In zwanzig Aufsätzen haben Schüler/innen der Hauptschule Abtenau (aus den Ortschaften Rußbach, Abtenau, Voglau) im Schuljahr 2001 die Weihnachtserinnerungen von Urgroß- und Großeltern in eigenen Worten niedergeschrieben. Maria Katharina Aschaber stellt anhand dieser Aufsätze dar, wie der Advent und die Weihnachtszeit in dieser Region früher vorbereitet, gefeiert und von Kindern erlebt wurden.
Der Großteil der Erzählenden stammt aus kinderreichen Bergbauernfamilien. Einige der Erzählenden waren „Marktkinder“, „Arbeiterkinder“ oder „Zugezogene“. Bei manchen haben „Kriegsweihnachten“, in denen der Vater im Feld war, die tiefsten Eindrücke hinterlassen: „Es begann der ‚Erste Weltkrieg‘! Unser Vater musste einrücken und war Weihnachten nicht zu Hause.“ Über der Furcht, „dass unser Vater nicht mehr zurückkehren würde“, wurden die Festlichkeiten „vergessen“. Weihnachten 1944 „überflogen auch viele feindliche Flieger das Land. Diese warfen Bündel aus Engelshaar und Lamettakugeln ab. Es wurde uns verboten, diese verlockenden Fundstücke anzugreifen, denn in einigen dieser vermeintlichen Gaben waren Sprengsätze versteckt.“
In den bäuerlichen Großfamilien wurden zur Weihnachtszeit die Festvorbereitungen, „wie es der Brauch war“, nach Alter und Stand erledigt. Am Heiligen Abend wurde „gearbeitet“, ein „Christbaum aufgestellt“, „Rosenkranz gebetet“, „Rauchen gegangen“, ein „traditionelles Festessen“ eingenommen. Es wurden bescheidene Feste begangen, die von reichlichem Essen, beschwerlichen Kirchwegen und nützlichen Kleinigkeiten geprägt waren.
„Weihnachten früher darf man sich nicht so vorstellen wie Weihnachten heute.“ Diesen Satz bekamen jene Schüler/innen der Hauptschule Abtenau, die im Rahmen der Feldforschung von Maria Katharina Aschaber Weihnachtserzählungen ihrer Groß- und Urgroßeltern niedergeschrieben hatten, oft zu hören.
Nachdem Kathrein den Tanz eingestellt hatte, begann eine Zeit der Vorbereitungen: Tannenreisig wurde für die Herstellung von Adventkranz und Besen aus dem Wald geholt, von den Frauen wurde Wolle gesponnen und Socken und Fäustlinge wurden gestrickt. „Haus und Hof“ wurden geputzt, die Strohsäcke mit neuem Stroh gefüllt. Der Winterwaschtag war aufgrund der Kälte besonders anstrengend, und das Brotbacken (rund 20 Laibe, dazu noch einige mit Kletzen) bedeutete für die Mägde viel Arbeit.
Gebetet wurde frühmorgens bei der Rorate und abends „kniete man mit gesenktem Kopf vor dem Herrgottswinkel am Boden.“ Nachdem am 4. Dezember die Kirschzweige[352] geschnitten worden waren, kam am 5. Dezember der Nikolaus, wobei sich manche an das „Einlegen“ der Gaben erinnern. Kindergruppen gingen in der Adventzeit „von Haus zu Haus ‚Anglöckeln‘ und sangen Weihnachtslieder“. Dafür erhielten sie Äpfel, Dörrbirnen und andere Geschenke. Es wurden Kekse gebacken, „nicht mit Formen ausgestochen, sondern mit dem Messer eigenhändig ausgeschnitten“. „Auch Lebkuchen wurden gemacht, die die Mutter danach in Polster einnähte, damit sie die Kinder nicht vor Weihnachten alle aufessen konnten.“ In der letzten Woche vor Weihnachten wurde ein Schwein geschlachtet, „das für das ganze Jahr reichen musste“; abgesehen vom Frischfleisch für die Feiertage wurde der Rest verarbeitet, z. B. zu (Blut-)Würsten oder Sulze.
Schüler/innen der Hauptschule Abtenau haben die Weihnachtserinnerungen ihrer Groß- und Urgroßeltern in Aufsätzen festgehalten. Bei allen Erzählenden wurde am Heiligen Abend „gearbeitet“, ein „Christbaum aufgestellt“, „Rosenkranz gebetet“, „Rauchen gegangen“, ein „traditionelles Festessen“ eingenommen. Das „größte Geschenk“ war die „Zufriedenheit“.
