Freilichtmuseen sind heute unter den kulturgeschichtlichen Museen zu einer Selbstverständlichkeit geworden, obwohl diese Art von Museen eine relativ junge Erscheinung ist, vor allem in Österreich. Seit Ende des 19. Jahrhunderts besteht die Idee „Freilichtmuseum”, wobei Bauten, insbesondere der bäuerlichen Welt aber auch der städtischen und industriellen Kultur, in eigens dafür geschaffene Gelände übertragen und für Besucher zugänglich gemacht werden. Am 11. Oktober 1891 öffnete das große schwedische Freilichtmuseum „Skansen” bei Stockholm seine Pforten. Es gilt zu Recht als das erste auch nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten geplante Freilichtmuseum und war für die Entstehung aller übrigen Freilichtmuseen beispielgebend. Gründer des Museums war der 1833 in Stockholm geborene Arthur Hazelius.
Verschiedene Anregungen, der Einsatz und die Vorarbeit vieler Persönlichkeiten gingen dieser ersten Freilichtmuseumsgründung voraus. Eine dieser Persönlichkeiten war der 1745 in Bern geborene Karl Victor von Bonstetten. Er verbrachte einige Jahre in Dänemark und entdeckte dort im Garten des königlichen Schlosses Fredensborg 60 Steinstatuen des deutschen Bildhauers Johann Gottfried Grund, welche die ländliche Bevölkerung Dänemarks in ihren typischen regionalen Trachten zeigten. Unter diesem Eindruck kam Bonstetten die Idee, das ländliche Leben Dänemarks nicht nur an Hand regionaler Trachten, sondern in Verbindung mit den dazugehörigen Haustypen samt Inventar darzustellen. Bonstetten beabsichtigte, neben der Dokumentation und Bewahrung historischer Bauten auch deren Vergleich miteinander zu erreichen, was auch heute noch eine Aufgabe eines Freilichtmuseums darstellt. Bonstettens Anliegen wurden allerdings nie verwirklicht.
Zu erwähnen sind in der langen Geschichte der Freilichtmuseen auch die ersten privaten Übertragungen von Bauernhäusern und Kirchen, etwa durch den Bankier und Schweizer Konsul in Norwegen Thomas J. Heftye (1822–1896). Er hatte großes Interesse an der bäuerlichen Kultur Norwegens und somit auch an der Verschiedenartigkeit der Bauernhöfe. Er war Sammler, dem allerdings die wissenschaftlichen Zielsetzungen eines Freilichtmuseums fehlten. Er ließ lediglich alte norwegische Bauernhöfe auf sein Privatgrundstück übertragen und machte diese Sammlung öffentlich zugänglich.
Auf dem Weg zu den ersten Freilichtmuseen sind auch jene bäuerlichen Bauten anzuführen, die ab der Mitte des 18. Jahrhunderts in verschiedenen Parkanlagen herrschaftlicher Ansitze Platz fanden. Vielleicht war der Aufruf Jean-Jacques Rousseaus, der Natur und der ländlichen Welt wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken, Grund für diese Entwicklung, wobei sich allerdings im 19. Jahrhundert im Zuge der Romantik schon die Sorge um die Erhaltung wertvoller bäuerlicher Objekte hinzu gesellte.
In Österreich finden wir für diese Entwicklung ein Beispiel im Schlosspark von Schönbrunn, in dem Erzherzog Johann um 1800 ein „Tiroler Haus” erbauen ließ. Als Vorläufer unserer Freilichtmuseen sind die großen Landes- und Weltausstellungen, auf denen den Besuchern so genannte ethnografische Dörfer gezeigt wurden, zu erwähnen. Dazu gehören vor allem die Wiener Weltausstellung 1873, auf der Bauernhäuser aus verschiedenen Ländern der Monarchie zu sehen waren, aber auch Ausstellungen in Prag, Lemberg, Budapest, Amsterdam, Paris und in der Schweiz. Bei den meisten dieser Bauten handelte es sich um nachgebaute Bauernhäuser, doch wurde durch diese Thematik die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit auf das historische Bauernhaus, auf die regionalen Unterschiede, auf Entwicklung und Geschichte gelenkt.
