Wie kamen Sie zum Volkstanz?
Zum Volkstanz kommt man am besten immer, wenn man in jüngeren Jahren das Bedürfnis hat, fortzugehen. Das ist beim Volkstanz eine gute Verbindung: Man kann fortgehen, kommt einmal von zu Hause weg, gleich gesinnte Jugendliche treffen sich regelmäßig, aber man tut auch etwas, ist unterwegs und lernt viele Leute kennen. Ich bin mit 15 Jahren in eine Gruppe gekommen, wo viel getanzt wurde, aber wo das alleine nicht im Vordergrund stand. Seit Beginn bin ich bei „Jung Alpenland“; das Ganze fand auf Vorschlag meiner Mutter statt, deren Schwager damals Obmann war. Ich kannte die Gruppe zuerst nicht, aber es gefiel mir von Anfang an; es war sehr freundlich dort und eine gute Mischung aus jungen und alten Menschen. Es ist auch heute noch so, dass man versucht, Jung und Alt zu mischen – die Jungen sollen sehen, dass man als Älterer auch noch gerne in der Gruppe gesehen wird.
Der Zustrom von Jugendlichen ist eine ständige Wellenbewegung. Es gibt einmal Phasen, wo man vielleicht zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist in einer Gruppe und dann vergisst man ein bisschen, dass man sich anderem auch noch öffnen könnte; dann gibt es wieder glückliche Momente, wo sich zwei bis drei Jugendliche finden und dann beginnt eine Sogwirkung einzusetzen. Durch Mundpropaganda kommen ständig jüngere Leute dazu, aber auch Ältere. Wenn neue Leute zu uns kommen und Gefallen an dem Ganzen finden, überlassen wir es ihnen selbst, ob sie wiederkommen wollen. Natürlich ist man bemüht, den Leuten zu zeigen, dass das wichtig ist, aber es herrscht absolut kein Zwang. Es bildet sich immer wieder ein Schwung an neuen Leuten. Es kann jeder kommen, man braucht auch keine Vorkenntnisse. Den Verein gibt es seit etwa 50 Jahren (Stand 2003). Ich bin seit ca. einem Jahr Obmann und der Verein ist sehr geordnet, sehr gut organisiert und aufbereitet. Für den Obmann ist es sehr wichtig, dass die Hintergründe passen: Wann macht man wo mit, was gefällt uns, was müssen wir tun, dass alles passt.
Für unsere Auftritte müssen wir uns anstrengen: Einen Fixauftritt haben wir im Sommer im Mirabellgarten, wo wirklich ein Training stattfindet. Bei uns bildet sich auch ein Chor bei den Tänzern und es gibt immer Musikgruppen, die aus dem Verein heraus entstehen –, da ergibt sich dann ein abendfüllendes Programm nur mit eigenen Leuten. Und da ist es wichtig, als Vereinsführer zu schauen, dass die Voraussetzungen vorhanden sind, dass man es schafft, dass zum Beispiel Musikanten heranwachsen. Ich versuche sehr stark, auch die Jungen schön langsam zu Aufgaben zu bringen, ihnen Verantwortung zu übertragen, dann gefällt es ihnen auch, dass sie sich selbst einbringen können – kein Druck, aber auch eine Zuverlässigkeit einfordern.
Volkstanzveranstaltungen waren in der NS-Zeit ein Hauptpunkt der Indoktrination. Werden heute bei Fortbildungsveranstaltungen Tänze gelehrt oder auch Welt- und Heimatbilder weitergegeben?
Man kann davon ausgehen, wenn sich 1947 Leute treffen, die eine Tanzgruppe aufmachen wollten, nicht erst zu diesem Zeitpunkt mit dem Tanzen begannen, sondern dass diese früher auch schon in dieser Sache unterwegs waren. Ich sehe das so, dass es fast allen in dieser NS-Zeit ähnlich ging und dass sie, wenn sie nicht fanatisch dem Regime angehören wollten, schauen mussten, dass sie irgendwie durchkommen. Eine verschwindende Minderheit hat aktiven Widerstand geleistet, aber die Mehrheit der Bevölkerung hat geschaut, dass sie irgendwie durchkam. Und wenn auch welche dabei waren, die getanzt haben, dann kann man denen nichts vorwerfen, nur weil das Regime gesagt hat: „Das Tanzen ist etwas Deutsches“, da können diese Leute nichts dafür. Es gibt selbstverständlich auch in Kreisen der Volkstänzer Personen, die im Krieg für die ganze Sache waren, aber in welchen Kreisen gibt es das nicht? Das gibt es in den angesehensten Berufen: bei den Beamten, Politikern – überall gibt es solche Leute.