Am Heiligen Abend, einem Fasttag, wurde besonders auf Sauberkeit geachtet, damit die „wilden Perchten nicht den Bauch aufschnitten“. Der Herrgottswinkel wurde geschmückt, die Krippe aufgestellt und der aus dem Wald geholte Christbaum mit Strohsternen, Lebkuchen, Äpfeln, Glaskugeln, Wachskerzen, „Sternspritzern und Lametta“ behängt. Abends versammelte sich die Familie zum Rosenkranzbeten; im Wohnhaus und den Wirtschaftsgebäuden wurde „Rauchen gegangen“. Das Essen zu Weihnachten war immer etwas Besonderes. Traditionell gab es bei den Bauernfamilien ein Germgebäck; die einen aßen „Rohrnudeln“ oder „Buchteln getunkt in Zuckerschmalz“, „Schlegel“/„Schlögel“, „mit gekochten Dörrpflaumen oder Schlag zum Eintauchen“.
Nützliche Geschenke (z. B. Gestricktes) und Kekse wurden beschert, anschließend wurde gebetet und Geschichten wurden erzählt. „Die Kinder glaubten damals viel länger an das Christkind als heute. Und wenn sich dann doch herausstellte, dass es das Christkind gar nicht gab, war die Enttäuschung oft riesengroß.“ Nach dem beschwerlichen Weg von der Mitternachtsmette gab es als Stärkung eine „Metten(fleisch)suppe mit Wurststücken“. An den Weihnachtsfeiertagen wurde, von der Stallarbeit abgesehen, keine Arbeit verrichtet. Nach dem Besuch der Messe in Festkleidung gab es mittags Braten. Am Stephanitag kamen, wenn heiratsfähige Mädchen im Haus waren, die Burschen zum Kletzenbrotanschneiden.
Die Feldforschung wurde von Mag. Maria Katharina Aschaber[353] mit Lehrer/innen der Hauptschule Abtenau und Schüler/innen aus den Ortschaften Rußbach, Abtenau und Voglau im Auftrag von Mag. Lucia Luidold im Schuljahr 2001 durchgeführt. Die Weihnachtserinnerungen von Urgroß- und Großeltern wurden von ihren Nachkommen in zwanzig Aufsätzen niedergeschrieben. Sowohl der erste als auch der zweite Teil dieser Dokumentation setzt sich aus Aneinanderreihungen von Zitaten aus den Nacherzählungen der Schüler/innen zusammen, Verbindendes wurde gekürzt referiert. Aus diesem Puzzle entstand ein allgemeiner Bericht, der ein anschauliches Bild ergibt, wie der Advent und die Weihnachtszeit in dieser Region früher vorbereitet, gefeiert und von Kindern erlebt wurden. Der Großteil der Erzählenden stammt aus sehr kinderreichen Bergbauernfamilien; ihre Erinnerungen werden im ersten Teil dargestellt. Einige wenige Erzählende waren „Marktkinder“ oder „Arbeiterkinder“. Weihnachten vorbereiten und Weihnachten feiern im Markt werden im zweiten Teil dokumentiert. Naturgemäß gibt es auch „zugezogene“ Großeltern, deren Erinnerungen werden im dritten Teil auszugsweise zitiert. Bei einigen Großeltern haben „Kriegsweihnachten“, in denen der Vater im Feld war, die tiefsten Eindrücke hinterlassen; Zitate aus solchen Aufsätzen beschließen den letzten Teil der Dokumentation.
„Weihnachten früher darf man sich nicht so vorstellen wie Weihnachten heute.“ Heutzutage gehe es nur mehr ums Geld und um Geschenke und nicht mehr um den Glauben – eine Ansicht, die aus einigen der Erzählungen hervorgeht. „Damals war nicht alles so hektisch und eilig, niemand fuhr in die Stadt, drängte sich durch die Menschenmassen, um ein passendes Weihnachtsgeschenk zu finden.“ In der Vorweihnachtszeit hatte alles seine Zeit, „so wie es Brauch war“. „Weihnachten war wirklich noch eine stille und andächtige Zeit.“
„In der Vorweihnachtszeit wurden auch die Kinder angehalten leise zu sein.“ Von Kathrein an gab es keine Hochzeiten mehr, denn „Kathrein stellt den Tanz ein“. „In den Familien wurde alles für das Fest in Ruhe und Geduld der Reihe nach vorbereitet.“ „Die Vorfreude war so groß, weil zu Weihnachten eine so feierliche Stimmung war.“ „Es wurden schon Wochen vorher Vorbereitungen getroffen, weil es damals eine besondere und erwartungsvolle Zeit war.“ Eine Großmutter sagt: „Ich freute mich eigentlich auf Weihnachten nur, weil es eine ruhige Zeit war und weil es viel zu essen gab.“
„Jedes Jahr am 25. November holte der Bauer aus dem Wald Tannen-Gras, das zum Binden des Adventkranzes benötigt wurde, und Tannenreisig, aus dem Besen angefertigt wurden. Auch brachte er den Christbaum aus dem Wald mit.“ Meistens durften Kinder mitgehen. Wie eine Erzählung zeigt, war dies nicht immer ungefährlich, denn der Übermut konnte auf den steilen harschen Hängen auch zu ungewollten Talfahrten und anderen Unfällen führen.
