Mitte der 1970er-Jahre begannen die Autoren, sich der Kultur als Mittel zur Überwindung sozialer Schranken innerhalb der nächsten Lebensumwelt zu bedienen. Heute (2003) sehen die Autoren die Aufgabe von Kulturarbeit darin, Menschen in einer globalisierten Welt einander näher zu bringen, zur Überwindung des bloßen Selbsterhaltungsinteresses beizutragen und somit zur Solidarität zu befähigen, ethnische, religiöse, vermeintliche oder tatsächliche Schranken überwinden zu helfen.
Herkömmliche Kulturvermittlung, erweitert um Einblicke in andere Kulturkreise, spielt dabei zwar eine wesentliche Rolle, nicht jedoch die einzige. Kultur muss nicht im „Schöngeistigen“ verharren. So eng verflochten, „globalisiert“, wie wir leben, ist zum Beispiel die Forderung nach politischer Kultur oder Unternehmenskultur nicht bloß ein schöner Anspruch, sondern von existenzieller Bedeutung für Millionen. Menschenwürde und Menschenrechte sind auch Errungenschaften kultureller Entwicklung. Und sie sind unteilbar.
Diese Vorstellung versuchen die Autoren mit ihren Aktivitäten zu transportieren und Menschen zum Mittun zu bewegen. Die sogenannte bürgerliche Zivilgesellschaft, in den Ländern des Südens vielfach Voraussetzung, dass überhaupt Sinnvolles geschieht und funktioniert, bildet dafür den Rahmen. Die Autoren betreiben keine auf Kontinuität ausgerichtete Kulturarbeit, sondern verstehen ihre Aktivitäten als notwendiges Korrektiv zu einer auf Trends reagierenden und reflektierenden Eventkultur. Auch nicht die Konsumierbarkeit der vielfältigen Weltkultur(en) ist vorrangig, sondern die durch Einlassen auf andere(s) herstellbare Resonanz.
Seit Mitte der 1970er-Jahre bringen die Autoren sich in die Kulturarbeit ihres Heimatortes St. Johann ein. In der damaligen Aufbruchstimmung ging es, in dem gemeinsam mit Freundinnen und Freunden gegründeten Kulturverein „Signale“, vor allem um die Veranstaltung neuer, kritischer, wenn es sein musste auch provozierender, Tabus brechender Jugendkultur. Dem Lebensgefühl nach lebte man zwar auf dem Land, nicht jedoch in der Provinz.
Gleichzeitig hatten die Autoren auch einen sozialen Anspruch. Ihre Kultur war nicht etwas für elitäre Kreise, sondern dazu da, um soziale Schranken zu überwinden. So wurde gemeinsam mit Lehrlingen, Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern, mit Engagierten ein interessantes Kulturprogramm erarbeitet.
Dieses wollte auch bewusst als Kontrapunkt zu den zahlreichen Aktivitäten des Kulturvermittlers Hans Witke verstanden werden, welcher mit dem Kulturverein „spectrum“ entscheidende Impulse in der Region setzte. Nach Ansicht der Autoren erzeugte die Kulturarbeit von Hans Witke eine ungeahnt produktive Aufbruchstimmung für eine „neue Kultur am Land“. Nicht länger wurde Kultur auf dem Land automatisch mit Brauchtumskultur gleichgesetzt. Diese Erweiterung und Öffnung ist, nach Ansicht der Autoren, das große Verdienst Hans Witkes.
In den 1980er-Jahren wurde in St. Johann das Thema Umwelt „entdeckt“. Entgegen der üblichen politischen Praxis wurde ein „offener“ Umweltausschuss gebildet, in welchem gewählte Mandatare und engagierte Bürger/innen gemeinsam und gleichberechtigt tätig waren. Noch dazu begaben sich die Gemeindemandatare bewusst in die Minderheit – wohl ein Novum im politischen Alltag.
Umweltbildung und ungeschönte Information erschienen in den Anfangsjahren, und sind wohl auch heute noch, wichtige Anliegen. Das regelmäßig herausgegebene „Umweltblatt“ informiert seit damals über die Situation in St. Johann, in Österreich, in der Welt ... Auch konkret umgesetzte Maßnahmen und deren Auswirkungen werden in diesem Medium vorgestellt und Möglichkeiten umweltverträglicheren Handelns für den Einzelnen/die Einzelne aufgezeigt. Das „St. Johanner Umweltblatt“ steht somit, frei nach Rüdiger Safranski, im bewussten Widerspruch zur globalen Informationsgemeinschaft, in welcher die Menge der Reize und Informationen den möglichen Handlungskreis dramatisch überschreitet.
Neben dem Informationsschwerpunkt wurden richtungsweisende Aktivitäten vor allem im Abfallbereich, im Verkehrsbereich, beim Klimaschutz und im Energiebereich gesetzt. St. Johann gilt heute in vielen umweltrelevanten Bereichen als Vorbild. Wesentliche Voraussetzung für diese Erfolge war und ist die sachbezogene Arbeit in den Gremien (Parteipolitik ist nebensächlich), die enge Zusammenarbeit mit engagierten Menschen, Institutionen, Firmen und Vereinen sowie auch internationale Kooperationen.
