständigen Betragen, besonders von Tätlichkeiten gegen einander” enthalten, sich vielmehr eines „vertraulichen Wandels und guter wechselweiser Verständigung befleißen” sollen, welche „über sie beiderseits mehr Segen, als der stäte Haß und Neid ausbreiten wird”.
Durch einen Kaufvertrag vom 25. Juni 1860 ging das Fischereirecht „von der Grenze (Weißenbach) des Gollinger Bezirkes durch die ganze Flußbreite bis zur Salzburger Grenze beim Unterprähauser zwischen den Gemeinden Thurnberg-Puch einerseits und Taxach andererseits mit Ausnahme der den Sigmundskanal und Griesrechen bildenden Parzellen Nr. 540 und 541” in das vollständige Eigentum der Schiffer-Innung über. So konnten die Rechte verpachtet und Einnahmen erzielt werden.
Als im Jahre 1830 in Österreich die Schifffahrt freigegeben wurde, erlosch das Vorrecht der Schiffer-Innungen. Schon 1816 hörte die Bedeutung der Halleiner Schiffer als „Salzkammergutschiffleute” auf und die Regierung lehnte die weitere Verwaltung dieser Bruderschaften ab, die ihre Hilfskasse aus den Auflagegeldern der Brüder und aus den Naufahrtsgeldern (die Fahrt mit den beladenen Salzschiffen salzachabwärts, Richtung Salzburg) schuf. In Hallein mussten dazu auch die Schiffsmeister beitragen, die seit 1774 selbstständige Unternehmer waren und seit 1796 einen einträglichen Gipshandel betrieben. Bezüglich des Schiffer-Fonds selbst einigte man sich am 1. Jänner 1873 unter dem Bürgermeister Andrä Hintner zu folgendem Übereinkommen: Der Fond verbleibt zugunsten armer, arbeitsunfähiger Schiffer, ist unangreifbar und fruchtbar anzulegen durch Darlehen auf Grund und Boden. Sollte die Vorstehung der Schiffer- Innung in Hallein das, am 19. Februar 1846, zugewiesene Bayrhammersches Stiftungskapital (private Stiftung) aufkünden, muss sie dazu die Zustimmung der Stadtgemeindevorstehung in Hallein einholen. Die Verwaltung des Stiftungsfonds sollte der Stadtgemeindevorstehung in Hallein zustehen, damit arme und arbeitsunfähige Schiffer von Hallein und deren Familien nicht der Gemeinde zur Last fallen. Von den Zinsen waren die Auslagen abzuziehen, danach musste die Gemeindevorstehung Hallein die zu beteilenden Schiffer anerkennen. Beim Tod von „Innungsmitgliedern und deren leiblicher Nachkommen” geht das Kapital in das volle Eigentum des Stadtarmenfonds von Hallein über.
Seit jener Zeit werden auch die Fischereirechts-Pachtverträge durch die Stadtgemeinde vorgeschrieben und abgeschlossen. Ferner wandelte man die zwei Schiffleut-Pfründen laut Gemeindeausschussbeschluss, vom 4. September 1891, in eine Pfründe um, wofür jährlich 25 Gulden bzw. 50 Kronen in das Bürgerspital einzuzahlen sind, „so lange als noch Schiffer und Schiffersabkömmlinge am Leben”. Das reine Vermögen des Schiffer-Fonds betrug mit Ablauf des Jahres 1910: 15.217 Kronen, 73 Heller. Der Fonds wurde 1911 aufgelassen.[1803]
Einst war St. Nikolaus (z.B. Nikolauskirche in Oberndorf) Patron der Schifferzechen; unter Erzbischof Franz Anton von Harrach (1709–1727) wurde er durch den Patron Prags und den Flussheiligen der Österreichischen Länder, den heilige Johann von Nepomuk, ersetzt.
Die Fuedertrager-, Allerseelen- oder Schwarze-Bruderschaft (Salzträger-Bruderschaft):
Die Bruderschaft der (Salz-)Fuderträger wurde 1397 gegründet.[1804] 291412 stiftete „Ulrich der Stör, Burger ze Hellein, den Fudertragern zu dem Hällein in ir Zech und Pruderschaft ein Pfund Pfennig „ewiges Gebet auf sein Bürgerrecht, Haus und Hofstatt”.[1805] Im Jahre 1660 erscheint zum ersten Mal der Name einer „Allerseelen- Bruderschaft”, die aber laut Protokoll- und Bruderschaftsbuch schon „sub anno 1397 den nechsten Pfinztag nach St. Erhardstag unter dem Titel und Namen der Fudertrager- oder Schwarzen-Bruederschaft” bestand.[1806]
Der Zweck dieser Bruderschaft war in erster Linie das Begräbnis der Mitglieder: „So einer stirbt, soll man ihm leihen Bartuch [Anm.: für Aufbahrung und Begräbnis], Kreuz und Kerzen, als so viel er begehrt, unentgeldlich.” Die „Brüeder” mussten die Verstorbenen in ihren schwarzen „Säckhen (Kutten) auf den Freythof” begleiten.
Unter der überaus großen Zahl der Stiftungen für Seelenämter und kirchliche Handlungen zu unserem „St. Anthony (Eremit)-Gotteshaus” (Hallein) sei jene vom 3. Februar 1706 durch den Ratbürger, Gastgeb (Wirtes), Bierbräu und Stadtkammerer Michael Haidenthaler erwähnt, der 225 fl. zur „Bruderschaft” und 195 fl. zur „Kirche” widmete, damit auf ewige Weltzeit allen Bürgern in und außerhalb Halleins das „gewisse Glöggl” (Zügenglöcklein) in ihrer Sterbestunde geläutet würde.
Nach „altherkömmlichen Gebrauche” war beim Ableben eines Bürgers oder einer Bürgerin „im Rücken des Grabes” an der Friedhofsmauer durch vier Wochen ein großes schwarzes Tuch mit weißem Kreuze befestigt und bei Tage dort auch ein Weihbrunnkessel beigestellt. An jeder Ecke des Tuches befand sich ein Totenkopf und dann die Jahreszahl des Ablebens mit den Anfangsbuchstaben des Bürgernamens.
Unter den Stiftern von Seelenmessen sind auch u.a. die Namen: Albert Fuerthueber, Ratsburger, Gastgeb und Pierpew (Bierbrauer); Christian Püchler (1700); Georg Triempacher, Holzwarenverleger, der ehrengeacht junge Gsöll Joseph Walch (mit 1.000 fl.) usw. vermerkt.
Während sich diese zu ihrer Verehrung mit Papier und Pergament begnügten, ließ Rueprecht Riedler eine Marmortafel anfertigen (an der Außenwand des St. Peterskirchleins, rechts), deren Inschrift vom 22. Juni 1670 Folgendes sagt und als Beispiel für Ausdrucksweise und Gedankengut jener Zeit stehen soll: „Gott dem Allmächtigen, Vatter, Sohn und heulliger Geist, dann der Allerheiligsten Jungkhfrau Muetter Gottes Maria, Allen lieben Heiligen und Auserwählten alß der löbl. Allerchristgläubigen Seelen Bruderschaft alhie zvm Hällein Verwalter und Getrautt geborene Widmanin, seine eheliche Hausfraw, zv Trost deren beiden und allen Lieb Christgläubigen Seelen zu erledigung deroselbigen auß der zeitl. Straff und Peun des Fegfeuers, peu dem würdigen Sankt Anthony Gotteshaus (alß St. Ruperti im Herbst vnd zv Ruperti in der Fasten) zwey heillige Selambt zu halten gestift”.[1807]
Die Bstehholzer-Bruderschaft (Handwerks-Bruderschaft):
Sie wurde am 10. Oktober 1401 gegründet und später in Fronleichnams-Bruderschaft umbenannt. Ihr Auflassungs-Datum ist unbekannt, so können wir annehmen, dass sie 1883 mit dem Generalverbot erfolgte – das gilt auch für alle folgend genannten, unbekannten Auflassungen. Ein Schuldbrief von 1692 ist auf die „Corporis(-Christi-)Bruderschaft” ausgestellt.[1808]
Die Skapulier-Bruderschaft: Gegründet 1617. Auflassung unbekannt.
Die Rosenkranz-Bruderschaft: Gegründet 1704. Auflassung unbekannt.
Für die Trager-Bruderschaft und die Schliesser-Bruderschaft sind Gründung und Auflassung unbekannt. Beide scheinen frühe Berufsverbände gewesen zu sein, die wohl im 17. Jahrhundert in eine der nachtridentinischen Bruderschaften übergeführt worden und mit diesen 1783 aufgehoben worden sind.
Die Pfannhauser – religiöse Stiftungen einer Berufsgruppe
Bereits am Lichtmesstag 1347 (2. Februar) stifteten „die Pfanhauser” von Hallein als wichtige Berufsgruppe der Salzsieder, da sie wegen ihres Berufes weder an Feiertagen noch täglich zur Kirche gehen konnten, als Hilfe und Trost ihrer Vorfahren und Nachkommen eine tägliche Messe auf ewige Zeiten, die der Pfarrer von Hallein halten sollte. Die Messstiftung wurde von Erzbischof Ortolf und von Abt Otto von St. Peter am 31. Jänner 1347 genehmigt und von Erzbischof Ortolf am 21. Juli 1365 bestätigt (erneuert). Dafür stiften sie dem Pfarrer den wöchentlichen Lohn aus jenen Salzfudern, die „Protfudern” heißen. Die Arbeiter zu Täking, die bis dahin aus ihren Brotfudern eine Kerze unterhielten, „die man trayt vor Gotes Leichnam in der stat” (offenbar eine Kranken- und Sterbesakraments-Begleitung), und die Pfannhauser „in dem Obern Hof” stifteten ebenso mit. Neben der Messe sollte der Pfarrer am Freitag und Samstag vor dem Palmsonntag den Pfannhausern die Beichte abnehmen, an deren Hochzeiten teilhaben und die Begräbnisse durchführen. Weiters sollte an den Quatember-Freitagen eine Seelenmesse gelesen und der Stifter gedacht werden. Dem Mesner wurden alle Quatember 60 Pfennige für die Mehrarbeit gegeben.[1809]
Am 27. April 1365 erneuerte die Bruderschaft die Stiftung, daraus geht hervor, dass die Quatemberämter (vierteljährlichen Seelenmessen) als Chorämter an Donnerstagen gehalten wurden. Für diese Quatemberämter erhielten die vier „Gesellen” (Messdiener oder Schüler) je 24 Pfennige, der Schulmeister (vermutlich für die Musik) 16 Pfennige und der Mesner 8 Pfennige. Die Urkunde enthält eine Strafzahlung von 8 Gulden und die Aberkennung der Salzfuder für den Pfarrer, sobald er mehr als zwei Messen versäumt.[1810]
Am 8. August (Donnerstag nach St. Oswald) 1454 stifteten die Pfannhauser eine jährliche, gesungene Seelenmesse für „Jörgen den Schugner”, der am Sonntag vor „St. Jakob im Schnitt” (24. Juli, Erntezeit) in der Salzach unterging, als Erzbischof Sigmund die Stadt Hallein befreite. In diesem Jahr hat allerdings kein Krieg stattgefunden und auch der 1454 wieder aufgehobene „Seckauer Kompromiss”, ein Salzhandelsabkommen zwischen Berchtesgaden und Salzburg von 1449, führte zu keinen kriegerischen Handlungen.[1811]
Bei dieser Gedenkmesse sollten jeweils vier Kerzen brennen und Kreuz, „Phell” (lat. Haut = pellis; nnd. Pelle = Schale; vielleicht könnte das Bahrtuch gemeint sein) und Bahre (also ein Katafalk) der Bruderschaft in der Kirche aufgerichtet werden. Dafür wurden für den Kaplan und die Schüler (Lateinschüler in der Funktion von Ministranten, Kirchendienern und Sängern) jährlich 60 Pfennige ausgesetzt.[1812]
Am 19. November („Sand Elspeten tag”) 1454 stiftete der Halleiner Bürger Walthasar (sic) Kämerl mit seiner Hausfrau der Pfannhauser-Bruderschaft ein jährliches Erträgnis aus seinem Grundstück. Die Stiftung bestand noch (mit einem jährlichen Ertrag von 25 Kreuzern in „Konventionalmünze Wiener Währung d.i. CWW”) am 31. März 1834, als sie ins städtische Grundbuch (IV. Viertel, Folio 245) des k.k. landesfürstlichen Pfleggerichtes Hallein „intabuliert”, also übertragen wurde.[1813]
Der Röggelbrot-Fond
An Sozial-Fonds ist die wöchentliche „Röggelbrotbeteilung für arme Knappen, Pfannhauser und Kinder” zu erwähnen. Wann dieser Fonds für arme Bergknappen und Salzarbeiter samt deren Familien, Witwen und Waisen gestiftet wurde, ist unbekannt, er bestand bereits 1692 (Beteilung um 1716 Gulden im Jahr) und wurde 1919/20 aufgelassen. Das Röggelbrot (Schwarzbrot aus Roggen gebacken, Gewicht: 63 Dekagramm) für Arme wurde bis 1919 auf Kosten der Saline Hallein wöchentlich ausgefolgt. 1919 wurden am Dürrnberg 17 Personen mit 166 Laib Brot, in der Sudhütte und Forst 16 Personen mit 250 Laib Brot und Schulkinder mit 108 Laib Brot versorgt. Das ergibt eine Summe von 524 Laib Brot.[1814] Als diese Gabe im Jahre 1909 eingeschränkt und 1920 eingestellt wurde, gab es ernsthafte Demonstrationen.[1815]
„Unserer Frauen Bruderschaft”, die älteste Knappen-Bruderschaft
Diese Marien-Bruderschaft wurde vermutlich im 14. Jahrhundert errichtet. Sie wurde 1518 als die „alte Bruderschaft” bezeichnet und wurde offenbar durch die Knappen- Bruderschaft abgelöst. An sie erinnert noch eine Reliefplatte in der Starzenbachschlucht am Dürrnberg, deren Text darauf hinweist, dass Wenzel Maschawer, Pfleger zu Hallein, 1518 einen Röhrenbrunnen anfertigen ließ, den er der alten „Unser Frawen Bruderschaft” stiftete. Offensichtlich ist diese Marien-Bruderschaft schon vor 1518 in ihrer Bedeutung durch die Knappen-Bruderschaft abgelöst worden und dann langsam zugrunde gegangen. Die Stiftung des Pflegers an die „alte” Bruderschaft ist Indiz dafür, aber ebenso ein Hinweis darauf, dass der Pfleger (als erzbischöflicher Amtsträger) in jedem Falle katholisch war. Weiters ist aus dieser Stiftung wie aus der Tatsache, dass die Knappen-Bruderschaft keinen Heiligen als Patron führt, zu vermuten, dass die Knappen-Bruderschaft eine (krypto)protestantische Vereinigung war, wie Ulrike Kammerhofer-Aggermann feststellt. 1732 emigrierten 780 Dürrnberger Protestanten, der Knappenstand wurde dadurch empfindlich reduziert.[1816] Interessant an dieser Gebarung ist, dass die Knappen offenbar aus der gewohnten Form der (katholischen) Bruderschaften die Form des Zusammenschlusses und Sozialverbandes übernahmen, aber alle von den Protestanten abgelehnten äußeren Zeichen der Frömmigkeit, der Andachten wie die Heiligenverehrung nicht in die Knappen-Bruderschaft übernahmen. Volkskundlich ist daran bedeutsam, dass sozialisierte und anerzogene Verhaltensformen in neue Denk- und Lebenssphären übertragen und anderen Umständen angepasst wurden. Die protestantische Geisteshaltung der Knappen-Bruderschaft wird auch in der unten angeführten Einforderung der Bruderschaftsgelder bei der Ausweisung 1732 sichtbar.
Die Knappen-Bruderschaft, eine protestantische Abspaltung
Die Gründungszeit der Knappen-Bruderschaft ist unbekannt; liegt vermutlich aber in der Zeit der ersten protestantischen Einflüsse auf dem Dürrnberg – im frühen 16. Jahrhundert. 1517 fand der so genannte Anschlag der Thesen Luthers in Wittenberg statt, 1534 erschien die erste deutsche Bibelübersetzung von Martin Luther (1483–1546). Wesentliche Erwähnungen der Knappen-Bruderschaft finden sich zwischen 1607–1746, also in der Blütezeit der Bruderschaften, die Auflassung dürfte um 1780 mit dem Verbot der Bruderschaften erfolgt sein. Auffällig an dieser Knappen- Bruderschaft ist, dass sich in dieser frühen Zeit keine Patrone und Patrozinienfeste, keine Wallfahrten oder Seelgerätsstiftungen finden, dass also all jene Aktivitäten fehlen, die die lutherische Reform anprangerte.
