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Dass bei Wallfahrten, Kreuzgängen und Prozessionen der Musik ebenso große Bedeutung wie der bildenden und darstellenden Kunst beigemessen wurde, geht aus zahlreichen Hinweisen eindrucksvoll hervor. Zu den frühesten Belegen notierter mehrstimmiger Musik zählt das Sankt-Jakobs-Offizium für den Wallfahrtsort Santiago de Compostela (22 mehrstimmige Stücke aus dem Codex Calixtinus, entstanden zwischen 1140 und 1200).
Bereits das erste katholische Gesangbuch (mit Noten), 1537 in Leipzig erschienen, bringt Prozessionslieder zum Fronleichnamsfest sowie für „Marci und in der Creutzwochen“. Besonders im Zuge der Gegenreformation tauchten zahlreiche mehr oder weniger umfangreiche gedruckte Sammlungen deutscher Kirchenlieder auf. Für das Salzburger Erzbistum bezeugen zwar die Agenden von 1496, 1511, 1557 und 1575, dass man das deutsche Kirchenlied bei verschiedensten Gelegenheiten einsetzte, für seine verstärkte Verbreitung durch Druck im Lande selbst unternahm man jedoch nichts. Auch aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind bisher nur wenige Drucke von deutschen geistlichen Liedern bekannt. Einer der Gründe dafür lag wohl in der strikten Ablehnung des Luthertums, das bekanntlich mit der Entwicklung des deutschen Kirchenliedes unzertrennlich verbunden war.
Vor dieser Entwicklung konnte sich der Salzburger Hof in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eines der bedeutendsten Zentren geistlicher deutscher Liedkunst nennen – besonders geprägt durch den „Mönch von Salzburg“. Unter den erhaltenen Liedern des Mönchs zählen 20 Marienlieder zum Auserlesensten früher geistlicher deutscher Dichtung.
Die eigentlichen, für eine ganz bestimmte Gnadenstätte überlieferten Wallfahrtslieder haben sich in Flugblattlieddrucken oder im Zusammenhang mit Andachtsbildern erhalten. Dabei kam den erzählenden Legendenliedern eine große Bedeutung zu. Die Liedtypen – alle vierstrophig – wurden durch verschiedene örtliche Traditionen geprägt. Zu den ältesten Beispielen auf heute österreichischem Gebiet zählen die Lieder zu St. Wolfgang am Abersee: „Wer viel Wunder will schauen / Soll gen Sankt Wolfgang geen“ (um 1525).
Eine andere Gruppe von Liedblattdrucken bringt Gesänge, die im mehr allgemeinen Charakter von Lobgesängen gehalten sind, jedoch auf eine ganz bestimmte Gnadenstätte Bezug nehmen. Meist wurde neben einem Ankunftslied ein Abschiedslied der Wallfahrer abgedruckt. Für Gnadenstätten im Erzbistum Salzburg ließen sich bisher nur wenige solcher Legendenlieder und „Lobgesänge“ nachweisen. Erhalten haben sich zum Beispiel ein 51 Strophen langes Legendenlied in Vierzeilern (ohne Noten) von dem „Ursprung des gnadenreichen Mariabildes auf dem Anger in Velm bei Mittersill in Oberpinzgau“ (um 1869) und ein 12-strophiger „Lobgesang“ zur Begrüßung „Unser(er) Lieben Frauen / Auf der Gmain“.
Neben den gedruckten Wallfahrtsliedern kommt denen, die handschriftlich in Gesangbüchern der sogenannten „Kirchensänger“ bzw. deren Vorsänger überliefert sind, ebenso große Bedeutung zu. Der Pinzgauer Lehrer und Sammler Franz Lackner (geb. 1814) berichtet, dass diese ihre Lieder immer selbst gedichtet und mit einigen Melodien versehen hätten.
Einige solcher Liedersammlungen haben sich aus verschiedenen Salzburger Gauen und aus stadtnahen Pfarreien erhalten, besonders jene aus dem 18. Jahrhundert sind ausgesprochene Kostbarkeiten und Raritäten. Sie geben Zeugnis von einer intensiven Pflege des volksnahen geistlichen Liedes, insbesondere des Weihnachts-, Passions- und Marienliedes. Eine Fülle prachtvoller Marienlieder findet sich in solchen handschriftlichen Liedersammlungen, die leider überwiegend ohne Noten – der Vorsänger übte die Lieder seinen Kirchensängern nach dem Gehör ein – überliefert sind.
Das berühmte Spottlied auf die wallfahrenden Pinzgauer „Dö Pinzgara woltn kirfiartn gehn“ (in Handschriften um 1760) war nach 1800 auch außerhalb der Alpenländer weitverbreitet. In 20 Strophen werden Bitten in Pinzgauer Dialekt recht derb formuliert. Das Spottlied nimmt Bezug auf die Domwallfahrt der Pinzgauer, insbesondere der Zeller, da diese vor allen Übrigen das Vorrecht hatten, bei der Pfingstmontag-Vesper den Hochaltar zu umschreiten.
Unter den barocken Wallfahrtskirchen im Erzbistum nehmen Maria Plain und Maria Kirchental einen besonderen Platz ein. Besonders viele Informationen gibt es über die Musikpflege in Maria Plain, wo im Gegensatz zu ländlichen Wallfahrtsorten eine viel höher stehende Musikkultur anzutreffen ist. Dies mag in erster Linie durch die Verwaltung und Betreuung der Kirche durch die Salzburger Universität bedingt gewesen sein.
Eine große Zahl von Kirchenfesten, insbesondere Marienfeste, Kirchweih- und Krönungsfeste, wurden mit „gesungenen Hochämtern“ und „gesungenen Litaneien“ begangen. Gewöhnlich lag die Leitung der Musik beim Stadtpfarrorganisten, die Ausführung bei den Stadtpfarrsängern. An bestimmten Festtagen oblag die musikalische Gestaltung hingegen den Musikern der Universität.
Mit Maria Plain eng verbunden war auch das religiöse Leben der Familie Mozart. Der Familienkorrespondenz ist zu entnehmen, dass Leopold Mozart (1719–1787) sich des Öfteren Schutz und Hilfe vom Plainer Gnadenort erhoffte und erflehte. Ebenfalls wichtig für die Musikpflege in Maria Plain waren die geistlichen Musiker Pater Gotthard Wagner (1678–1738) und Pater Meingosus Gaelle (1752–1816).