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Jüdische Gemeinde- und Familienfeiern am Beispiel von Tod, Begräbnis, Trauer und Gedächtnis im Judentum (Marko Feingold) – Langtext

„Der Herr hat gegeben,
der Herr hat genommen,
gelobt sei der Name des Herrn“
 (Hiob 1,21)

Unsere Jahre und Tage auf dem Planeten Erde sind gezählt – wir wissen, dass wir nicht unbegrenzt hier verweilen dürfen und so hat jeder von uns schon Abschied nehmen müssen von einem Verwandten, Freund oder Mitbruder oder Mitschwester.

Im Judentum ist es Pflicht, kranke Personen regelmäßig zu besuchen. Man darf keinen Menschen, der dem Tode nahe ist, sich selbst überlassen. Es ist vielmehr unsere Schuldigkeit in seiner Nähe zu bleiben, um sein Ende abzuwarten. Man darf den Sterbenden nicht bewegen, soll ihm nichts wegnehmen und nichts unterlegen. Sollte er aber von selbst etwas verlangen, so darf man es ihm geben.

Noch vor seinem letzten Atemzug beginnen die Anwesenden das Sündenbekenntnis zu sprechen, das wir sonst nur am Versöhnungstag (Jom Kippur) sagen. Nachher werden Verse aus den Psalmen wiederholt, die dem Geist der Stunde entsprechen.

„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen“ (Ps. 121).
„Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“ (Ps. 130).
„Wer im Schutze des Höchsten wohnt“ (Ps. 91).

Das Gebet „Höre Israel, der Ewige, unser Gott, der Ewige ist einzig“ soll den Sterbenden vom Diesseits ins Jenseits begleiten.

Ist der Mensch verschieden, so lasse man ihn ungefähr eine Viertelstunde liegen, erst dann drücke man ihm die Augen zu. Der Leichnam wird auf ein Brett gelegt und im Raum so platziert, dass die Füße der Türe am nächsten sind, aus welcher er hinausgetragen wird. Man legt dem Toten ein Tuch über das Gesicht und neben seinem Kopf zündet man Kerzen an und sitzt um ihn herum zur Totenwache, dabei werden Psalmen gesprochen.

Ein Angehöriger setzt sich mit dem jüdischen Beerdigungsverein „Chewra Kadischa“ in Verbindung. Dieser Verein macht es sich zur Aufgabe, alle Arbeiten für das Begräbnis zu erledigen.

Stirbt ein Jude in einem Krankenhaus, so muss die richtige Platzierung entfallen und das Entzünden von Kerzen und die Totenwache hintangestellt werden. In keinem Fall darf der Körper des Toten geöffnet werden. Behandelnde Ärzte des Toten geben Auskunft über sein Leiden und die mögliche Todesursache. Der Tote soll noch am selben Tage, spätestens am nächsten Tage beerdigt werden.

Die Beerdigung

Der Leichnam wird in die Leichenhalle überführt, dort wird er von mindestens zwei Mitgliedern des Beerdigungsvereins „Chewra Kadischa“ gewaschen und eingekleidet. Ein toter Mann wird von Männern gereinigt, eine tote Frau von Frauen. Es soll vermieden werden, dass Verwandte helfen, den Toten zu waschen. Die Totenkleidung „Tahara“, die nur aus Leinen hergestellt wird, ist für beide Geschlechter gleich – sie besteht aus einer weißen Hose, einem weißen Hemd und weißen Socken. Diese „letzte Kleidung“ darf keinerlei Verzierung aufweisen und hat auch keine Taschen. Männer erhalten zusätzlich zur Totenkleidung noch ihre Kippa auf den Kopf und ihren Gebetsschal „Talit“ um die Schultern gelegt.

Nach der Reinigung und Einkleidung wird der Tote in einen einfachen, nur aus rohen Brettern gezimmerten Sarg gelegt, dieser darf keine Metallteile oder Zierleisten haben. Dem Toten dürfen auch keine irdischen Güter, wie Gold- und/oder Silberringe, mitgegeben werden. Der Sarg wird verschlossen, auf eine Bahre gehoben und mit den Füssen zuerst wird er von Verwandten und/oder Mitgliedern der Gemeinde aus der Leichenhalle getragen. Bis zum Grabplatz wird der Sarg sieben Mal abgestellt, um Bibeltexte und Gebete zu sprechen.