„An jedem Abend der Adventzeit kam die Familie zusammen, zündete die Adventkerze an und betete einen Rosenkranz.“ „Beim Beten kniete man mit gesenktem Kopf vor dem Herrgottswinkel am Boden.“ „Danach wurden hin und wieder auch Geschichten erzählt.“ „Manchmal wurden auch Strohsterne gebunden und Bratäpfel gegessen.“ „Die Kinder konnten es kaum erwarten bis Heiliger Abend wurde.“
In der Vorweihnachtszeit wurde von den Frauen Wolle gesponnen, Socken und Fäustlinge oder Strickjacken, auch Pullover gestrickt, und „die gesamte löchrige Wäsche geflickt“. Bei wohlhabenderen Bauernfamilien „kam zu Advent der Schuster ins Haus und machte für jeden ein Paar Schuhe.“
„Am 4. Dezember, dem Barbaratag, schnitt man noch vor Sonnenaufgang Kirschzweige, steckte diese in eine Vase mit Wasser und stellte sie in einem geheizten Raum an eine besonders warme Stelle. Wenn diese Zweige zu Weihnachten blühten, so sagte man, steht in diesem Haus eine Hochzeit bevor.“
„Genau am 5. Dezember kam dann der Nikolaus. Es war nicht so, dass Kinder als Krampusse schon zwei Wochen vorher täglich von Haus zu Haus rannten.“ Die ganz Alten erzählen nur von „eingelegten Gaben für die Kinder“. Die jüngeren Großeltern berichten vom Besuch des Nikolaus im Haus, der die Süßigkeiten und manchmal Nüsse verteilte, die ihm die Eltern vorher gegeben hatten. „Bei den kleineren Kindern, die schon schliefen, legte der Nikolaus die Geschenke in einen Stiefel, wie es eigentlich Brauch war.“ „Doch für die jungen Dienstboten war dies meist kein schöner Tag, denn sie bekamen des [Ö]fteren die Rute von den Krampussen zu spüren.“
„In der Adventzeit wurde in Haus und Hof fleißig geputzt, die Böden mit Holzlauge (Aschenlauge) gelb geschrubbt.“ „Das war eine sehr schwere Arbeit.“ „Es gab damals noch keine Heizung.“ „Morgens war der Rauhreif innen an den Wänden und den Goittern [Anm. Bettdecken].“ „Die Strohsäcke in den Betten wurden mit neuem Stroh gefüllt und es gab sogar frische Bettwäsche, welche aber bis ins Frühjahr reichen musste.“
Der Winterwaschtag war besonders anstrengend, vor allem wenn es sehr kalt war. „Zuerst stellte man einen Waschtisch [Anm. im Freien oder unter einem Flugdach] auf, auf dem man die Wäsche einseifte und durchbürstete. Nebenbei stand ein großer Kessel mit Aschenlauge und Wasser, wenn dies kochte, gab man Weiß-Wäsche hinein. Nachdem die Wäsche einige Zeit kochte, nahm man sie heraus, und zum Schluss wurde sie im Bach oder im Trog geschwemmt.“ Bei Buntwäsche verlief der Waschvorgang gleich, doch sie wurde nur im lauwarmen Laugenwasser gekocht (!). Getrocknet wurde die Wäsche auf der Veranda (Gang) oder im Dachboden. Größere Mädchen mussten dabei schon mithelfen.
Am Vortag des Brotbacktages wurde „ein Trog mit Mehl in der Küche aufgestellt und mit ‚Dampfel‘ vorbereitet. Dies bedeutete für die Mägde viel Arbeit, denn sie mussten am nächsten Tag früher aufstehen, den Teig kneten, den großen Backofen mit Tannenreisig reinigen und mit gutem Holz vorheizen. Wenn dies geschehen war, konnten sie Laibe formen und diese backen. Es wurden rund 20 Laibe gebacken, welche einige Zeit über den Winter reichen mussten. Die Laibe wurden im obersten Stockwerk, wo ein Brotrechen hing, gelagert“. Für Weihnachten wurden einige Laibe mit Kletzen (Kletzenbrot) dazu gebacken.
