Matthias Koch – geboren am 3. November 1798 in Wien, gestorben am 27. April 1877 in Baden bei Wien – war Schriftsteller, Historiker und Bibliothekar. Er verfasste kulturhistorische Bücher und trat 1848 mit seinen Flugschriften als „Schwarz-Gelber“ gegen die Revolution auf.[4145] Als Korrespondent der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ (1839–1841, ab 1848 die AZ gegründet durch Johann Friedrich von Cotta) und des „Österreichischen Courier“ (vormals Theater-Zeitung, herausgegeben von Adolf Bäuerle) verfasste er „ultrareactionäre“ Artikel, die viele Erwiderungen dort wie in der „Presse“ (gegründet 1848 von August Zang in Wien) fanden.[4146]
Sein Vater war Handwerker und stammte aus Straubing in Niederbayern. Wo und wie Koch ausgebildet wurde, wissen wir nicht. 1830 bis 1835 war er Kabinettssekretär des Erzherzog Maximilan von Österreich-Este und wurde ab 1835 Bibliothekar der Erzherzogin Beatrix. Nach 1848 unterstützte die Akademie der Wissenschaften in Wien seine Publikationen (über 40 Bücher neben zahllosen Zeitungsartikeln) und Fürst Dietrichstein betraute ihn mit der Neuordnung seines Archivs.
Bald betrieb er umfangreiche Reisen und Quellenstudien mit dem Ziel, eine „populär und praktisch gehaltene Geschichte des österreichischen Kaiserstaates“ zu erstellen. 1844 wurde er Ehrenmitglied des „Historischen Vereines für Oberbayern“. Er starb völlig vergessen 1877.[4147]
Auch in den folgenden Darstellungen erweist sich Koch als ein Vertreter staatlicher wie alltäglicher Ordnungen, jener aus der Aufklärung stammenden staatlichen Lenkung und Aufsicht. Seine städtische Lebenswelt spiegelt sich in den kritisierten Defiziten. Damit beanstandet er schlechte kommunale Zustände und dem Bestreben nach Volksbildung und -aufklärung widersprechende Haltungen.
„Salzburg, eine der schönsten Städte Deutschlands, einzig in Betreff der Lage und reizenden Umgebung, ist in einer anderen Hinsicht der unleidlichste Ort. Wer begreift es, daß eine Stadt, die an wohlhabenden Einwohnern keinen Mangel hat, eine Stadt, welche ein Jahr für’s andere von 60,000 Fremden besucht wird, das elendeste und verwahrloseste Straßenpflaster sich nachschelten läßt! Welchen Begriff muß der Reisende von dem städtischen Wesen in Salzburg erfassen, wenn er Gefahr läuft, sich auf diesem Straßenpflaster die Füße zu brechen? Nicht allein die mit spitzen Kieseln gepflasterten Fahrwege, welche überdies eine sehr nachlässige, ja die längste Zeit über gar keine Ausbesserung erfahren, – ein Beispiel liefert die Linzerstraße – sondern auch die Fußwege sind im schandhaftesten Zustande. Man hat die Steine so zu sagen vor der Thüre, und findet es nicht der Mühe werth, ein Trottoir herzustellen, um doch wenigstens sich und Fremden diese Erleichterung zu verschaffen.
