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3.7. Colloredo-Verbote (Alfred Stefan Weiß)

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3.7.1. Colloredo – der „Motor“ der Aufklärung

Das Erzstift Salzburg wandelte sich in den Jahren von 1730 bis 1790 von einem Hinterbänkler zu einem Vorreiter und Zentrum der katholischen Aufklärung im deutschen Sprach- und Kulturraum. Diese Entwicklung ist untrennbar mit der Person des letzten regierenden Fürsterzbischofs, Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803), verbunden. Als der neue Landesherr nach seiner Wahl im März 1772 die Regierungsgeschäfte in die Hand nahm, beanspruchten Glaube und Frömmigkeit noch einen hohen Stellenwert in einer Welt voller Gefahren und des Mangels an lebensnotwendigen Gütern. Nur durch opferbereite Hinwendung zu Gott waren nach Ansicht vor allem der ländlichen Bevölkerung irdisches Wohlbefinden und ewiges Heil zu erlangen.

Um seine Maßnahmen im kirchlichen Bereich durchdrücken zu können, musste der Fürsterzbischof auch Einfluss auf das Konsistorium, die geistliche Oberbehörde, nehmen, dessen Zusammensetzung er in den folgenden Jahren seinen Wünschen entsprechend veränderte. Allerdings war weder diesem Kollegium noch dem aufgeklärten Fürsten immer bewusst, dass ein gravierender Unterschied zwischen der „offiziellen Religiosität“ und der „Volksreligiosität“, der religiösen Praxis der Laien im alltäglichen Leben, bestand.

3.7.2. Die Einschränkung der Feiertage

Als Vorläufer der großen Feiertagsreduktion in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kann eine vom Dominikaner-Papst Benedikt XIII. (1724–1730) des spanischen Erzbistums Tarragona 1727 gewährte Bulle (päpstlicher Erlass) betrachtet werden. Neben den theologischen wurden in den folgenden Jahrzehnten auch nationalökonomische Gründe für die Reduzierung ins Treffen geführt.

Sowohl die Staatsmänner als auch die einflussreichen Vertreter der Kirche ahnten, dass eine vollständige Abschaffung vieler Feiertage Widerstand hervorrufen würde, und überlegten sich daher auch noch andere Wege, das angestrebte Ziel zu realisieren. Gegen den ersten Weg, nämlich eine Anzahl von Feiertagen einfach auf den kommenden Sonntag zu verlegen, erhoben sich besondere theologische Bedenken, galt doch dieser Termin als „Tag des Herrn“. Eine alternative Möglichkeit war, gewisse Feiertage zu Halbfeiertagen herabzuwürdigen, an denen zwar weiterhin die Verpflichtung zum morgendlichen Messebesuch bestand, anschließend aber gearbeitet werden durfte – ein Lösungsmodell, welches im Sinn der jeweiligen Landesherren war. Da sich dieses System nicht bewährte – die Bevölkerung blieb nach dem Gottesdienst aus Protest der Arbeit fern –, bemühte man sich im Habsburgerstaat um die Abschaffung der Halbfeiertage, die Papst Clemens XIV. (1769–1774) 1771 gewährte.

3.7.3. Die Verminderung der Feiertage in Salzburg im Jahr 1772

Nachdem neben Österreich auch Kurfürst Max III. Joseph von Bayern (1745–1777) ein päpstliches Schreiben, das eine Verminderung der Feiertage erlaubte, erhalten hatte, teilte Fürsterzbischof Colloredo der Kurie mit, dass er sich gezwungen sehe, eine gleichlautende Ankündigung für sein Land zu erwirken, da dieses Territorium zwischen österreichischem und bayerischem Hoheitsgebiet eingekeilt sei. Seinem Wunsch wurde am 12. September 1772 entsprochen.