„In den nächsten Wochen wurden verschiedene Kekse gebacken.“ „Dadurch war das ganze Haus mit weihnachtlichem Duft erfüllt.“ Die Weihnachtskekse wurden in der Erinnerung der ganz Alten in ihrer Kinderzeit „nicht mit Formen ausgestochen, sondern mit dem Messer eigenhändig ausgeschnitten“. Jüngere Großeltern erzählen davon, „wie lustig das Mithelfen beim Keksbacken“ für Mädchen und Buben war. Sehr begehrt war es, „mit den vielen Formen die einzelnen Muster aus dem aufgelegten Teig auszustechen“; andere liebten das Auswalken des Teiges mehr. Die Kekse wurden sofort „auf dem Dachboden in einem Eck in einer Schachtel“ versteckt, da die Kinder sonst alle wegessen wollten. „Natürlich bekamen sie auch nach dem Backen jeder einen Keks, doch dann gab es erst Weihnachten wieder welche.“
Besonders die Lebkuchen wurden (als begehrter Christbaumschmuck) gehütet. Mütter entwickelten fantastische Ideen, wovon folgender Ausschnitt zeugt: „Auch Lebkuchen wurden gemacht, die die Mutter danach in Polster einnähte, damit sie die Kinder nicht vor Weihnachten alle aufessen konnten.“
Kindergruppen gingen in der Adventzeit „von Haus zu Haus ‚Anglöckeln‘ und sangen Weihnachtslieder.“ Dafür erhielten sie Äpfel, Dörrbirnen und andere Geschenke.
In der letzten Woche vor Weihnachten wurde, vor allem am 21. Dezember, dem Thomastag, ein Schwein geschlachtet, „das für das ganze Jahr reichen musste“, denn Fleisch gab es nur zu den heiligen Zeiten. Einen Teil des frischen Schweinefleisches verbrauchte man an den Festtagen. „Schnitzel und Schweinebraten gab es zu den Weihnachtsfeiertagen, vor allem für Besuche.“ „Braten, Schnitzel und Würstel gab es bei den meisten Leuten nur zu Weihnachten.“ „Da aß man schon so viel, dass so manchem schlecht wurde.“ „Bei den größeren Bauern wiederholte sich diese Freude auch zu Ostern.“ Das andere Fleisch wurde mit Salz und Gewürzen eingepökelt und teilweise „für die geselchten Knödel zusammen mit dem Bauchfleisch (durchzogener Bauernspeck) und Würsten in den Kamin gehängt“ und geräuchert. „Von diesem Schwein wurde alles verwertet, sogar die Gedärme wurden gesäubert und für Beuschl verwendet. Aus gereinigtem Darm, Schweineblut, Semmelbrösel und Gewürzen wurden Blutwürste gefertigt“ und im Dämpfer überbrüht. „Die Leber wurde zu Leberknödel verwertet.“ „Der Kopf wurde gekocht und zu Suppe (Mettensuppe) und Sulze verarbeitet.“
In der Adventzeit mussten die Kinder häufig vor dem Schulunterricht die Rorate (Morgenmesse) besuchen. Viele hatten oft einen stundenlangen beschwerlichen Weg durch den tiefen Schnee in die Schule. „Sie mussten in der morgendlichen Dunkelheit und bei klirrender Kälte die ungeräumten Bauernwege alleine gehen, da die Eltern zu Hause arbeiteten.“
„All dies waren Vorboten für Weihnachten und die Vorfreude der Kinder war schon riesengroß. Die Nacht vor dem Hl. Abend waren die Kinder oft schon so nervös, dass sie nicht mehr einschlafen konnten.“ „Die Kinder fieberten dem Hl. Abend entgegen.“ „Aber dann endlich war der Tag gekommen.“
Am Morgen des Heiligen Abend mussten die meisten Kinder um fünf Uhr zur Rorate gehen. Nach der Kirche bekamen sie „ein leeres Brot und etwas warme Milch“. „Der 24. Dezember war bis Mittag Fasttag.“ Bei manchen wurde „um elf Uhr die Mettenkerze angezündet, das war ein Symbol für das Ende der Fastenzeit. Darauf gab es Semmelknödel mit abgeschmalzter Suppe. Auf den heißen Ofen wurde Weihrauch gestreut.“ Meist mussten Erwachsene und Kinder noch bis zum frühen Nachmittag arbeiten. „Die Zeit verging den Kindern meist viel zu langsam, aber irgendwann wurde es dann doch noch Abend.“ „An diesem besonderen Tag gingen unsere Eltern schon um vier Uhr in den Stall und kamen nach ungef. zwei Stunden wieder ins Haus zurück.“
Die Bäuerin schmückte „am Nachmittag in der Stube den Christbaum, mit Strohsternen, Lebkuchen, Äpfeln, Glaskugeln, Wachskerzen“ und bei manchen mit „Sternspritzern und Lametta“. „Zum Schluss wurde das weiße Engelhaar über den Baum gelegt.“ „Die selbst gebastelte Weihnachtskrippe wurde vom Dachboden geholt, und Strohsterne an die Fensterscheiben gehängt.“ Von der Großmutter, größeren Kindern oder auch dem Vater wurde der Herrgottswinkel „säuberlich“ geputzt und ebenso wie die Heiligenbilder und der Hausaltar in der Stube mit Tannenzweigen geschmückt. Im Herrgottswinkel wurde das Weihnachtsaltartuch, meist mit dem gestickten Schriftzug „Stille Nacht“, angebracht. Währenddessen mussten die Kinder genügend Feuerholz und Wasser für die Feiertage in die Küche tragen. „Außerdem war es ihre Aufgabe das Haus bis in den letzten Winkel zu kehren, sollte das Haus nicht sauber sein, würden in der Nacht die wilden Perchten zu ihnen kommen.“
Die über 80-jährigen Menschen erzählen, dass sich die ganze Familie kurz vor der Dämmerung in der Stube zum Rosenkranzbeten versammelte. Auch aus „der ‚Heiligen Schrift‘ wurde vorgelesen“ und dann „ging die ganze Familie mit Dienstboten Rauchen“. Die etwas Jüngeren (die 70-Jährigen) erzählen „vom Rosenkranzbeten nach dem Rauchen“. Die 60-Jährigen berichten, dass der „Rosenkranz während dem Rauchen“ gebetet wurde. Dem Vater (Bauern) stand immer die Rolle des Vorbeters zu.