Über die Rechnungsbücher hinaus wissen wir, dass die Knappen 1556 eine Fahne erhielten, dass 1586 eine neue Bergfahne um 114 Gulden angeschafft wurde (vgl. Jahreslohn des Bergförsters: 16 Gulden) und dass 1670 Erzbischof Max Gandolph dem uniformierten Knappenchorps eine neue Fahne stiftete und weihte, die bei den Aufzügen am Fronleichnamstag (in Hallein) und beim Knappenfest Verwendung fand.[1817] Die Fahnen waren offensichtlich auch Versuche, das katholische Bewusstsein der Knappen zu fördern.
Die Vermutung, dass die Marien-Bruderschaft der Vorläufer der protestantisch inspirierten Knappen-Bruderschaft war, ist auch durch weitere Fahnenspenden zu begründen. Die 1750 von Fürsterzbischof Andreas Jakob von Dietrichstein gestiftete Zunftfahne der Bergknappen zeigt auf der Reversseite die Knappen unter dem Patronat der „Lieben Frau” vom Dürrnberg und auf der Aversseite die Landespatrone Rupert und Virgil. Die Wallfahrtskirche auf dem Dürrnberg ist ja „Zu unserer lieben Frau” geweiht (1347 urkundlich) und auch ihre Baugeschichte ist ein Zeichen tätiger Gegenreformation. Der heutige Bau wurde im Wesentlichen zwischen 1594 und 1612 errichtet (Weihe 1614) und Umbauten wurden zwischen 1729 und 1732 vorgenommen. Auch eine schöne neue Kirche sollte also den lutherisch gesinnten Knappen die katholische Religion wieder schmackhaft machen. Die dort ansässige wichtigste Berufsgruppe hätte kein anderes Patronat als das der heiligen Maria annehmen können. Der heilige Rupert als Landespatron und Schutzpatron der Bergleute stellt erst ein zusätzliches Patronat dar.[1818] 43 Eine Gnadenstatue der (stehenden) gekrönten Maria von 1627 (Gugitz) existiert heute ebenso wie jene der auf Wolken thronenden, sternenbekrönten Maria von 1612 (Dehio).[1819]
Die Knappen-Bruderschaft unterhielt eine Bruderlade. Koch-Sternfeld berichtete 1816 darüber: „Diese Institute, so alt als der Bergbau, sind bestimmt, Alten, Gebrechlichen, Weibern und Kindern gewöhnliche Zuschüsse, allen außerordentliche Hilfe zu leisten.”[1820]
Derzeit noch ungeklärt ist eine Kirchenausstattung der Knappschaft: sie soll, nach den von H. F. Wagner herausgegebenen Auszügen aus Dürrnberger Akten, 1607 ein Glasfenster (das Drahtgitter und 50 Scheiben waren zerbrochen) ersetzt haben, das ein Jahr zuvor bei einem Einbruch in die Kirche zerbrochen worden war. Welche Kirche dabei angesprochen wird, ist unklar, denn „von uralten Zeiten her” soll das Fenster in der „St. Nikolaus-Stein-Kirchen” bestanden haben. Wagner vermutet, dass es sich um die Nikolaus-Kirche in Stein an der Donau handelt, was zu unwahrscheinlich klingt.[1821] Dafür hätten die Knappen eine mehrtägige Schiffsreise über Salzach, Inn und Donau unternehmen und zwei fremde Länder (Bayern und Österreich) bereisen müssen. Die nächstgelegene Nikolauskirche jener Zeit wäre St. Nikolaus in der Torren bei Golling (urk. 1444, Weihe 1517) gewesen, wie Ulrike Kammerhofer-Aggermann feststellt. Sie steht ausgesetzt auf einem steil abfallenden Konglomeratplateau, also einem „Stein”, ihre Außenkanzel (1677) weist auf regen Wallfahrtszustrom hin. Votivtafeln und Mirakelbilder aus dem 18. Jahrhundert sind erhalten, die wesentlichen Votivmeinungen waren Wassergefahren und Viehkrankheiten. Auch eine barocke Statute des heiligen Nikolaus in der Kapelle von Schloss Golling weist auf Nikolausverehrung hin. Der heilige Nikolaus war europaweit im Mittelalter Patron des Gewerbes in Zusammenhang mit Wasser und der Bergleute.[1822]
Aktivitäten der Knappen-Bruderschaft erfahren wir aus den Bruderschaftsrechnungen – H. F. Wagner hat sie 1908 für die Dürrnberger Chronik zusammengestellt.[1823] 1609 wurden für den Schwerttanz ein Gulden und 10 Kreuzer ausgegeben, 1625 scheinen in der Bruderschaftsrechnung Ausgaben für ein neues Bahrtuch auf und für die neue Deckung der Hütte am Fieberbrunn. Das Fieberbrünndl im nahe gelegenen Abtswald galt als Heilquelle und wurde oft von Wallfahrern aufgesucht. Diese Heilquelle wurde also, wie der Brunnen in der Starzenbachschlucht, von der Bruderschaft erhalten. Das Vermögen der Lade betrug damals 135 Gulden. 1640 stand es um die Knappen- Bruderschaft offenbar schlecht, denn auf ein Ansuchen hin wurden ihr fünf bis sechs Pfund Wachs bewilligt. 1660 und 1661 erzielte die Bruderschaft 10 Gulden Gewinn aus dem Wachsverkauf. Zu jener Zeit war es üblich, die Reste heruntergebrannter, eigener wie gestifteter, Votivkerzen wieder an den Wachszieher zu verkaufen. Ebenfalls 1661 stiftete der Brudermeister Thoman Fischer 10 Gulden für eine neue Turmuhr.[1824] 1665 wurde den „Brudermeistern und Bergraittern” eine Entlohnung für die Rechnungsführung gewährt.[1825] Die „Türnbergischen Knappen-Bruderschafts- Rechnungen” von 1669–1734 sind mit geringen Fehlbeständen erhalten.[1826] 1671 wurden die Bruderschaftsbeiträge erhöht und 1675 suchten die „Türnbergische Holzleuthe Land Berchtesgaden” um Erlass der erhöhten Beiträge an.
1676 wurden die beiden Vortragengel – sie sind heute noch erhalten – vom Halleiner Ferdinand Mayrhofer um 10 Gulden renoviert. 1733 erhielt die Knappen-Bruderschaft von der Hofkammer die Aufforderung ihre Rechnungen vorzulegen, es begann also die Zeit der katholischen Restauration und der Kontrolle der Bruderschaften. Vermutlich war das eine Reaktion auf das Ansuchen der Dürrnberger Emigranten von 1732, die sich das Bruderschaftsvermögen von 2.967 Gulden ausbezahlen lassen wollten.[1827] Das wurde sichtlich nicht gewährt, sondern das Vermögen der protestantischen Bruderschaft zur Gründung einer katholisch restaurativen verwendet. Denn 1733 erhielt die Knappen-Bruderschaft die Aufforderung, dass sie zur Gründung der Skapulier- Bruderschaft (der Karmeliter) 200 Gulden aus ihrem Vermögen auf 10 Jahre unverzinst verleihen sollte. Die Skapulier-Bruderschaft ist als eine gegenreformatorische Maßnahme zu sehen, die dem Kryptoprotestantismus der Bergleute begegnen sollte. 1746 stellte das Bergamt eine Übersicht über das Vermögen und die jährlichen Ausgaben der Knappen-Bruderschaft zusammen.[1828]
Wie hoch sich ganze Bruderschaften, aber auch einzelne Bürger mit Stiftungen für Messen, Ausstattungen und Prunkgegenstände verschuldeten, geht aus einem Übergabevertrag vom 25. Jänner 1774 hervor: Hanns Eisl übergab sein Gut am Dürrnberg an seine Tochter Anna Maria Eislin gegen einen Austragsvertrag (Altersversorgung). Der Wert des Gutes machte 800 Gulden aus, doch war es mit hohen Schulden belastet: 400 Gulden an die Knappen-Bruderschaft und weitere in der Höhe von 40 Gulden. Das Barvermögen von 360 Gulden behielt sich der Übergeber als „Zehrpfennig”.[1829]
Um 696 kam der fränkische Mönch und Missionar Rupertus von Worms nach Iuvavum, dem heutigen Salzburg, und gründete die Mönchsabtei St. Peter. Nachdem ihn der bayerische Herzog Theodo mit Soleschöpf-Gerechtsamen (Rechten) in Reichenhall belehnt hatte, wurde der heilige Rupert später zum Landespatron von Salzburg sowie zum Schutzheiligen der Berchtesgadener und Dürrnberger Knappen sowie der Salinenarbeiter von Bad Reichenhall, Berchtesgaden, Traunstein, Rosenheim, Hall in Tirol und Hallein. Im gesamten Mittelalter wurde er im Salzburger Einflussbereich zum wesentlichen Bergbaupatron.
1677 errichtete Fürsterzbischof Max Gandolph zu Ehren des heiligen Rupertus in Seekirchen ein Kollegiatstift. Dazu mussten andere Kirchen und Bruderschaften beitragen, etwa die Halleiner Kirchen und Bruderschaften 750 Gulden. Die Bruderschaft zum heiligen Rupert am Dürrnberg wurde am 9. Jänner 1745 von Papst Benedikt XIV. genehmigt und mit zehn Ablässen (am Rupertitag ein vollkommener) ausgestattet und am 9. August 1745 mit Bestätigung von Erzbischof Jakob Ernst von Liechtenstein errichtet. Sie hatte bei der Gründung 368 Mitglieder (Einschreibgeld 1 Gulden pro Person) und stellte die wesentliche Rekatholisierungsaktion für die Bergknappen dar.
Vom Landesfürsten begründet und unter den Schutz des Landespatrons gestellt, sollten wohl die für den Reichtum des Landes so wichtigen Bergknappen dem Land, dem Fürsten und der katholischen Kirche besonders verpflichtet und unterstellt werden. 1837 – nach dem Colloredoverbot von 1784 – wurde die Bruderschaft wieder errichtet und 1894 endgültig aufgelassen.[1830] Der Bruderschaftsverwalter, Bergmeister Johann Lindtner (2. Verwalter war Bergmeister Wolf Kurz), verzeichnete 1745 die Summe von 116 Gulden frommer Stiftungen zur Errichtung der Bruderschaft. Der Bruderschaft gehörten alle geistlichen und weltlichen Amtsträger am Dürrnberg in Hallein, die Wirte sowie die Knappen mit ihren Frauen an. Am Fronleichnamsfest des Gründungsjahres trug die Ruperti-Bruderschaft die „Rupertus-Statue” in der Halleiner Prozession mit, denn Dürrnberg war noch keine Pfarre und hatte daher keine eigene Fronleichnamsprozession. Zum (Salven-)Schießen kaufte die Bruderschaft drei Pfund Pulver. Bei der Rupertiprozession, am 24. September, wurde die Statue ebenfalls mitgetragen, dafür erhielten die Träger einen Gulden. Zumindest im äußeren Erscheinungsbild war der Dürrnberg damit wieder katholisch geworden. 1746 wurden 304 neue Mitglieder aufgenommen, 1747 weitere 121, 1748 dann 98 und 1749 schließlich 108 Personen und weiters bis 1894 ein Großteil der Bürger. Damit wurde die Ruperti-Bruderschaft zu einer den gesamten Dürrnberg und Hallein umfassenden Organisation.
Das Hauptfest war das Translationsfest des heiligen Rupert, am 24. September; weitere Feste: der Todestag des Heiligen (27. März), Mariä Verkündigung (25. März), Mariä Himmelfahrt (15. August) und Mariä Opferung (21. November). Die vielen Marienfeiertage weisen einerseits auf das Patronat der Dürrnberger Kirche wie auf die katholische Betonung der Bruderschaft hin.
Der Halleiner Maler Jakob Schemberger bemalte die Rückwand der Prozessionsfigur 1763 neu. Heute ist in der Pfarre laut Dehio eine „kleine Figur des heiligen Rupert” erhalten, vielleicht ist sie die einstige Prozessionsstatue. Keinesfalls ist sie mit der großen Konsolfigur des heiligen Rupert zu verwechseln, der sechs Bergleute unter seinem Schutzmantel beherbergt, die heute in der Kirche steht. Diese könnte Rest des Bruderschaftsaltares sein, welcher der Bruderschaft 1745 auf der Evangelienseite (links) zugewiesen wurde. Diese Statue wurde um 1740/50 angeschafft.
Der Tafelsammler Josef Schemberger besorgte 1745 die Bruderschaftsgewänder und „andere Notwendigkeiten”, er richtete für die Festlichkeiten die Tragstatuen und andere Ausstattungen mit dem Bruderknecht Johann Paumann her.
Der Samstag war der Tag der Bruderschaftsmessen. Das Statut schrieb Beichte und Kommunion für die Aufnahme vor, das tägliche Beten von Vaterunser und Ave Maria, das öffentliche Tragen des Ablasspfennigs, die Teilnahme an der Prozession am Herbstruperti (24. September) und die Teilnahme an den folgenden Andachten für die Verstorbenen: der Gottesdienst am Einsetzungstag (9. Jänner); die Quatembermessen, die an Bergfeiertagen zu halten waren (auch damit sollten Kirche, Fest und Beruf verquickt werden); die Märzrupertimesse (27. März) für die Stifter der Bruderschaft und die Seelenmesse nach dem Tod eines Zugehörigen. Auch die besonderen Gebetsmeinungen der Bruderschaft wurden gegenreformatorisch verfasst: „für die christlichen Machthaber um Einigkeit” und um die „Ausrottung der Ketzerei”.
Neben den Jahresbeiträgen nahm die Bruderschaft Gelder aus dem „Opferstöckl” ein, das während der Messen auf dem Altar stand, dann aus den Tafelsammlungen während der Messen sowie aus dem „Extra-Empfang” der frommen Spenden. Ausgaben erfolgten für Gottesdienste, Bruderschaftszettel, für Bruderschaftspfennige aus Messing und Silber. 1745 verblieben nach Anschaffung der wichtigsten Dinge 209 Gulden Kapital, die auch verliehen wurden.
Aus den Bruderschaftsakten erfahren wir, dass im ersten Bestandsjahr 21 Mitglieder starben. 1755 kaufte die Bruderschaft zum Jahrtag für die Kreuzfahnenträger (das Wort verweist auf ein großes mehrstangiges Labarum) und die Torzenträger (große Tragkerzen bzw. -fackeln) – insgesamt sieben Personen – weiße Kleider und verschiedene Zubehöre an. Tambour und Pfeiffer wurden für die Prozession entlohnt. Offenbar wurden die Kutten im St. Georgskloster in Hallein verwahrt (1756).
Die Bruderschaft unterstützte aber auch die Bauten im Ort: 1770 steuerte sie 19 Gulden zur Erbauung der Halleiner Stadtpfarrkirche bei, 1771 gar 100 Gulden für den baufälligen Glockenturm der Dürrnberger Kirche, 1787 für den Turmbau in Hallein 30 Gulden. Im Jahre 1770 überstieg das Bruderschaftsvermögen die l.000 Gulden Grenze. 1795 zahlte sie eine Beihilfe für Schulbücher für arme Kinder. Dass die Bruderschaft, wie üblich, auch Begräbnis-Kutten an Mitglieder verlieh, erfahren wir von 1811.
1821 erhielt die Vikariatskirche Dürrnberg Vorschüsse von der Skapulier-Bruderschaft Dürrnberg, der Ruperti-Bruderschaft Dürrnberg, der Fronleichnam-Bruderschaft Oberalm, der Schmerzen-Bruderschaft Oberalm und der Seelen-Bruderschaft Dürrnberg (folio 159), das setzte sich in den Folgejahren bis 1885 fort, die Summen beliefen sich bei der Ruperti-Bruderschaft auf 28 bis 100 Gulden jährlich.
Von 1837 sind die „Statuta” und Regel der neu aufgerichteten Bruderschaft des heiligen Rupertus am Dürrnberg erhalten.[1831] 1874 werden acht Bruderschaftsstäbe als „Inventarabfall” ausgemustert, der barocke Prunk war also nicht mehr zeitgemäß. Zwischen 1870–1880 hatte die Bruderschaft 130 Mitglieder. Bei Auflassung im Jahre 1894 wurde das Vermögen von 2.461 Gulden der Kirche überlassen, ebenso jenes der Skapulier-Bruderschaft mit 5.015 Gulden.[1832] Die heute noch bestehende „Knappenbruderlade” versteht sich als zivile Fortsetzung der einstigen Bruderschaft.[1833]
Die Skapulier-Bruderschaft:
Die Skapulier-Bruderschaft war 1732, also in den Jahren der großen Protestantenvertreibungen, offenbar zur katholischen Restauration errichtet worden. Bei ihrer Auflassung 1894 betrug ihr Vermögen 5.015 Gulden, es wurde der Kirche überlassen. Eine 1730 (offenbar als Gründungsinitiative) und 1836 erwähnte Skapuliermadonna ist bis heute erhalten.