Die Aufhebung zahlreicher Fest- und Feiertage, die auch von der Kanzel verkündet werden musste, erfolgte Anfang Dezember dieses Jahres und war zum Entsetzen der Bevölkerung im Sinne der Aufklärung mit genauen Verhaltensregeln (z. B. Eindämmung der Schauspiele und Lustbarkeiten) für die verbleibenden Feste verbunden.[97] Aus dieser Zielsetzung resultierte die vom Landesherrn intendierte Forderung nach besserer Heiligung der übrigen Feiertage. Während an den abgeschafften Festtagen die verordnete Arbeit die weitverbreiteten Missbräuche zu verhindern hatte, sollten sie an den verbleibenden Feier- und den aufgewerteten Sonntagen durch eine verstärkte Teilnahme an den religiösen Übungen eingeschränkt oder gänzlich unterbunden werden. Gegen diese Neuordnung – insgesamt wurden die 95 kirchlich gebotenen Sonn- und Feiertage um annähernd 20 „gemindert“ – erhob sich innerhalb kurzer Zeit der Widerspruch des gläubigen Volkes, der teilweise vom Klerus mitgetragen wurde.

3.7.4. Ein vehementer Gegner der Feiertagsminderung

Nachdem im Dezember 1772 die Reduktion der Feiertage bekannt gemacht worden war, nützte der Salzburger Franziskaner Pater Clarentius Pschaider (geb. 1741/42, Sterbejahr bisher unbekannt) sein Predigeramt, um Kritik auszusprechen. Innerhalb weniger Tage verfasste er außerdem eine Schrift mit dem Titel „Frage, ob die Abstellung der Feyertäge bey jeztmaligen Weltlauf christlich und zu billigen seye?“. Dieses Pamphlet wurde in einer Auflage von 1.030 Stück in der Mayr’schen Buchdruckerei publiziert. Obwohl der Autor Papst und Erzbischof angriff, durfte dieses Werk kurzfristig in Salzburg verkauft werden. Erst Jahre später, im Mai 1788, wurden die konfiszierten Exemplare in die Salzach geworfen.

Der Vergleich mit einem „unverständigen Schnarcher“ war dem Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803/12), der Kenntnis von dieser Schmähschrift erhielt, eindeutig zu viel, und er ließ diesen Gegner der Aufklärung, dessen Identität rasch geklärt werden konnte, gefangen nehmen. Nach der Befragung von Zeugen aus der Mayr’schen Buchdruckerei und dem Franziskanerkloster ließ Colloredo ein hartes Urteil fällen: Pater Clarentius wurde zu acht Jahren Haft verurteilt und den Ordensoberen übergeben. Die Besitzerin der Druckerei, die Witwe Anna Viktoria Konhauser von Sternenfeld (1712–1788), die von den Vorgängen nichts wusste, musste eine hohe Geldstrafe erlegen und wurde überdies gezwungen, ihren Besitz an die beiden Waisenhäuser zu günstigen Konditionen zu übertragen. Es war ein Triumph der Aufklärung, der allerdings einem Pyrrhussieg gleichkam.

3.7.5. Wallfahrtsziele in Salzburg

Zu den ältesten Wallfahrtszielen im heutigen Bundesland Salzburg zählen St. Leonhard bei Tamsweg und die Marienwallfahrten von Mülln, Großgmain und zur Pacher-Madonna in der ehemaligen Stadtpfarrkirche (heute Franziskanerkirche). Die meisten Bittgänge im Salzburger Land fanden ihren Ursprung jedoch erst im 17. und 18. Jahrhundert. Meist waren es schwere Notzeiten, Hungerkatastrophen oder Seuchen, welche die Menschen veranlassten, zu solchen Gnadenorten ihre Zuflucht zu suchen. In seltenen Fällen verdankten sie ihre Entstehung der dankbaren Stiftung wunderbar erretteter Personen.

