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Im kirchlichen Festkalender bildet das Fronleichnamsfest (1264) den Beginn der Sommerfeste. Die Fronleichnamsprozession (ab 1311) nimmt unter den christlichen Prozessionen eine Sonderstellung ein, da sie alleine der Huldigung Jesu Christi als eucharistischem König, der im Altarsakrament gegenwärtig ist, dient.
Das Prozessionswesen der katholischen Kirche nahm bereits in den ersten Jahrhunderten n. Chr. Formen antiker Herrscher- und Gottesgeleite, kriegerischer Triumphzüge sowie der römischen Bitt- und Segensprozessionen ebenso wie der jüdischen Bitt- und Bußprozessionen auf. Anfangs kannte die Christenheit nur das Begräbnis als Umgang, doch seit dem 4. Jahrhundert wurden die Wege Jesu Christi als feierliche Prozessionen nachgebildet. Daraus entwickelte sich unter anderem die Palmprozession. Aus der Begleitung des Altarsakramentes zur Krankensegnung und den frühmittelalterlichen Theophorien (Gott-Umtragungen) der Hostie in der Messe entstanden, von Spanien ausgehend, die öffentlichen Sakramentsgeleite.
Das üppige Prozessionswesen wurde 1614 im „Rituale Romanum“ (offizielles römisches Messbuch), wo es auch die erste allgemeingültige Nennung der Fronleichnamsprozession gab, eingeschränkt.
Die Fronleichnamsprozession gilt bereits im 14. Jahrhundert in Salzburg als bekannt. Die Kleriker trugen dazu grüne Kränze auf dem Kopf, eine weithin in Europa verbreitete Sitte. Die Bäcker stifteten eine Zunftprozession in der Fronleichnamsoktav, die ab 1450 bezeugt ist, und deren Prozessionsweg genannt wird. Auch die alte Bürgerbruderschaft, die 1613 in die Corpus-Christi-Bruderschaft übernommen wurde, hatte die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession in ihrem Statut von 1501.
In die Fronleichnamsikonografie und -emblematik (Hostie, Monstranz, „Lebensbrunnen-“ und „Weinstock-Christus“) flossen Symbole der Sakraments- und Heilig-Blut-Verehrung ein. So finden wir häufig Darstellungen des „Lebensbrunnen-“ wie des „Weinstock-Christus“ auf Beichtzetteln und Bruderschaftsbildern von Fronleichnamsbruderschaften. Es besteht Unklarheit darüber, ob die Hauptprozession ein Rundgang in den Straßen war oder ob sie andere Kirchen im Zentrum als Station – etwa für die Errichtung der vier Prozessionsaltäre – einbezog.
Eindeutig zu belegen ist, dass in Salzburg das Erzstift St. Peter bis 1657 bei öffentlichen Umgängen den Vorrang vor dem Domkapitel hatte. Seither geht es direkt nach dem Pontifikalkreuz und sitzt in der Domkirche zur linken Seite in den Chorstühlen der Domkapitulare.
Die Fronleichnamsprozession gehörte zu den verpflichtenden religiösen Übungen. Fürsterzbischof Marcus Sitticus (1612–1619) gründete am 29. Juni 1613 auf Basis der alten Bürgerbruderschaft in der Stadt Salzburg – sie hatte die Begleitung der Fronleichnamsprozession mit Kerzen schon in ihrem Statut von 1501 – die „Christi-Fronleichnams-Confraternität“ und unterstellte sie der römischen Erzbruderschaft. Die Bruderschaft wurde auch „Corpus-Christi-Bruderschaft“, „des hochheiligsten zarten Fronleichnams-Bruderschaft“ und von der Bevölkerung, nach der Farbe ihrer Prozessionsröcke, „die Rothe Bruderschaft“ genannt.
Aus den Rechnungsbüchern der Bruderschaft lassen sich viele interessante Informationen über den Aufwand der Prozessionen entnehmen: Die Hauptausgaben der Corpus-Christi-Bruderschaft fielen jährlich für den Heiliggrabaufbau in der Bruderschaftskapelle und die Ausstattung für die Karwoche an. Jährlich wurden zu Fronleichnam Fahnen- und Stangenträger, je zwei Laternen- und Kreuzträger, der Kalkantor (Sänger) und Musiker für die Prozession entlohnt.
Weitere Hinweise gibt die große Domprozession von 1682, dort scheinen geflügelte Engelknaben mit Monstranz und zwei Pagen mit sogenannten „Torzen“, den großen Prozessionsfackeln, im Geleit der Corpus-Christi-Bruderschaft auf.
Ende des 18. Jahrhunderts gab es sowohl weltliche als auch religiöse Reformen und Verbote in Bezug auf die Gestaltung der Fronleichnamsprozession. Dies betraf zum Beispiel die Birkenzweige für die Wege, die von der Bevölkerung auch heute noch als abwehr- und segenskräftig gesehen werden. Gründe für das Verbot, Bäume und Sträucher zu fällen oder zu schneiden, waren Flurschäden und der Schutz der Jagd. Ähnliche Begründungen gab es für das Verbot, Maibäume aufzustellen.