Am 1. Sonntag im September 1794, dem Prinzipalfest Maria von Trost der schwarz ledernen Gürtel-Bruderschaft (ebenfalls eine nachtridentinische Form), konnten deren Mitglieder einen vollkommenen Ablass gewinnen.[1834]
Die Christenlehr-Bruderschaft:
Die 1733 – im Zuge der katholischen Reformen, direkt nach der großen Protestantenvertreibung aus Salzburg – begründete Christenlehr-Bruderschaft wurde am 22. Mai 1778 bereits wieder aufgelassen.[1835]
Die zweite Marien-Bruderschaft:
Im Jahre 1884 wurde durch die Patres Redemptoristen (Kath. Orden zu Ehren des Erlösers) die Bruderschaft „zu Ehren Unserer Lieben Frau am Dürrnberg von der immerwährenden Hilfe und des heiligen Alphons” begründet und der römischen Erz- Bruderschaft in der Kirche des heiligen Alphonsus einverleibt. Jeden Samstag um ¾ 7 Uhr wurde am Bruderschaftsaltar eine heilige Segensmesse gelesen und die Lauretanische Litanei gebetet. Die Redemptoristen leiteten auch die übrigen Skapulier- Bruderschaften (der allerheiligsten Dreifaltigkeit, vom bitteren Leiden, Unserer Lieben Frau von den sieben Schmerzen am Berg Karmel, der unbefleckten Empfängnis).[1836] Sie errichteten 1892 die Maria-Hilfkapelle, auch Rote- oder Knappenkapelle, die 1950 renoviert wurde. Dafür wurde das Maria-Hilfbild der einst bei der Pfarrkirche bestandenen, aber aufgehobenen Maria-Hilf-Bruderschaft verwendet.[1837]
Die Kirche am Dürrnberg wurde von 1682–1814 von den Augustinern in Mülln betreut, darauf bis 1884 von Weltgeistlichen. 1857 wurde sie zur Pfarre erhoben. Zwischen 1884 und 1898 wurde sie von Redemptoristen betreut, danach von Weltgeistlichen bis 1902, von 1902–1911 von Benediktinern und schließlich bis heute von Weltgeistlichen. Mirakelbücher existierten viele im 18. Jahrhundert, das älteste bekannte ist von 1731 – auch diese Jahreszahl ist Hinweis auf die massiven Anstrengungen zur Gegenreformation am Dürrnberg.[1838]
1919, den 8. Dezember: Gründung der Jungfrauen-Kongregation Dürrnberg.[1839] Im Oktober 1920 gründete sich der Dürrnberger Burschenverein beim Schusterwirt mit 40 Mitgliedern.[1840] Er dürfte sich durch den Einfluss der Nationalsozialisten aufgelöst haben.
Heute noch existieren drei Zechkreuze und zwei Vortrag-Engel; zumindest ein Kreuz und die Engel sind aus dem Besitz der Dürrnberger Knappen- und späteren Rupertus- Bruderschaft. Jenes der Dürrnberger Knappen-Bruderschaft und zwei Vortrag-Engel datiert das Dehio-Handbuch auf die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts.[1841] 1676 wurden von der Bruderschaft „zwei neue Engel mit den Stangen” angeschafft, wie oben angeführt. Diese Diskrepanz in den Jahrzahlen lässt sich dadurch erklären, dass die Engel von einem lokalen Meister, also nicht im allermodernsten Stile gefertigt wurden und eine kunsthistorische Datierung – ohne die Untersuchung von Materialproben – ja nur in der Zuordnung zu Epochen und Stilen oder Einzelmeistern möglich ist. (Zum Schutze der Objekte und ihrer Besitzer werden die – bekannten – Standorte nicht angeführt).
Bei Beerdigungen eines aktiven oder pensionierten Bergknappen werden diese Zechkreuze unter Beteiligung der Fahnenabordnung, der Knappschaft und der Bergmusik auch heute noch mitgetragen. Sie stellen gerade nach der Schließung der Saline im Jahre 1989 wichtige Identifikatoren für die einstigen Bergknappen dar.
Im Jahre 1936 wurde jenes der alten Zechkreuze aus dem 17. Jahrhundert, das sich auf dem Dürrnberg befindet, auf Kosten der Bruderlade der Dürrnberger Knappen von Meister Jakob Adlhart in Hallein erneuert.[1842] Bei diesen drei Bruderlade-Zechkreuzen des Salzbergbaues Dürrnberg handelt es sich um alte Bruderschaftsrequisiten, nämlich um die Vortrag-Kreuze für alle religiösen Umzüge, Messen und Begräbnisse der Knappen-Bruderschaft. Momentan fehlen noch wichtige Quellen dazu.
1904 werden zwei Zechkreuze erwähnt, denn am 29. Jänner 1929 erstellte die k.k. Salinenverwaltung Hallein einen Bericht mit den Fotografien zweier Zechkreuze der Salinen-Bruderlade, die veräußert werden sollten (Hallinger, Zl. 313 von 1904): „Im Besitze der vereinten Salinenbruderlade befinden sich seit Jahrzehnten schon unbeachtet in einem Küchenschrank aufbewahrt 2 Zechkreuze der vormals bestandenen Kleitzler- und Pfannhauser-Innung, die, wenn sie vielleicht auch künstlerischen Wertes entbehren, doch ihres Alters halber einige Beachtung verdienten. Sie sind aus Holz geschnitzt, coloriert und 92,5 bzw. 85 cm hoch. Der Bruderschafts-Verwaltungsrat hat in seiner letzten Sitzung vom 9. Jänner l. (letzten) J. (Jahres) sich dahin geeinigt, diese Zechkreuze gegen billige Entschädigung einem Staatsinstitut anzubieten und den gef. (gefertigten) Vorstand ermächtigt, die hiezu erforderlichen Schritte zu unternehmen. Auf Grund dieses Beschlusses gestattet sich die k.k. Salinen Verwaltung, Fotografien dieser Zechkreuze mit dem höflichen Ersuchen zur gefälligen Ansicht gegen seinerzeitigen Rückschluss zu übermitteln, Ihre geschätzte Wohlmeinung abzugeben, welchem Institut diese Kreuze zur Erwerbung anzubieten wären. Gegebenen falls würde die k.k. Verwaltung noch beabsichtigen, die Fotografien dem k.k. Finanz Ministerium vorzulegen, welches dann dieselben eventuell dem k.k. Hofmuseum oder dem k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht zur weiteren Verfügung stellen dürfte. KK Salinenverwaltung: Carl Schraml (Amtsvorstand)".[1843] Über den Ausgang dieses Vorhabens ist heute nichts bekannt.
Das Zechkreuz der Dürrnberger Bergknappen stammt aus der Barockzeit, es wurde kunsthistorisch noch nicht bearbeitet und ist stark restaurierungsbedürftig (trotz oder wegen der Renovierung 1936). In den noch erhaltenen „Jahres-Rechnungsbücher der Dürrnberger Bergknappen-Bruderlade” aus den Jahren 1877 bis 1901 findet dieses Zechkreuz mit den beiden anderen und sonstigen Inventargegenständen Erwähnung. Auf dem Kreuz sind keinerlei Herkunftsbezeichnungen ersichtlich.
Das Kreuz kann mit der Neugründung der Rupertus-Bruderschaft 1745 in Zusammenhang gebracht werden. Der Direktor des Salzburger Dommuseums, Herr Dr. Peter Keller, hat freundlicherweise Laienfotos der nun zu besprechenden Ausstattungsstücke begutachtet und war, soweit dies nach den Fotos möglich ist, bei der Datierung behilflich. Das Zechkreuz der Dürrnberger Bergknappen ist stilistisch jedenfalls nicht jenes von 1628. Es ist ein goldgefasstes Holzkruzifix auf einem Sockel/Fuß, unter den offensichtlich die Tragstange gesteckt werden konnte. So konnte das Kreuz, wie häufig bei Bruderschaften üblich, sowohl als Vortragkreuz wie als Tischkreuz für die Versammlungen verwendet werden. Heute ist der Fuß, durch das Tragen ohne Tragstange stark renovierungsbedürftig. Das Kreuz selbst zeigt Dreipass- Enden, ein inkarnierter (natürlich in Hautfarben bemalter) Korpus ist aufgesetzt. Hinter dem Kreuz zeigt sich ein Strahlenkranz. Über dem Kreuz eine Wolke. Vom Fuß (er könnte aus dem 17. Jahrhundert stammen) gehen zwei leuchterartige Arme mit Rocaille-Motiven aus, auf denen die Begleitfiguren Maria und Johannes stehen. Die Figuren stammen aus den Mitte, eventuell vom Ende des 18. Jahrhunderts, dafür sprechen die sehr bewegten Gewänder, der schwungvolle Faltenwurf und die Körperhaltung. Das gesamte Kreuzigungsensemble ist von einem bunt gefassten Rosenkranz umgeben, der schon vor 1700 entstanden sein könnte. Der vergoldete Strahlenkranz stammt aus dem 18. Jahrhundert. Aus dem Kreuz wird ersichtlich, dass Bruderschaften bei Renovierungen bzw. Neugründungen immer wieder auf Teile von Ausstattungen älterer Zeit zurückgegriffen haben.
Dieses Zechkreuz samt den zwei Tragstangen-Engeln wurde bis ca. 1955 zu Fronleichnam und Erntedank von drei als Knappen verkleideten Knaben mitgetragen. Dazu ist ein privater Videofilm von OSR Josef Fuschlberger von 1950/52 erhalten. Aufbewahrt wurde das Zechkreuz damals mitsamt der Tragstange und den zwei Vortrag-Engeln in der Dürrnberger Kirche an der Wand unterhalb der St. Rupertus- Statue, also an einem der Rupertus-Bruderschaft gewidmeten Ort. (Siehe Foto von 1950) Heute befinden sich die wertvollen Unikate in einem sicheren Depot der Dürrnberger Kirche.
Das Oberauer Zechkreuz (ehem. Berchtesgaden, heute Bayern):
Das Oberauer Zechkreuz wurde um 1970 restauriert und befindet sich in einem sehr guten Zustand. Es ist im Grundkonzept jenem vom Dürrnberg sehr ähnlich, zeigt aber deutliche neugotische Stilelemente – es scheint also jenes vom Dürrnberg im 19. Jahrhundert, zum Vorbild genommen zu haben. Das Zechkreuz befindet sich heute in Oberau. Es besitzt keinerlei Herkunftshinweis und keine Tragstange, wird daher am – offenbar neueren – Sockelteil getragen. Maria und Johannes unter dem Kreuz scheinen von einem Laienkünstler, einem Berchtesgadener oder Halleiner Kunsthandwerker gefertigt zu sein, sie sind der Berchtesgadener Hausindustrie und dezentralen Manufaktur eng verwandt. Die Christusfigur ist feiner, von anderer Art gestaltet. Der Sockel ist im 20. Jahrhundert entstanden. Auf der Vorseite sind Engel abgebildet, die das Blut Christi auffangen, auf der Rückseite sind Evangelistensymbole zu sehen.
Nach den Rechnungsbüchern der Bruderlade vom Jahre 1877 –1901 befand sich dieses Zechkreuz in der Stiftskirche zu Berchtesgaden. Durch den Neubau der Kirche und deren Einweihung im Jahre 1912 wurde es vor dem Zweiten Weltkrieg nach Oberau/Bayern übertragen. Der Großteil der berchtesgadnerischen Knappen des Salzbergbaues Dürrnberg war in der Gnotschaft (Ansiedlung) Oberau. Bei Begräbnissen wurden sie von dort zum Friedhof nächst der Stiftskirche gefahren und dabei von den Knappen und der Bergmusik begleitet. Das Zechkreuz wird seit 1912 beim „letzten Gang” vom Heimatort Oberau nach Berchtesgaden voran getragen.
Das Schellenberger oder Scheffauer Zechkreuz (ehemals Berchtesgaden, heute Bayern):
Das heutige Schellenberger oder Scheffauer Zechkreuz wurde um 1988 restauriert und befindet sich in sehr gutem Zustand. Wie in Rechnungsbucheintragungen von 1877–1901 der Knappen-Bruderlade Dürrnberg ersichtlich, war den dortigen Knappen von Schellenberg und Scheffau kein Zechkreuz zugedacht. In den Lagerbuchanmerkungen werden drei Bruderlade-Zechkreuze mit den Standorten erwähnt: „In der Kirche zu Dürrnberg und hievon ein Zechkreuz in Berchtesgaden".
Beim (eigentlich zweiten Dürrnberger) heute Scheffauer oder Schellenberger Zechkreuz könnte es sich um das Zechkreuz der Dürrnberger Knappen-Bruderlade von 1628 oder dessen Nachfolge handeln. Das Scheffauer Zechkreuz stammt aus der Mitte bis 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, was an den schweren massigen Figuren erkennbar ist. Der schlichte nüchterne Rahmen ist für jene Zeit eher unüblich. Ebenfalls für die Datierung sprechen der Engelskopf mit Flügeln (Putten dieser Art waren damals sehr beliebt), die umkränzende Rundbogenform und die Blätter auf dem Fuß. Die filigranen Strahlen wurden offenbar schon mehrfach erneuert. So etwa 1988, bei der letzten Restaurierung. Dabei musste der halbbogenförmige Rahmen mit den Flammen- und Strahlenstößen vollkommen erneuert werden, sie wurden jedoch nach Vorlage der Fragmente angefertigt. Auch dieses Kreuz ist ohne Tragstange und Engel, es sind keine historischen Signaturen vorhanden. Gravur an der Standfußunterseite: „Zechkreuz der Dürrnberger Bergknappen von Scheffau und Schellenberg, Renoviert 1988”.
Da die Knappen vom benachbarten Oberau das in der Stiftskirche von Berchtesgaden verwahrte Zechkreuz in ihre 1912 neu erbaute Kirche übertragen haben, wird auf Drängen der Schellenberger- und Scheffauer Knappen auch dieses vermutlich „Kleine oder zweite Zechkreuz” etwa zeitgleich vom Dürrnberg nach Markt Schellenberg gekommen sein. Dieses Zechkreuz wurde bis in die Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts in der Zillkapelle in Scheffau aufbewahrt. Nach einem Einbruch wurde beschlossen, dieses Kleinod abwechselnd bei den in Scheffau ansässigen Dürrnberger Bergleuten aufzubewahren.
Weiters sind die Bruderschaftsfahnen der Dürrnberger Knappen von 1828 und 1885 erhalten. Beide zeigen auf der Aversseite Maria als Königin und Schutzmantelmadonna der knienden Knappen in maximilianischer (weißer) Tracht und auf der Reversseite die Bischöfe und Salzburger Landespatrone Rupert und Virgil mit dem Salzburger Dom, darunter in einer Kartusche die Bergmannssymbole Schlegel und Eisen.
Ebenso sind zwei Garnituren von jeweils zwei Vortrag-Engeln erhalten. Zum einen jene, die zum Dürrnberger Zechkreuz und damit der Knappenbruderlade gehören. Sie sind von 1839 und stammen offenbar von einem ländlichen Handwerker aus der Region, wie ihr unorganischer Faltenwurf oder die falsche Windung des Füllhornes zeigen. Sie sind in Silber, Gold, Inkarnat und Haarbraun gefasst. Die Engel knien und halten jeweils einen Kerzenhalter in der Form eines Füllhorns, das bei einer Figur fehlt.
Die zwei stehenden Vortrag-Engel aus der Zillkapelle in Scheffau sollen aus dem 18. Jahrhundert stammen. Die Fassung (Bemalung) stammt aber mit Sicherheit aus dem 20. Jahrhundert, ebenso der Faltenwurf des Gewandes. Die Flügel sind verhältnismäßig klein geraten. Nur das Blatt des Sockels wirkt älter. Mit Worten von Dr. Keller: „Die Figur samt dem Gesicht des Engels wirkt wie eine ländliche Arbeit ... die zum Zweck des Verkaufs geschaffen wurde.” Die Engel tragen jeweils eine Tortzenfackel, die den Kerzenhalter bildet.
Bislang fehlten viele Quellenkenntnisse, so dass die Wallfahrt der Saalfeldener auf den Dürrnberg häufig – auch vom Autor – mit der Wallfahrt der Maria Almer an den Königssee vermischt worden ist. Neue, vom Autor erschlossene, Quellen zeigen nun, dass es sich dabei um zwei voneinander unabhängige Wallfahrten handelte.