Es war Arthur Hazelius, der begann, nach einer wohldurchdachten Planung Gebäude für ein eigenes Freilichtmuseum – Skansen – zusammenzustellen. Er gründete 1873 das „Nordska Museet”, welches sich im Laufe der Jahre zum größten ethnologischen und kulturhistorischen Museum Skandinaviens entwickeln sollte. 1891 gründete er auf der Insel Djurgarden in Stockholm das Freilichtmuseum Skansen, das in den folgenden Jahren Vorbild für verschiedenste Museumsgründungen dieser Art wurde. Ein wesentlicher Punkt seines Museumsprogrammes war, Leben in das Dargestellte zu bringen, wobei allerdings oft das Romantische, Besondere auf Kosten der Wirklichkeit in den Vordergrund trat.
Nun folgten Freilichtmuseumsgründungen nach dem Vorbild Skansen vorerst in ganz Skandinavien wie in Kopenhagen, Oslo, Lillehammer, später dann in Finnland, den Niederlanden, in Lettland und der Walachei. Das erste große Freilichtmuseum in Deutschland, das Museumsdorf Cloppenburg, wurde 1934 gegründet und zwei Jahre später eröffnet.
Nicht vergessen darf man in Zusammenhang mit der Entstehung von Freilichtmuseen auch die Veränderung der Lebensverhältnisse, hervorgerufen durch die industrielle Revolution. Es waren die rasanten und immer undurchschaubarer gewordenen politischen und wirtschaftlichen Umbrüche, die ein Bedürfnis nach Erhaltung der eigenen Vergangenheit mit sich brachten, was sich nicht zuletzt auch in den verschiedensten Museumsgründungen äußerte.
Auch in Österreich waren es schon relativ früh Persönlichkeiten, die nach Vorbild der skandinavischen Museen wiederholt auf die Bedeutung solcher Einrichtungen auch für unser Land hinwiesen und so die Grundsteine für spätere Gründungen legten. Rudolf Meringer, Professor und Indogermanist an der Universität Graz, war wohl der erste, der die Bedeutung der Freilichtmuseen in Österreich erkannte und ein solches Museum 1908 für Graz anregte. Jedoch war Meringer – ebenso wie der Grazer Volkskundler Viktor v. Geramb, der sich ebenfalls vehement für ein Freilichtmuseum in Graz einsetzte -, nur Wegbereiter dieses Gedankens, der erst 1970 mit der Eröffnung des Österreichischen Freilichtmuseums in Stübing seinen Abschluss fand. Waren Rudolf Meringers Ideen von einem Freilichtmuseum auf ein regionales Museum für die Steiermark bezogen, so plante Viktor v. Geramb ein „Alpenländisches Museum” mit Objekten aus dem gesamtösterreichischen Raum, mit Sitz in der Steiermark. Der Geramb-Schüler Viktor Pöttler war es dann, der, an dieser großartigen Idee festhaltend, 1962 das Österreichische Freilichtmuseum in Stübing bei Graz gründete. Auch in den übrigen Bundesländern fiel der Gedanke eines eigenen Freilichtmuseums auf fruchtbaren Boden. Schon Anfang der 60er Jahre konnten in Österreich zwei Freilichtmuseen besichtigt werden.
Das bereits 1936 aus St. Oswald bei Kleinkirchheim angekaufte Rauchstubenhaus wurde 1951 zum Kreuzbergl nach Klagenfurt übertragen und gilt als erstes Freilichtmuseum in Österreich. Mit der Übertragung dieses Hauses nach Maria Saal im Jahr 1961 wurde der Grundstock für das Kärntner Freilichtmuseum Maria Saal gelegt. 1960 wurde das Mondseer Rauchhaus eröffnet, sieben Jahre später kam es zur Gründung des Burgenländischen Freilichtmuseums in Bad Tatzmannsdorf und 1974 wurde in Kramsach mit dem Aufbau des „Museums Tiroler Bauernhöfe” begonnen. Auch in Wien gab es Pläne für die Errichtung eines Freilichtmuseums. Einmal wurde der Park von Laxenburg und später der Küniglberg, auf dem sich heute das ORF- Zentrum befindet, dafür in Erwägung gezogen, jedoch kam es in beiden Fällen nicht zur Ausführung der Pläne.