Die religiöse Seite der Reformen galt der Abschaffung der Äußerlichkeiten, die nicht mehr von den Glaubensinhalten ablenken sollten. So erging 1782 im Auftrag des Fürsterzbischofs Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803/12) einerseits ein Verbot an die weltlichen Beamten und andererseits eine Note des Hofrates an das Konsistorium (die geistliche Oberbehörde), damit diese die notwendigen Befehle zur Einschränkung der Prozessionsausstattungen an die Geistlichen erlassen sollten.
Zu den „andachtsstörenden“ Äußerlichkeiten gehörten die Prangstangen, die „allzu übermäßig lange“ waren und durch das Herumtragen „eine nicht geringe Unordnung“ im Prozessionszug hervorriefen.
1779 wurde ein gedrucktes Generalmandat für die gesamte Erzdiözese erlassen und den Pflegern und Geistlichen zugestellt. Mit ihm wurden alle „Passions-Spiele, und Prozessionen mit verkleideten Personen“ verboten, in denen bekleidete Figuren verwendet wurden. Damit waren auch den Fronleichnamsprozessionen die mitgetragenen Figuren und die Schaubühnen bzw. -wägen mit Bildnissen oder von den Bruderschaften dargestellten biblischen Szenen genommen. Ebenfalls wurde bei Prozessionen das Mittragen sämtlicher Figuren und Statuen verboten.
Ein Bild des gekreuzigten Heilandes durfte mitgetragen werden – es sei das „Schicklichste“ – und ebenso war ein Bild der seligen Jungfrau Maria erlaubt, jedoch ohne „Aufputz“.
Ein weiteres Verbot galt dem Böllerschießen, das sich immer mehr ausbreitete und nicht nur bei Prozessionen und Kreuzgängen zum Einsatz kam, sondern auch bei Hochzeiten und „Tünzltagen“ (jährlicher Festtag einer Handwerkszunft). Dabei passierten durch Fahrlässigkeit und Ungeschicktheit immer wieder Unfälle, die Anlass zu Einschränkungen gaben.
Die Reformen von Kaiser Joseph II. (1765–1790) und die damit eng verbundenen Salzburger Reformen durch Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803/12) zwischen 1782 und 1784 verboten aus religiösem wie sozioökonomischem Reformwillen viele kosten- und zeitaufwendige Ausformungen der Prozessionen. Dazu kam eine Reduktion der Feiertage und das Verbot von Terminen, Spielen, Bühnen, Vortragstangen, aufwendigem Blumenschmuck, Fackeln, Kerzen und bekleideten Tragfiguren. Ebenso verboten wurden Anlässe und Wallfahrten zu entfernten Zielen.
In ländlichen Regionen wurde vereinzelt auf Relikte barocken Prozessionsprunkes zurückgegriffen. Dabei stellen heute als volkstümlich angesehene Ausstattungsformen oft die Spielarten barocker Prozessionsbräuche einfacher Bevölkerungsschichten dar. Im Zuge der Braucherneuerung leben seit der Jahrhundertwende 1900 einzelne Spielformen der Prozessionen, oft missgedeutet, wieder auf.
Auch für Salzburg gab es eine neue Prozessionsordnung, die am 20. Mai 1786 in Kraft trat. Dabei wurden unter anderem alle Bruderschafts-, Ordens- und sonstige Prozessionen innerhalb der Fronleichnamsoktav verboten. Der Fronleichnamstag selbst wurde hervorgehoben und nur mehr wenige Oktavprozessionen erlaubt.
Im 19. Jahrhundert entwickelten sich neue Formen der Ausstattung der Fronleichnamsprozession, die von den Pfarren und vielfach auch von den Frauenklöstern ausgingen. Die Fahnen und Statuen wurden einfacher, die Rangordnung in erster Linie nach den natürlichen Ständen gegliedert, vor denen öffentliche Vereinigungen und hervorstechende Gruppierungen marschierten.
Im 20. Jahrhundert brachte die NS-Zeit auch für das Prozessionswesen große Veränderungen. Die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession stellte für viele Menschen eine Mutprobe und Demonstration gegen das Regime dar. Viele Neuerungen brachten die 1960er- und 1970er-Jahre, die vom triumphalen, demonstrativen Siegesmarsch wegführten. Vielfach setzte sich in den Städten die Idee des freudigen Gemeindefestes durch.
Heute sind die Formen der Fronleichnamsprozessionen nach Pfarre und Region sehr unterschiedlich. Vielfach gehen noch die Erstkommunionmädchen in ihren weißen Kleidern, die erstmals im 19. Jahrhundert aufgetreten sind, in der Prozession. Im Zuge der Vergangenheitssuche und der touristischen Einflüsse werden Seeprozessionen zu Fremdenverkehrsattraktionen.