Alle sechs Jahre wallfahrtete die Pfarrei Saalfelden mit den damaligen Vikariaten Alm und Dienten, nicht aber Taxenbach, St. Georgen Zell usw. auf den Dürrnberg. D.h. also, dass die Maria Almer alle sechs Jahre an der Wallfahrt ihrer Pfarrkirche Saalfelden teilgenommen haben, nicht aber eine eigene Wallfahrt nach dem Dürrnberg führten. Aus dem Historisch-Statistischen Handbuch der Erzdiözese Salzburg von 1862 und dem Dürrnberger Liebfrauenbüchlein von 1888 geht hervor, dass infolge eines alten Gelübdes, welches im Pestjahr 1649 erneuert wurde, jedes sechste Jahr ein ansehnlicher Kreuzgang von Saalfelden nach Dürrnberg zog und eine große Wachskerze von ca. 24 Kilogramm geopfert wurde.[1844] „... Ohne Priester kommt die Gemeinde von Saalfelden treylich alle 7 Jahre (!) hierher, welche bereits seit 1649 ihr Gelübde wegen damaliger Pest mit einer Wachskerze von 50 Pfund (ca. 28 kg) erneuert; ...”.[1845]
Ein weiteres Datum ist uns auf einer noch in Dürrnberg erhaltenen Votivkerze (auf der Plakette) von 1841 überliefert. Zwischen 1649 und 1841 liegen 192 Jahre. Teilt man diese Zahl durch 6 kommt man auf die 32. Wallfahrt. Dagegen ergeben die Jahre zwischen 1649 und 1688 keine durch 6 teilbare Zahl. Das Dürrnberger Liebfrauenbüchlein listet sämtliche Wallfahrten für das Jahr 1776 auf. Berchtesgaden und Schellenberg sind unter anderem darunter, aber nicht Saalfelden/Maria Alm, denn auch das Jahr 1776 fällt nicht in den 6-Jahresturnus der Wallfahrt.[1846]
Nach der Interpretation von Anton Seelos aus dem Jahre 1835 kann nicht von einem kontinuierlichen Wallfahrtsturnus von sechs Jahren ausgegangen werden, sondern von sieben oder mehr Jahren. Eine weitere Verschiebung könnten auch kriegerische Aktivitäten oder sonstige Ereignisse bewirkt haben!
Die oftmalige Wallfahrt der Saalfeldner im 20. Jahrhundert ist im Band 2 der Dürrnberger Pfarrgeschichte leider nicht festgehalten, doch haben sie seit dem Zweiten Weltkrieg mehrmals ihre 50-pfündige Votivkerze auf den Dürrnberg getragen, um das Gelübde einzuhalten – zuletzt am 19. Juli 2003. Noch heute brennen die Kerzen der Saalfeldner in der Kirche am Dürrnberg und die der Maria Almer in St. Bartholomä am Königssee!
Die Saalfeldner Wallfahrt nach Salzburg
Nachweislich seit 1376 wallfahrteten die Saalfeldner schon zu ihrer Mutterkirche nach Salzburg, um dort die Gräber der Heiligen Rupert, Virgil und Erentrudis zu besuchen. Ob sie dabei von Anfang an über das Steinerne Meer gingen oder über den Hirschbichel, ist nicht bekannt. Die Wallfahrer kamen am Pfingstmontag gegen 16.00 Uhr im Stift St. Peter an, das heißt, dass sie bei einer Wegstrecke von 17 Stunden am Pfingstsonntag nach dem Hochamt in Saalfelden weggehen mussten. Für 1514 ist die Ankunft der Saalfeldener auf dem Nonnberg belegt.
Mit dem Aufkommen der Marienwallfahrt auf dem Dürrnberg, im späten Mittelalter oder mit der Gegenreformation, muss sich die Wallfahrt auf den Dürrnberg verlagert haben. 1685 und 1720 sind noch Wallfahrten des „Pinzgauer Kreuzvolkes” nach Salzburg bekannt. Zum Dürrnberg führt der kürzeste Weg über das Steinerne Meer, nach St. Bartholomä per Schiff über den Königssee nach Berchtesgaden und von dort über die Oberau zum Dürrnberg.[1847]
Dass die Saalfeldener auch nach dem Aufschwung der beiden Pinzgauer Wallfahrten Maria Alm und Maria Kirchenthal weiter auf den Dürrnberg zogen, ist nicht verwunderlich, denn Fernwallfahrten waren beliebt und in bekannte Gnadenorte setzte man großes Vertrauen.
Das Pestgelübde der Saalfeldener
Die Wallfahrt der Saalfeldener geht auf ein Pestgelübde zurück. Innerhalb von 300 Jahren wütete die Pest 14 Mal im Pinzgau und besonders im Raum um Saalfelden. Die Überlieferung erzählt von der großen Not, dass ganze Ortschaften ausstarben, aber auch von Menschen, die von der Pest verschont blieben.
Lassen wir die Pinzgauer Moidl erzählen: „Hatten am Anfang der Pest die Menschen noch fleißig zu Gott gebetet und um Errettung gefleht, ebenso auch mancher sich seiner Erbschaft oft wohl nicht zu lange gefreut, wurden sie zuletzt ganz stumpfsinnig, wussten selbst oft gar nicht mehr, welchen Tag sie in der Woche hatten. Da – auf einmal hörten sie ein Glöcklein läuten, silberhell und klar, und jeder noch Lebende horchte auf und ging dem Schall des Glöckleins nach. Auf der Loferer Strasse, gleich außer dem Markte Saalfelden kamen nun sonderbarerweise alle noch Lebenden zusammen. Es waren im ganzen noch zehn Männer und sechs Weiber, sowie einige Kinder. Wortlos schaute eins das andere an, denn fast jedem wunderte es, dass der oder die andere noch am Leben sei. Das Glöcklein läutete fort und es klang gerade, als wenn es droben am Steineren Meer läutete. Da sagte der alte Kratzerbauer: ‚Leutl, die Glock, die kenn i! Dös is die Dürrnberger Glock'n. Dass ma dö aba ummahörn, das hat was zu bedeuten. Mach ma a Gelöbnis za da Muttergottes am Dürrnberg, dass sie uns hilft für die schnickig Sterb!' Ja, ja fielen alle ein, wann wir ban Leben bleibn, sollts ganze Jahr a Kerz für uns brenna bei ihr. Dann knieten sie nieder und konnten wieder das erstemal mit vollem Vertrauen beten. Da rumpepte der Leichenwagen daher, aber die Totengräber schwenkten die Hüte und riefen: ‚Leutl, Leutl, heut is das erstemal, dass ma koan Tot'n mehr find'n, die Pest is aus!' Da knieten sie nochmals nieder, dankten Gott für die wunderbare Rettung und erneuerten ihr Gelöbnis. So endet die Pest in Saalfelden und noch heute brennt die Kerze der Saalfeldner in der Kirche am Dürrnberg”.[1848]
So berichtet auch die mündliche Überlieferung und immer wieder wandern viele aus dem Pinzgau über das Steinerne Meer zur Muttergottes am Dürrnberg. Eine weitere Wallfahrt führte die Pinzgauer aus den Pfleggerichten Saalfelden, Taxenbach und Kaprun/Zell (der Pfleger saß auf der Burg Kaprun) zur Kirche nach St. Bartholomä. Da zu dieser Zeit der heute gut ausgebaute „Hochstieg” noch nicht bestand, mussten die Wallfahrer über den Viehtriebsteig hinunter zur Saletalm, um dann entlang des Ufers zum Reitl, der engsten Stelle am Königssee, zu gelangen. Hier konnten sie sich nach St. Bartholomä übersetzen lassen.[1849]
Dokumente zur Saalfeldener Wallfahrt auf den Dürrnberg
Ein Votivschild aus dem Jahre 1841, welches an der Saalfeldener Votivkerze angebracht wurde, datiert die Pest auf 1600: „Durch die Fürbitte der heil. Mutter Gottes sind die Bewohner von Saalfelden von der Pest, welche im Jahre 1600 alldort herrschte, befreit worden. Zur schuldigen Danksagung und neuer Bitte um sichere Abwendung aller gefährlichen Krankheiten, hat die löbl. Gemeinde Saalfelden diese Kerze in dieses ehrwürdig Gotteshaus geopfert. 1841.”
Das Dürrnberger Liebfrauenbüchlein von 1888 datiert das Gelübde auf das Jahr 1649: „Alle 6 Jahre kommt ein ansehnlicher Kreuzgang aus Saalfelden und opfert ein Wachskerze von 50 Pfund.” Doch in der Dürrnberger Pfarrchronik wird bereits für 1640 erwähnt, dass der Bürgermeister und Zechpropst von Saalfelden 12 Gulden für die Erneuerung der 24 Pfund schweren Saalfelder Kerze stiftete.[1850] 1692 bekam der Dürrnberg durch die Kirche Maria Kirchenthal aber Konkurrenz im Wallfahrtszuzug: „Die Tafelsammlung und Kirchenstockerträgnis nehmen deshalb sehr viel ab, weil bei Lofer die Wallfahrt errichtet worden ist.”[1851]
1753 wurde der große Leuchter zur Saalfeldner Kerze renoviert; am 11. August wurden „beim Eingehen des Saalfeldner Kreuzes” neun 9 Pfund Pulver verschossen und dafür 32 Kreuzer bezahlt. Auch 1759, am 22. September, und 1767, am 20. September, wurden das „Saalfeldner Kreuz Volk” mit Böllern begrüßt. Auch für 1776, 1841, 1853, 1859, 1865, 1869, 1874, 1876, 1887 und 1906 sind die Wallfahrten der Saalfeldener dokumentiert und für 1859 näher beschrieben: „Am 25. Juli, Montag gegen Abend kommt die Gemeinde von Saalfelden. Dienstag 4 Uhr früh: Hochamt”.[1852]
Auch der Dürrnberg zählt zu den ältesten Marienwallfahrtsorten des Landes Salzburg. Schon 1347 ist eine Stiftung zugunsten der Kirche „unsrer Frawen auf dem Perckh“ bezeugt. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts wurden die Salzvorkommen auf dem Dürrnberg wieder entdeckt und mit Hilfe der von Mönchen neu entwickelten Technologie des Salzabbaues begann man mit Zuhilfenahme von Wasser, in den Schöpfbauen Rohsole zu erzeugen. Im Zusammenhang damit wird ein erster Kirchenbau gesehen, der nach historischer Überlieferung auf dem Hallersbühel gestanden sein soll. Damals, 1347, hat schon eine Marienwallfahrt bestanden. Den Ursprung und Anlass dieses Wallfahrtsortes kennen wir leider nicht; war es ein wunderbares Geschehen oder ließ die Not und Gefahr untertage (im Bergbau) die Menschen zu Maria ihre Zuflucht nehmen?
Von 1379 an begründen mehrere Stiftungen die Existenzgrundlagen eines eigenen Seelsorgers auf dem Dürrnberg, seit 1401 wohnte dieser als Kaplan in Hallein. Ein Urbar (Grundbuch) von 1434 bezeugt den heutigen Platz der Kirche. 1483 soll Erzbischof Johann III. eine neue Kirche erbaut haben, die 1498 eingeweiht wurde.
Der Kunst liebende Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau, der sich intensiv mit dem Salzbergbau beschäftigte, wollte an dieser Stelle eine neue schöne Kirche sehen. 1596 ließ er die alte Kirche abbrechen und hat nach den Plänen des berühmten venezianischen Architekten Vinzenzo Scamozzi die neue Kirche aus poliertem Marmorstein (roter Hallstätter Kalk) errichten lassen. Unter seinem Nachfolger Markus Sittikus wurde das Bauwerk am 19. Oktober 1614 eingeweiht und schließlich 1618 vollendet.
Das Gnadenbild
Den Mittelpunkt des Kircheninneren bildet die „Mater admirabilis” (Bewundernswerte Mutter) des Hochaltares. Maria mit dem Jesuskind als Himmelskönigin, die Trösterin und Erlöserin. Geschaffen wurde das Gnadenbild von keinem geringeren als dem Hofbildhauer des Erzbischofs, Hans Waldburger, im Jahre 1612. Eine Legende erklärt die Entstehung des Gnadenbildes mit der Hilfe Mariens: ein zum Tode Verurteilter soll die Marienstatue geschaffen haben und wurde deswegen begnadigt. Aber auch das älteste Marienbild Dürrnbergs, das sich auf der alten großen Glocke von 1504 befindet, zeigt die gekrönte Gottesmutter mit dem Kinde, das einen Apfel in der Hand hält.[1853]
”... ebenso [Anm.: wie die Saalfeldener] kommt alle Jahre die Gemeinde ohne Priester von Abtenau, Reichenhall, Laufen, Obertrum, Seeham, Kestendorf. Die Gemeinde von Laufen wiederholet seit 1573 jährlich ihre Wallfahrt.”[1854]
”... Processionen ohne Priester von Abtenau, Ainering, Faistenau, Großgmain Laufen, Reichenhall, Schellenberg, Seeham, Siezenheim, Ober-Trumm. Zufolge eines Gelübdes, das im Pestjahre 1649 abgelegt wurde, kommt alle 6 Jahre ein ansehnlicher Kreuzgang von Saalfelden und opfert eine große Wachskerze von etwa 50 Pfund."[1855] Nach dem Dürrnberger Verkündbuch sind die Laufener im Jahre 1907, am Pfingstdienstag, noch hierher gekommen. 1908 und folgende ist nichts mehr eingetragen.[1856]
Ein Votivbild aus dem Pfarr-Archiv Dürrnberg, bezeichnet „Ex voto 1816”, zeigt ein kniendes Bauernpaar vor seinem Anwesen, dahinter einen Fluss und über diesem den Kleinen Barmstein mit dem Maibaum – offensichtlich ein privates Votiv aus der Umgebung des Berges. Das Paar erbat offenbar Segen für seine Wirtschaft. Der historische Wallfahrtszuzug zeigt eine Konzentration auf Orte mit Bergbau und Schifffahrt bzw. mit der für das Bergwerk notwendigen Holzbringung.
Aber auch das Generale mit dem Verbot zu häufiger und in die Ferne gehender Wallfahrten von 1786 mit Wiederholung von 1788 brachte Änderungen für die Gewohnheiten. Offensichtlich wurden, im Anschluss an die Proteste der Bevölkerung, auch jeweils nächstgelegene Wallfahrtsorte empfohlen bzw. als Alternativen verordnet. So kamen ab 1818 die Gemeinden Elsbethen, Puch und Oberalm auf den Dürrnberg. Noch am 25. Mai 1810 wurde das Gesuch der Gemeinden Elsbethen, Puch und Oberalm abgewiesen, wieder die gelobte Wallfahrt nach St. Wolfgang aufnehmen zu dürfen. In diesem Gesuch bezogen sie sich auf die Verbote von 1786 (Generale mit Verbot aller Kreuzgänge, von denen man nicht bis Mittag desselben Tages zurückkommen könne) und 1788 und erwähnen, dass Kuchl nur für das laufende Jahr eine Ausnahme erhielt und die alte Wallfahrt nach Maria Kirchthal ein einziges Mal wieder aufnehmen durfte. Die drei Orte bezogen sich mit ihrem Ansuchen auch auf die Erlaubnisse für die Wallfahrt der Bergleute, die „für alle künftig Jahre” erlaubt worden war.[1857] Die Wallfahrt nach St. Wolfgang wurde ihnen weiter verboten, aber eine zum näher gelegenen Dürrnberg erlaubt.
Es wird besonders darauf hingewiesen, dass nicht das Verlassen des Landes dafür ausschlaggebend war (St. Wolfgang war österreichisch, das Land Salzburg 1786/88 noch nicht), sondern das Verbot länger dauernder Wallfahrten. In einem Gutachten vom 23. Februar 1843, als Reaktion auf die Anfrage vom 20. Februar 1843, antwortete der Vikar Josef Taferner aus St. Jakob am Thurn dem fe. (fürsterzbischöflichen) Konsistorium, dass, unter anderem die drei Kreuztrachten der Kuratsfilialen Elsbethen, Puch und Oberalm zwar an allen großen Festen des Jahres Wallfahrten innerhalb dieser drei Kirchen vornehmen, wie erlaubt aber am „Sonntage vor der Bittwoche zur Vikariatskirche am Dürrnberg” gehen und ein Wachsopfer darbringen. Gleichzeitig führten sie aber nach wie vor „die andern beyden illegalen Kreuzgänge am Sonntage vor Christi Himmelfahrt nach St. Wolfgang durch.”[1858]
1958 existierte am Schutzengelfest (2. Oktober) noch die St. Leonhard-Wallfahrt der Obertrumer, die über Salzburg (Station in der Maria Loretokirche) auf den Dürrnberg gingen und von dort zu ihrem Hauptziel nach St. Leonhard bei Grödig. Da diese gesamte Fußwallfahrt innerhalb von zwei Tagen unternommen wurde, wurden die Wallfahrer die „laufenden Trumer” genannt.[1859]
Reisen nach Jerusalem, Rom, Maria Einsiedeln und Altötting
Die Verbote von Fernwallfahrten führten nicht zu deren Ende. Im 19. Jahrhundert wurden sogar Pilgerfahrten einer breiten Bevölkerung aus dem eigenen Land hinaus, manchmal sogar bis ins Heilige Land, sehr beliebt.