Der Gedanke, in Salzburg ein Freilichtmuseum zu errichten, reicht in das Jahr 1924 zurück, als der damalige Direktor des städtischen Museums Carolino Augusteum, Julius Leisching, ein kleines Freilichtmuseum als Ergänzung der volkskundlichen Sammlung im Monatsschlössl in Hellbrunn vorschlug. Aber nicht nur Ergänzung dieser Sammlung sollte das Salzburger Freilichtmuseum sein, es sollte im Vergleich zur höfischen Architektur Hellbrunns die Volksarchitektur des Landes zeigen. Es blieb beim Vorschlag und erst 30 Jahre später war es die Salzburger Volkskundlerin und spätere Leiterin des Salzburger Museums Carolino Augusteum, Friederike Prodinger, die den Gedanken eines Freiluftmuseums wieder aufgriff. Es blieb abermals bei der Anregung. Es war dann der Salzburger Volkskundler und Hausforscher Kurt Conrad, der in einer Denkschrift 1961 „Probleme um ein Salzburger Freilichtmuseum” die Schaffung eines Salzburger Freilichtmuseums als dritte museale Aufgabe neben der Wiedererrichtung des bombenzerstörten kulturhistorischen Museums Carolino Augusteum und dem Ausbau des Netzes der Heimatmuseen forderte. Dieser Forderung lag das Bewusstsein zu Grunde, dass die Altformen der Bauernhäuser in den Salzburger Hauslandschaften wohl nur in einem Freilichtmuseum für die Nachwelt bewahrt werden können. Conrad glaubte zuerst, dass die wichtigsten Salzburger Hausformen im Österreichischen Freilichtmuseum in Stübing ausreichend dokumentiert werden könnten, musste aber dann bald erkennen, dass die Darstellung aller Salzburgischen Hauslandschaften im gesamtösterreichischen Freilichtmuseum allein schon aus Platzmangel nicht möglich sei.
Es gelang, die damals zuständigen Politiker zu überzeugen, dass die Errichtung eines Freilichtmuseums im hauskundlich so bedeutsamen Bewegungsfeld der Salzburger Hauslandschaft eine wissenschaftlich und volksbildnerisch gleich wichtige Aufgabe sei, die Handeln erfordert, da in den 60er und 70er Jahren kulturgeschichtlich wertvollste Bauernhäuser abgerissen wurden, so dass in wenigen Jahren keine geeigneten alten Objekte mehr vorhanden sein würden. Conrad fand im Landschaftsschutzgebiet am Nordfuß des Untersberges in der Gemeinde Großgmain ca. 12 km südwestlich der Stadt Salzburg ein Gelände, das in geradezu idealer Weise den Anforderungen eines Freilichtmuseums entsprach:
Unberührtheit von allen Siedlungsagglomerationen, wechselnde Oberflächenformen, Vorhandensein eines Baches, dichtes, verschiedenartiges Waldkleid im Wechsel mit Wiesen und eine landschaftlich schöne Gebirgsumrahmung mit dem prachtvollen Anblick zum Untersberg, Lattengebirge und Hohen Staufen. Hinzu kam, dass der Grundeigentümer DI. Friedrich Mayr Melnhof dem Gedanken eines Freilichtmuseums besonders aufgeschlossen gegenüberstand und das Gelände dem Land Salzburg zur Verfügung stellte. 1979 konnte Conrad so mit dem Aufbau des Freilichtmuseums beginnen, nachdem 1978 der Bestandsvertrag mit Mayr Melnhof, Stadt und Land Salzburg als Träger des Museums, unterzeichnet wurde. 1981 wurde der Verein der Freunde des Salzburger Freilichtmuseums ins Leben gerufen, der seither die Aufbauarbeit unterstützt und fördert. 1984 wurde das Museum feierlich eröffnet und 1986 trat die Stadt Salzburg ihren bisherigen 50 %-Anteil an das Land ab, welches nun alleiniger Träger des Museums ist.
