Klicken Sie bitte HIER, um zur Langtext-Version dieses Beitrags zu gelangen.
Im 1. Buch Mose (Kap. 17) wird berichtet: Abram war schon 99 Jahre alt und hatte noch keine Kinder mit seiner Frau Sarai. Nach vielen Prüfungen soll fortan Abrams Name Abraham sein. Gott schloss mit Abraham einen Bund und befahl ihm: „Beschnitten werde bei euch jegliches Männliche – und ihr sollt beschnitten werden an eurem Gliede der Vorhaut, und das sei zum Zeichen des Bundes zwischen MIR und euch“. Auch Sarais Name wurde auf Sarah geändert.
Die Beschneidung, das Zeichen des Bundes (hebr. brit mila), wird nur bei Knaben am 8. Tag nach der Geburt durchgeführt. Ist das Kind zu früh geboren oder untergewichtig, zu schwach oder wird eine Gelbsucht festgestellt, so wird solange zugewartet, bis das Kind gesundet ist.
Im Regelfall findet die Beschneidung am 8. Tag statt, unabhängig ob dies ein Sabbat oder ein jüdischer Feiertag ist. Dieser Tag ist ein Festtag für die Familie und die Gemeinde. Früher, als Kinder zu Hause geboren wurden, fand die Zeremonie im Geburtshaus statt; heute, wo die meisten Geburten in einem Spital erfolgen, findet die Beschneidung in der Synagoge statt, wobei 10 erwachsene Männer (minjan) anwesend sein müssen. Wie sehr die Beschneidung mit einem neuen Abschnitt in unserem Leben auch in unserer westlichen Welt verbunden ist, zeigt uns der Kalender. Der 1. Jänner ist der Tag, an dem Jesus beschnitten und in die Gemeinschaft aufgenommen wurde.
Die Beschneidung wird vom „Mohel“ (ein eigens für die Beschneidung Ausgebildeter, ähnlich einem Sanitäter) durchgeführt, der fachlich ausgebildet sein soll und die dazugehörenden Segenssprüche sprechen kann, jedoch kein Arzt sein muss. Ist der Vater des Knaben fähig, die Beschneidung selbst durchzuführen, so darf er sie keinem anderen überlassen. Der Mohel verwendet spezielles Besteck, ähnlich wie ein Chirurg, der für Operationen verschiedene Messer oder Bestecke benötigt.
Meist ist es ein männlicher Verwandter, der auf einem speziellen Beschneidungs- oder Eliahstuhl den Knaben auf seinen Knien hält und als „Kvater“ (Pate) fungiert. Der Prophet Eliah wird bei jeder Beschneidung gebeten, Zeugschaft abzulegen.
Nach der Beschneidung wird die Wunde verbunden und der Knabe wieder ganz bekleidet. Erst jetzt ist der Knabe in die Gemeinschaft aufgenommen, wird hochgehoben und sein Name, den die Gemeinde bisher nicht kannte, laut ausgesprochen. Tritt ein erwachsener Mann zum Judentum über, so wird die Beschneidung wie eine Operation im Krankenhaus durchgeführt. Bei der Zeremonie des Übertritts wird der Bund nur mehr mit einem kleinen Stich und dem dreimaligen Untertauchen im rituellen Tauchbad vollzogen.
Die Namensgebung eines Kindes erfolgt nach einem bestimmten Ritus. Kinder von Aschkenasim[448] bekommen nie den Namen der Eltern oder der Großeltern solange diese leben. Ganz anders ist dies bei den Sephardim;[449] Elias Canetti rühmt sich in seinem autobiografischen Werk „Die gerettete Zunge“ „den vollen Namen seines Großvaters zu tragen, auch seinen Vornamen“.
Damals wie heute ist es üblich, einem Kind einen landesüblichen Namen zu geben und als zweiten Namen erst den hebräischen (z. B. Maximilian Mordechei, David Desider). Der hebräische Name ist für die Zukunft von Bedeutung, wenn der 13-jährige Knabe ab der „Bar-mizwa-Feier“[450] zur Thora-Lesung aufgerufen werden darf, wird er mit seinem hebräischen Namen und dem seines Vaters aufgerufen (z. B. Mordechei ben Chaim = Mordechai Sohn des Chaim). Der landesübliche Vorname und der Familienname haben bei religiösen Handlungen keine Bedeutung.
Wird ein Mädchen geboren, so findet die Namensgebung in der Synagoge statt, wenn der Vater zur Thora aufgerufen wird. Mädchen und Frauen werden im Judentum nicht beschnitten. Die Namensgebung erfolgt nach dem gleichen Ritus wie bei Knaben.
Mit dem Begriff Bar Mizwa („Sohn des Gesetzes“) wird die Aufnahme von jüdischen Jungen (im Alter von 13 Jahren) in die jüdische Glaubensgemeinschaft und die damit verbundene Feier bezeichnet.
In Israel und in anderen Ländern ist die Bar Mizwa ein großes Ereignis für die ganze Familie. Der Junge steht dabei ganz im Mittelpunkt, ganz ähnlich einer Braut bei ihrer Hochzeit. Bei Mädchen ist es der 12. Geburtstag, mit dem es Bat Mizwa („Tochter der Gebote“) wird. Für Mädchen wird ebenfalls eine Feier veranstaltet, die traditionell jedoch kleiner ist als bei Jungen.