Ein Echtheitszertifikat für eine Reliquiensammlung, vom 10. Mai 1794, ist möglicherweise auch ein Hinweis auf eine Wallfahrt nach Rom. Wie die Reliquien auf den Dürrnberg kamen und ob sie ursprünglich einer hoch stehenden Person, einem Orden oder einer Kirche verkauft worden waren, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Möglicherweise kamen sie erst mit der Religionsreform von Erzbischof Hieronymus Colloredo auf das Thannergut, einen privaten Ort – gleichsam in ein Versteck. Bis 1939 befand sich am Thannergut in der Plaick am Dürrnberg ein Hausaltar (Ende 18. Jahrhundert), der heute noch in Privatbesitz ist. Der etwa 80 Zentimeter hohe Hausaltar ist wie ein Kirchentabernakel gebildet und besitzt einen drehbaren Tabernakelraum mit Nischen für eine kleine Reliquienmonstranz, einen Kelch und ein Kreuz. Die Sockellade enthält das gedruckte Formular für ein Echtheitszertifikat von 1794, händisch ausgefüllt und unterzeichnet mit dem Namen und zwei Siegeln des Erzbischofs von Larissene, Franz Xaver Passari, Inhaber von Ämtern im Vatikan („Utriusque Signature Referendarius”). Er bestätigt, nach Prüfung „der einzelnen Schriftstücke”, die Echtheit nachfolgend genannter Reliquien und erteilt die Erlaubnis, diese „bei sich aufzubewahren oder anderen zu schenken oder in jeder Kirche, Oratorium, Kapelle zur öffentlichen Verehrung durch die Gläubigen auszusetzen und aufzustellen ”. Der händische Eintrag ist nicht zur Gänze entzifferbar, aufgezählt werden: ein Splitter Kreuzholz Christi, etwas (unleserlich) der heiligen Maria und ihres Verlobten Josef, Knochen aus dem Grab ihrer Eltern Joachim und Anna, ein Stück aus dem Schädel des heiligen Johannes des Täufers und Knochen seiner Eltern Zacharias und Elisabeth.[1860]
Eine spektakuläre Jerusalem-Reise eines 69-jährigen Dürrnberger Bergmannes ist als Druck erhalten geblieben und soll als Beispiel für private Fernwallfahrten im 19. Jahrhundert stehen. Mit der „Reise nach Jerusalem, Rom, Maria Einsiedeln und Altötting des Matthias Brüggler, Simonbauer in Dürnberg” ist ein Büchlein betitelt, das 1863 in Salzburg (Endl & Penker'sche Erben) erschien. Matthias Brügg(k)ler, geboren 1793 in Gaißau, ging als 12-jähriger Bauernsohn nach dem Tod seines Vaters in den Dienst und wurde mit 27 Jahren zum Militär assentiert. Nach knapp zehn Jahren Militärdienst wurde er wieder Bauernknecht und schließlich durch Heirat für 25 Jahre Bauer und Bergknappe am Dürrnberg. Als Pensionist führte er erstaunliche Wallfahrten durch, die in ihren Details das religiöse Leben jener Zeit in den großen Wallfahrtszentren anschaulich darstellen. Ob ausschließlich religiöse Anliegen nach Jerusalem, Rom, Maria Einsiedeln und Altötting diese Wallfahrten intendierten, oder ob nicht auch ein wenig Reise- und Abenteuerlust mitspielten, ist zu überlegen.
1860, da sein Vorhaben einer Reise nach Jerusalem nicht durchführbar war, trat er eine Wallfahrt nach Filzmoos, von dort nach Schladming, weiter nach Frauenberg bei Admont, über Wildalpen nach Maria Zell, von dort auf den Sonntagberg bei Waidhofen an der Ybbs, weiter nach Maria Taferl und zurück nach Salzburg an. 1861 wanderte er über den Tauern und Villach nach Heiligen Berg in Kärnten und zurück über St. Pantaleon.
1862 startete er seine Reise nach Jerusalem – von Salzburg mit dem Zug nach Triest – und traf dort zwei Pilger aus Graz und Linz, mit denen er sich am 11. März einschiffte. Am 17. März kam er in Alexandrien an und fuhr nach religiösen Übungen bei den Franziskanern am 20. März weiter nach Jaffa – von dort pilgerte er zu Fuß nach Jerusalem, wo er am 23. März ankam. Er erlebte die Karwoche und das Osterfest in Jerusalem und nahm an Wallfahrten, Prozessionen und Andachten der Franziskaner teil. Am 2. Mai verließ er mit einer französischen Karawane Jerusalem und besuchte unter anderem noch Bethlehem und den Berg Karmel. Von Alexandria aus (24. Mai) fuhr die Gesellschaft mit dem Schiff über Malta nach Messina, Neapel und Civitavecchia und besuchte jeweils heilige Orte. Am 5. Juni fuhr Brüggler weiter nach Rom, wo er alle Kirchen besuchte, das Fronleichnamsfest und viele Bittprozessionen mitfeierte. Am 15. Juli fuhr er mit fünf weiteren Pilgern mit einem Lohnkutscher nach Ancona und besuchte von dort aus weitere Wallfahrten – unter anderem Loretto. Von Ancona reiste er mit dem Dampfschiff nach Triest und von dort über Graz und Wien nach Salzburg, wo er noch am Ankunftsabend, dem 23. Juli, nach Maria Plain pilgerte und für die glücklich verlaufene Reise dankte. Den 24. und 25. Juli verbrachte er bei Pfarrer Kaltner in St. Jakob, nahm am Jakobifest teil und kehrte noch beim Dechant von Hallein und beim Bezirksrichter ein, um über seine Reise zu berichten, und erstieg schließlich den Dürrnberg. Dort musste er auch dem Bergmeister und Bergschaffer von seiner Reise erzählen. Der Dürrnberger Pfarrer Prennsteiner erteilte ihm öffentlich einen Segen, zu dem die ganze Gemeinde erschien.
Noch im Jahr dieser fünf Monate dauernden Wallfahrt startete Matthias Brüggler am 6. Oktober 1862 eine Wallfahrt nach Maria Kirchenthal, von dort nach Maria Alm – wo er Johann Eder besuchte, der auch schon in Jerusalem gewesen war. Weiter ging es über Saalfelden nach St. Johann in Tirol, von Wörgl mit der Eisenbahn nach Hall, Maria Asam und weiter nach Landeck, Feldkirchen und Rhein. Von dort reiste er mit der Eisenbahn nach Rapperswyll und ging zu Fuß weiter nach Maria Einsiedeln. In 18 Stunden marschierte er von dort zu Fuß zum Bodensee, setzte mit dem Schiff nach Lindau über. Den Weg nach München absolvierte er mit der Eisenbahn, weiter nach Tegernsee und Altötting. Von Altötting trat er die Rückreise zu Fuß an, über Oberndorf, Henndorf nach Maria Plain. Am 25. Oktober kehrte er auf den Dürrnberg zurück.
Offenbar war das Bedürfnis der Bevölkerung – nach allen Verboten der Aufklärung – nun wieder groß nach solchen religiösen Übungen. Die Orden der Wallfahrtsorte unterstützten sichtlich diese Interessen und boten den Wallfahrern günstige Quartiere in Hospizen an. Gleichzeitig erhebt sich die Frage, wieweit für Menschen, besonders bäuerlicher Herkunft, Freizeit und Wallfahrt noch gedanklich verquickt waren. Wallfahrt war eben auch mit den Gedanken an die Ferne, an Reisen, neue Erlebnisse und Geselligkeit verbunden. Durch das neue Transportmittel Eisenbahn und die alte Gewohnheit des Zu-Fuß-Gehens waren nun plötzlich weite Strecken mit relativ einfachen Mitteln zu überwinden. Eine neue Freiheit der Beweglichkeit spricht daher auch aus dem Reisebericht dieses Pensionisten, der mit 69 Jahren all diese Strapazen auf sich genommen hatte. Zudem finden wir in diesem Bericht versteckt eine Erbauungsgeschichte von Eisenbahnstrecken, denn Brüggler nütze die bereits bestehenden Routen aus und ging dort, wo noch kein Eisenbahnnetz vorhanden war, zu Fuß weiter. Auch Oberbergmeister Romed Plank († 1949) unternahm im Jahre 1901 (mit 28 Jahren) eine Pilgerreise nach Jerusalem, die auf seinem Sterbebild dokumentiert ist.
Die „Batholomä-Wallfahrt” (24. August) über das „Steinerne Meer” ist neben der „Großglockner-Wallfahrt”, die um St. Peter und St. Paul (28. Juni) von Ferleiten nach Heiligenblut führt, eine der populärsten und ältesten Hochgebirgswallfahrten, die heute noch – viel besucht – im westösterreichisch-bairischen Grenzraum stattfindet.
Lange war man der Meinung, dass die Wallfahrt von Maria Alm der Rest einer einstigen Wallfahrt auf den Dürrnberg war, der nach dem großen Unglück von 1688 überblieb. Heute weiß man aber, dass St. Bartholomä am Königssee nicht nur früherer Durchgangsort, sondern immer Ziel dieser Wallfahrt war. Dennoch soll sie, obwohl sie weder eine Wallfahrt der Dürrnberger noch aus heutiger Erkenntnis eine auf den Dürrnberg ist, in diesem Zusammenhang dargestellt werden, um weiteren Verwechslungen zu begegnen.
Die heutigen Forschungen zeigen, dass die Vermengung zweier Wallfahrten zu diesem Fehlschluss führte. Die jährliche Wallfahrt der Maria Almer nach St. Bartholomä wurde mit der sechsjährlichen Wallfahrt der Saalfeldner auf den Dürrnberg vermischt. Die Almer, als damaliges Vikariat von Saalfelden, nahmen nämlich – ebenso wie andere Vikariate – auch an der Saalfeldener Wallfahrt teil. Beim genauen Studium der spärlichen, bisher bekannten Quellen sieht man, dass die Wallfahrt eindeutig St. Bartholomä zum Ziel hatte. Der Dürrnberg wird mit keinem Wort erwähnt. Auch der Zeitpunkt, ein Tag vor dem Bartholomäustag, weist auf eine Bartholomäus-Wallfahrt hin.
Heute beginnt die Wallfahrt an einem Wochenende um den 24. August (St. Bartholomä) in Maria Alm (800 m). Von dort geht es über das Steinerne Meer zum Riemann Haus am Sommerstein (2.177 m). Dort ist offizieller Beginn mit einer Bergmesse. Der beschwerliche Abstieg führt über die Staatsgrenze, dem Baumgartl, vorbei am Funtensee (1.601 m) und Kärlinger Haus (1.630 m) über die gefürchtete Saugasse zum 603 m hoch gelegenen Ziel: St. Bartholomä am Königssee. Für diese hochalpine Wallfahrt über 32 Kilometer benötigt man acht bis neun Stunden reine Gehzeit. Bei schönem Wetter nehmen heute bis zu 2.000 Menschen aus der gesamten Region daran teil. Bei Schlechtwetter kann man dabei auch knietief durch den Schnee stapfen.
Heute führen der Ortsgeistliche von Maria Alm und ein Vorgeher die Wallfahrt an. Der Vorgeher trägt einen mit Blumen geschmückten Alpstock, er geht als erster und regelt die Rast- und Aufbruchzeiten, sorgt für Ordnung und Disziplin. Von 1980 bis 2001 war Klaus Morokutti der populäre Vorgeher, der über 50 Mal an der Wallfahrt teilgenommen hat. Sein Nachfolger, Georg Imlauer, übernahm 2002 das Amt. Ein kurzer Überblick soll die Entstehungsgeschichte der Wallfahrt nach St. Bartholomä darstellen.
1102 wurde das Augustiner-Chorherrenstift Berchtesgaden begründet, das im Jahre 1134 auf der Halbinsel am „Chunigesse” eine steinerne Kirche errichtete. Sie war ursprünglich der Heiligen Jungfrau Maria und der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht. Das jetzige Bartholomäus-Patrozinium dürfte sich erst in spätgotischer Zeit entwickelt haben, jedenfalls wird es in einem Ablassbrief von 1522 bereits genannt. Vom gotischen Vorgängerbau hat sich unter anderem eine Statue des Heiligen erhalten. Der heilige Bartholomäus wird im Wesentlichen von Bergleuten, Sennern und Holzknechten verehrt.
Ab 1698 führte Hofzimmerermeister Gabriel Wenig den Umbau der Kirche aus, die erst 1724 neu geweiht wurde. Eines der wenigen Bilddokumente zur Baugeschichte ist ein 1691 gemaltes Votivbild, auf dem im Hintergrund noch die gotische Kirche zu erkennen ist. Gleichzeitig ist es Dokument der Wallfahrt nach (St.) Bartholomä, denn es erinnert an ein schreckliches Unglück im Jahr 1688: Ein Schiff mit Pinzgauer Wallfahrern, die auf ihrer seit dem frühen 17. Jahrhundert jährlich üblichen Kirchfahrt über den Königssee unterwegs waren, versank und zahlreiche Pilger ertranken.[1861] Die neuesten Recherchen ergaben eine Zahl von 71 ertrunkenen Wallfahrern, deren Namen, wie die folgenden Aufstellungen zeigen, bekannt sind.[1862]
Aus dem Sterbebuch Maria Alm 1688:
„Den 23. Augusti 1688, da vill [Anm.: Personen] übers gebierg zu S. Barthlme walfahrten gangen, und über 100 Personen in ain baufelliges schiff gestigen, iß das schiff gleich nach unbesonenen abstossen der schiffleith gesunkhen und über 70 Personen ertrunkhen ...”.[1863]
Die Namen der ertrunkenen Wallfahrer aus Alm:
Jürg Klingler von Händlern, ältester Sohn des Kirchenpropsten, 16 Jahre alt; Thomas Pergleithner, ein Bauer zu Stäblen, 53; Barthlme Langegger, ein Bauer an Schmidau, 48; Matthias Priggl, ein Bauer Onimos, 40; Thomas Kröll, Knabe von Forsthoff, 15; Christian Moßhamer, Knabe von Lethn, 14; Sebastian Schitter, Schneid Knecht, 19; Ruep Pfeffer, ein Holzknecht von Äperg, 23; Christina Prindlingerin von Lakhn soluta, ledig, 30; Margaretha Mittereggerin, ledige Magd zu Forsthoff, 23; Magdla Mittereggerin, ledige Magd am Lethn, 20; Catharina Niderainerin, ledige Magd zu Vyhoff, 22 Jahre alt.
„Zur letztgenannten Catharina Niderainerin erzählt die Überlieferung: Ihr eigener Vater war auch mit auf dem Schiff und hat in Panik und Todesangst, obwohl er sich an einer Staude am Ufer festklammern konnte, die Tochter zurück ins Wasser gestoßen, wo sie mit den anderen umgekommen ist. Dem Vater hat diese Handlungsweise in der Folge so zugesetzt, daß er bald darauf an Irrsinn starb.”[1864]
Aus dem Sterbebuch Zell/Maishofen 1688:
„Der 23. August war ein sehr verhängnisvoller Tag, an dem im See des Hl. Apostels Bartholomäus, zur Landschaft Berchtesgaden gehörig, die zur Kirche dieses Hl.Apostels Wallfahrenden infolge der Nachlässigkeit der Schiffer – nur wenige wurden gerettet – unter dem Wasser sind. Aus dieser Zeller Pfarre sind unter Wasser:
Joannes Labfner am Dölinger; Josephus Loibl am Forsthoff; Guilelmus Thorer in Maißhofen; Mathäus Pichler in Turmersbach; Christianus Segman an Forchenögg; Bartholomäus Pichler am Salhoff; Mathäus Rotenperger ibidem femi (an derselben Stelle Frau); Joanna Elpogner in Mayshofen; Anna Schaumbergerin am Fallögg; Christiana N. Dienstmagdt … et, Mathias Lederer.”[1865]
Aus dem Sterbebuch St. Georgen-Bruck 1688:
„Am 23. August ertrank auf der Pilgerfahrt nach St. Bartholomä durch ein zerbrochens Schiff mit ungefähr 80 anderen Personen Rupert Meissl von Khendlhoff und wurde in Berchtesgaden im Friedhof der Kirche zur seligen Jungfrau Maria am Anger begraben."[1866]
Aus dem Sterbebuch Taxenbach 1688:
„Am 23. August ertranken am Festtag Berchtesgadens bei St. Bartholomä folgende Personen im See: Martinus Drikhl, eingeheirateter Bauer zu Undterwinkhl, ungefähr 40 Jahre alt; desgleichen Martin Drikhl, ehelicher Sohn des Georg, ungefähr 14 Jahre alt; Andreas Hoffer, Georg Hoffers zu Wißfleckh und seiner Gattin Catharina ehelicher Sohn, 26 Jahre alt; Apollonia, Joseph Endtachers am Pachrain, und seiner Gattin Christinas eheliche Tochter, 22 Jahre alt; Maria, Johann Grainspergers zu Undternperg und seiner Gattin Christinas eheliche Tochter, 26 Jahre alt; Laurentius, Adam Vordermaisters zu Thalkhendl und seiner Gattin Catharinas ehelicher Sohn, 18 Jahre alt; Maria, Wolfgang Prandsteters zu Grainperg und seiner Gattin Gertrudis eheliche Tochter, 19 Jahre alt; Dorothea Löderin, Inwohnerin in Haimbpach, 42 Jahre alt."