Der Besucher beginnt seinen Rundgang im Salzburger Freilichtmuseum im Flachgau, wandert nach Süden durch den Tennengau in den Pongau, erreicht im Südosten über eine Geländestufe (die „Radstädter Tauern”) den Lungau und gelangt im Südwesten durch einen Graben (das „Saalachtal”) in den Pinzgau. Alle Gehöfte des Museums sind mit den entsprechenden Brunnen und Bauerngärten versehen. Die Baulichkeiten sind mit originalem Hausrat und entsprechenden Arbeitsgeräten sowie Fahrzeugen ausgestattet.
In der Hauslandschaft des Flachgaus findet der Besucher neben der Hofform des Flachgauer Einhofes auch die im nördlichen Landesteil beheimatete Form des Dreiseithofes vor. Im besonders prächtig ausgeführten Bundwerkstadel ist eine Multivisionsschau „Museumsblicke” eingerichtet, die den Besucher mit verschiedenen Motiven aus dem Salzburger Freilichtmuseum auf seinen Besuch einstimmen soll. Das „Rauchhaus”, die historische Krämerei sowie eine alte Dorfbrauerei zählen zu den besonderen Objekten in diesem Gau. Wagenhütten, Mühle, Brechelbad, Wegkreuze und Kapellen sowie die typischen Bauerngärten und Zaunformen ergänzen diesen Teil des Museums.
Die Hauslandschaft des Tennengaus wird durch eine der Hanglage angepassten Form des Einhofes geprägt. Als typisches Beispiel dafür wurde der Sillhof aus dem Marmordorf Adnet in das Museum übertragen. Ein Austraghaus mit einer Schusterei sowie ein Getreidekasten komplettieren die Landschaft des Tennengaues im Freilichtmuseum.
Der Pongau, das Gebiet der alpinen Paarhöfe, wird durch den Lärchenhof aus St. Martin und den Taxbauernhof aus Bischofshofen repräsentiert. Rossstall, Brechelbad, Getreidekasten und eine Krautsölde zeigen die wirtschaftliche Unabhängigkeit eines solchen Bergbauernhofes.
Die enge Verbindung zu den Nachbarländern Steiermark und Kärnten zeigen die Gehöfte des Lungaus. Die Paar- und Einhöfe dieser besonderen Salzburger Landschaft werden durch Höfe aus Göriach und St. Michael vertreten, die für diese Gegend so typischen gemauerten und verzierten Getreidekästen sind ebenso zu sehen wie die charakteristischen Wetterkreuze. Am südlichsten Punkt des 50 ha großen Museumsgeländes wurde eine Lungauer Alm, die Wurfalm originalgetreu wieder errichtet. Sehenswert ist die große Dauerausstellung im Abrahamhof „Lungau – Land hinter'm Tauern”.
Die Hauslandschaft des Pinzgaus wird im Salzburger Freilichtmuseum durch den Krallerhof, einem mächtigen Einhof aus Saalfelden, der Paarhofanlage „Bamer” aus Stuhlfelden und dem Bachhäusl aus Thumersbach dargestellt. Im Stall des Krallerhofes ist die Dauerausstellung „Dieselross-Bulldog-Bauernschlepper”, Traktoren aus vier Jahrzehnten, zu besichtigen. Eine Getreidetenne, eine Hauskapelle sowie die mit Wasserkraft betriebene „Mittermühlsäge”, eine alte Venezianergattersäge, sind weitere Originalbauten des Bereiches Pinzgau. Besonders beeindruckend ist die 2001 errichtete Pinzgauer Almlandschaft mit drei historischen Almgebäuden, welche auf die Bedeutung der Almwirtschaft im Pinzgau hinweisen.
