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Protestantismus zwischen Verfolgung und Ökumene (Gerda Dohle)[451]

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Früher Protestantismus im Erzstift Salzburg

Der Augustiner-Eremit Martin Luther (1483–1546) löste im Jahr 1517 durch den Anschlag seiner so genannten 95 Thesen die Reformation in Deutschland aus. Auch in Salzburg hielten die Lehren Luthers bald Einzug.[452] Die Reaktion des Salzburger Landesfürsten auf die Verbreitung dieser „ketzerischen“ Lehren ließ nicht lange auf sich warten. Erzbischof Matthäus Lang (1519–1549) hatte anfänglich große Sympathien für die Reformbewegung, erst durch die politische Entwicklung erfuhr dies eine Wandlung. Im Bauernkrieg von 1525/1526 traten neben Forderungen nach wirtschaftlich-sozialer Besserstellung auch jene nach religiöser Erneuerung auf („24 Artikel Gemainer Landschaft Saltzburg 1525“), da viele bereits zu Anhängern Luthers und seiner Schriften geworden waren.

Durch die Beschlüsse des Konzils von Trient (1545–1563) versuchte die, sich innerlich erneuernde katholische Kirche, protestantisch gewordene Gebiete wiederzuerlangen und diese durch Reformideen im katholischen Glauben zu stärken. Der so genannte Augsburger Religionsfriede von 1555 führte dazu, dass sowohl katholische als auch protestantische Landesfürsten die Religion ihrer Untertanen bestimmen könnten. Wer also herrschte, bestimmte auch den Glauben der Untertanen oder mit dem bekannten Satz ausgedrückt: „Cuius regio, eius et religio“ („Wessen das Land, dessen ist die Religion“). Erzbischof Markus Sittikus (1612–1619) schloss sich den Bestrebungen der habsburgischen Nachbarländer zur Zurückdrängung des Protestantismus vehement an. Besitzer lutherischer Bücher und Glaubensverdächtige wurden des Landes verwiesen. Unter Erzbischof Paris Graf Lodron (1619–1653) traten die Salzburger Protestanten in den Untergrund („Kryptoprotestantismus“).

Die Emigration der Protestanten in Salzburg von 1731/32

Zu Beginn der Regierungszeit von Fürsterzbischof Leopold Anton Freiherr von Firmian (1727–1744) bezeichnete sich rund ein Siebtel der Salzburger Bevölkerung dem protestantischen Glauben zugehörig. Seit seinem Amtsantritt machte er es sich zur Aufgabe, die „Ketzer“ auszurotten. Hausdurchsuchungen, Verhöre und Kerkerstrafen fanden in bislang unbekanntem Ausmaß statt. Trotz härtester Maßnahmen (Familientrennungen) wuchs das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den „Andersgläubigen“. Sie versammelten sich zu heimlichen Gottesdiensten in denjenigen Häusern, in denen noch eine Bibel oder evangelische Andachtsbücher vorhanden waren.

Am 13. Juli 1731 hielten die evangelischen Glaubensbrüder des Pongaus in Schwarzach eine geheime Versammlung ab, wo sie beschlossen, sich der Kommission des Erzbischofs gegenüber offen zu ihrem Glauben zu bekennen. Um dieses Gelöbnis zu bekräftigen, tauchten sie ihre Finger in ein am Tisch stehendes Salzfass. Diese symbolische Handlung prägte die Bezeichnung „Salzleckertisch“.

Verhaftungen von protestantischen Führungspersönlichkeiten waren nur die ersten Vorboten des – am 31. Oktober von Erzbischof Firmian unterzeichneten und am 11. November 1731 angeschlagenen – Emigrationspatentes, welches den Befehl zur Auswanderung der Protestanten erteilte.

Ausweisung, Emigration und Immigration

Am 2. Februar 1732 erließ der König von Preußen, Friedrich Wilhelm I. (1713–1740), ein so genanntes „Einladungs-Patent“, in dem den Salzburger Protestanten Aufnahme in Ostpreußen sowie eine ungehinderte Anreise versprochen wurde. Große Teile der Bevölkerung des nördlichen Ostpreußens waren Anfang des 18. Jahrhunderts einer verheerenden Pestepidemie zum Opfer gefallen. Am 24. April 1732 wurde mit der Ausweisung von insgesamt 16.000 Personen in 16 Wanderzügen begonnen. 1.776 nach der Emigration verlassene Bauernhöfe im Pinzgau und Pongau wirkten sich auf die Wirtschaft des kleinen Erzstifts negativ aus.

Wie stark das Zusammengehörigkeitsgefühl der Protestanten auch in anderen Ländern Europas war, zeigte sich in der Spendenfreudigkeit an die Emigranten, beispielsweise in den Niederlanden, in Dänemark und in Schweden, aber auch im anglikanischen England (z. B.: der „Schraubtaler“ als Augsburger Spendenaufruf).

Das Leben der Vertriebenen war mit vielen Entbehrungen und Tod verbunden. Die Wege der ausgewiesenen Salzburger Protestanten zerstreuten sich recht rasch, so auch nach Nordamerika, Ebenezer in Georgia. In Gumbinnen, heute Gusew, wurde 1911 zur Erhaltung des Zusammengehörigkeitsgefühls der „Salzburger Verein“ ins Leben gerufen. Der Verein unterstützt Familienforschungen und betreibt das Protestantenmuseum im Schloss Goldegg (Pongau).

Der lange Weg zur Ökumene

Obwohl sich wirtschaftliche Nachteile durch die Vertreibung der Protestanten (nach 1732) ergaben, blieb die Obrigkeit unnachgiebig. Vor allem die Abwanderung von Spezialisten aus Handwerk und Bergbau machte sich negativ bemerkbar. Trotz aller Versuche zur vollständigen Rekatholisierung, auch der ländlichen Gegend, blieben viele Protestanten ihrem Glauben treu.

Salzburg übernahm das Toleranzpatent von Kaiser Joseph II. von 1781, durch das in Österreich den Evangelischen, wenn auch mit Einschränkungen, eine Ausübung ihrer Religion und die Errichtung von Gotteshäusern gestattet wurden. Ein Ausdruck des gesteigerten Selbstbewusstseins und des Aufschwungs der protestantischen Gemeinde in der Stadt Salzburg ist die 1867 erfolgte Einweihung der evangelischen Kirche.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts entspannte sich das Verhältnis der christlichen Konfessionen – der Gedanke der Ökumene trat zunehmend an Stelle der Konfrontation der Jahrhunderte davor. Sichtbares Zeichen für diese geänderte Geisteshaltung war 1966 die Teilnahme von Erzbischof DDr. Andreas Rohracher an der Amtseinführung des Superintendenten Dipl.-Ing. Emil Sturm (Erzdiözese Tirol/Salzburg). Im Salzburger Kongresshaus drückte Erzbischof Rohracher in einer Erklärung sein Bedauern über die Vertreibung der Protestanten aus und bat dafür – in seinem Namen und in jenem der ganzen Erzdiözese – um Vergebung.



[451] Kurzfassung von Ilona Holzbauer

[452] Einerseits studierten einige Salzburger Bürgerssöhne und Söhne von im Bergbau tätigen, reichen Gewerken mit internationalen Kontakten auch in Wittenberg und anderen Zentren der neuen Lehre und trugen somit das Gedankengut in ihre Heimatstadt. Andererseits lag Salzburg an wichtigen Handelsstraßen, wodurch die hier durchkommenden Wirtschaftstreibenden und Händler aus dem deutschen Raum die neuen Ideen an die Bevölkerung weitergaben.

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