Diese religiöse Ausdrucksform scheint in Salzburg zur Mitte des 18. Jahrhunderts in der Verbreitung und Wichtigkeit einen Höhepunkt erreicht zu haben. Allein die Metropole kannte zu dieser Zeit 37 Wallfahrtsziele. So vermehrte sich auch die Kommunikantenzahl in Maria Plain als dem bedeutendsten Gnadenort der Erzdiözese von 1730 bis 1779 kontinuierlich und zählte in den Jahren 1770 bis 1779 277.800 Personen. Erst durch die Eingriffe von Fürsterzbischof Colloredo reduzierte sich diese Zahl deutlich. Noch sein Vorgänger im Hirtenamt, Sigismund Graf von Schrattenbach (1753–1771), rühmte sich am Ende seines Lebens (gest. 16. Dezember 1771), allein 250 Gnadenbilder der Madonna von „Genazzano“ in den Kirchen seines Einflussbereiches eingeführt zu haben.

3.7.6. Der Hirtenbrief des Jahres 1782

Den wohl ehrgeizigsten Schritt in Richtung aufgeklärte Religion unternahm Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803/12) mit der Publikation des Hirtenbriefes im Jubeljahr 1782. In diesem Sendschreiben, das an die in der Seelsorge stehenden Priester gerichtet war, aber auch den weltlichen Beamten und dem Kanzleipersonal per Zirkular (Rundschreiben) mitgeteilt wurde, griff er den seiner Meinung nach unzeitgemäß gewordenen Barockkatholizismus scharf an und verlangte nach einer Erneuerung im Glauben. Die Kritik an den kirchlichen Missständen verband der Landesherr dabei mit der Forderung nach einer ausgedehnteren Armenpolitik, wobei er die Lehren der Kirchenväter für die Erreichung des gewünschten Zieles einzusetzen wusste. Mit diesem Schreiben wurden auch die Bibellektüre und der Gesang deutscher Kirchenlieder empfohlen, das barocke Übermaß in der Marien- und Heiligenverehrung eingeschränkt, die wachsenden Missbräuche im Ablasswesen, bei den Bruderschaften, Wallfahrten und Prozessionen getadelt. Eine purifizierte und „vernünftige Religion“ sollte die Sitten des einfachen Volkes verbessern und es zu „nützlichen Staatsdienern“ erziehen helfen.

Diese schwierige Aufgabe wurde den Seelsorgern in den Städten und am Land übertragen, die ihren Pfarrmitgliedern den Inhalt des Hirtenbriefes nicht vorlesen, sondern leicht verständlich zu erläutern hatten, denn es sollte „Licht werden in der Seele des Bürgers, und des Landmanns“.[98]

3.7.7. Einschränkung der Prozessionen

Um eine Einschränkung des Prozessionswesens rechtfertigen zu können, ließ sich Fürsterzbischof Colloredo – beeinflusst von der Reformtätigkeit Kaiser Josephs II. (1765–1790) – 1783 darüber informieren, wie viele Andachten, Prozessionen und Umgänge in den einzelnen Pfarren und Vikariaten stattfanden. Üblicherweise wurden die Festtage des bäuerlichen Kalenders (ca. drei Wochen) zu Wallfahrten genützt. Nach Colloredos Ansicht stellte die große Anzahl von Andachten und Wallfahrten auch ein Hindernis für den sonntäglichen Pfarrgottesdienst, die Predigt und die Christenlehre dar. Bereits im Juli 1782 versuchte er die Fronleichnamsprozessionen zu „reinigen“, indem er das wirkungslose Verbot publizieren ließ, künftig das Mittragen von Prangstangen zu unterlassen. Zwei Jahre später wurde überdies das Mitführen von Bildern bei Prozessionen eingeschränkt oder gänzlich verboten.