Man macht sich keine Vorstellung von dem Zustande dieser Straßen im Winter, zumal da auch für die Reinigung derselben fast nichts geschieht. Solche Fahrlässigkeit nehmen wir keinen Anstand öffentlich zu tadeln; denn soll es sich mit gewissen Dingen bessern, so muß ihr Zustand aufgedeckt werden. Schon der Erzbischof Max Gandolph befiehlt in seiner ‚Sauberkeits=Ordnung‘ vom Jahre 1678: ‚Es wird allen und jeden Eigenthumbsherren, welchen die Häuser zustehen, in krafft dieses Befelchs ernstlich eingebunden, so weit als sich ihr Haus=Bezirk erstrecket, und zwar bis auf die Mitte des Rinnsalls der Breite nach, ein gutes und dauerhaftes Pflaster machen zu lassen; falls aber derselbe in Ungehorsams= oder Säumungsfall, da er zweimal schon zuvor der Mach= und Reparirung besagten Pflasters erinnert worden, einer Straf gewärtig sein soll.‘ Im siebzehnten Jahrhunderte also konnte man ganz gemächlich auf einem breiten und geebneten Pfade in Salzburg einherschreiten, im neunzehnten dagegen weiß man nicht, wo man den Fuß hinsetzen soll, um ihm eine sichere Unterlage zu geben. In Linz ist man seit vier Jahren unablässig bemüht, der Stadt diese Bequemlichkeit und dadurch zugleich ein würdiges Aussehen zu verschaffen; in Salzburg denkt man nicht daran, ein so löbliches Beispiel nachzuahmen. Das wollen wir unbeschadet der Achtung für die biederen Einwohner dieser Stadt gesagt haben, damit diesfalls ein Einsehen geschähe, überzeugt, daß uns für dies gerade Wort alle Dank wissen werden, die Freunde guter Ordnung und des Gemeinbesten sind.
Daß die Häuser in Salzburg fast durchgehends Schindeldächer haben und man sie gerne beibehält, beruht auf dem eigenthümlichen Grunde der Witterungseinflüsse. Der starke Hagel und der schwere Regen macht die Ziegeldächer gefährlich, indem die Ziegel theils zerspringen, theils abfallen. Aber ein garstiges Ansehen geben die überall, selbst am Dome und der Residenz nach außen geführten Dachröhren; auch sind einige Straße bedeutend unrein und von üblem Geruche. So der ‚Stein‘, wo die Jauche der Ställe durch Röhren aus denselben auf die Gasse geleitet wird; die Goldgasse, wo der Rinnsal bis auf den Residenzplatz hinausfließt; so die Theatergasse, die sehr frequentirt ist, weil sie auf den Hannibalplatz zum Theater und zu den Thoren führt. Die Gerber, welche hier bewohnt sind, wären anderswohin zu versetzen, wo für Ausschüttung der Lohe und für die Zubereitung der frischen Häute der geeignete Platz ist. Wie schmutzig und voll Gestank ist es nicht das ganze Jahr über in dieser Gasse! Es ist aber überhaupt die Straßenreinigung kein Gegenstand der Sorgfalt, denn sie ist nachgerade nur von dem individuellen Reinlichkeitssinne der Hauseigenthümer abhängig.
Von der Stadt sind blos zwei Personen zur Reinigung der Straßen bestellt; im Uebrigen sollen die Eigenthümer vor ihren Häusern dieselbe besorgen, was aber nicht immer geschieht. Man findet die Straßen nicht selten von dem Fuhrwerke der Landleute gesperrt; die kleinen Plätze sind von den, vor die Gasthäuser gestellten Wagen überfüllt und häufig Pferde und Wagen breit und bequem mitten hingestellt und allein gelassen. Ebenso findet man Kühe und Ochsen mitten in der Straße an einem Wagen oder ein Fenstergitter angebunden, nicht anders, als wäre man in einem Dorfe. Es mag schwer halten, diesen