Eine wichtige Entscheidung beim Wiederaufbau der Gebäude ist die, in welchem Zustand und Alter man das Haus errichtet. Auch datierte Objekte haben, sofern sie bis zur Abtragung bewohnt waren, laufend Änderungen z. B. in der Fenstergröße oder Raumeinteilung erfahren, so dass zumeist nur ein Zustand aus dem 19. Jahrhundert rekonstruierbar ist, während Rückbildungen in frühere Jahrhunderte sehr schwierig sind und Unterlagen und Beweise für diese baulichen Rückführungen vorliegen müssen. Sämtliche Abtragungs- und Wiederaufbauarbeiten werden von der 14-köpfigen museumseigenen Handwerkergruppe durchgeführt. Auf dem museumseigenen Werkplatz sind für die Zimmerer, Maurer, Tischler und Schlosser auch die entsprechenden Werkstätten eingerichtet.
Ein Freilichtmuseum ist ein kulturhistorisches Museum wie jedes andere mit den Hauptaufgaben zu sammeln, zu bewahren, zu erforschen, zu vermitteln und – nicht zuletzt – die Besucher zu erfreuen. In der vom Verband der europäischen Freilichtmuseen 1972 beschlossenen Definition heißt es: „Unter Freilichtmuseen werden wissenschaftlich geführte oder unter wissenschaftlicher Aufsicht stehende Sammlungen ganzheitlich dargestellter Siedlungs-, Bau-, Wohn- und Wirtschaftsformen im freien Gelände verstanden.”[3036]
Jedes Objekt steht im ursprünglichen Zusammenhang mit den anderen Dingen, alles ist zum Ganzen geordnet. Damit streben die Freilichtmuseen ein historisches Bild von den örtlichen und funktionalen Beziehungen der Museumsobjekte zueinander und zu ihrem jeweiligen natürlichen und kulturellen Milieu an. Dies gilt für die Anordnung von Gebäuden zueinander und zur natürlichen Umwelt ebenso wie für die innere Ausstattung mit Einrichtungsgegenständen, Arbeitsgeräten usw. Die Gebäude, deren innere Ausstattung und auch die Form des Geländes sollten der historischen Situation entsprechen und sich als Ganzheit dem Besucher präsentieren. Ein Freilichtmuseum sollte keinesfalls zum Sammelort für abzubrechende alte Häuser werden, sondern es gilt hier sorgfältig abzuwägen und auszusuchen, ob und wie weit das betreffende Objekt in das Gesamtkonzept des Museums passt.
Wenn man nun die einzelnen Aufgaben eines Freilichtmuseums genauer betrachtet, so erstreckt sich beispielsweise das Sammeln für ein derartiges Museum von den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden über Geräte bis zu den kleinsten Dingen des täglichen Bedarfs. Dabei ist beim Sammeln der Gegenstände vor allem darauf Wert zu legen, einerseits für eine Zeit typische und für eine Gegend repräsentative Dinge zu bekommen, andererseits aber auch Besonderheiten, wertvolle und einmalige Gegenstände nicht außer Acht zu lassen. Aber nicht nur „materielle” Güter sind Sammelgegenstände – Arbeitsvorgänge, Bräuche, Sprüche, Lieder, Sagen etc. gehören ebenso dazu, um ein möglichst umfassendes Bild vom Leben, Wohnen, Arbeiten vergangener Zeiten wiedergeben zu können.
Nachdem die Sammlungen und Bestände auch weiteren Generationen zur Verfügung stehen sollen, sind die wissenschaftliche Bearbeitung der Gegenstände, die sachgemäße Lagerung und Betreuung eine Voraussetzung dafür. Die wissenschaftliche Hausforschung ist für ein Freilichtmuseum eine weitere Hauptaufgabe. Nicht zufällig zusammengetragene alte Häuser und Höfe sollen den Besuchern gezeigt werden, sondern für die jeweilige Landschaft typische Objekte. Dabei sind u. a. folgende Fragen zu klären: Aus welcher Zeit und Landschaft stammen die Gebäude? Wie sind sie konstruiert? Welche Materialien wurden verwendet? Wie hat man darin gewohnt und gewirtschaftet? Wie gestaltet sich das tägliche Leben?
Die wichtigsten Punkte der Vermittlungsarbeit bestehen darin, diese Forschungsergebnisse dem Besucher verständlich zu machen, das Museum entsprechend zu gestalten, Ausstellungen einzurichten, entsprechende Publikationen zu verfassen, spezielle Programme (etwa für Schulklassen) zu entwickeln und Veranstaltungen und Vorführungen zu organisieren, welche dem besseren Verständnis des Gezeigten dienen und zusätzliche Information bieten.