Zu den Fortbildungsveranstaltungen heute: Also in unserer Gruppe bringen wir den Leuten das Tanzen bei. Wir machen das aber immer so, dass wir in einem normalen Tanzabend hinzugekommene Leute integrieren und dass die Tänze immer erklärt werden. Das machen jene Mitglieder, die schon eine Zeit lang dabei sind. Die können dadurch zeigen, dass sie anderen etwas beibringen können und das gefällt ihnen ganz gut, solange man das behutsam angeht und sie nicht überfordert. Somit hat man eine große Auswahl an Tänzern, die den anderen etwas beibringen können. Dadurch haben auch die Neuankömmlinge das Glück, dass immer jemand da ist, der ihnen etwas beibringen kann.
Was die Heimatbilder betrifft, so nehmen wir bewusst in der Volkskultur teil, weil wir das ganze Jahr über Akzente setzen, die sich im volkskulturellen Leben bewegen. Wir machen „bodenständige“ Bräuche: wie etwa Maibaumaufstellen, Sonnwendfeuer oder im Winter die „Wilde Jagd“ oder den „Glöcklerlauf“ (Anm. der Redaktion: vgl. hierzu „Im Winter und zur Weihnachtszeit“). Aber da stellt sich nicht die Frage, ob ich das den Leuten erklären muss; sagen muss man ihnen schon, was dahintersteht. Man hat eigentlich nicht das Problem, dass die Leute dabei sind und nicht wissen, um was es geht, weil sie sich doch durch das Engagement und das vorhandene Interesse mit den Dingen auseinandersetzen und erkennen, wofür die Sache da ist.
All das sind gesellschaftliche Ereignisse, die ein Symbol brauchen, wofür man etwas macht und was die Wurzel ist, aber im Grunde gibt es diese Veranstaltungen deswegen, weil man Akzente setzen will, weil man eine Lebendigkeit in das ganze Jahresleben hineinbringen will – nicht nur für die eigenen Leute (für die ist es eher eine Pflicht), sondern auch für Außenstehende.
Wenn jemand neu zu uns kommt, versuchen wir ihn möglichst unproblematisch zu integrieren. Wichtig ist zum Beispiel, dass die Leute nicht herumsitzen und sich nicht trauen. Wenn jemand zu uns kommt, wird der sofort aufgefordert mitzutanzen und dann macht man die ersten zwei, drei Runden einfachere Tänze, damit niemand überfordert ist. Und wenn einmal ein schwieriger Tanz kommt, wo man meint, dass das beim ersten Mal keinen Sinn hätte, war noch nie jemand beleidigt, dass er zuschauen musste. Wichtig ist, dass sich die Leute wohlfühlen, sich integrieren, aber auch keinen Zwang verspüren. In den Pausen machen wir auch oft lustige Spiele, und es ist auch üblich, dass man nicht immer den gleichen Partner hat – gerade die Abwechslung macht den Volkstanz so lustig.
Internationale Kinder- und Jugendtänze spielen in der musikalischen Bildung von jungen Menschen eine große Rolle. Welches Angebot bietet Ihre Vereinigung?
Was den Tanz der Erwachsenen betrifft, bewegen wir uns im bodenständigen Bereich. Wir machen aber auch sehr viel Überregionales, über den Verein hinaus und darüber hinaus bieten wir Kurse an. Der Schwerpunkt, mit dem wir uns seit zwei Jahrzehnten beschäftigen, ist, für die Kinder geeignete Tänze zu finden. Wir haben sehr engagierte Mädchen und Damen bei uns, die Lehrerinnen oder Kindergärtnerinnen sind oder sonstige Berufe ausüben, die wissen, worum es geht und dass es wichtig ist, ein Repertoire für Kindertänze zu haben.