Unfug der Landleute, welche die Stadt für ihr Dorf ansehen, zu steuern, aber es ist wünschenswerth, daß es geschehe, und keineswegs unmöglich. Mit der Bemerkung: auf den Plätzen Salzburgs wächst das Gras, will man gemeiniglich sagen: diese Stadt ist durch Menschenmangel verödet. Allein nicht so sehr dieser als vielmehr der Umstand, daß die Plätze nicht oder schlecht gepflastert sind, verursacht diese Ueberwucherung mit Gräsern, wozu noch kommt, daß der häufige Regen das Wachsthum derselben begünstigt und niemand ernsten Willen hat, sie auszurotten. Belobt zu werden verdient die Beleuchtung, seitdem man die Lampenfüllung mit Unschlitt aufgegeben, und die mit Oel, auch sogenannte Innsbrucker Laternen eingeführt hat, deren zu jeder Jahreszeit täglich 285 angezündet werden. Die Beleuchtungskosten betrugen im Jahre 1841 bis 1842 3438 fl. 52 kr. – Man hat die Fleischbänke auf den Gries, einer breiten Gasse zusammengestellt. Vor denselben und auch in den Höfen der nächsten Häuser tödtet man das an den Buden angebundene Schlachtvieh. Abgesehen von dem abscheulichen Gebrüll der sterbenden Thiere, fließt ihr Blut mitten durch die Straße und bildet ein Rinnsal. Wäre es nicht weit angemessener, ein Schlachthaus vor der Stadt an der Salzach zu errichten, und die Buden blos zum Verkauf zu bestimmen?[4149] Die Meistzahl der Häuser ist von alter schlechter Bauart, die Stiegen von grob zugehauenem Sandsteine, die Stiegengänge schwarz und unrein, das Mauerwerk häufig verfallen, Thüren und Fenster in schlechtem Zustande, und die Höfe schmutzig und voll Kehricht, oder beständig besudelt. An Reparaturen oder an Reinigung der Häuser denkt man nur im äußersten Nothfalle.“ (Seite 150–152)
„Die allgemeine Klage über schlechtes Pflaster und Straßenunsauberkeit in Salzburg hat seither die Stadtbehörde zu diesfälligen Vorkehrungen veranlaßt. Es ist nunmehr in der Getreidegasse und am Marktplatze ein gepflasterter Fußweg (Trottoir) hergestellt worden. Damit, sagt man, werde auch in den übrigen Straßen fortgefahren werden. Endlich soll auch eine neue Stadtreinigungsordnung eingeführt werden.“ (Zusatz zu Seite 150, Zeile 3 von oben)
Kommentar von Ulrike Kammerhofer-Aggermann
Koch schildert uns hier den Tiefpunkt der Stadt Salzburg. Mit dem Ende des Erzbistums (1816) hatte Salzburg Jahre der Kriege und des Regierungswechsels hinter sich. Die Österreichische Regierung schlug das kleine und wirtschaftlich wie strukturell veraltete Land einfach dem Kronland Oberösterreich zu. Wer immer konnte, verließ die Stadt. Der oben zitierte Satz vom Gras auf den Plätzen, wird Franz Schubert zugeschrieben. Robert Hoffmann hat die Entdeckung Salzburgs durch die Romantiker zu Ende des 18. und im frühen 19. Jahrhundert dargestellt[4150], der wir heute viele Zeugnisse zum Leben in jener Zeit zu verdanken haben. Dazu zählen Lorenz Hübner und Friedrich Graf Spaur, Karl Maria Ehrenbert von Moll und Franz Michael Vierthaler, aber auch Josef von Hammer-Purgstall, Ferdinand Olivier, Ludwig Richter und viele andere folgten, die Salzburgs Schönheit schilderten. Die Salzburger selbst sprachen vom „Betteldorf mit leeren Plätzen“, wie es in einer Petition von 1816 heißt.[4151] Mit der Errichtung des Mozartdenkmals, mit dem Magistratsbeschluss über die Widmung Salzburgs und offenbar auch mit der hier genannten Reinigung und Sanierung der Altstadt begann der berühmte und bis heute andauernde Salzburg-Tourismus. Kochs Zusatz während des Druckes seiner Reisebeschreibung stellt damit einen Teil eines bedeutenden Wendepunktes in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Stadt Salzburg dar.[4152]
