Feste der volkskulturellen Vereine finden oftmals im Sommer statt. Welchen Stellenwert haben diese Feste für Sie?
Diese Feste haben für mich einen großen Stellenwert. Auch im volkskulturellen Bereich sind sie durch den traditionellen Ablauf und als Aktivitäten im Jahreslauf ganz wichtig: Sie fangen im Fasching an und hören mit Weihnachten auf. Feste wie Geburtstage, Jubiläumsfeste haben für einen Verein eine große Bedeutung, weil sie den Vorstand und die Mitglieder dazu veranlassen zu sagen: „Jetzt raufen wir uns wieder zusammen, dass wir ein tolles Fest machen“. Natürlich wird der zeitliche Ablauf koordiniert, meistens schon ein Jahr vorher, was ein immenser Aufwand ist, denn was hat sich im Ort, in der Gemeinde, in der Gesellschaft, wo ihr Umfeld liegt, getan.
Wie immer bei den Heimatvereinen, Brauchtumsgruppen oder Volkstanzgruppen etc. ist das Eingebundensein im Ort und das örtliche Leben ganz, ganz wichtig. Für mich sollen Heimatvereine in einer Gemeinde den Motor stellen. Ob ich nun eine Aktivität selber mache oder nur sozusagen den anderen Ideen gebe, beides finde ich ganz wichtig. In der heutigen Gesellschaft, glaube ich, sind unsere Vereine gesellschaftsfähig. Das macht den Stellenwert der Feste, Vereine und Orte aus. Dieser Stellenwert ist für mich persönlich sehr hoch, weil ich selbst 25 Jahre in den Vereinen an der Basis tätig war. Da gibt es zwar auch Tiefen, aber die Höhen überwiegen. Und wenn wieder so ein Fest kam, ist immer ein großer Zusammenhalt innerhalb passiert – jeder muss für jeden arbeiten. Und im Endeffekt ist man für die Heimat bzw. für den Ort und für die Volkskultur eine Bereicherung.
Inwieweit fördern volkskulturelle Vereine das dörfliche Miteinander?
Der Motor ist für mich etwas ganz Wichtiges. Ein Verein, eine Gruppe kann nur dann funktionieren, wenn sie die Jugend anspricht. Wenn die Jugend dem Verein keinen Stellenwert gibt, dann ist die Gruppe wahrscheinlich in einigen Jahren so weit weg, dass es nur noch hinunter geht. Gerade im sozialen Bereich kann ich in einer Gemeinschaft so viel unterstützen – ob das der Sportverein, Turn-, oder Chorverein ist. Jeder hat seine Sequenz, was er in seinem Bereich macht. Für mich ist es wichtig, dass Jugendarbeit gemacht wird, das ist das Entscheidende. Weil wenn man die Jugend nicht respektiert und die Jugendlichen sich in dem Verein sich nicht äußern dürfen, wie sie es haben möchten, dann funktioniert das für mich nicht. Wenn die Jugend mitmacht, passiert auch das Gesellschaftsfähige. Wenn der Jugendliche in verschiedenen Vereinen dabei ist, dann sieht er, dass er gesellschaftlich nicht weit weg ist.
Der Jugendliche ist eingebunden, hat einen gewissen Halt, sein Selbstwertgefühl wird 100-prozentig damit gehoben, ganz gleich in welcher Funktion jemand ist. Wenn man die Jugend fragt, warum sie beim Verein dabei ist, so ist die Antwort: „Spaß in der Gemeinschaft“. Ob das ein Magister, Bauersbub oder eine Verkäuferin etc. ist, ist egal. Der Verein muss harmonieren, was aber nur dann funktioniert, wenn etwas Gescheites gemacht wird. Wenn man nur etwas zur Schau stellt – wie zum Beispiel beim Heimatabend – oder nur Programm macht, dann ist das dem Jugendlichen mit der Zeit zu viel. Man muss seine Gruppenabende so gestalten, dass jeder davon etwas hat. Dann kann der „Mittelalterliche“ auch mit einem 16-, 17-Jährigen wunderbar in Harmonie leben. Und wenn einmal Fehler gemacht werden, soll das nicht sofort verteufelt werden. Das passiert jedem einmal. Man muss allen die Chance geben, sich selbst zu entfalten. Es funktioniert gut, wenn der Jüngere sich von dem Älteren etwas sagen lässt und umgekehrt, dann kommt man auf einen gemeinsamen Nenner.