Verschiedene Veranstaltungen füllen die Höfe und Häuser des Museums mit neuem Leben. Dabei haben traditionelle Veranstaltungen wie etwa das Maibaumaufstellen, der Handwerkertag oder der Salzburger Mundarttag bereits ihren fixen Platz im Festkalender. Hinzu kommen Volkstanz- und Volksmusiknachmittage, Sänger- und Musikantentreffen und Handwerksvorführungen wie Brotbacken, Klöppeln, Schmieden, Seifensieden usw. Mit diesen Veranstaltungen im Salzburger Freilichtmuseum wird ein aktiver Beitrag zur Volkskultur unseres Landes geleistet.
Darüber hinaus erfüllt das Salzburger Freilichtmuseum – wie der Gründer Kurt Conrad im Führer durch das Salzburger Freilichtmuseum schreibt – „eine volksbildnerische Aufgabe, deren Ziel es ist, die gesamte Bevölkerung, vor allem die Jugend und natürlich alle Bauschaffenden, die Architekten, Bauhandwerker und Bauschüler mit den Grundsätzen bodenständiger Baugestaltung in künstlerischer und handwerklicher Hinsicht vertraut zu machen und unsere Bauern an die Schönheit und Würde ihres baulichen Erbes zu erinnern.” Ein Freilichtmuseum hat auch „eine kulturpolitische Aufgabe, die dahin geht, das Bauernhaus als Wesensmerkmal der Salzburger Landschaft zu erkennen, als sichtbares Bindeglied zur Heimat zu bewahren und der in den Festspielen gipfelnden Hochkultur Salzburgs ein Werk der Volkskultur gegenüberzustellen, das zur Festigung des Landesbewußtseins beiträgt.”[3037]
Ende des 19. Jahrhunderts nahm der Freilichtmuseumsgedanke von Skandinavien aus seinen Anfang und hat seither zahlreiche Museumsgründungen dieser Art in beinahe allen Ländern Europas und der Welt ausgelöst. All diesen Freilichtmuseen liegt die Idee zu Grunde, wertvolle Beispiele der bäuerlichen Bau- und Wohnkultur, aber auch industrielle Einrichtungen oder besondere Bauten des städtischen Raumes für die Nachwelt zu retten und zu erhalten. Gerade in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele unserer typischen, alten Bauernhöfe abgerissen, umgebaut oder durch nicht immer gelungene Neubauten ersetzt. In diesen Jahren haben sich die alten Wohn-, Lebens- und Wirtschaftsformen ganz wesentlich geändert. Wertvolle und charakteristische Beispiele unserer ländlichen Bautradition und deren Entwicklung zu dokumentieren und zu erhalten, ist somit eine wesentliche Aufgabe eines Freilichtmuseums.
Diese Bauernhöfe und die dazugehörigen Nebengebäude sollen, ausgestattet mit den entsprechenden Möbeln und Arbeitsgeräten, ein Stück Vergangenheit in der Gegenwart lebendig werden lassen und mithelfen, Arbeits- und Lebensweise unserer Vorfahren kennen und verstehen zu lernen. Alle im Salzburger Freilichtmuseum wieder errichteten Originalbauten wären an ihrem ursprünglichen Standort abgerissen worden. Sie wurden deshalb für das Museum ausgesucht und dort originalgetreu wieder errichtet, weil sie für eine bestimmte Gegend, für eine bestimmte Epoche oder einen Berufsstand typisch sind und die Entwicklung bestimmter Haus- und Hofformen oder Konstruktionsmerkmale eindrucksvoll dokumentieren.