Die verhängten Interdikte blieben nahezu wirkungslos oder scheiterten am Beharrungsvermögen der Bevölkerung. Lediglich im Kloster Nonnberg ließ die Äbtissin den beliebten Palmesel, der mit Generale vom 18. November 1785 „abgeschafft“ wurde, zerhacken und anschließend verbrennen. In der Gemeinde Puch hingegen versteckten die Gläubigen die aus dem 17. Jahrhundert stammende Figur auf einem bäuerlichen Anwesen mitten im Dorf und warteten auf „bessere Zeiten“, die jedoch erst mit der Romantik anbrachen.

3.7.8. Die Verordnung von 1786

Um die Seelsorger und die Beamten am Land eindeutig zu unterweisen, bereitete das Konsistorium, die geistliche Oberbehörde, 1786 eine endgültige Regelung der Bittgänge und Wallfahrten vor. Am 20. Mai dieses Jahres lag die berühmte Ordinariatsweisung nunmehr im Druck vor.[99] In acht Paragrafen wurden zusammenfassend folgende Regeln formuliert:

Erlaubt blieben lediglich die Bittgänge am Markustag (25. April) und an den drei sogenannten Bitttagen (Montag, Dienstag und Mittwoch vor Christhimmelfahrt) sowie die Wallfahrt an den Pfingstfeiertagen zum Salzburger Dom. Die Priester hatten die Verpflichtung, die Gläubigen über diese Maßnahmen detailliert zu informieren. Jene Gemeinden, die ihre Bittgänge nicht gänzlich aufgeben wollten, durften zumindest im Frühjahr und Herbst zusätzlich eine Dankprozession abhalten. Ferner war es verboten, die „Umgänge“ an Sonn- oder Feiertagen durchzuführen, und außerdem mussten die Gläubigen bis spätestens Mittag wieder zu ihrer Pfarr- oder Vikariatskirche zurückkehren. Jene Bittgänge, die nur das eigene Gotteshaus und den Friedhof umrundeten, blieben weiterhin erlaubt.

Die genannten Punkte wurden für so wichtig erachtet, dass sie auch in das Kirchenreformprogramm des Emser Kongresses, der ab Juli 1786 im heutigen Bad Ems tagte, teilweise Eingang fanden. Der ausformulierte Text der „Emser Punktation“ wurde allerdings geheim gehalten, und die Beschlüsse fanden daher kaum praktische Anwendung.

3.7.9. Widerstand gegen die Verminderung der „Umgänge“

Da auch einige Seelsorger die Durchführung der Ordinariatsweisung aus 1786, welche die Verminderung von Bittgängen und Wallfahrten zum Ziel hatte, verweigerten, verwundert es nicht, dass die Gläubigen wenig Interesse an der neuen Verordnung zeigten. Die Landgemeinden reichten Bittschriften um die Beibehaltung ihrer speziellen Kreuzgänge ein, doch wurde ihr Ansinnen stets abgewiesen. Auf Ansuchen durfte jedoch bei „allgemeinen Unglücksfällen oder Landplagen“ ab Jänner 1787 eine Andacht, in späteren Jahren auch ein Kreuzgang, abgehalten werden. Da sogar das Konsistorium, die geistliche Oberbehörde, diese Umgänge als „unschuldige Handlungen“ einstufte, wurde „hauptsächlich in jenen Fällen, wo die dem Landmann so nahe am Herzen liegenden Feldfrüchten der nächsten Gefahr des Verderbens ausgesetzt“[100] waren, eine Ausnahme bewilligt. Der Erlass des Hofrates aus dem Jahr 1787 zeigt einerseits die unnachgiebige Haltung in der Frage des Prozessionswesens, ließ aber auch die Möglichkeit gewisser Ausnahmen in Einzelfällen zu.

Besonders hart griff der Landesherr in den 1780er- und noch zu Beginn der 1790er-Jahre durch. Zwei Beispiele mögen diese Haltung illustrieren: 1783 untersagte er die beliebte Brotweihe in der Wallfahrtskirche Maria Mülln am Tag des heiligen Nikolaus von Tolentino (10. September). Noch im selben Jahr ließ er die Kapelle zu „Unserer Lieben Frau Maria Elend“ bei Embach dem Erdboden gleichmachen und den Kultgegenstand in die Pfarrkirche übertragen. Immerhin hatten jährlich ca. 30.000 Gläubige diesen Gnadenort aufgesucht.