Meine Arbeit muss mir in erster Linie mal für mich Spaß machen, dann kann ich auch meine Arbeit in der Gesellschaft weitertragen, was für den Ort ganz wichtig ist. Ich glaube, teilweise haben wir Schlafdörfer – gerade im Flachgau. Man hat seinen Arbeitsplatz in der Stadt und fährt nur heim zum Schlafen. Wieweit sich der integrieren lässt, ist ein Thema – das muss derjenige selbst auch wollen. Gerade in der heutigen Zeit – zum Beispiel durch Singlehaushalt, Vereinsamung – kann ein Verein irrsinnig aufbauend für den Menschen sein. Um der Vereinsamung entgegenzusteuern, glaube ich, sind unsere Vereine nahezu wie geschaffen. Das Miteinander kann dann im Ort funktionieren: Zum Beispiel wissen die Eltern bei den Jugendlichen, wenn sie in einem Verein sind, dass sie etwas Sinnvolles tun.
Integrationsfähig muss jeder Mensch selbst sein – bis zu einem gewissen Grad kann man helfen –, aber nachher muss jeder selbst etwas beisteuern, durch Aktivität und Produktivität und dann kommt alles automatisch. Für mich ist Integration auch ganz wichtig, wenn jemand aus einer anderen Kultur kommt; wir können es nicht leugnen, wir haben sehr viele Kulturen in Österreich durch Fremdarbeit etc. Integration ist ganz wichtig, egal, welche Haut- oder Haarfarbe, er muss sich integrieren können und wir müssen diesem Menschen genauso die Chance geben, weil wir in einem Bereich, in einer Ortschaft, beisammen wohnen. Es wäre ein Wahnsinn, wenn man eine Zweiklassengesellschaft machen würde. Andere Kulturen zu schätzen, ist enorm wichtig.
Als Landesobmann der Salzburger Heimatvereinigungen sind Sie im Sommer pausenlos unterwegs. Worin liegt Ihre Motivation begründet?
Ich fahre in einem Quartal ungefähr 3.200 Kilometer, wo ich rein für die Vereine unterwegs bin. Sobald ich im Auto sitze, habe ich meine Motivation wieder, denn ich weiß, was die Vereine in den Ortschaften für großartige Arbeit leisten und dass das Gestandene nicht verloren wird. Ich freue mich darauf, meine Leute wieder zu sehen, mit ihnen Spaß zu haben. Und wenn sie glauben, dass ich ihnen durch meine Anwesenheit etwas Gutes tun kann, dann freut es mich umso mehr. Wenn das berühmte Körnchen auf den Boden fällt und aufgehoben wird, kann es für mich keine bessere Motivation geben. Ich sehe das Ganze als Dank und Freude. Eine Verpflichtung ist es nur dann, wenn ein Fest nicht funktioniert und zum Beispiel im organisatorischen Bereich viele Fehler gemacht wurden etc. Man erlebt im Jahr so viele wunderbare Feste und das, was nicht funktioniert, ist so minimal, dass ich die Motivation wegen dem nicht verlieren kann.
Wie geben Sie Ihre Motivation weiter?
Man muss immer wieder schauen, dass man das Positive sieht und sich nicht am Negativen aufhängt. Es gibt viel zum „Drüberschauen“, wo ich mir auch oft sehr schwer tue. Meine Frau sieht immer genau an meinem Blick, ob die Veranstaltung gut oder weniger gut war. Das Ego jedes Menschen muss man sich suchen. Wie kann man die Leute ansprechen – diese Frage muss man sich stellen. Ich kann schnell einmal jemanden begeistern, oder jemand begeistert mich. Das Gegenseitige muss funktionieren und auf alle Fälle muss der andere immer auch spüren, dass man für ihn da ist.