Die Höfe und Häuser erhalten im Salzburger Freilichtmuseum ihr historisches Umfeld, denn Gärten, Äcker, Wiesen und dergleichen werden in die Darstellung mit einbezogen. Teiche und Weiler sind nicht abwechslungsreiche Kulisse, sondern dienen zum Antrieb von Mühlen und Sägen. Ebenso wie diese technischen Anlagen zählen auch die vielen Kleindenkmäler, Kapellen, Bildstöcke und Wetterkreuze zur bäuerlichen Lebenswelt. Gezeigt werden auch die typischen Zaunformen, die unterschiedlichen Brunnen, die Nebengebäude und die verschiedenartigen Almen. Die Bauerngärten mit ihren Kräutern, Pflanzen, Gemüsesorten und Blumen gewähren einen weiteren Einblick in die Lebenswelt unserer bäuerlichen Vorfahren. Sie geben Aufschluss über Kost und Ernährung, über Krankheiten und deren Heilung, über Schmuck des Hauses und über den Einbezug von Blumen und Pflanzen in die Bräuche.
Die Bauten mit ihren Einrichtungen, Gärten, Zäunen etc. sollen dem Besucher ein möglichst authentisches Bild vom Wohnen, Leben und Arbeiten vergangener Jahre bieten. Die im Salzburger Freilichtmuseum gezeigten Höfe und Häuser sind einerseits Ausdruck vollendeter Handwerkskunst, Zeugnisse bester Volksarchitektur und Dokumente alter Bauernherrlichkeit, andererseits zeigen sie die Entwicklung aus frühen Anfängen, sind Zeugen des kargen, harten Bauernalltages und unterrichten über Zeiten wirtschaftlichen Wachstums und Niedergangs oder über technische Entwicklungen und Neuerungen.
Beim Anblick der alten Bauernhöfe mit Blumenschmuck und blühendem Hausgarten darf der Besucher keinesfalls in eine falsche Romantik verfallen. Deshalb sind Zusatzinformationen in Form des gedruckten Museumsführers,[3038] durch eigene Führungen oder Sonderausstellungen notwendig, um zu vermitteln und aufzuzeigen, dass das Leben am Bauernhof auch aus harter Arbeit und Sorgen bestand und in den oft armseligen Kammern etwa der Dienstboten wenig Platz für besagte Romantik war.
Handwerkliches Geschick und das Wissen um die alten Handwerkstechniken durch die museumseigenen Handwerker sind Voraussetzung für die Übertragung der verschiedenen Museumsobjekte. Eine gewissenhafte Dokumentation vor und während der Abtragung eines Gebäudes ist ebenso erforderlich wie die Erforschung und Erfassung hauskundlicher und sozialgeschichtlicher Grundlagen durch Literatur, Archivarbeit und Befragung. Außerdem muss für jedes Gebäude ein Darstellungszeitraum gewählt werden, der in der oft langen und durch Umbauten gekennzeichneten Geschichte eines Hauses dokumentiert ist und somit nachvollzogen werden kann. Nicht immer wird der älteste Zustand eines Gebäudes gezeigt, dafür aber ein authentischer. Darauf muss auch bei der Einrichtung der Gebäude mit Mobiliar und Arbeitsgeräten geachtet werden.
Die für das Salzburger Freilichtmuseum bestimmten Gebäude werden zunächst an ihrem ursprünglichen Standort fotografisch und planmäßig dokumentiert. Dann werden alle Bauteile genau gekennzeichnet, um die Voraussetzungen für einen originalgetreuen Wiederaufbau zu schaffen, bei dem auch die kleinsten Bauelemente wieder an ihren ursprünglichen Platz gelangen. Stück für Stück wird dann das Bauwerk abgetragen und in das Museum transportiert. Vor dem Wiederaufbau werden schadhafte Teile restauriert oder notfalls erneuert.