3.7.10. Wetterläuten und -schießen

In den 1780er-Jahren bemühte sich der Landesherr Colloredo, einen anderen in der Volksreligiosität wurzelnden Brauch abzustellen: das häufig lang andauernde Wetterläuten und -schießen. Der Klang der Glocken sollte die Leute auf dem Feld und im Haus auf das drohende Unwetter aufmerksam machen und zum Gebet aufrufen. Bereits in der Antike fand sich die Anschauung, durch Lärmen mit Metall die Dämonen vertreiben zu können. Im christlichen Kult erfuhr dieser Brauch insofern eine Umdeutung, dass nicht mehr das Metall, sondern die an ihm haftenden Gebete des Priesters die Kraft hätten, Wetterdämonen zu bannen.

In den Jahren 1783, 1784, 1785 und 1788 ergingen Verordnungen, die erneut das Gespür für die bewahrende Mentalität der Landbevölkerung gänzlich vermissen ließen. Das Schießen mit Böllern, die meist mit geweihtem Pulver gefüllt waren, und „anderem groben Geschütze“ wurde gänzlich verboten und Zuwiderhandlungen mit hohen Geld- und sogar Gefängnisstrafen bedroht. Die zahlreich vorhandenen Böller sollten ohne Verzögerung abgeliefert werden. Der gegen die katholische Aufklärung eingestellte Priester Felix Adauctus Haslberger (1731–1809) überlieferte uns für den Mai 1789 einen groben Verstoß gegen die neuen gesetzlichen Regelungen. Mehrere Bauern aus dem Gericht Strasswalchen hatten den Mesner zum Wetterläuten gezwungen und wurden aufgrund einer Anzeige in Gewahrsam genommen. Der Landesherr verurteilte die Bauern wie „Rebellen auf gewisse Zeit“ zur Schanzarbeit.[101]

3.7.11. Der Kampf gegen Unwetter im Denken des Landvolkes

Mit den kläglichen Versuchen, durch Wetterläuten und -schießen, die Gewitter zu vertreiben, war der Gedanke verbunden, das Unwetter eventuell auf benachbartes Territorium „abschieben“ zu können. Gegenseitige Beschwerden aus Bayern und Salzburg waren die Folge dieses Denkens. Da den Salzburger Bauern das Schießen untersagt war, sahen sie sich den ihnen angeblich aus Bayern zugetriebenen Wolken wehrlos ausgesetzt. Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803/12) wandte sich daraufhin an das Nachbarland und verlangte das Verbot des Wetterschießens. Außerdem ließ er darauf achten, dass die Mesner die Kirchen- und Turmschlüssel sicher verwahrten und sich die Seelsorger bemühten, die volkstümlichen Theorien durch die physikalischen zu korrigieren.

Die diesbezüglichen Verordnungen des Landesherrn waren nicht von reiner Willkür geprägt, denn das Wetterläuten war keineswegs ungefährlich, wie die zahlreichen Unfälle, die sich dabei ereigneten, bewiesen. Mehrere Personen wurden beim Läuten der Glocken vom Blitz getroffen und dabei verletzt oder sogar getötet. Im Mai 1805 war das Wetterläuten nur mehr unter der Bedingung gestattet, dass die Gemeinden ihre Kirchen mit „Gewitterableithern“ versahen, was auch nachgewiesen werden musste. Trotz dieser Gefahren und der bestehenden Verbote hielt die ländliche Bevölkerung unbeirrt an ihrem Brauchtum fest. Erst im Jahr 1817 reagierte die nunmehrige österreichische Regierung auf das wieder auflebende Brauchtum mit einem harten Interdikt und den schon gewohnten Strafandrohungen.

