In vielen Orten des Pongaues traf man früher wie auch in anderen Gebirgsgegenden die Klöcker und Herreiter an, die bei festlichen Anlässen, wie etwa zu einer Hochzeit, hoch zu Roß dem Hochzeitszug voranritten und ihre Peitschen knallen ließen. Leider wurde das Klöcken, das Knallen mit der Peitsche, immer seltener und so bestand die Gefahr, daß dieser Brauch einmal ganz abkommen würde. So kam es, daß 1974 Peter Egger, Josef Rettenwender und Dieter Bankosegger den „Peitschenverein Großarler Klöcker“ gründeten mit dem Ziel, diesen schönen Brauch in Großarl wiederum zu beleben und zu pflegen. Heute sind die Großarler Klöcker und Herreiter eine anerkannte Brauchtumsgruppe, die bei der Gestaltung der örtlichen Feste in Großarl ihren festen Platz haben. So haben sie u. a. auch die Gestaltung und Betreuung des Erntewagens und der Erntekrone zum Erntedankfest übernommen, außerdem veranstalten sie jedes Jahr das sogenannte „Sonnwendklöcken“.
Die Klöcker und Herreiter (= die, welche vorher reiten) betreuen auch zu besonderen Anlässen, wie etwa bei einer goldenen Hochzeit, einem Priesterjubiläum oder bei hohen Gemeindebesuchen, die Festkutsche. Daneben nehmen die Großarler Klöcker auch an Preisklöcken teil, wobei – ähnlich dem Aperschnalzen – Gleichklang und Takt des Peitschenknalls bewertet werden.
Aber betrachten wir nun einmal die Peitschen, mit denen der Knall beim Klöcken erzeugt wird. In Großarl befindet sich ein Peitschenstiel, auf dem mit viel Mühe und Sorgfalt eingeschnitzt wurde:
Guten dag in aller fruh.
und fare frisch den brauthaus zu.
Sez dich auf (das Pferd, Anm.) in frischen mut.
Nim die beize in die hant und kleke gut.
Den oberen Teil des Stiels ziert ein Lebensbaummotiv, daneben sind noch ornamentale Kerbschnitte, Zimmermannswerkzeuge sowie der Name Martin Seer eingeschnitzt. Dieser Martin Seer war von Beruf Zimmerer, daneben auch Rechenmacher und Korbflechter. Die sorgfältige Gestaltung des Stiels deutet darauf hin, daß dem Besitzer die Ausübung dieses Brauches viel bedeutet haben muß. Ein noch älterer Stiel wird von einem Großarler Klöcker verwendet. Der Stiel ist gedrechselt und mit kleinen Kupfer- und Messingnägeln in Form einfacher Blüten verziert, die Spitze ist mit Zinn ausgelegt. Auch dieser Stiel deutet auf eine besondere Wertschätzung des Klöckens hin.
Die gedrehte Peitsche wird mit einem starken Lederband gleich einem Bügel am Stiel befestigt. An einigen Stielen befinden sich noch Lederschlaufen, damit dem Klöcker die Peitsche bei starken Zügen nicht aus der Hand gerissen wird. In Großarl werden auch geflochtene Peitschen verwendet, von Obmann Peter Egger selbst aus bestem Schustergarn angefertigt. Auch Klöcker aus anderen Gebirgsgauen schätzen seine gediegene Arbeit.
Die Peitsche selbst kann 2,5 bis 4 m lang sein und soll in einem bestimmten Verhältnis zu Körpergröße, Armlänge und Körperkraft des Klöckers stehen. Aber jeder Klöcker wird selbst herausfinden, welche Peitschenlänge ihm am besten zusagt. Zur Vergrößerung des Gewichts, aber auch damit die Peitsche geschmeidig bleibt, wird diese noch mit Schusterpech eingerieben. Für den „Schmiß“, so nennt man die Quaste am Peitschenende, mit der der eigentliche Knall erzeugt wird, verwendet man heute Fallschirmseide, früher ein Stück Bast. Er wird mit einem besonderen Knoten an der Peitsche befestigt.
Gepflegt wird das Klöcken vor allem bei Feierlichkeiten im Dorfe. Es ist an keine Jahreszeit gebunden, jedoch werden die meisten Feste im Frühling, Sommer oder Herbst gefeiert, und so treten auch die Klöcker in diesen Jahrzehnten am häufigsten in Erscheinung.
Mit dem „Klöcken“ (mhd. klecken = wecken, tönend schlagen, treffen) verband man die Vorstellung, daß damit Böses vertrieben werden kann und die guten Lebensgeister geweckt werden könnten. Als Taktmaß beim Klöcken kann man den Herzschlag des Menschen verwenden. Klöckt die Gruppe in gleichmäßigem Takt, so tritt der Knall der Peitsche in den Hintergrund und man vernimmt ein Rauschen. Dazu gesellt sich noch für das Auge eine besondere Schönheit der Bewegung und eine Harmonie im Bewegungsablauf. Ein ähnliches Taktmaß wie beim Klöcken war früher auch beim Dreschen des Korns mit den Dreschflegeln zu hören. Klöcken zwei Männer, so wird dies „Viererklöcken“ genannt, und zwar deshalb, weil bei der durchgeführten Achterbewegung mit der Peitsche zweimal geklöckt wird. Dies würde dem Taktmaß von vier Dreschflegeln entsprechen. Demnach heißt das Klöcken mit drei Teilnehmern „Sechserklöcken“, mit vier Mann „Achterklöcken“ und mit fünf Mann „Zehnerklöcken“.