„Als sich in Salzburg das Mozartdenkmal erhob, sagten sich die Landleute, nun sei offenbar das Weltende nahe und der Antichrist gekommen, denn es geschehe bereits, wie in der Schrift steht, daß man Götzenbilder aufrichtet, sie nach heidnischer Weise anbetet und Umgänge zu ihnen anstellt. ‚Sie nennen die Statue Mozartstatue‘, sagten sie, ‚es ist aber nichts anderes als ein Götzenbild; wer wäre denn dieser Mozart‘ u. s. w. Und als man den, dem Denkmal gegenüber gestandenen Brunnen mit der Michaelsstatue beseitigte und diese an einem anderen Platze aufstellte, weil es offenbar nicht wohl anging, daß beide Monumente einander deckten, erhob sich ein großes Geschrei in der Stadt wegen der dem heiligen Michael zugefügten Unbill. Man machte Pasquille, eines gröber und plumper als da andere, und entschädigte den heiligen Michael wegen der vermeinten Zurücksetzung durch ein von mehreren Bürgern veranstaltetes Sang= und Zechfest unter Bekränzung und Beleuchtung der Statue. Es fehlt nicht an Leuten, welche in dergleichen Dingen Aeußerungen der Frömmigkeit erblicken und darüber in höchliches Wohlgefallen an den Tag legen. Wir sehen aber darin nur Thorheit und Verstandesfinsterniß, die allenfalls heute mit religiösen Dingen ein sogenanntes unschuldiges Spiel treibt und morgen zu einem gefährlichen Ausbruch von Fanatismus umschlägt. Der irregeleitete Begriff des Volks in religiösen Dingen ist ein Feuerfunke zu verheerendem Brande!“ (Seite 181 f.)
Kommentar von Ulrike Kammerhofer-Aggermann
Mit der Errichtung des Mozartdenkmals, 1842, hatte eine neue Epoche für Salzburg begonnen, jene von Tourismus und Festspielen. Viele weitere Scharmützel zwischen dem Neuen und dem „gesunden Volksempfinden“ für Dinge, die als pseudoreligiöse Werte erachtet wurden/werden – man denke an Denkmalschutzfragen, Kunst in der Altstadt oder nicht zuletzt an die „Trachtensache“ – sollten Kochs Befürchtungen bestätigen.
„Die Salzburger der höheren Stände haben auch in Gebrauch: [...] Dult ist gangbar für Jahrmarkt und die Sommerfrisch für Landaufenthalt. In die Sommerfrisch ziehen, heißt einen Landaufenthalt nehmen. Wann gehen sie auf das Land? verstände der Salzburger als eine Frage über einen Spaziergang vor den Thoren. [...]
Für die nöthige Unterkunft und Bequemlichkeit der Reisenden ist in Salzburg hinlänglich gesorgt. Gasthäuser besten Rufes sind: das von den Personen höchsten Rangs besuchte zum Erzherzog Karl, zum goldenen Schiff, zu den drei Alliirten; zweiten Rangs zum Mohren, Hirschen, goldenen Krone, Ochsen, zur Traube, beim Höllbrauer, Gablerbrauer u. s. w. Da in Salzburg nur Silbergeld in Umlauf ist, so ist die Zehrung in den Gasthäusern ziemlich theuer. Im Privatverkehr ist den Vierundzwanzig=Gulden=Fuß allgemein in Gebrauch; Staatskassen nehmen und geben Zahlungen jedoch nur im Zwanzig=Gulden-Fuße. An Reisegelegenheiten ist kein Mangel, auch sind Verbindungsstraßen nach allen Richtungen hergestellt. Bei der kaiserlichen Postfahrt besteht der Gebrauch, daß man nebst dem