Ebenso wie jedes Jahr immer mehr alte Bauernhöfe durch neue Bauten ersetzt werden, wird das alte traditionelle Handwerk immer seltener. Deshalb wird im Salzburger Freilichtmuseum versucht, den Besuchern an den Wochenenden oder an eigenen Handwerkertagen altes Gewerbe und traditionelle Handwerkskunst vorzuführen. Die Häuser und Plätze eines Freilichtmuseums sind für verschiedene Veranstaltungen geeignet, doch müssen sich diese Aktivitäten dem besonderen Umfeld anpassen. Der Bauernhof war nicht nur Stätte harter Arbeit, sondern auch fröhlicher Feste und verschiedenster Bräuche. Mit Veranstaltungen wie Abdruschfest, Maibaumaufstellen, Mundarttage, Kinderfest, Kirtag, Volksmusik- und Volkstanzfeste kann das Museum nicht nur belebt, sondern auch ein Beitrag für das aktive volkskulturelle Geschehen erbracht werden. Das Angebot an die Besucher wird durch jährlich wechselnde Sonderausstellungen bereichert, für die jüngsten Museumsbesucher werden spezielle Führungen, Programme und Veranstaltungen angeboten. 1996 wurde das Salzburger Freilichtmuseum mit dem Österreichischen Museumspreis ausgezeichnet.
26 Mitarbeiter sind derzeit im Salzburger Freilichtmuseum tätig, 14 davon im handwerklichen Bereich. Sämtliche Ab- und Aufbauarbeiten werden von den museumseigenen Handwerkern durchgeführt. In modernen Werkstätten werden Restaurierungsarbeiten vorgenommen. Mit der Errichtung eines modernen Depotgebäudes ist es möglich geworden, Gegenstände fachgerecht zu lagern, entsprechend zu dokumentieren und zu bearbeiten. 61 Bauten, vom stolzen Hof bis zum schlichten Heustadel, wurden bisher im Salzburger Freilichtmuseum wieder errichtet, rund 20 eingelagerte Bauten warten noch auf ihren Aufbau. Die Anlage der Wege, Ruheplätze, des Spielplatzes und der Gaststätte machen den Museumsbesuch zu einem erholsamen Ausflug in einer der schönsten Naturlandschaften Salzburgs. Als die Freilichtmuseumsbewegung begann, konnte man wohl schwer erahnen, welch großes Interesse sie einmal auslösen wird. Immer mehr Menschen brechen heute zu einer Wanderung in die Vergangenheit auf, einer Wanderung, bei der es im Alten viel Neues zu entdecken gibt.
Verwendete Literatur:
[Aster 1999] Aster, Petra: Das Wörndl-Austraghaus aus Thalgau als Krämerhaus im Salzburger Freilichtmuseum. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 139 (1999), S. 283–302.
[Becker/Gaurek 2002] Becker, Michael; Gaurek, Monika: Führer durch das Salzburger Freilichtmuseum. Großgmain 2002 (Veröffentlichungen des Salzburger Freilichtmuseums 6).
[BeckerM 1994] Becker, Michael: Zehn Jahre Salzburger Freilichtmuseum. In: Salzburger Volkskultur 18 (1994), S. 116–120.
[BeckerM 1988] Becker, Michael: Zur Entstehung unserer Freilichtmuseen. In: Salzburger Heimatpflege 12/2 (1988), S. 129–136.
[Conrad 1990] Conrad, Kurt: Die Landschaft als Spiegelbild der Volkskultur. Salzburg 1990 (13. Ergänzungsband zu Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde).
[Conrad 1994] Conrad, Kurt: Salzburger Freilichtmuseum Großgmain bei Salzburg. 4. erw. Aufl. Großgmain 1994 (Veröffentlichungen des Salzburger Freilichtmuseums 2).
[Gaurek 2002a] Gaurek, Monika: Das Thann- oder Kirchpointgütl aus Bergheim im Salzburger Freilichtmuseum Großgmain. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 142 (2002), S. 343–358.
[Gaurek 2001] Gaurek, Monika: Erlebnis unter freiem Himmel. Wieviel Erlebnis erträgt ein Freilichtmuseum? In: Editha, Hörandner; Bockhorn, Olaf; Prasch, Hartmut : Erlebniswelt Volkskultur. Referate der Österreichischen Volkskundetagung. Spittal an der Drau 2001 (Buchreihe der Österreichischen Zeitschrift für Volkskunde N.S. 17), S. 79–98.
[Gaurek 1996] Gaurek, Monika: Das Mesnerhaus aus Bergheim. Ländliches Schulwesen in Salzburg. Eine kulturhistorische Untersuchung über ein Haus uns seine Bewohner. Großgmain 1996 (Veröffentlichungen des Salzburger Freilichtmuseums 3).