„Rauchen gehen“ erfolgte in den drei Raunächten „Heiliger Abend“, „Silvesterabend“ und der Nacht vor dem Tag der „Heiligen Drei Könige“. „Zum Rauchen gehen heizte die Mutter immer vorher den Ofen an um eine richtige Holzglut für die vorbereitete eiserne Stielpfanne zu haben. Über die Glut wurde Weihrauch gestreut.“ „Der Vater trug die Pfanne und ging damit betend zuerst in den Stall, in die Holzhütte und die anderen Nebengebäude und dann durchs ganze Haus“ – „um Haus, Hof und Familie zu weihen und dadurch vor Unheil zu bewahren“. „Entweder die Mutter oder das jüngste Kind durfte mit Weihwasser sprengen.“ „Dem Bauern folgte die ganze Familie“; die Variante, dass dem Bauern beim Rauchen durch die Wirtschaftsgebäude „nur das Gesinde folgt“, wird auch erzählt.
„Nach dem Rauchen wurde die Glut über das Wintergetreide (Weizen und Korn) verstreut und dabei wieder ein Rosenkranz gebetet. Dies diente zum Schutz gegen Unwetter.“ „Für die Kühe im Stall mischten wir Weizenkleie mit geweihtem Salz und jedes Tier bekam eine Hand voll davon.“
„Im Freien schauten die Kinder nach dem Christkind aus.“ Sie wurden immer aufgeregter und warteten ungeduldig auf die Ankunft des Christkindls. „Zur Stube, wo der Christbaum stand, fanden wir die Tür gut verriegelt, damit wir unsere Vorfreude nicht vor lauter Neugier zu früh verloren.“ „Die Versuche einen Blick auf den Christbaum durch eine Türritze oder das Schlüsselloch zu erhaschen“, gab es auch, meist vergeblich, weil immer das berühmte Tuch vorgehängt war. „Unsere Mutter tat immer so heimlich und machte es richtig spannend.“ „Die Kinder glaubten damals viel länger an das Christkind als heute. Und wenn sich dann doch herausstellte, dass es das Christkind gar nicht gab, war die Enttäuschung oft riesengroß.“
Das Läuten des Glöckchens erlöste endlich und „alle betraten die festlich geschmückte Stube, die von einem Christbaum hell erleuchtet wurde. Die ganze Familie stand vor dem Christbaum.“ „Der Christbaum strahlte in voller Größe, alle Kerzen brannten und gaben dem Raum etwas geheimnisvoll [H]eimeliges“, „die Lametta glitzerten und unter dem Baum lockten die Geschenke vom Christkindl“.
„Wenn es eine musikalische Familie war, wurden auch Weihnachtslieder gesungen, Instrumente waren jedoch noch eine Seltenheit.“ „[...] dann stand man um den Weihnachtsbaum und sang Lieder. Die Kinder fanden dies gar nicht lustig, da jeder der Kinder schon zum Weihnachtsbaum schielen musste, denn dort lagen die Päckchen. Welches wohl wem gehörte?“ Dann durften endlich die Geschenkspackerl geöffnet werden.