Ab diesem Tag sind die Jugendlichen verpflichtet, die Gebote des Judentums einzuhalten. Die Jungen dürfen ab diesem Tag religiöse Aufgaben wahrnehmen und gelten als Erwachsene. Durch das Lesen der Thora in der Synagoge werden die Kinder voll in den Gottesdienst integriert.
Fast jede jüdische Gemeinde ist oder war im Besitz eines rituellen Tauchbades zur Erlangung spiritueller Reinheit. Als spirituell unrein gilt nach jüdischer Tradition zum Beispiel Blut oder das Berühren von Toten. Für eine rituelle Reinigung darf nichts Fremdes (Bekleidung, Schmuck, Make-up, Creme) am Körper vorhanden sein. Der gesamte Körper wird mitsamt den natürlichen Haaren vollständig untergetaucht; dies bezeichnet man mit „Tewila“.
Der Besuch der Mikwe ist nach orthodoxer Tradition vorgeschrieben, wenn eine verheiratete Frau ihre Menstruation oder eine Entbindung hinter sich gebracht hat. Den ersten Besuch in der Mikwe absolviert die Frau als Braut, meistens am Vorabend des Hochzeitstages. Dieses Ereignis feiert sie mit ihren Freundinnen und weiblichen Mitgliedern der Familie. Die Braut wird beim Eintauchen mit Bonbons beworfen und besungen. Auch in nichtreligiösen Familien ist es durchaus üblich, dieses Brautritual abzuhalten. Die Mikwe wird auch vor Feiertagen aufgesucht.
Ein weiterer Anlass, in der Mikwe unterzutauchen, ist der Übertritt zum Judentum, was sowohl für Männer als auch Frauen Bedingung für eine gültige Konversion ist.
Im Judentum ist es Pflicht, kranke Personen regelmäßig zu besuchen und Sterbende zu begleiten. Kein Mensch, der dem Tode nahe ist, darf sich selbst überlassen werden. Noch bevor der Kranke verstorben ist, beginnen die Anwesenden das Sündenbekenntnis zu sprechen, das sonst nur am Versöhnungstag (Jom Kippur) gesprochen wird und das Gebet „Höre Israel“ sowie Psalmen.
Ist der Mensch verschieden, werden ihm nach etwa einer Viertelstunde die Augen geschlossen. In keinem Fall darf der Körper des Toten geöffnet werden. Die Aufbahrung des Toten gleicht weitgehend jener, wie sie in Salzburg in den Bauernhäusern üblich ist. Der Tote soll noch am selben Tag, spätestens am nächsten Tag beerdigt werden. Das übernimmt der jüdische Beerdigungsverein „Chewra Kadischa“.
In der Leichenhalle wird der Leichnam gewaschen und eingekleidet. Ein toter Mann wird von Männern gereinigt, eine tote Frau von Frauen. Die Totenkleidung „Tahara“ (aus weißem Leinen) ist für beide gleich und „enthält keine Taschen“. Männer erhalten zusätzlich ihren Gebetsschal (Talit) und die -kappe (Kippa). Bis zum Grabplatz wird der aus rohen Brettern gezimmerte Sarg sieben Mal abgestellt, um Bibeltexte und Gebete zu sprechen. Bei der Grabstelle wird die Trauerrede für den Verstorbenen gehalten. Dann spricht der Sohn oder ein männlicher Verwandter des Verstorbenen das „Kaddisch“. Nach dem Verlassen des Grabes versucht die Trauergemeinde einen anderen Weg zu gehen als sie gekommen ist, reißt einige Grashalme aus und wirft sie hinter sich.
Vom Friedhof fahren die Trauernden zum Haus des Verstorbenen um dort „Schiwa“ zu sitzen. Damit beginnen die sieben Tage der Trauer, die von vielen Enthaltungen gekennzeichnet sind (Verhängen der Spiegel, kein Fleischkonsum etc.). Im Haus des Verstorbenen bringen Verwandte und Nachbarn die erste Mahlzeit, die so genannte „Genesungsmahlzeit“ („Schiwa-Sitzen“). Dem Brauch entsprechend umfasst die Mahlzeit Speisen, die rund sind (Linsen, Semmeln), ein Hinweis darauf, dass das Leben einem Kreislauf gleicht.
Nach der siebentägigen öffentlichen Trauerzeit legt man jene Kleider ab, die am Grab getragen wurden. Es beginnt die dreißigtägige Trauerzeit, die für die direkte ab- und aufsteigende Linie und die Geschwister gilt. In dieser Zeit scheren sich die männlichen Angehörigen des Verstorbenen weder Bart noch Haare. Auch Frauen verzichten auf das Schneiden der Haare während der Trauerzeit. Orthodoxe Frauen tragen eine Perücke (Scheitel), so ist es nicht sichtbar, ob die Haare geschnitten sind oder nicht. An freudigen Festen nimmt man nicht teil. Am dreißigsten Tage wird eine Gedächtnisfeier gehalten und der Grabstein aufgestellt.
Der Jahrestag, den man „Jahrzeit“ nennt, wird nach dem hebräischen Kalender berechnet. Am Sabbat vor der „Jahrzeit“ findet während des Gottesdienstes eine Gedächtnisfeier statt, wo wiederum das „Kaddisch“ gesagt wird. Am Gedächtnistag selbst wird ein Gedächtnislicht angezündet, das den ganzen Tag brennt. Der jüdische Friedhof wird „Haus des Lebens“ oder „Haus der Gräber“ genannt. Jedes Grab wird auf ewige Zeiten angelegt. Jüdische Gräber tragen keinen Blumenschmuck, sondern Steine als Zeichen des Grabbesuches.