Bei der Grabstelle wird die Trauerrede für den Verstorbenen gehalten, noch vor der Einsenkung des Sarges in das ausgehobene Grab schneidet man dem Leidtragenden eine „Krije“ (einen kleinen Riss) in die Oberkleidung.

Nach der Absenkung des Sarges in das Grab zitiert man aus den Sprüchen der Väter:

„Siehe auf drei Dinge, und du wirst nie fehlgehen im Leben: Wisse, woher du kommst und wohin du gehst und vor wem du einst wirst Rechenschaft ablegen müssen.“

Danach spricht der Sohn des Toten das „Kaddisch“, hat der Verstorbene keinen Sohn, so spricht ein männlicher Verwandter oder Freund das Gebet. Nachher beginnt die Trauergemeinde das Grab zuzuschaufeln, jeder Einzelne, der sich dazu fähig fühlt, trägt zum Verschließen des Grabes bei. Anschließend spricht der Vorbeter das „El male Rachamim“ – Gott voller Erbarmen. In diesem Gebet bitten die Juden den Herrn darum, die Seele des Verstorbenen bei sich aufzunehmen, ihr ein ewiges Leben zu geben und ihr den Aufenthalt im Paradies zu erlauben. Es gibt Dinge auf dieser Erde, die kein gesetzliches Maß haben, darunter fällt auch die Begleitung von Toten.

Nach dem Verlassen des Grabes versucht man einen anderen Weg zu gehen als man gekommen ist, reißt einige Grashalme aus und wirft sie hinter sich. Vom Friedhof fahren die Trauernden zum Haus des Verstorbenen, um dort „Schiwa“ zu sitzen.

Über die Trauer

Die sieben Tage der Trauer beginnen in dem Augenblick, in dem die Trauernden vom Friedhof zurückkehren. Während dieser Tage geht man keiner Arbeit nach und man befreit sich von den täglichen Kleinigkeiten, man geht auch nicht außer Haus, man isst kein Fleisch und trinkt keinen Wein und schneidet kein Haar. Am Sabbat gelten die Bräuche der öffentlichen Trauer nicht.

Was bedeutet „Schiwa-Sitzen“ – sobald die Trauernden von der Beerdigung nach Hause kommen, ziehen sie die Schuhe aus und setzen sich auf einen niedrigen Hocker. Verwandte und Nachbarn bringen die erste Mahlzeit – die so genannte „Genesungsmahlzeit“ –, dem Brauch entsprechend umfasst die Mahlzeit Speisen, die rund sind (Linsen, Semmeln) – ein Hinweis darauf, dass das Leben einem Kreislauf gleicht. Alle Spiegel und Bilder werden im Trauerhaus mit Tüchern verhängt. Der Grund für diesen Brauch liegt in der Tatsache, dass der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen wurde, nach der ersten Sünde jedoch das Urteil über ihn gefällt wurde, „denn Staub bist du und zu Staub musst du zurück“.

Nach der siebentägigen öffentlichen Trauerzeit zieht man andere Kleider an und legt diese ab, die am Grabe eingerissen wurden. Jeder Trauernde darf seiner normalen Beschäftigung wieder nachgehen. Es beginnt die dreißigtägige Trauerzeit, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich Männer weder rasieren noch Männer und Frauen Haare schneiden lassen dürfen, wenn man um einen Bruder, eine Schwester, einen Sohn, eine Tochter, die Ehefrau, den Ehemann, den Vater oder die Mutter trauert.

Während dieser dreißig Trauertage geht man zu keinen Veranstaltungen und nimmt an keiner Pflichtmahlzeit teil, bei der ein freudiges Ereignis mit Musik und Unterhaltung gefeiert wird. Am dreißigsten Tag findet am Grab des Verstorbenen eine Gedächtnisfeier statt, an der auch schon ein Grabstein gestellt wird.