Bei manchen Bauern gab es für die Kinder (nur) Kekse als Geschenk, aber das war „etwas Besonderes“. Dies erzählen die über 80-Jährigen. Später gab es auch bei Bauernfamilien „bescheidene Weihnachtsgeschenke, aber nur das Notwendigste, Taschentücher, selbstgestrickte Socken aus Schafwolle, Fäustlinge“, „Strickjanker“ oder sogar „Schuhe“, „aber jeder bekam nur ein Geschenk“. „Mitunter waren auch Spielsachen dabei,“ z. B. „ein hölzernes Schaukelpferd“, „diese mussten zum Spielen mit den Geschwistern [Anm. nicht selten zehn] geteilt werden“. „Viel Freude“ hatten die Kinder auch, wenn das Christkind „Feigen und Nüsse“ brachte. In späterer Zeit brachte das Christkind bei wohlhabenderen Bauernfamilien auch „Schi und Schistöcke“.
Über 80-Jährige erzählen, dass sie nie auf den Gedanken gekommen wären, zu Weihnachten Geschenke zu erwarten – ein Christbaum mit Keksen war ihr ganzes Glück. Die jüngeren Alten erzählen, dass sie als Kinder versuchten „in der Adventzeit sehr brav zu sein“, da sie sich dadurch vielleicht doch Geschenke vom Christkind erhofften. Ein Großvater erzählte, dass das Christkind beim Beschenken der neun Kinder „das Bravsein“ berücksichtigte. Nicht selten wurden die braveren Mädchen mit Geschenken belohnt.
„Meist wurde nach der Bescherung zu Abend gegessen. Das Essen zu Weihnachten war immer etwas Besonderes.“ „Am Heiligen Abend durfte nach altem Brauch bis nach der Mitternachtsmette keine Fleischspeise (auch keine Fleischsuppe) gegessen werden.“ Traditionell gab es bei den Bauernfamilien ein Germgebäck; die einen aßen „Rohrnudeln“ oder „Buchteln getunkt in Zuckerschmalz“, „Schlegel“ oder „Schlögel“ oder „Tunkschlögl“ „mit gekochten Dörrpflaumen oder Schlag zum Eintauchen“. „Diesen Tunkschlögel (eine Art Germkuchen) gab es nur am Hl. Abend.“
Wobei es in den Familien natürlich auch etwas individuellere Tagesabläufe gab. Manche sehr Alte erzählen z. B., dass es nach der Bescherung „das besondere Heiligabendessen, bestehend aus Fleischsuppe und Rohrnudeln aus Germteig mit Zuckerschmalz“ gab. Manche der 60-Jährigen erzählen von der „Würstlsuppe vor der Bescherung“. Das Außergewöhnliche dieser Mahlzeiten war wohl für alle, dass es diese Raritäten „nur einmal im Jahr“ gab und „dass jeder, der noch nicht satt war, etwas nach bekam“.
Danach wurden in den meisten Familien wieder mehrere (meist drei ganze) Rosenkränze gebetet (ca. zwei Stunden durchgehend), „dabei knieten alle mit gesenktem Haupt vor dem Herrgottswinkel auf dem Holzfußboden“, die Ellbogen auf die Holzbank gestützt, die hinter dem Tisch vorbeilief und so lang war, dass sie darüber hinaus zwei Wände der Küche (Stube) einnahm. Meist waren beide Bankseiten von den großen Familien – nicht selten zwischen zehn und zwanzig Personen – voll besetzt. Die ganze Familie war beisammen: Eltern, Kinder, Großeltern, Urgroßeltern, Knechte und Mägde (wenn vorhanden).
Nachher wurde im Schein der Kerzen (Adventkerze) noch zusammengesessen, Kekse gegessen, Geschichten (Erlebnisse, Geistergeschichten) erzählt oder heilige Geschichten vorgelesen. Dies war auch die Zeit, in der die Kinder mit (eventuellen) Geschenken spielten, oder „nur den Christbaum anschauten“ und das Naschbare betrachteten.
„Zu fortgeschrittener Stunde mußten die kleineren Kinder schlafen gehen.“ „Die größeren Kinder und Erwachsenen gingen zur Mitternachtsmette in die Pfarrkirche“ – ob nah oder fern. Für manche dauerte der Fußmarsch zur Kirche „bis zu zwei oder drei Stunden“ hin und ebenso lang wieder zurück. „Sie gingen mit Fackeln oder es trug einer eine Sturmlampe mit Petroleumlicht voraus, die anderen stapften durch den tiefen Schnee der verschneiten Wege hinterdrein.“
Manchmal wehte ein so starker Sturm, dass die Leute von den hoch- und „abgelegenen Höfen nicht wagten zur Mette hinunter zu gehen“. In manchen Familien hatten mehrere Kinder „zusammen nur ein Paar Schuhe“, so musste im Laufe der Jahre abwechselnd jemand zu Hause bleiben. Es war für die Kinder etwas Besonderes, „wenn sie schon groß genug waren um zur Mitternachtsmette mitgehen“ zu dürfen. „Wer nicht zur Mette gehen konnte, betete zu Hause noch weitere drei Rosenkränze.“
Nach der Mette, „etwa um zwei Uhr stapften die Familien durch den Schnee wieder nach Hause zurück“. Dort erwartete sie meist die Großmutter oder die Mutter, die bei den kleinen Kindern geblieben war, „mit einer Stärkung“. Es gab entweder die wärmende Metten(fleisch)suppe mit Wurststücken und/oder Sulze – „und zwar so viel wie jeder essen konnte“. „Dies tat gut nach dieser langen Anstrengung in der Kälte.“ Der Weg zur Mette, zwei Stunden Mette in nassen Schuhen und Kleidern und der Weg nach Hause zurück konnten je nach Lage des Hofes zwischen vier und acht Stunden dauern! Todmüde sanken die Kinder in ihren eiskalten Kammern in die vom Frost klammen Betten. Die Schlafkammern waren nicht geheizt. „Aber bei unserer Müdigkeit spielte das keine Rolle mehr und der Schlaf überwältigte uns“ nach einem Tag, der teilweise 20 Stunden und länger gedauert hatte.