3.7.12. Das Scheitern der Reformen

Erklärtes Ziel des letzten regierenden Fürsterzbischofs Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803/12) und seiner der Aufklärung verpflichteten Ratgeber war es von Beginn der 1770er-Jahre an, die „Volks=Religion von allen Schlacken“[102] zu reinigen. Die „Reformatoren“ – so lautet eine zeitgenössische Bezeichnung – erwarben sich mit ihrem ungestümen Vorgehen allerdings nicht das Wohlwollen der ländlichen Bevölkerung.

Was waren aber die entscheidenden Gründe für das letztendliche Scheitern der Reformen? Zunächst ist das überhastete Vorgehen des Landesherrn festzustellen, der mit seinen Untertanen zu wenig Geduld hatte und seine Pläne mit aggressivem Vorgehen verwirklichen wollte. Oder in den Worten des Juristen Judas Thaddäus Zauner (1750–1813/15) formuliert: „Man hätte vorerst aufklären, und dann reformiren sollen; allein man machte mit dem letztern den Anfang.“[103]

Colloredo genoss es, vom Ausland für seinen Eifer gelobt zu werden, sein Land in einen aufgeklärten „Musterstaat“ umzuwandeln. War auch die Zahl der erlassenen Verordnungen und Verbote beachtlich, so ließ die praktische Durchführung zu wünschen übrig, und die Normen wurden durch zugebilligte Ausnahmen ausgehöhlt. Die Neugestaltung scheiterte überdies an den sich bereits abzeichnenden ungünstigen politischen Ereignissen im Zusammenhang mit der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen. Um 1800 wurden aus Rücksicht auf das Volk viele traditionelle Bräuche wieder toleriert.

Zum Weiterlesen

[Adrian 1945] Adrian, Karl: Wind und Wetter im Glauben und Brauchtum unseres Volkes. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 84/85 (1944/45), S. 1–48.

[Hersche 1990] Hersche, Peter: Wider „Müssiggang“ und „Ausschweifung“. Feiertage und ihre Reduktion im katholischen Europa, namentlich im deutschsprachigen Raum zwischen 1750 und 1800. In: Innsbrucker historische Studien 12/13 (1990), S. 97–122.

[Schöttl 1939] Schöttl, Josef: Kirchliche Reformen des Salzburger Erzbischofs Hieronymus von Colloredo im Zeitalter der Aufklärung. Hirschenhausen 1939 (Südostbayerische Heimatstudien 16).

[WeißASt 1999b] Weiß, Alfred Stefan: Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo, die Säkularisation Salzburgs und der Fortbestand des Erzbistums. In: Dopsch, Heinz; Kramml, Peter F.; Weiß, Alfred Stefan (Hg.): 1200 Jahre Erzbistum Salzburg. Die älteste Metropole im deutschen Sprachraum. Beiträge des Internationalen Kongresses in Salzburg vom 11. bis 13. Juni 1998. Salzburg 1999 (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Ergänzungsbd. 18 / Salzburg-Studien 1), S. 275–294.

[WeißASt 1998a] Weiß, Alfred Stefan: Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803/12). Im Zeichen der Aufklärung. In: Kramml, Peter F.; Weiß, Alfred Stefan (Hg.): Lebensbilder Salzburger Erzbischöfe aus zwölf Jahrhunderten. Salzburg 1998 (Salzburg Archiv 24), S. 179–202.



[97] [ZaunerJT 1785], Bd. 1. Salzburg 1785, S. 65–69.

[99] [ZaunerJT 1785], Bd. 2. Salzburg 1787, S. 358–362.

[100] Salzburger Landesarchiv, Regierung IX/240. – [ZaunerJT 1785], Bd. 2. Salzburg 1787, S. 362 f.

[101] [MartinF 1928], hier S. 108.

[102] [Brief 1784], hier S. 427.

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