ohnehin bei sich führenden Paß noch einen sogenannten Geleitschein der Polizei selbst für Reisende im Inlande vorweisen muß, für den eine kleine Gebühr, irren wir nicht 12 Kreuzer K. M., zu entrichten ist. Worauf sich diese Einrichtung gründet, wissen wir nicht. Da sie aber besteht, und da der Fremde sie so wenig wie der Einheimische wissen kann, weil sie anderswo in Oesterreich nicht üblich ist, so bemerken wir sie im wechselseitigen Interesse, damit man vermeiden könne, was uns begegnete, nämlich im Augenblicke des Wegfahrens mit der Eilpost nach Gastein um den Geleitschein angegangen zu werden und ihn nicht gelöst zu haben. Gesellschaftswagen in die Umgebungen der Stadt bestehen wohl, allein sie sind, dem Stande des salzburgischen Gewerbswesens gemäß, schlecht eingerichtet. Mit den Lohnkutschen wird man besser bedient sein. In der Vorstadt Mülln ist von mehreren Badhäusern in anderen Stadttheilen die beste Badeanstalt, wo auch Soolenbäder zu haben sind. Für kalte Bäder und Schwimmübungen ist der Teich in Leopoldskron nahe bei der Stadt trefflich benützt; es ist davon die Rede, daß auch eine Damenschwimmschule daselbst errichtet werden soll. Uebrigens würde die Schwimmanstalt noch zahlreicher von den Einwohnern benützt werden, wenn die Preise, besonders die für Freischwimmer, ermäßigt würden. In der Salzach zu baden, ist mit Recht verboten, allein dies Verbot erheischt zugleich die Herstellung eines Freibades dort durch Bestimmung gefahrloser Plätze, oder anderswo, damit die untere Volksklasse nicht, wie es jetzt der Fall ist, dieses Reinigungs= und Gesundheitsmittels gänzlich entbehre.
Die Klage über schlechte Witterung in Salzburg ist gegründet. Gebirgsgegenden sind überall häufig schnellem Wechsel und anhaltendem Regenwetter ausgesetzt. In Ischl ist es um nichts besser. Da aber die Fremden in Salzburg lediglich auf den Naturgenuß angewiesen sind, und die Schauspielergesellschaft während der schönen Jahreszeit sich in Ischl aufhält, so wird es nöthig sein, den Fremden, wie den Einheimischen, irgend eine andere Ressource zu verschaffen, damit sie besonders bei übler Witterung nicht aus langer Weile des schönen Aufenthalts überdrüssig werden. Vielleicht gäben die Musiken ein Auskunftsmittel, besonders wenn sie mit Bällen und Reunionen wechselten. Verstehen die Salzburger die kleine Kunst, ihre Stadt zugleich zum Unterhaltungsorte zu machen, so werden sie nicht allein ihren Interessen damit förderlich sein, sondern sie könnten selbst den Versuch machen, ihr treffliches Trinkwasser zu einer Kaltwasserkuranstalt und ihre Moore und die nahe Soole zu ähnlichen Zwecken zu verwenden.
Fülle und Mannigfachheit der Gegenstände im weiten Thalgrunde am rechten und linken Ufer der Salzach geben in der Gesammtheit ein so großartiges und vielgestaltiges Bild, daß man es weder ganz mit dem Auge erfassen, noch mit Worten beschreiben kann. Jede Schilderung bleibt schon deshalb lückenhaft und weit hinter der Wahrheit zurück, weil der Wechsel der Erscheinungen durch die Veränderung der Standpunkte nicht einmal bestimmbar, sondern zufällig ist, dieser aber gerade so viele sind, als man in der Ebene von anderthalb bis zwei Stunden Schritte macht, und so viele, als es auf den diese Ebene von drei Himmelsgegenden umschließenden Bergen einzelne Höhenpunkte gibt.