Ganz Alte erzählen, dass sie als Kinder ihren Rosinenbrotlaib nach der Mette vor dem Schlafengehen als Weihnachtsgeschenk bekamen. „Es war für uns das Größte, einen ganzen Rosinenbrotlaib für uns alleine zu haben.“
Bei allen Erzählenden wurde am Heiligen Abend „gearbeitet“, ein „Christbaum aufgestellt“, „Rosenkranz gebetet“, „Rauchen gegangen“, wurde ein „traditionelles Festessen“ eingenommen, die Reihenfolge der Verrichtungen und der Speisenfolge variiert. Obwohl die Erzähler oft gar keine Geschenke bekamen, oder die Geschenke keinen großen materiellen Wert hatten, war für sie als Kinder der Heilige Abend „der allerschönste Tag im Jahr“ und rückblickend „das größte Geschenk“ die „Zufriedenheit“.
Am Christtag, dem ersten Weihnachtstag, gingen alle, außer der Bäuerin und manchmal einer Magd, in Festkleidung zur Kirche. Normale Bauernkinder hatten als bessere Kleider nur die Schulkleider, die zu allen festlichen Anlässen getragen wurden. Die Bäuerin bereitete das Festessen, den saftigen Schweinsbraten, mitgebratene Kartoffeln und „Haubenkrapfen mit Dörrobstkompott“. „An den Weihnachtsfesttagen gingen die Kinder besonders schnell nach Hause, denn bei jedem Haus stieg ihnen schon der Duft des Schweinsbratens in die Nase.“ „Die Dienstboten mussten an den Weihnachtstagen allgemein nur die Stallarbeit verrichten, sonst hatten sie frei.“
Am Stephanitag, dem zweiten Weihnachtstag, „wiederholte sich alles wie am Weihnachtstag zuvor, nur, dass am Nachmittag beim Badwirt ein Eisschießen stattfand, bei dem ein Saukopf ausgespielt wurde. Wer gegen wen spielt, wurde ausgelost.“ Außerdem bekam am Stephanitag jedes Kind einen Laib Rosinenbrot geschenkt. Hatte die Familie größere (ältere) Kinder, durfte der Freund, die Freundin, die erste Schnitte, den Scherz essen. „Wenn heiratsfähige Mädchen im Haus waren, kamen die Burschen zum Kletzenbrotanschneiden.“ Es war bedeutend „wer den Scherz bekam“. „Es wurde immer viel gelacht und gescherzt, für die kleineren Geschwister war das eine willkommene und aufregende Abwechslung. Manchmal fand im Jahr darauf auch wirklich eine Hochzeit statt.“ Abends war in den Gasthäusern für Unterhaltung und Tanz gesorgt.
„Silvester war wieder Rauhnacht, es gab jedoch keine Silvesterfeier, dafür war der Tag zu heilig.“ „Zu Silvester wurde wieder geräuchert und Rosenkranz gebetet.“ In manchen Familien „konnte man sich an diesem Tag satt essen, was sonst nicht der Fall war“. „Am Abend wurden Böller geschossen.“ „Silvester wurde damals sehr besinnlich und still gefeiert, meist in der eigenen Familie.“
„Wer am Neujahrstag als Letzter aufstand, den nannte man ‚Neujahrsblärcher‘“. „Am Neujahrstag ging die Familie mit Dienstboten wieder in die Kirche, gekleidet in der Festtagstracht. Bäuerin und Magd mussten wieder kochen. Am Nachmittag kam meistens Besuch (z. B. von den Tauf-Godn-Leuten mit Kindern).“
„Am Vortag der Hl. drei Könige war die letzte Rauhnacht, es wurde wieder in Haus und Hof geräuchert und gebetet.“ „Am 5. Jänner [...] musste alles sauber gekehrt werden, sonst käme die Percht, vor der alle Angst hatten.“ Fänden die Perchten „Schmutz, schnitten sie der Magd den Bauch auf und füllten diesen mit Mist – hieß es!“ Nach getaner Arbeit gab es am Abend „Fleischkrapfen mit Honigschmalz“ zum Essen.