Aus dem Sterbebuch Dienten 1688:
„Am 23. August, am Tag vor dem hohen Kirchenfest des Hl. Bartholomäus, gingen bei einem Schiffbruch und im Wasser zugrunde: Diese folgenden, der besonders ehrenwerte Herr Johann Langöger, Bauer am Schenög, zweitens der ehrenwerte Christian Sendlhofer, Bauer am Grinig ebenso dessen Tochter namens Katharina Sendlhoferin. Diese drei Personen wurden aus dem Wasser geborgen und bestattet im neuen Friedhof zur Seligen Jungfrau (Lieben Frau) in Berchtesgaden."[1867]
Aus dem Gericht Liechtenberg (Saalfelden):
„Verzeichnuß: Der im Bärtlmee See Berchtesgadner Landtghts: erthrunkhenen Persohnen, den 23. Augusti Ao: 1688. Aus dem Gericht Liechtenberg: Ruepp Millinger lediger Dienstkhnecht zu Albmdorf bey 30 Jahre alt. Marthin Haydinger ledigenstandts zu Salfelden, 15jährigen Alters. Jocob Schretter ledigenstandts im Lach gehaust, bey 30 Jahren alt. Virgilli Marzaner verheyrathetenstandts zu Weickherspach gehaust, bey 45 Jahren alt. Geörg Mödlinger verheyrather Millner im Ried, 30jährigen Alters. Christian Pirzlpacher lediger Dienstkhnecht zu Weickherspach bey 50 Jahren alt. Simon Feuersenger, lediger Hörberger am Wikingpichl, bey 30 Jahren alt. Bärtlmee Prindlinger lediger Dienstkhnecht zu Mosßhamb, 24 Jahr alt. Christian Prandtstetter verheyrathetenstandts zu Dorf, 50jährigen Alters. Joseph Feuersenger lediger Dienstkhnecht zu Mosen, 44 Jahr alt. Wolf Prändtl ledigenstandts zu Edt, 20jährigen Alters; Hanß Prundtner verheyrather Weber zu Päbing, 40 Jahr alt. Hanß Khürnperger Wittiber und Hörberger zu Hof, bey 65 Jahre alt. Jacob Gschwendtner ledigenstandts in der Urßlau, 26 Jahre alt. Paul Lechner ledigenstandts in der Albm, 17 Jahre alt. Peter Pichler ledigenstandts zu Ruegasßing, im 17. Jahr seines Alters. Hanß Prandtstetter lediger Dienstkhnecht zu Stockhern, 22 Jahr alt. Magdalena Prandtstetterin ledigenstandts aldorthen, 20jährigen Alters. Seb. Krazberger lediger Dienstkhnecht zu Stockhern, 17 Jahre alt. Hanß Stier lediger Dienstkhnecht am Hochreith, 22 Jahr alt. Niclas Rieder Dienstpueb am Hochreith, 15 Jahr alt. Hanß Hörzog lediger Dienstkhnecht zu Schinkhing, 26jährigen Alters. Hanß Härtl ledigenstandts zu Mosen, 15 Jahr alt. Christian Härtl lediger Dienstkhnecht zu Mosen, bey 30 Jahr alt. Simon Schenegger lediger Hörberger zu Dorf, bey 40 Jahre alt; Catharina Schwäblin ledige Dienstdiern zu Undter Pyberg, bey 30 Jahr. Hanß und Virgily Frizenwankher, beede ledigenstandts zu Mayrhofen, 20 und 17 Jahr alt. Hanß Jöchlinger lediger Millkhnecht zu Pergleithen, 30jährigen Alters. Maria Jöchlingerin, ledige Dienstdiern zu Puechpichl, 26 Jahr alt. Hanß Hirschbichler, ledigenstandts zu Marzon, 20jährigen Alters. Peter, Christina und Maria, 3 Perweinische Khinder zu Saalfelden, 15, 13 und 10jährigen Alters. Elisabeth Höllerin ledigenstandts zu Saalfelden, 15 Jahr alt. Christian Perner lediger Khlamferergsöll alda, 22 Jahr alt.”[1868]
Zusammenfassung der im Königssee ertrunkenen Wallfahrer von 1688:
Unter den 71 ertrunkenen Personen waren daher aus Saalfelden mit Leogang 34, aus (Maria) Alm 12, aus Zell am See mit Maishofen 11, aus Taxenbach 8, aus Dienten (am Hochkönig) 3 und aus St. Georgen im Pinzgau 1.[1869] Das entsprechende Blatt im Sterbebuch von Berchtesgaden fehlt, daher wissen wir nichts über mögliche Berchtesgadener Opfer. Als Reaktion auf das Unglück wurde 1689 in einem Konsistorialbericht der Auftrag erteilt, zu den Festzeiten die sichere Schifffahrt der Wallfahrer zu besorgen.
„Seit Menschengedenken wird beim roten Kreuz an der Falkensteinwand der Verunglückten gedacht und auch die Bootsleute verweisen bei ihren Ausführungen immer auf diese Unglücksstelle. Betrachtet man die vorhandenen Dokumente genauer, so muss man diese Annahme in Zweifel ziehen. ‚iß das schiff gleich nach unbesonen abstossen der schiffleith gesunkhen ...' – Das Votivbild aus der Kapelle von Almdorf zeigt die Ertrinkenden im freien Wasser, angesichts des Kircherls von St. Bartholomä, und ein auf flachem Boden stehender Wallfahrer versucht seine Frau zu retten. All das ist an der Falkensteinwand unmöglich.”[1870] Das Votivbild ist seinem Genre (Gattung) gemäß nicht als Bilddokument zu werten, sondern als mahnendes Gedenken, das stereotyp und plakativ an das ganze Geschehen erinnern soll und wenig Dokumentationswert hat.
„1689 wird beim Fischmeister ‚wegen des stainern Kreiz, alwo die Walfahrter ertrunkhen', nachgefragt.”[1871] Ob dieses identisch mit dem roten Kreuz ist oder an anderer Stelle stand, ist nicht bekannt.[1872] Zur Verwirrung trug die 1911 an der Falkensteinwand angebrachte Gedenktafel bei. Sie wurde auf Anregung von Josef Bacher aus Alm vom Steinmetzmeister Hölzl angefertigt und trug die Inschrift: „An dieser Stelle fanden im Jahre 1688 von 61 Wallfahrern aus Alm bei Saalfelden 60 Personen den Tod in den Wellen. Zur bleibenden Erinnerung wurde diese Gedenktafel von der Gemeinde Alm errichtet. 27. August 1911”.
Im Jahre 2000 wurde diese Tafel an der Falkensteinwand durch eine neue mit richtiger Inschrift ersetzt: „Im Jahre 1688 fanden im Königssee 71 Personen aus dem Pinzgau den Tod in den Wellen. Zur bleibenden Erinnerung wurde diese Gedenktafel von den Gemeinden Maria Alm am Steinernen Meer und Schönau am Königssee errichtet. 26. August 2000”.[1873] Jährlich wird von den Wallfahrern an die Schiffleute im Flachboot ein Kranz übergeben, den sie als Gruß der Nachfahren neben das Gedenkkreuz an die Felswand hängen.
Die Überfahrt über den Königssee:
Zudem wird 1689 angemahnt, die sichere Schifffahrt der Wallfahrer zu besorgen, das könnte auch heißen, dass es mehrere Wallfahrten auch aus anderen Gegen nach St. Bartholomä gab. Um St. Bartholomä zu erreichen, müsste ein Schiff an der gegenüber der Falkensteinwand liegenden Seeseite fahren und könnte dort gar nicht zerschellen.
Die Falkensteinwand hieß früher aber auch Kreuzlwand, denn sämtliche Kreuze, Marterl und Gedenktafeln von Unglücksfällen auf dem Königssee wurden an dieser markanten Wand angebracht. Das lässt den Schluss zu, dass die Wand, ob der freien Lage des Felsen und seiner guten Sichtbarkeit über den ganzen See, der zentrale Erinnerungsort für den ganzen See wurde, unabhängig davon, wo sich ein konkretes Unglück ereignet hatte.
Warum mussten die Pinzgauer überhaupt über den Königssee fahren? Peter Wörnle stellt in seinem Artikel: „Wege übers Gebirg” im Berchtesgadener Heimatkalender 1988 fest, dass zwischen Schrainbach und St. Bartholomä bis etwa 1880, außer dem äußerst schwierig begehbaren und stark ausgesetzten Schmalzsteigl, noch kein Weg bestand. Der Weg wurde erst vom Alpenverein nach Übernahme einer Holzhütte am Funtensee angelegt. So mussten die Wallfahrer von der Schrainbachalm dem Viehtriebsteig bis Salet und dann dem Ostufer des Königssees folgen, wo sie sich vermutlich an der schmalsten Stelle nach St. Bartholomä übersetzen ließen. Für diesen Ort sprechen nicht nur die Einträge in den Sterbebüchern, sondern auch das Wallfahrtsbild von 1691 in Almdorf-Saalfelden, von dem eine Kopie im Berchtesgadener Heimatmuseum hängt. Es zeigt die Ertrinkenden im See mit Blick vom Reitl auf die Kirche St. Bartholomä. Dieser Platz ermöglichte auch, wegen der geringen Tiefe, die 71 Leichen zu bergen. An der Falkensteinerwand war das nicht möglich, weil Ertrunkene im Königssee gleich in den Tiefen des Sees versinken und nicht wieder auftauchen. Für den Unglücksort Reitl spricht deshalb auch, dass alle Verstorbenen zu guter Letzt auf dem Berchtesgadener Friedhof bei „Unserer lieben Frau am Anger” bestattet worden sind.
Über die Lage der Unglücksstelle könnten derzeit nur Untersuchungen von Tauchern Aufschluss geben. Denn vor der Errichtung der Seeklause am nördlichen Ende des Königssees, zu Beginn des 18. Jahrhunderts, lag der Seespiegel um zwei Meter tiefer.[1874]
Der Autor, wollte es genau wissen und beschloss, im Salzburger Landesarchiv nach den „nicht mehr vorhandenen Akten” zu suchen. In den Nachlassbüchern der drei betroffenen Pinzgauer Pfleggerichte Kaprun/Zell, Liechtenberg/Saalfelden und Taxenbach stieß er auf viele bereits bekannte Namen, die bei dem Unglück ums Leben kamen. Ein wichtiger Hinweis fand sich bei Christian Sendlhofer aus Dienten, der gelobt hatte, nach St. Bartholomä zu wallfahrten und dabei ertrank. Ansonsten gab es in den Gerichtsakten von Kaprun und Liechtenberg keinen Hinweis mehr auf das Unglück. Als große Überraschung fand sich jedoch im Findbuch des Pfleggerichts Taxenbach die Aktenbezeichnung: „Interesse für die im Königssee ertrunkenen Wallfahrer”.
Obwohl schon viel über das Unglück geschrieben und noch mehr gemunkelt worden ist, scheint bisher niemand dieses Pfleggericht in seine Überlegungen einbezogen zu haben, denn er wäre in kurzer Zeit auf die Akten gestoßen. Da nun nach über 300 Jahren weitere Archivalien vorliegen, stellt sich die Frage, was bisher Legende und was Wirklichkeit war?
Gleich zu Anfang sei gesagt, dass es keinen Sturm gab und das Wallfahrerschiff auch nicht an der Falkensteinerwand zerschellte. Diese Version stammt aus Reisebeschreibungen des 19. Jahrhunderts und wurde den Autoren vermutlich so von den Bootsleuten auf dem Königssee erzählt. Tatsächlich ereignete sich das Unglück wie folgt:
„Am 23. August 1688 kamen etwa 100 Wallfahrer am Königssee an (der genaue Ort ist nicht genannt; aber alles spricht fürs Reitl). Dort weigerten sich die Berchtesgadener Schiffleute, trotz der vielen Personen, öfters als einmal nach St. Bartholomä überzusetzen. Anfangs „mit guten Worten, teils aber mit allerhand Schmach und Spott wurden sie gleichsam auf das Schiff genötigt”. Durch „Sitzen und Stehen” entstand eine nicht geringe Unruhe und aus lauter Übermut hat „Jakob Droesen, genannt Landauer, Fleischhacker aus Zell, das Schiff nicht allein von dem Lande allzugrob abgeschoben, sondern auch gleich darauf einen solch ungestümen Sprung in das Schiff getan, dass dasselbe alsobald angefangenn habe, Wasser zu gewinnen und folgends zu sinken”. Auch im Sterbebuch von Maria Alm wird ja das „unbesonnene Abstoßen” den Schiffleuten angelastet! Landauer und noch weitere Personen aus dem Pfleggericht Zell konnten „ihr Leben durch das Schwimmen erretten”. Das zeigt, dass die am Wasser wohnende Bevölkerung schon damals zum Teil schwimmen konnte. Die elf Ertrunkenen aus dem Pfleggericht Taxenbach wurden „ihrem äußerlichen Wandel nach von jedermann für gute, ehrliche, den Leibeskräften nach aber für starke und zugleich arbeitsame Leute” gehalten.
Totengedenken und Buße:
Den Schiffleuten trug man, zur Entlastung ihrer Gewissen, eine weite Wallfahrt auf. Es kann sein, dass diese nach Maria Zell (Steiermark) führte, denn auf dem Hochaltar von St. Bartholomä steht ein Bild der dortigen Gnadenmadonna und ein Grund dafür ist nicht bekannt. Eine härtere Strafe wollte man ihnen nicht auferlegen, weil die Ertrunkenen an ihrem Unheil zum größten Teil selbst schuld waren. Darüber hinaus sollte am Ufer des Sees, wo sich das Unglück ereignete, eine steinerne Kreuzsäule errichtet werden. Die Anfrage von 1689 am Beginn dieser Ausführungen deutet aber darauf hin, dass diese Säule dort vermutlich nie gesetzt und stattdessen nur das Kreuz an der Falkensteinwand angebracht worden ist.
Als der Berchtesgadener Hofrat erfuhr, dass die Hinterbliebenen im Pfleggericht Liechtenberg sich bereit erklärten, für die ertrunkenen Personen bei „aller Christgläubigen Seelenbruderschaft in Alm” einen ewigen Jahrtag zu stiften, sandten sie an den Salzburger Hofrat folgendes, der heutigen Orthographie weitgehend angepasstes Schreiben: „Nun ist dieses ein gottseliges Werk, wenn man aber bedenkt, was man hier wegen der Begrabung ihrer toten Körper und deren Heraussuchung aus dem See mit größter Mühe und Arbeit getan und an was für einen gottgeweihten Ort sie bestattet worden sind, so werden Sie hoffentlich von selbst ermessen können, dass es sich weder schickt noch von ihren Verwandten rühmlich wäre, wenn die Freunde und Erben der Ertrunkenen nicht auch noch an dem Ort selbst, wo sie ehrlich begraben worden sind, einige Seelenmessen lesen lassen würden.”
Nun wurde bei den Freunden und Verwandten in den drei Pfleggerichten eifrig gesammelt, um die zwei ewigen Jahrmessen in Berchtesgaden und Alm stiften zu können sowie die Bestattungskosten zu begleichen, die über das Geld hinausgingen, welches man bei den Verstorbenen fand. Außerdem sicherte man von Berchtesgadener Seite zu, dass sonst keine weiteren Gebühren geltend gemacht würden.
Vom Pfleggericht Taxenbach liegt die Abrechnung noch in den Akten. Daraus ist ersichtlich, dass die Witwe von Christian Sendlhofer, die auch ihre Tochter Catharina verlor, trotz des „gering verbliebenen Vermögens und der viller Kinderlein 1 Gulden und 6 Kreuzer” stiftete. Nachdem noch die Kosten für den Gerichtsdiener einbehalten worden waren, sandte man den Restbetrag nach Berchtesgaden. Hier erging am 13. September 1689 ein Stiftsbrief, in dem stand, dass „nun hiefür zu ewigen Zeiten, jedes Jahr am Vorabend des heiligen Bartholomäus in Unsern Lieben Frauen Gottshaus am Anger allda (:allwo vorerwähnte Wallfahrer Christ-Catolischem Gebrauch nach, ehrlich zum geweihten Erdreich bestattet worden:) derselben abgeleibten Seelen zum Trost: und ewigem Gedächtnis eine Heilige Messe gelesen und von angelegten dreißig Gulden Kapital, die derentwegen erforderliche Stol und Gebühr entrichtet werden sollen.”