Um sich die Rhythmen besser einprägen zu können, hat man Sprüche ersonnen, die zwar inhaltlich nicht sonderlich sinnvoll sind, jedoch läßt sich mit ihrer Hilfe das Taktmaß aus der Melodie der Sprache gut heraushören:
Viererklöcken: „Wurscht und Bun-z’n“
Sechserklöcken: „Hö-nig und But-ter-schmalz“
Achterklöcken: „Mit-tn auf da Zi-ma-bruk-k’n“
Zehnerklöcken: „Bring a Ban-dl zan Sak-kl zua-bin-d’n“
Wie bereits erwähnt treten die Großarler Klöcker und Herreiter bei großen Festen des Ortes und bei Hochzeiten in Erscheinung. Das „Sonnwendklöcken“ wurde in Großarl in zeitgemäßer Form wieder eingeführt, wobei die Schilderung von Karl Adrian in seinem Buch „Von Salzburger Sitt’ und Brauch“ (Salzburg 1929) die Vorlage bildete, worin er das Sonnwendklöcken wie folgt beschrieb: „Im Großarlertal ist mit der Sonnwendfeier auch das Sonnwendklöcken verbunden, und zwar ist der Brauch auf den Almen zu Hause. Die männlichen Almbewohner richten sich schon vorher zu diesem Zwecke ihre Hochzeitspeitschen zurecht. Nach getaner Arbeit steigen dann am Sonnwendabend drei oder vier Burschen auf einen Palfen oder kleineren Kogel und stellen sich zum Zweier- oder Dreierklöcken auf. Beim Zweierklöcken hat die Einserpeitschen den tieferen, die anderen den höheren Ton. Der mit der Einserpeitsche beginnt. Vorerst macht er einige kräftige Schwünge, bis er in den Takt kommt, dann klockt er sein Gesetzel herunter. Genau so folgt dann die Zweierpeitsche; erst beim zweiten Klöcken schnalzen beide zusammen, wobei der Einser beginnt, der Zweier fällt nach einigen Takten ein, der Rhythmus dürfte der 7/8 oder 9/8 Takt sein. Das Dreierklöcken bei drei verschiedenen Peitschentönen geht in ähnlicher Weise vor sich, die Dreierpeitsche setzt als letzte ein. Dieser Peitschendreier hat viel Verwandtes mit dem Dreierjodler und mag immerhin von ihm abgeleitet sein. Bei klarem Wetter schallt die Antwort vom benachbarten Palfen oder Gipfel, es sind die ‚Nachbarsalmlötter’, die dort ihre Kunst üben, und dabei will eine Partei die andere übertreffen im Taktmaß und der Reinheit des Klöcktones. Nach Erlahmung der Kräfte finden sich die Sonnwendklöcker in einer Almhütte zu einigen Frackeln Schnaps und fröhlicher Unterhaltung ein.“ Soweit Karl Adrian.
Das Klöcken ist zwar auch im Stand möglich und als Übung sinnvoll, es ist aber unzertrennlich mit dem Pferd verbunden, wird dieser Brauch doch nur „hoch zu Roß“ ausgeführt. So wissen wir auch, daß solche Peitschen mit kurzem Stiel vor allem bei Völkern verwendet wurden, die in größerem Ausmaß Viehzucht betrieben und wo vor allem die Pferdezucht eine wichtige Rolle spielte. Zum Klöcken eignet sich besonders die bei uns heimische Rasse der Noriker, die, zum Kaltblut gehörend, den Knall der Peitsche mit besonderem Gleichmut hinnimmt. Wird das Pferd aber einmal durch das Ungeschick eines Klöckers „verschlagen“, so ist dieses für das Klöcken kaum mehr zu gebrauchen. Beim Klöcken stellt sich der Herreiter in die Steigbügel, wobei er darauf achten muß, die Peitsche hoch genug über den Kopf des Pferdes zu führen, was eine weitaus größere Anstrengung bedeutet, als auf dem Boden stehend zu klöcken. Mit der anderen Hand hält er sich meist an der Mähne des Pferdes fest. Bis heute konnten noch immer genügend Pferde für diesen Brauch aufgetrieben werden und in der Zwischenzeit hat die heimische Pferdezucht wieder zugenommen, sodaß man wohl hoffen darf, daß auch weiterhin Pferde für das Klöcken bereit stehen. Daß aber ein Hochzeitszug, wie es uns aus St. Johann/Pg. aus dem Jahre 1909 berichtet wird, von 72 Reitern angeführt wird, werden wir wohl kaum mehr erleben.
[5102] Zeitschrift „Salzburger Heimatpflege“, 9. Jg., März 1985, S. 127–132. Vgl. auch den Beitrag des Autors: Klöcken um die Alpen-Trophäe in Großarl. In: Salzburger Volkskultur, 24. Jg., April 2000, S. 86–87.