Wir müssen uns daher auf eine Schilderung der größeren und merkwürdigeren Gegenstände der Umgebung von Salzburg beschränken.“ (Seite 185–188)
„Wer den Geißberg nicht zu Fuß besteigen will, kann beim Meier in Aigen ein Pferd miethen, wofür, den Führerlohn eingerechnet, vier bis fünf Gulden Konv. Münze gefordert werden. Die Pferde sind gut dressirt, inzwischen ist das Straucheln derselben auf dem Steingerölle nicht zu vermeiden, und jedenfalls das Herabgehen zu Fuß räthlich. Es sind aber auch bei dem Thorwart auf dem Kapuzinerberge, am Eingange zum Walde nach dem Francisci=Schlößchen, Esel zu haben, die noch größere Sicherheit gewähren, aber am Tage vor der Geißbergparthie bestellt werden müssen.“ (Seite 202)
Auch Lorenz Hübner berichtet uns über die Fortbewegungsmittel seiner Zeit: „Tragsessel, Lohnkutschen [Anm. Kammerhofer: in der Stadt Salzburg]. Für erstere ist ein eigener Ort unweit der Hauptwache auf dem Michaelisplatze [Anm. Kammerhofer: heutiger Mozartplatz] bestimmt, wo die Sesselträger ihren Aufenthalt haben, und gegen eine festgesetzte, sehr geringe Taxe nach Proportion der Entfernung, zu Gebothe stehen. Die Lohnkutscher, wovon sich hier 6 befinden, haben ebenfalls ihre Taxe [...] für den Taggebrauch eines Pferdes nicht mehr als 1 fl. [...] .“
„Die Preise für Saumpferde und für ein= oder zweispänniges Fuhrwerk sind amtlich, nach den Distanzen oder Parthien festgesetzt, und werden zu jeder Zeit genau eingehalten.“ (Seite 332)
„[Anm. Kammerhofer: In Gastein] Wer übrigens Ungebühr erführe, wende sich ohne Verzug an die Badedirektion, der die Ahndung derselben obliegt. An dem ihr seit einigen Jahren vorstehenden k.k. Polizeikommissär Herrn Hain haben wir einen für Zufriedenstellung aller billigen Wünsche und Anforderungen der Gäste sehr aufmerksamen und thätigen Mann kennen gelernt.“ (Seite 334)
„Vor der Kirche [Anm. Kammerhofer: Maria Plain] auf dem schönen weiten Rasenplatze schaut man die Stadt Salzburg, wie sie sich nach aufwärts in der Auseinandertheilung durch die Salzach an beiden Ufern darstellt, während man sie bisher theils blos von rückwärts oder von der Seite gesehen hat. Dieser Prospekt ist von überaus malerischer Wirkung, daher Salzburg am öftesten von Plain aus von Künstlern aufgenommen ist. [...] Will man diese Ansicht der Stadt länger genießen, so wähle man die Wasserfahrt auf dem Flusse bis in die Gegend von Plain.“ (Seite 203)
„Bevor wir nach der Poststation Werfen kommen, begleiten wir den Leser in die höchst merkwürdige Tropfsteinhöhle Scheukofen, im scharfen Hagengebirge. [...] In Gesellschaft des Ascherbauers und eines zweiten Führers, mit einer Laterne in Ermangelung von Wachsfackeln mit angezündeten Holzspänen versehen, traten wir die Grubenfahrt durch diesen Gang an. Gleich anfangs ist er so enge, daß man nur in sehr gebückter Stellung vorwärts schreiten kann, er geht ziemlich jäh abwärts und führt zunächst zu einer querüber gezogenen abgeplatteten Felswand, an der eine wohlthätige Hand einige Absätze eingehauen hat, um dem Fuße einen Anhaltspunkt beim Hinübersteigen zu geben. Jenseits dieser Vorlagerung wird der Abhang noch jäher und erfordert, daß man in den Bodenritzen mit den Händen sich festhält, und für jeden Tritt einen Stützpunkt in den Löchern des Gesteins aufsucht. Endlich verengt sich dieser Gang plötzlich so sehr, daß man den ganzen Körper hinstrecken und beinahe 3 Klafter weit sehr mühsam und anstrengend durchwinden muß. An dieser Stelle, sagten die Führer, sind fast Alle umgekehrt, welche sich in diesen Gang