St. Johann beteiligt(e) sich nicht nur an nationalen und internationalen Projekten (Klimabündnis, e5-Programm, EU-Altener-Projekt), sondern unterstützt zum Beispiel auch ideell und finanziell die Verbreitung der Solarkochertechnologie[227] in Indien und Bolivien. Der Einsatz angepasster Technologie ist unverzichtbare Voraussetzung zur Verbesserung der angespannten Lage im Gesundheits-, Umwelt- und Sozialbereich in den Ländern des Südens und verhindert zudem die nicht bewältigbare „Verstädterung“, da so mobilen Bevölkerungsgruppen auf dem Land Perspektiven geboten werden können.
Obwohl seit einigen Jahren die Umweltbelange wieder in einem „normalen“, mit gewählten Vertreterinnen und Vertretern besetzten Ausschuss diskutiert werden, ist der frische Wind des „offenen“ Ausschusses durchaus noch spürbar.
Gemeinsam mit vielen Institutionen im Kultur- und Bildungsbereich, mit öffentlichen sowie privaten Stellen und vor allem durch das Engagement couragierter Menschen wird versucht, St. Johann alle zwei Jahre als Begegnungsstätte unterschiedlicher Kulturen und Religionen zu positionieren. Anlässlich der sogenannten Friedenstage wird nach Wegen für ein friedvolles Miteinander gesucht. Besonders interessieren dabei die erforderlichen ökonomischen, ökologischen, politischen Voraussetzungen. Hochrangige Referentinnen und Referenten (bei den ersten Friedenstagen waren dies z. B. Preisträger des „alternativen Nobelpreises“, 2002 Wissenschafter und Aktivisten aus Indien) informieren und diskutieren über ihre Ansätze und Ideen eines friedlichen Zusammenlebens in Würde und Schönheit (Bernd Lötsch).
Den zweiten wichtigen Teil dieser Veranstaltung bildet der Kulturaustausch auf höchstem Niveau. Musik- und Tanzgruppen aus Afrika, Asien oder Europa haben schon viel zum Abbau kulturchauvinistischer Einstellungen beigetragen. Großer Wert wird bei den Friedenstagen auf die Beteiligung der Schulen gelegt. Schülerinnen und Schülern sollen nicht nur Alternativen vorgestellt, sondern auch Möglichkeiten zum Mittun geboten werden. Die Veranstaltung bindet auch die örtlichen volkskulturellen Vereine ein und ermöglicht so breiten Bevölkerungskreisen Begegnungen mit anderen Menschen und Kulturen. Die „mit Ähnlichkeit geschlagene Welt“ (Th. W. Adorno) kann so wieder differenzierter wahrgenommen werden. Das Friedensgebet der Religionen bildet jeweils den würdigen Abschluss der Friedenstage. Die St. Johanner Friedenstage verstehen sich bewusst als Gegenpol zur These der Leitkultur und zum propagierten „Kampf der Kulturen“.
Am 19. Juni 2002 fand in St. Johann ein großer Abend zum Gedenken an den Schriftsteller Franz Innerhofer statt, der sich im Jänner 2002 in Graz das Leben genommen hatte. (Es war dies die erste Gedenkveranstaltung in Stadt und Land Salzburg!) Franz Innerhofer war mehrmals und in unterschiedlichen Lebensstationen in St. Johann zu Gast: Als „literarische Neuentdeckung“, als „Aufrührer“, als „fixe Größe in der Österreichischen Literatur“ ... Immer jedoch als sprachgewaltiger, streitbarer, auf das Konkrete abzielender Schriftsteller.
Auf Ersuchen der Autoren hatte der in St. Johann lebende, wie Innerhofer aus dem Pinzgau stammende Schriftsteller O. P. Zier ein dichtes Programm konzipiert: Geboten wurde eine ausschnittweise Aufführung von Franz Innerhofers selten zu sehendem Stück „Scheibtruhe“, wo Innerhofer die Mühlviertler Magd Hanni aus ihrem Leben als oberösterreichische Landarbeiterin erzählen lässt. Frank Tichy steuerte Originalton-Aufnahmen eines der letzten großen Interviews mit Franz Innerhofer sowie Dias des verstorbenen Schriftstellers bei. Im Zentrum des Erinnerungsteiles dieses Abends stand der Lektor Ludwig Hartinger. Er war einer der engen Freunde Franz Innerhofers. Er erzählte von der Entstehungszeit von Innerhofers erstem und berühmtestem Roman „Schöne Tage“, die er hautnah miterlebte. O. P. Zier spannte neben der Moderation des Abends in knappen Lesungsteilen den großen Bogen von Franz Innerhofers Debütroman „Schöne Tage“ bis hin zu seinem letzten zu Lebzeiten veröffentlichten Buch „Um die Wette leben“.