Um wen muss man trauern?

Im 3. Buch Mose – „Levitikus“ – werden die sieben Arten von Verwandten angeführt, um derentwillen man zu trauern hat, das sind: Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Sohn, Tochter, Ehefrau (oder Ehemann)

Die „Jahrzeit“

Der Jahrestag, den man „Jahrzeit“ nennt, wird nach dem hebräischen Kalender (Mondkalender) berechnet. Am Sabbat vor der „Jahrzeit“ findet während des Gottesdienstes eine Gedächtnisfeier statt, wo zum Andenken an den Verstorbenen das „Kaddisch“ gesagt wird. Am Gedächtnistag selbst zündet man ein Gedächtnislicht an, das den ganzen Tag brennt und man begibt sich auf den Friedhof, um das Grab aufzusuchen.

Der jüdische Friedhof

Der jüdische Friedhof wird auch als „Haus des Lebens“, „Haus der Ewigkeit“ oder „Haus der Gräber“ genannt. Es gibt keine Turnusgräber, jedes Grab wird auf ewige Zeiten angelegt und ist im Besitz des Beigesetzten. Die Grabsteine auf einem jüdischen Friedhof spiegeln alle Kulturepochen und Modeerscheinungen wider, da sie nicht entfernt werden. Die Sorge der Gräber übernehmen die Hinterbliebenen, gibt es keine Verwandten, so übernimmt die jüdische Gemeinde diese Aufgabe.

Nach der Shoah werden die jüdischen Gemeinden in Europa vor fast unlösbare Probleme gestellt – es gibt kaum noch Hinterbliebene, die sich um die Gräber kümmern können oder die Anfahrtswege gehen weit über Kontinente. Auf der anderen Seite werden die bestehenden jüdischen Gemeinden in Europa immer kleiner und können mit den wenigen Mitgliedern diese einzigartigen kulturgeschichtlichen Gedenksteine nicht mehr für die Nachwelt erhalten.

Erklärungen zu Symbolen auf jüdischen Grabsteinen

Religiöse Symbole:
  • Segnende Hände: hier liegt ein Kohen (= Priester) begraben

  • Kanne: hier ist ein Levite begraben

Namenssymbole:
  • Löwe: für die Familien Löw, Loeb, Löwy und Ähnliche

  • Bär: für die Familien Bär, Baer, Beer usw.

  • Lamm, Hirsch: für die Familien Hersch(el), Hirsch, Lamm

  • Fisch: für die Familien Fisch(l)

  • Karpfen: für die Familie Karpeles

  • Vogel: für die Familie Rappaport

  • Rotes Schild: für die Familie Rothschild

  • Schwarzer Kopf: für die Familie Schwarzkopf

  • Drache: für die Familie Drach

Berufssymbole:
  • Schere: für Schneider

  • Griffel: für Autoren, Schriftsteller

  • Musikinstrumente: für Musiker

  • Gänsefeder: für Thoraschreiber

  • Schofar: für Schofarbläser

  • Messer: für Mohel (Beschneider)

Eigenschaftssymbole:
  • Bücher: für lernende Männer

  • Psalmbuch: als Zeichen für eifriges Beten

  • Krone: als Sinnbild des „guten Namens“ oder des Priestertums

  • Palme, Baum: als Zeichen eines Gerechten

  • Spendenbüchse: als Zeichen der Wohltätigkeit

  • Kranz: für unverheiratet verstorbene Mädchen

  • Gebrochener Baum: als Zeichen für jung Verstorbene

  • Davidstern: Kennzeichen eines jüdischen Grabes

Auf jüdischen Friedhöfen finden wir kaum Blumen oder Blumenbepflanzungen. Man legt beim Gräberbesuch einen (kleinen) Stein auf das Grab, die Grabplatte oder vor das Grab. Der (kleine) Stein ist ein Zeichen des Am-Grab-Gewesen-Seins, aber auch eine Sitte aus einer Zeit, als die Kinder Israels durch die Wüste zogen und ihre Toten im Wüstensand mit Steinen vor wilden Tieren schützten.

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