Wie lange diese „ewige Jahrmesse” in der Franziskanerkirche gehalten wurde, ist nicht bekannt. Die zweite Messe, die in Alm gelesen wurde, ist aber sicher der Grund, dass nur noch dort des Unglückes gedacht und die Wallfahrt weiterhin durchgeführt wird.[1875]
Ein Bericht von 1816
Michael Vierthaler beschreibt 1816 die Wallfahrt: „St. Bartholomä gleicht einer Insel im stillen Meer. Ungeheure Gebirge, der Watzmann, die Stuhlwand, der Burgstall und 600 Fuß tiefer See halten es von der übrigen Welt abgesondert. Die Kirche, an welche das fürstliche Landhaus angebaut ist, steht am Rande des See's, und wird in den Tagen des Sturmes von seinen Fluthen bekämpft. Rings umher breitet sich in Form eines Halbzirkels ein sanfter Grasboden aus, auf welchem einzelne Kälber und Kühe weiden, und den Grasboden umzieht ein stiller Eschen- und Buchenhain. Die Gegend schient nur für die Thiere des Waldes und der Berge, für Jäger und Fischer und Anachoreten [Anm.: zurückgezogene Einsiedler] geschaffen zu seyn.
Dennoch findet man an einem Tag des Jahres, am Feste des Apostels, dem die Kirche geweiht ist, das einsame Eiland ganz mit Menschen bedeckt. Sie kommen größtentheils aus Pinzgau, über Tauern und Alpen herab, und aus Klüften und Schründen heraus, wo selbst Thiere nicht ohne Gefahr wandeln könnten. Ihr religiöses Gefühl erhält einen höheren Schwung durch die romantische Gegend."[1876]
Mit Musik übers Gebirge:
„Unter den Wallfahrern befanden sich immer Musikanten und Sänger, die die müden Wanderer bei den Rasten aufmunterten. Zitherspiel und Jodler begleiteten seit eh und je diese Wallfahrt [Anm.: Bartholomä-Wallfahrt] und so war es nicht verwunderlich, daß zu Ende des 19. Jahrhunderts, als allenthalben Blasmusikkapellen entstanden, die Musikkapelle Alm die musikalische Umrahmung des Geschehens übernahm. Bis 1926 begleitete regelmäßig die Almer Musik die Pilger übers Gebirge.”
Wallfahrer und Ranggler:
„In dieser Zeit wurde in St. Bartholomä nach dem Gottesdienst ein Vergleichsranggeln zwischen Pinzgauern und Bayern abgehalten, was manchmal in Raufereien ausartete. Derartige Zwischenfälle sowie Notzeiten, Grenzsperren und Krieg ließen in der folgenden Zeit den alten Brauch fast einschlafen. Aber einige wenige setzten das Althergebrachte fort. So Josef Herzog, bekannt als ‚Schuster Seppei', der 1880 erstmals als 14jähriger mit dabei war. 65 mal wanderte er bis 1944, oftmals allein, übers Gebirg nach St. Bartholomä.”
Der einstige Weg
„Nachweislich führte der Weg ursprünglich über die Buchauerscharte, denn die Durchsteigung der ‚Tauernwand' auf der Ramseiderscharte galt vor dem Wegbau (1876), nur für ‚gwappelte [Anm.: amtlich bekannte; hier wohl in der Bedeutung von unverbesserlich, für Wiederholungstäter gebraucht] Schwärzer und Wilderer' als möglich. Nicht umsonst hieß der Aufstieg ‚Bärenstieg' bzw. ‚Bärenstich', da er angeblich nur auf allen Vieren zu bewältigen war.
Leider gibt es keine Hinweise, ob die Kasereggkapelle und die auf alten Plänen eingezeichnete Kapelle auf der Buchauerscharte einen Bezug zur ursprünglichen Wallfahrt haben. Vielleicht waren auch das Kreuz auf der ‚Geigen' am Funtensee und der ‚feiste Hergott' unterhalb der Saugasse Stationen derselben. Heute beginnt die Wallfahrt mit einer eindrucksvollen Bergmesse am Riemann Haus.”[1877] Den heutigen Weg beschreibt eindrucksvoll Franz Schned.
„1951 nun, nachdem die Not der ersten Nachkriegszeit gebannt war, erinnerte man sich wieder der alten Bräuche und ging daran, Verbindung von hüben und drüben herzustellen. Hatten doch die politischen Verhältnisse der 30er Jahre und die Kriegszeit den persönlichen Kontakt mit dem Nachbarn jenseits der Grenze fast ganz zum Erliegen gebracht. Waren es bei den Almern, Hans und Hermann Schwaiger, die schon nach dem Ersten Weltkrieg mit der Musik nach St. Bartholomä kamen und nun die führenden Positionen in der Kapelle bekleideten, war es in Königssee Kreisrat Sixtus Fuchlechner, ein gebürtiger Saalfeldner, die alles in die Wege leiteten und an die Tradition anknüpften. Das war damals nicht leicht, denn [Anm.: amerikanische] Besatzungsmächte gab's in beiden Ländern und die Grenze war keineswegs so offen wie heute. Jedenfalls wagte die Almer Musikkapelle als eine unverfängliche Körperschaft einen Aufruf, die alte Tradition des ‚Barthlmä-Gehens', wie es allgemein hieß und noch heute heißt, wieder aufleben zu lassen.
Die anfängliche Skepsis wandelte sich schon im Verlauf der ersten Wallfahrt in Begeisterung. Begeisterung an der Natur, denn die meisten Teilnehmer gingen den Weg Maria Alm – St. Bartholomä zum erstenmal in ihrem Leben, Begeisterung über die eigene und innere Freude im Kreise Gleichgesinnter und umgeben von Musik und Gesang. Begeisterung über den Empfang an und jenseits der Grenze. 25 Jahre Unterbrechung waren weggewischt und jeder dem anderen ein alter Bekannter. Rührend war die Szene am Funtensee, als die alte Feldalm-Sennin ‚Burgl' ihre alten Bewunderer von früher wiedersieht.”[1878]
Damals werden wie heute, die pfeifenden Warnrufe der „Manggei” (Murmeltiere) am Funtensee ihre Artgenossen vor den herannahenden „Barthlmä-Gehen” gewarnt haben, um sich hurtig in ihre unterirdischen Baue zu flüchten.
Damals 1951, am Grenzstein:
„Eine lustige Begebenheit beim ersten Grenzübertritt: Alles war gespannt, wie das vor sich gehen würde, ob ‚gefilzt' [Anm.: Leibesvisitation durch Grenzwachebeamte] wird oder sonst was? Um 1951 mit über 100 Leuten an einem nicht offiziellen Grenzübergang fremdes Staatsgebiet betreten zu dürfen, musste man zuvor bei der Bezirkshauptmannschaft in Zell am See eine komplette Namensliste einreichen, beglaubigen und bewilligen lassen. Ein Unterfangen, das nicht gut ausgehen konnte, denn wer wusste schon lange zuvor, ob man mit von der Partie sein konnte.
An der Grenze ging es dann so vor sich: Bayerische Grenzpolizei und Zollbeamte jenseits des Grenzsteins am Baumgartl – herüben der Bürgermeister von Alm mit der ominösen Liste. Aufruf der Namen – Überschreiten der Grenze usw. Bei den Musikanten und ihren Angehörigen klappte alles noch ganz gut; aber bei den Mitgehern viele waren im letzten Augenblick noch zu uns gestoßen – gings los. Johann Herzog! Stille – erstaunte Blicke der Grenzpolizei. ‚Gustl, dös bist du!' Beim dritten mit neuem Namen versehenen Mitgeher lacht schon die ganze Runde, auch die Beamten der Grenzpolizei. ‚Generalabsolution' heißt es nun und der Rest überschreitet unbeschadet und formlos die Grenze. Mit einem flotten Marsch und einem Stamperl Schnaps von den Marketenderinnen wird den Grenzern dafür gedankt und der Grundstein für eine Freundschaft mit den Beamten gelegt. Also gings dann von ländlichen Weisen begleitet zum Funtensee und keiner ließ sich das dumpfe Plätschern der ‚Teufelsmühle' entgehen, denn davon hatte jeder schon in seiner Kindheit gehört. Dann der Empfang vom Hüttenwirt Michi Graßl! Natürlich, den kannten einige, denn er ging ja auch in den Pinzgau ins Gäu!” [Anm.: eigentlich: Ausübung des Handwerks; in übertragener Bedeutung auch: auf Brautschau, auf Besuch][1879] Seit dem Beschluss des „Schengener Abkommens” im Jahre 1996 entfällt diese Grenzkontrolle.
Vom Funtensee zum Königssee:
„Beeindruckend ist es für jeden, wenn er zum erstenmal die Saugasse betritt. Daß die Weisenbläser da nicht mehr zum Halten waren, versteht jeder und so mancher war froh auf eine kleine Rast im Saugaß-Loch. Vom ‚Heiratsstein' wußten die Alten zu berichten und vom ‚feisten Hergott' bei der ‚Tränz'. Alles war neu und sehenswert für uns Jüngere. Daß es aber nach dem ersten Anblick des Sees fast noch eine Stunde dauern würde, bis wir den Grieß des Eisbaches erreichen sollten, wollten wir vorerst nicht glauben. Doch auch diese letzte, alles fordernde Strecke ging zu Ende und der See war erreicht.
Jeder entledigt sich seiner Schuhe – früher sollen hier sogar alle unbrauchbar gewordenen in den See geworfen worden sein – und watet in das eiskalte Wasser und siehe da – die Lebensgeister kehren zurück – man ist wieder der flotte Mensch, der vor 12 Stunden in Alm weggegangen ist. Ein Schnapserl vom Barthlmä-Wirt tut sein Übriges, um wieder voll da zu sein.
Seit einigen Jahren [Anm.: 1980 etwa] kommen die Königsseer Holzknechte nach alter Tradition herübergerudert und empfangen die Wallfahrer mit einem frischen Bier vom Faß zur Stärkung. Doch nicht lange hat man Zeit sich auszuruhen, denn nun werden die Honoratioren von Königssee begrüßt und mit einem Marsch geht es zum Kirchlein von St. Bartholomä. Mit einem inbrünstigen ‚Großer Gott, wir loben Dich!' [Anm.: und der „Absolution der Sünden” für alle Wallfahrer durch den Geistlichen] endet diese schon recht mühsame Wallfahrt.”[1880]
Kirchweihfest in St. Bartholomä:
„Am Kirchweihsonntag (es ist immer der 24. August oder der auf den 24. August folgende Sonntag) nehmen die Berchtesgadner Weihnachtsschützen drüben am Reitl Aufstellung und geben mit ihren Salven und Reihen den Auftakt zur Barthlmä-Kirchweih. Mit Musik gehts zum Festgottesdienst,[1881] 106 zum Lobamt der Berchtesgadener Bergknappen [Anm.: die gemäß des Zunftbriefes von Jahre 1617 um Abwendung von Unglück und Gefahr im dortigen Salzberg bitten][1882] und unter den Andächtigen finden wir die Almleute der Umgebung und die Holzknechte. Nach dem Gottesdienst spielt die Almer Musik und Besucher aus nah und fern strömen zum Kirchweihfest. Aber richtige Stimmung kommt erst auf, wenn auch noch die Musikanten aus Maria Gern zum Tanz aufspielen. Doch bald ist auch dieser Nachmittag um und für die Almer heißt es Abschied nehmen.
Ernst kommt auf, wenn die Abfahrt [Anm.: mit dem Schiff] naht. Auch wenn sich die Gerner und Almer Musikanten Weisen zuspielen, denkt jeder: ‚Bartholomä vorbei – wieder ein Jahr um!' und so mancher fragt sich, ob es nicht das letzte ‚Barthlmä' für ihn war? So kommen die Wallfahrer zur Falkensteinwand, wo vor 300 Jahren so viele Pinzgauer ihr Leben lassen mussten. Während des Gebetes und Trauermarsches ist jeder in Gedanken beim damaligen Geschehen und fragt sich, wie vielen wohl auch heute die Rettung nicht gelingen würde, wenn ...?”[1883]
„Aber nicht nur die Pinzgauer und mit ihnen die Almer und sonstige Wallfahrer sind übers Gebirg nach St. Bartholomä gezogen, sondern auch in die Gegenrichtung kamen die Berchtesgadner alle vier Jahre zur ‚Muttergottes in der Alm' (Almb, Alben) zum Fest Maria Heimsuchung (2. Juli) und opferten hier eine große Wachskerze.
Diese Wallfahrt nach Maria Alm ist erst in den letzten 50 Jahren [Anm.: um 1938] abgekommen, jedoch ließen die Bewohner von Schönau am Königssee sie 1988 wieder aufleben. In einem von bayrischen Sängern und Musikanten gestalteten Gottesdienst übergab der Bürgermeister Stefan Kurz eine von der Gemeinde Schönau am Königssee gestiftete Wachskerze.”[1884]
„Diß Jahr ist die Pfarr=Gemeinde von Berchtoldsgaden mit einem Creuz allhero Kommen / ihr Andacht verricht / auch Ein 10 pfündige Wax=Kerz / ein über=Silbertes Rauch=Vaß und Schiffel/dann Ein rothes Meß=Kleyd / und ein solches Fähnl geopfert. Diese Pfarr=Gemein kombt an Mariae Heimsuchungs=Fest / noch allezeit das Vierte Jahr / und opfert ein grosse Wax=Kerz.”[1885]
Heute gehen auch viele Dürrnberger die Wallfahrt nach St. Bartholomä mit. Die bedeutsamste Wallfahrt der Dürrnberger war aber jene am Michaeli-Festtag. Diese traditionelle Knappenwallfahrt am Michaelstag, dem 29. September, reicht zumindest in das Jahr 1626 zurück, dürfte aber wesentlich älter sein. Der Grund dieser Wallfahrt ist bis dato noch unbekannt, doch könnte es sich, wie bei den Berchtesgadener Salzbergleuten, die seit 1617 um Abwendung von Unglück und Gefahr im Berge verschiedene Gnadenstätten besuchten, auch um dieselben Anliegen handeln. Die Wallfahrten zu den Patronen St. Rupert und St. Michael, zur Heiligen Maria, „zur schuldigen Danksagung” sowie die Wallfahrten an speziellen Wetter-Bitt-Tagen sprechen dafür. Auch auf den Bruderschaftsfahnen der Knappen-Bruderschaft von 1828 und 1885 ist Maria als Schutzfrau der Bergleute dargestellt.
Neben der Michaeli-Wallfahrt sollen auch alle weiteren Wallfahrten der Knappen erwähnt werden, die bisher bekannt sind:
Eine wichtige Wallfahrt fand am Sonntag vor St. Anna (26. Juli) in die Kirche Maria Dürrnberg statt.
1626: „23. Aprill (St. Georg; Wetterpatron), die Knappschaft zu St. Stefan Gotshaus zu Oberalm Kirchfahrten gegangen. Am Tag Petri und Pauli (29. Juni; Tag der „Wetterherren”) ist die Knappschaft nach Berchtesgaden zu unserer lieben Frauen am Anger walfahrten gegangen.” 1628, am „21. Mai (inmitten von Wetterlostagen) ist die Knappschaft auf Hallein-St. Georgen, am 14. Juni hinauf nach St. Dionisi (Vigaun; der 15. Juni, St. Veit wäre wieder ein Wetterlostag), am 24. August (St. Bartholomä) abermals nach Oberalm wallfahrten gegangen und am 29. September, den Michaelstag, ist die Knappschaft des Dürrnberges nach Salzburg, in den neu geweihten Dom gegangen, zur Erlangung der Indulgentia” (offenbar um einen mit der Domweihe verbundenen besonderen Ablass zu erlangen).[1886] 1653, „am 24. September (St. Rupert) ist die Knappschaft wieder nach Mülln wallfahrten gegangen."
Die heutige Müllner Pfarrkirche, zugeeignet „Unserer Lieben Frau Mariae Himmelfahrt”, war 1605–1810 Kirche des Augustiner-Eremiten-Klosters; wesentliche Erweiterungsbauten erfolgten bis 1610. Sie beherbergt als Gnadenbild eine Madonna von 1450. Die Wahl gerade dieses Wallfahrtsortes – die neu, unter Patronanz von Erzbischof Wolf Dietrich ausgebaute Kirche, von Augustinern betreut, mit einem Mariae- Himmelfahrt-Gnadenbild – verweist auf eine starke gegenreformatorische Maßnahme. Es ist sehr zu vermuten, dass diese Wallfahrt den Bergknappen vorgeschrieben worden ist.
Einer alten Legende zufolge ist im Jahre 1697 im Salzbergwerk Dürrnberg der Himmel (die Laugwerksdecke) der beiden verschnittenen bzw. vereinigten Sinkwerksanlagen Schildl und Aigl im Untersteinberg-Hauptstollen nieder gebrochen und die angeschwemmten Laistmassen haben dabei den Knappen Michael Ludwig vom Aichbauerngut in der Plaick totgeschlagen. Der Bergmeister hatte dieses Unglück geahnt und konnte zuvor mehrere Bergleute warnen und sie nach Obertage schicken, wodurch sie einer Katastrophe entkommen sind. Dieses Wunder wurde der Gnadenmutter zugeschrieben und man beschloss, alle Jahre zu St. Michael mit dem Zechkreuz zu wallfahrten.[1887] „Danksagungswallfahrt nach Hallein am Michaelitag, nicht nach Mülln!” und am „24. September (St. Rupert), wieder nach Mülln gegangen.”