gewagt haben. Wir wollen nicht läugnen, daß Einem, der eingezwängt in einen Schlund ist, dessen Decke auf den Körper so niederdrückt, daß er sich durchaus nicht aufrichten kann, sondern sich beständig vor= und hindurchschieben muß, ein unheimliches Gefühl und einige Beklommenheit anwandelt; indeß braucht man nur diese zu überwinden, da man im Grunde nichts zu befürchten hat; die Decke stürzt nicht ein, und der Boden wankt nicht. Später erweitert sich der Gang wieder so sehr, daß man die vorige gebückte Stellung abermals gewinnt und somit den Körper aufrichten kann. Aber die Richtung des Ganges, dessen Wände ganz und gar von wirre durcheinander getriebenen Tropfsteingebilden bekleidet sind, geht immer mehr in die Tiefe. Nach einigen Minuten Rast gelangten wir zu einer vom Wasser überschwemmten Stelle. ‚Hier ist der See!‘ rief der vorausgegangene Ascherbauer uns zu, ‚allein er ist so stark ausgetreten, daß er den Weg versperrt, wir können nicht mehr vorwärts, sondern müssen umkehren.‘ [...] Der Rückweg, den wir somit antraten, erforderte größere Anstrengung als das Hinabsteigen, weil das Hinanklettern an der schroffen Bodenwand und das Durchschieben des Körpers an der einklemmenden Stelle des Ganges die Kräfte stärker in Anspruch nimmt. Gewaltig ermüdet rasteten wir einige Zeit in der Hauptgrotte und durchforschten sodann diese etwas genauer.“ (Seite 257–259)
„Mit verstärkter Kraft tönt die menschliche Stimme in dieser überall fest geschlossenen, geräumigen Halle; ein Horn in der Tiefe am See geblasen, würde bei den Zuhörern oben seine Wirkung gewiß nicht verfehlen. Wir stiegen den 29. Oktober 1842 gegen Mittag zum Scheukofen hinauf. Das Thermometer stand im Freien auf dem Eispunkte. Im Inneren der Höhle stieg es auf 10° Wärme; noch etwas wärmer war die Temperatur in dem Grottengange zum See. Das umgekehrte Verhältniß wird natürlicherweise im Sommer Statt finden. Vom Scheukofen weiß das Volk sich viel Abenteuerliches und Märchenhaftes zu erzählen; daher der bedeutungsvolle Name.“[4153] (Seite 261)
Ganz allgemein stellen diese Schilderungen auch eine Geschichte des Reisen, der Entdeckung von Natur und Baukultur als „Schönheit“ sowie des bildungsbürgerlichen Umganges mit der Umwelt dar.[4154]
[4145] Bedeutende Werke: [KochMat 1838]. – [KochMat 1842]. – [KochMat 1846]. – [KochMat 1850]. – [KochMat 1865].
[4146] [Wurzbach 1856]. – Herrn Alfred Höck ist für die umfangreiche Literatur-Recherche zu danken.
[4148] [KochMat 1846], S. 150–152, S. 181 f., S. 185–188, S. 202, S. 203, S. 257–259, S. 261, S. 332, S. 334.
[4149] Anm. Koch: Die Buden haben eine bedeutende Tiefe und zu hinterst ist die Schlachtbank. Allein Schweine, Kälber und überhaupt minder großes Vieh tödtet man auch vorne, an und in den Häusern, legt das getödtete Vieh vor der Bude zusammen und weidet es dort aus. Was das für eine Sudelei gibt, ist begreiflich. Ein Paar Durchhäuser auf dem Gries, wo die Fleischer hauen, sehen im Innern nicht anders wie eine Cloake aus.
[4150] Vgl. hierzu Robert Hoffmann: „Bürgertum zwischen Tradition und Moderne. Die bürgerliche Gesellschaft und ihre Entwicklung in der Habsburgermonarchie“, erschienen 2005 in der dritten Folge „In Familie und Gesellschaft“ dieser Reihe „Bräuche im Salzburger Land“.
[4151] [HoffmannR 1994a]. – [HoffmannR 1994b].
[4153] Anm. Koch: „Es scheuckt mich“ heißt im Pongau: es graut mir davor, daher auch scheuklich – grauenhaft. [...] Ofen bedeutet also in der altdeutschen Sprachweise Höhle, Scheukofen aber eine gräuliche, schreckhafte Höhle.