Sie leben im Flachgau und verbringen gern Ihre Freizeit im Lungau. Verbinden Sie damit so etwas wie die Sehnsucht nach der Idylle?
In meiner Jugendzeit, in der ich eher noch wenig mit dem Brauchtum zu tun hatte, bin ich durchs Beobachten, Hineinhorchen und Anschauen so fasziniert worden, dass ich zum Brauchtum kam. Ich habe in den Pongauer Bergen und an der Grenze zum Lungau sehr viele Freizeitstunden verbracht. Es gab ja früher die Tauernautobahn noch nicht – jedes Mal, wenn ich über den Tauern fuhr, kam man beim schönen Twengertal und bei der Taurachache heraus, das ist einfach eine andere Landschaft. Ich bin gerne ein Flachgauer, aber mindestens genauso gerne ein Lungauer, weil mich die Landschaft dort so fasziniert.
Wenn wir heute in den Lungau fahren – meine Gattin ist zufällig Lungauerin– ist es für mich oft mehr Freude als für die Gattin. Wir haben im Lungau eine Alm und dort haben wir so viele schöne Stunden verbracht. Ich hab auch viel Inspiration für meine Arbeit als Landesobmann bekommen. Kein Handy, kein Laptop, sondern Abgeschiedenheit, man kann sich zurückziehen, den Kopf für andere Sachen freibekommen und wieder gezielt etwas aufbauen. Vielleicht kommt einmal ein Reh oder ein Hirsch vorbei, aber man wird durch nichts gestört und der Menschenschlag ist so fantastisch. Rundum ist der Lungau ein Herzstück für mich.
Es ist so schön, die Freizeit drinnen (im Lungau) zu genießen, obwohl das Leben selbst härter ist, weil die Verkehrswege schlecht sind. Vor allem im Winter, zum Beispiel bei Schnee, Abgeschiedenheit, kommt man nicht mehr raus. Oder als es die Tauernautobahn noch nicht gab, war oft der Tauern für eine Woche gesperrt und der Zeitfaktor war vor 30 Jahren noch nicht so wie bei unserem hektischen Flachgau, wo viel mehr auf Kommerz aufgebaut ist. Die Lungauer finden ihre Lebenswerte noch viel eher und sie sind mit der Natur so in einem Einklang, was mich fasziniert. Das schlägt sich auch in den Bräuchen nieder. Es gibt viele Bräuche, die im Lungau beheimatet sind und die es sonst in ganz Österreich nirgends gibt: zum Beispiel den Samson, das Prangstangentragen, Gonesrennen, Kasmandllaufen, Sonnwendscheibenschlagen etc. Die Lungauer sind viel mehr in ihrem Dorf eingebunden, sie haben sich mit sich selbst wesentlich mehr beschäftigt. Zum Beispiel das Prangstangentragen, das findet zu den Prangtagen – am 24. Juni, am Johannstag, in Zederhaus und am 29. Juni, am Peter-und-Paul-Tag, in Muhr statt. Ganz egal, welcher Tag das ist, die haben sich nicht beirren lassen, dass vielleicht mehr Menschen an Sonntagen Zeit hätten. Sie feiern für sich selbst. Der geschäftliche Trieb ist hintangestellt und sie lassen sich nicht so leicht für den Fremdenverkehr missbrauchen, sondern halten sich an ihre Werte. Und die Werte in der Volkskultur, die muss man sich bewahren. Bei diesen Werten spielen drei wichtige Dinge eine Rolle: 1) zu seiner Zeit, 2) der richtige Ort und 3) wie man etwas macht. Authentisch erlebt man es ja nur dann, wenn sich die Leute selbst damit identifizieren.