1788: „Die ... Kreuzgänge sind heuer auf ergangenes ‚Generall' (Konsistorialverordnung) nicht gehalten worden. ... Sie sind aber ... nicht nur für 1786 aufgehoben, sondern für immer. Damit fällt auch die jährliche Danksagung nach Mülln weg.”[1888] 113 Dass die Bergknappen mit einer Sondergenehmigung weiterhin wallfahrten durften, erfahren wir aus einer Eingabe an des Dechants von Hallein an das Konsistorium von 1810.
1795: „29. September: Erz-Engel-Michaeltag. Gehet unser löbliche Vikariatsgemeinde (Dürrnberg) mit dem Kreuz in das Pfarrhaus Mülln (Salzburg), das Schiff in Hallein ist auf 5 Uhr morgens bestellt”.[1889] Dasselbe fand 1804 statt, am „Erzengel Michael Tag, 29. September, ... Mülln, um dort dem allgütigen Gott für alle das Jahr empfangene Wohltaten den schuldigen Dank abzustatten. Die Zusammenkunft und Anstellung geschieht um ½ 8 Uhr beim Klausentor. Das Schiff in Hallein ist auf 5 Uhr bestellt”.[1890] Daraus erfahren wir, dass sich das „Gehen” auf die Wege nach Hallein zur Schiffslende an der Salzach bzw. vom Landesteg auf den Müllner Hügel bezog und die wesentliche Strecke der Wallfahrt per Schiff gefahren wurde. Eine nicht außergewöhnliche Tatsache, war doch die Salzschifffahrt tagtäglich vor Augen zu haben.
Warum 1826 „Am Michaelitag, Danksagung daheim, mit Amt und Prozession, mit den 4 Hl. Evangelien”[1891] stattfand und keine Wallfahrt, ist nicht bekannt.
1873: „zu St. Michael, erster Bittgang der Dürrnberger nach Maria Plain".[1892] Die Marienwallfahrt der Bergknappen hatte sich damit auf die bedeutendere Marien- Gnadenstätte verlagert und den Ort der ersten Wallfahrt, der mit 1810 einen Bedeutungsverlust erlitt, verlassen. Ab 1873 fuhren die Wallfahrer mit der neu errichteten „Salzburg-Halleiner-Bahn” und pilgerten zu Fuß nach Maria Plain. Seit etwa 1960 wird mit Autobus oder mit privaten Autos bis zur Plainbrücke oder nach Bergheim gefahren und der restliche Weg zur Basilika in einer halbstündigen Betprozession zurückgelegt.
Am Michaelstag 1988 kam es anlässlich der drohenden Stilllegung von Salzbergbau und Saline Hallein zu einer massiven Beteiligung der Bevölkerung, besonders der Bergleute und Musikanten, an dieser historischen Knappenwallfahrt. Auch daraus lässt sich auf die Bedeutung der traditionellen Wallfahrt schließen, auch zu Zeiten, in denen Religiosität im Alltag wie im Berufsleben nicht mehr üblich ist. Die Schließung der beiden Traditionsbetriebe erfolgte am 31. Juli 1989. Nun ruht das einst so begehrte und wertvolle Handels- und Kulturgut „Salz” im Schosse der Erde und Bergmannsbräuche sind nicht mehr Teil des Alltags, sondern Traditionspflege geworden.[1893] Daher soll hier auch noch die Grabwache der Dürrnberger Knappen am Karfreitag und Karsamstag erwähnt werden.
So wie in vielen Orten des Salzburger Landes und des grenznahen – heute bayerischen – Rupertigaues, besteht auch am Dürrnberg ein „Heiliges Grab”. Diese Gräber – seit dem Mittelalter üblich, mit Höhepunkten im Barock – haben in fast jeder Gemeinde eine eigene Ausprägung, in der sich im Rahmen barocker Gestaltungsformen die Möglichkeiten der Hersteller spiegeln. Sie sind meist mit den typischen bunten Gläsern (19. Jahrhundert) bzw. mit so genannten „Schusterkugeln” (ab 17. Jahrhundert), die mit gefärbtem Wasser gefüllt werden, gestaltet. Die Glaskugeln vervielfältigen das Licht von Kerzen, Öllämpchen oder – heute – Glühbirnen und erzeugen besondere Effekte. Besonders aufwendig gestalten sind die Heiligen Gräber in der Erzabtei St. Peter in Salzburg und in der Stiftskirche von Höglwörth bei Anger in Bayern. In Höglwörth wird schon 1652 ein „Herren Grab” erwähnt.[1894]
Am Dürrnberg wird die Errichtung eines „Neuen Grabes Christi” in der Kirche 1763 urkundlich erwähnt. Durch die Bezeichnung handelt es sich dabei offenbar um eine Erneuerung eines schon bestehenden alten Grabes. 1764 wurden zu den Grabkugeln, 12 Ampeln aus Weißblech angeschafft. Für das Aufrichten, Abbauen und Verwahren – „in gehörige Ort zu bringen” – „des Hl. Grabes Christi, ist verwilligt worden 1 Gulden”. Aus dieser Zeit stammen die noch erhaltenen, auf Holztafeln gemalten zwei schlafenden Grabwächter. 1785 ist „auf Anbefehlung anstatt des alten, eine neue Vorstellung des Grabes Christi, nach vorgezeichnetem Riss gemacht worden, um 8 Gulden”. Ab dem Jahre 1840 liegen schriftliche Ansuchen des Ortsgeistlichen vor, dass das hochlöbliche k.k. Bergamt des Salzbergwerkes Dürrnberg uniformierte Knappen für die Grabwache beistellen möge. Diese Gepflogenheit wird noch heute eingefordert. 1885 wurde das bestehende Grab von den Patres Redemptoristen vom Dürrnberg neu angefertigt; so ist heute noch der Einfluss jener Zeit erkennbar. 1926 wurde anstelle der Kerzen und Öllampen elektrisches Licht durch den Bergschmied Franz Schörghofer installiert.[1895]
Bis zum Jahre 1963 etwa wurde am Karfreitag und am Karsamstag von sechs Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags beim ehemaligen Skapulier-Bruderschaftsaltar, heute rechter Seitenaltar, von zwei Knappen Wache gestanden. Seinerzeit war die österliche Auferstehungsfeier um 17 Uhr und die Bergmusik rückte zu diesem Anlass aus, auch dieser Brauch ist leider abgekommen. In den Jahren 1970 –75 wurde die Wache wegen Personalmangel auf Karsamstag eingeschränkt und durch die Stilllegung von Salzbergbau und Saline Hallein im Jahre 1989 wird sie heute nur am Karsamstag von 13.00 bis ca. 21.00 Uhr – bis zum Beginn der Auferstehungsfeier – aufrecht erhalten. Ca. 10 Tage nach Ostern wird das Heilige Grab abgebaut. Der halbkreisförmige Aufsatz des Grabes war mit bunten beleuchteten Glaskugeln ausgestattet und enthielt das Allerheiligste und den Auferstandenen – er wurde um 1980 entfernt und vernichtet.
Die Wache haltenden Bergknappen tragen ihre historische weiße Bergmannstracht, mit dem Bergleder, der schwarzen Schachtmütze und als Zeichen der Wehrhaftigkeit eine Hellebarde. Die Wachablöse erfolgt zur vollen Stunde. Die in Habtachtstellung verweilenden Grabwächter werden von zwei Kollegen mit dem „Aufführer” vor Ort abgelöst. Diese Szene ist weitum wohl das einzigartigste österliche Geschehnis am Heiligen Grabe Christi.[1896]
[1777] [Hiebl 1998]; [Hallinger 1997]. Manuskript-Kuzfassung vom Autor an J. Schatteiner überlassen.
[1778] [Kromas 1998a], bes. S. 73; vgl. [Kromas 1998b].
[1779] [Spötl 1996].
[1781] Instruktion und Ordnung für den Salzbergbau Dürrnberg, 1592, erlassen durch Erzbischof Wolf Dietrich.
[1783] [Kanzler 1912]; Recherche von Josef Hallinger in Salinenakten der Saline Hallein, unveröffentlicht.
[1785] Recherche von Josef Hallinger in Salinenakten der Saline Hallein, unveröffentlicht: Darstellung: „K.k. Bergamt Dürrnberg: 11. Mai 1868, Karl Dadlez”.
[1787] Im Archiv Johann F. Schatteiner – Klamm-Point-Archiv befinden sich folgende Akten bzw. Abschriften bereits aufgelassener Archive: die Statuten für die Bruderlade der Arbeiter und Meister bei dem k.k. Salzbergbaue am Dürrnberg bei Hallein. 1874. Abschrift. – Das Bruderladegesetz vom 28. Juli 1889, verfasst von k.k. Oberbergrat Rudolf Knapp. 1892. – Umbildung der Bruderladen der alpinen Salinen in Unterstützungsvereine. 1909. – Statuten des Vereines zur Unterstützung von Bergarbeitern der Salinenverwalt. Hallein 1927. – Statut für den Verein zur Unterstützung von Hüttenarbeitern der Salinenverw. Hallein 1928. – Weitere Arbeitsordnungen, Abschriften, Kopien etc. KPA-2002: Bruderlade –doc. 38/1–20.
[1789] Auszüge der Lagerbücher der Bruderlade Dürrnberg aus den Jahren 1877–1901.
[1790] Unter Beratung und Mitarbeit von Ulrike Kammerhofer-Aggermann.
[1799] [Kammerhofer-Aggermann 1982]; [Kammerhofer- Aggermann 1990a]; [Kammerhofer- Aggermann 2002a].
[1803] [Kanzler 1912], S. 318–321.
[1805] Archivalien des Keltenmuseums Hallein.
[1809] Ab- und Umschriften bzw. Transkriptionen alter Urkunden und Briefe des ehemaligen Salinen Archives Hallein, von 1347–1454, heute Keltenmuseum Hallein.
[1810] Urkunde bis 1971 im Besitz der Salinenverwaltung Hallein, heutiger Standort unbekannt. Abschrift im Archiv Johann F. Schatteiner – Klamm-Point-Archiv sowie Ab- und Umschriften bzw. Transkriptionen alter Urkunden und Briefe des ehemaligen Salinen Archives Hallein, von 1347–1454, heute Keltenmuseum Hallein.
[1811] [Brugger/Dopsch/Kramml 1991]. Bd. 1, S. 484 und S. 522; Herrn Alfred Höck ist für die Beratung zu danken.
[1812] Ab- und Umschriften bzw. Transkriptionen alter Urkunden und Briefe des ehemaligen Salinen Archives Hallein, von 1347–1454, heute Keltenmuseum Hallein.
[1813] Ab- und Umschriften bzw. Transkriptionen alter Urkunden und Briefe des ehemaligen Salinen Archives Hallein, von 1347–1454, heute Keltenmuseum Hallein.
[1814] Salzberg-Archiv-Dürrnberg. Recherchen Juni 2000: Josef Hallinger.
[1815] Recherche von Josef Hallinger in Salinenakten der Saline Hallein, unveröffentlicht.
[1817] [Kurz/Zinnburg 1981], S. 115; [WagnerHF 1908], Nr. 1, S. 5 und Nr. 50, S. 9; Pfarr-Archiv-Dürrnberg.
[1818] [Schatteiner 1998], bes. S. 17, Tafel 1 und S. 266–269.
[1819] [Dehio 1986], S. 72–74; [Gugitz 1958]. Bd. 5, S. 155–157.
[1822] [Dehio 1986], S. 122f., S. 449f.; [Gugitz 1958]. Bd. 5, S. 213; vgl. [Kammerhofer-Aggermann 2002c].
[1824] Wagner, H. F.: Der Dürrnberg bei Hallein. Handschrift. Hallein 1904, Folio 38 und 55 f.
[1825] Salzberg-Archiv-Dürrnberg. Recherchen Juni 2000: ausgearbeitet von Josef Hallinger.
[1826] Salzberg-Archiv-Dürrnberg. Recherchen Juni 2000: ausgearbeitet von Josef Hallinger; es fehlen die Rechnungen für die Jahre: 1676, 1686,1688–1689, 1735, 1748, 1770 und 1722.
[1827] Wagner, H. F.: Der Dürrnberg bei Hallein. Handschrift. Hallein 1904, Folio 238.
[1828] Salzberg-Archiv-Dürrnberg. Recherchen Juni 2000: ausgearbeitet von Josef Hallinger.
[1838] [Gugitz 1958]. Bd. 5, S. 155–157: dort zitiert: Maria Sitz der Weisheit und hilffreiche Gnaden-Mutter auf dem Saltzreichen Türnberg ... Vicariats-Gotts-Haus derer ... Augustiner ... Salzburg 1731.
[1841] [Dehio 1986], S. 74.
[1843] Recherche von Josef Hallinger im Archiv der Saline: Verkauf der Zechkreuze 1904: Zl. 313 von 1904.
[1845] [Seelos 1835], S. 20.
[1847] [Brugger 1994b], S. 29–36.
[1848] [Schwaiger 1925], S. 101ff.
[1850] [Häfner 1888]; [Lackner].
[1854] [Seelos 1835], S. 20.
[1857] Konsistorialarchiv Salzburg, Nr. 3994/755, 2. Juni 1810, Eingabe des Dechants von Hallein, Franz Fichner an das Erzbischöfliche Konsistorium, in Antwort der Anfrage vom 25.5.1810.
[1858] Konsistorialarchiv Salzburg, Nr. 3994/755, 20.Mai 1843, Bestätigung des Verbots, Briefkonzept an den Dechant von Hallein, in Antwort auf die Eingabe vom 23. Februar 1843, der eine Anfrage am 10.2.1843 voraus ging.
[1859] [Gugitz 1958]. Bd. 5, S. 202, siehe St. Leonhard bei Grödig.
[1860] Reliquienaltar in Privatbesitz; Abschrift von Pfarrer Franz Sturm, Oberau-Berchtesgaden 1987, sowie Foto des Originales im Archiv Schatteiner.
[1861] [Pfisterer 2002]; vgl. auch [Schwaiger 1994].
[1862] OSR Willi Schweiger, Maria Alm, hat zu allen Fakten nur die Namenslisten der betroffenen Pfarren und wie sich herausstellte, zum Teil unrichtige mündliche Überlieferungen beigebracht. Alfred Spiegel-Schmidt konnte aber die Akten des Pfleggerichts Taxenbach im Salzburger Landesarchiv ausheben.
[1863] [Pfisterer 2002]; vgl. auch [Schwaiger 1994].
[1864] [Schwaiger 1994], hier S. 11.
[1865] [Schwaiger 1994], hier S. 12.
[1866] [Schwaiger 1994], hier S. 12.
[1867] [Schwaiger 1994], hier S. 13; siehe auch: [Pfisterer 2002]; Recherchen von Alfred Spiegel-Schmidt.
[1868] [Schwaiger 1994], hier S. 14.
[1869] In den Quellen finden sich Angaben über 60–80 Tote. Die Nachforschungen von Wilhelm Schwaiger und Alfred Spiegel-Schmidt der letzten Jahre erbrachten die komplette Namensliste der Verunglückten von 1688, mit der Gesamtzahl von 71 Toten.
[1870] [Schwaiger 1994], hier S. 15.
[1871] [Schwaiger 1994], hier S. 15.
[1873] [Spigel-Schmidt 2001].
[1875] [Spiegel-Schmidt 2001]; Hinweis von Wilhelm Schwaiger: Ein Stiftungsbrief liegt in der Pfarre von Alm vor.
[1876] [Vierthaler 1816]. Bd. 2, S. 28ff.
[1877] [Schwaiger 1994], hier S. 17.
[1878] [Schwaiger 1994], hier S. 17f.
[1879] [Schwaiger 1994], hier S. 18f.
[1880] [Schwaiger 1994], hier S. 19.
[1882] [Vierthaler 1816]. Bd. 2, S. 28ff.
[1883] [Schwaiger 1994], hier S. 19–20.
[1884] [Schwaiger 1994], hier S. 20.
[1885] [Pfisterer 2002]; darin zitiert: Weisbacher: Auszug aus dem Wallfahrtsbüchlein vom Jahre 1699, S. 47.
[1887] Mundartprosa von Prof. August Rettenbacher.
[1893] [Lackner]; Recherche Schatteiner 2000, Privatarchiv Schatteiner; Klamm-Point-Archiv (KPA).42/12–14 doc.
[1894] Recherchen und Konzeption: Johann F. Schatteiner, Privatarchiv Schatteiner; Klamm-Point-Archiv (KPA). Nr. 17/ 10 doc/2000.
[1896] Recherchen und Konzeption: Johann F. Schatteiner, Privatarchiv Schatteiner; Klamm-Point-Archiv (KPA), Nr. 17/ 10 doc/2000.