Früher haben Kinder locker getanzt, sie nahmen sich einfach an der Hand und spielten „Ringel-Reiher“, aber leider war die Entwicklung in den 1960er- und 1970er-Jahren so, dass man glaubte, Kinder müssten das tanzen, was die Erwachsenen tanzen. Eigentlich hat dieser Tanz, den die Erwachsenen tanzen, für die Kinder überhaupt keinen Sinn – das ist mehr Performance und die Kinder wissen gar nicht, warum sie sich so bewegen. Acht- bis zehnjährige Mädchen haben eigentlich eine Scheu, mit Buben zu tanzen und bei den Buben tritt dies noch stärker auf. Stellt man sie nun auf die Bühne und lässt sie einen Alpentanz oder eine Polka tanzen, dann ist das gegen die Entwicklung der Kinder.
Sind die Kindertänze Mischungen aus verschiedenen Richtungen?
Entwickelt hat sich das Ganze durch Literatursuche. Beim Nachforschen hat sich ergeben, dass es sehr wohl in Österreich eine sehr große Vielzahl an Tänzen gab, die Kinder in der Stadt oder am Land getanzt haben. Diese haben wir zusammengetragen, ausprobiert und in Buchform den Lehrerinnen, Erzieherinnen etc. zur Verfügung gestellt. „Jung Alpenland“ selbst hat keine Kindertanzgruppe, aber bei jedem Fest ist eine große Zahl von Kindern dabei, mit denen diese Tänze gemacht werden. Da sind auch sehr viele Kinder der eigenen Mitglieder dabei, aber auch Fremde, die wissen, dass es für die Kinder ein tolles Programm gibt. Da wird mit den Kindern getanzt, denen es eine große Freude bereitet. Und es genügt auch als Nachwuchsbildung für die eigene Gruppe.
Heiliger Nikolaus, Krampuskränzchen und Höllenspektakel – wie passt das für Sie zusammen?
Dem Thema „Heiliger Nikolaus“ stellen wir uns sehr wohl, weil das eine Möglichkeit ist, dass jene Mitglieder unserer Gruppe, die keine Kinder haben, doch die Gelegenheit haben, bei einem Ereignis dabei zu sein. Wir organisieren seit Jahren Nikolausabende für die eigenen Kinder der Mitglieder, aber auch für Bekannte und Freunde. Wir haben auch seit vielen Jahren das Thema neu aufbereitet, weil wir auch Kindergärtnerinnen dabei haben, die einen moderneren Zugang zu der ganzen Sache haben. Wir lassen nicht nur die schlechten Taten der Kinder vorlesen, sondern versuchen auch immer, den Kindern den Sinn dieses Festes beizubringen oder mit den Kindern ein Fest zu gestalten.
Dass zur gleichen Zeit Höllenspektakel aufgeführt werden, ist eine Erscheinung der jetzigen Zeit, der muss man sich stellen. Natürlich wird es immer Krampuskränzchen geben. Es ist ohnehin zum Beispiel bei den Perchten ein überliefertes Recht, wenn sie sich entkleidet haben und in gemütlicher Runde im Wirtshaus zusammensitzen, einen Tanz zu machen und da wird auch normaler Volkstanz gemacht. Das ist eine spezielle Ausnahme, die über Jahrzehnte gepflegt wird und hier kann man sagen, dass dies auch einem Krampuskränzchen nahekommt. Wir treten nicht bei Krampuskränzchen auf, wir hätten keinen Grund, denn Perchten haben mit Krampuskränzchen nichts zu tun.
Sie urlauben mit Ihrer Familie auf der Alm und nicht auf Mallorca. Was bedeutet dieser Urlaub für Sie?
Wir haben eine sehr große Familie und wir haben seit über 25 Jahren eine gepachtete Almhütte im Pinzgau. Es ist für Städter sehr viel Erholung und eine schöne Zeit. Dadurch, dass die Familie so groß ist, ist es auch nicht so leicht, irgendwo hinzufliegen. Es ist eine Freude, dorthin zu fahren und auszuspannen, das muss ich nicht am Strand machen. Viel spazieren gehen, wandern, Radtouren machen, ...