„Am Hl. drei Königstag wurde wieder die Kirche besucht und am Nachmittag wurde der ganze Hof von einem größeren Bauern aus der Umgebung zum Hl. drei Königsreiten eingeladen. Dabei ritt der Bauer und die Knechte einige Male um den Hof. Dies war immer ein besonderer Tag“ für die Geladenen. „Und am 6. Jänner war Fest der Hl. 3 Könige, der letzte Feiertag. Somit war Weihnachten wieder vorbei.“ „[...] der Alltag (ging) wieder weiter wie zuvor.“ „Bis Lichtmess, zu den Wandertagen der Dienstboten, konnte die Festtagstracht im Schrank verstaut bleiben!“
Kurz vor Weihnachten wurden von der Mutter und den Töchtern Kekse gebacken, der Vater ging mit einem Sohn in den Wald, um einen schönen Christbaum zu holen. Dies war auch bei Familien ohne Waldbesitz Sitte. „Dafür hatten die Förster damals auch Verständnis, denn kaum jemand konnte es sich leisten, einen Christbaum zu kaufen.“
„Am Nachmittag wurden die Kinder meistens ins Freie zum Spielen geschickt, damit die Eltern den Christbaum schmücken konnten. Die Zeit verging den Kindern meist viel zu langsam, aber irgendwann wurde es dann doch noch Abend. Die ganze Familie stand vor dem Weihnachtsbaum.“ Nach ein paar Weihnachtsliedern durften die Geschenke ausgepackt werden. „Meist enthielten sie notwendige Sachen, wie Pullover, Hosen, oder Hauben. In reichen Familien [Anm. 40er-Jahre] gab’s vielleicht sogar einmal ein Paar Schi. Spielzeug gab es nur für die Kleineren, was die Größeren oft störte, denn ihnen wären oft auch Spielsachen lieber gewesen als ein neues Gewand. Aber man konnte nicht alles haben.“
Nach dem Auspacken der Geschenke gab es bei der Dorfschusterfamilie als Festmahl „Schlegl mit Tunk“; „das war Schlag mit einer Art süßem Roggenbrot zum Eintauchen.“ Beim Besuch der Verwandten nach dem Essen wurden die Kerzen am Adventkranz und am Christbaum noch einmal angezündet. Nach dem Besuch der mitternächtlichen Messe gab es noch die „Mettensuppe, also eine Nudelsuppe mit Wurststücken“.
Weihnachten war sehr aufregend, die Geschwister glaubten sehr lange an das Christkind und versuchten „durch einen Spalt des zugezogenen Vorhanges das Christkind in der Stube zu erblicken.“ Die Geschwister räumten nach dem Mittagessen das Haus „blitzeblank“ auf, „denn sonst, hieß es, würden die Perchten kommen und den Staub, der nicht aufgekehrt war, in den aufgeschlitzten Bauch schütten. [...] wie verständlich, fürchteten sie sich vor diesen grausamen Gestalten.“ Anschließend wurden sie von der Mutter in einem Holzzuber mit heißem Wasser gewaschen und durften das schönste Gewand anziehen.
Zum Abendessen gab es selbst gebackenen Lebkuchen und Rahmstanitzel, „wobei den Rahm die Mutter ein paar Tage zuvor von Oberösterreich heim gebracht hatte. Da der Vater bei der Bahn arbeitete, konnte die Mutter günstiger mit dem Zug fahren. So gelangte sie zu oberösterreichischen Bauern, wo sie [Anm. den durch den Verkauf von selbstgepflückten Heidelbeeren erworbenen] Stoff gegen Rahm umtauschte.“
Nach dem Essen ging die Familie, den Rosenkranz betend, durchs Haus rauchen. „Der letzte Raum, in dem ‚geraucht‘ wurde, war die Stube, in der der Christbaum stand. [...] Der Christbaum war wunderschön mit Lametta und Kugeln geschmückt und der ganze Raum glitzerte durch den Kerzenschein.“ Vor dem Auspacken der Geschenke – „Warmes zum Anziehen, Socken, Handschuhe oder eine Haube, welche ihre Mutter das Jahr über gestrickt hatte“ – musste fertig gebetet werden. „Später ging die ganze Familie in die Weihnachtsmette um zu singen und zu beten.“
Die Kinder besuchten im Advent täglich die Rorate in der Kirche. Dies machte ihnen viel Freude, weil die Großmutter immer mit ihnen ging. In der Schule wurde eine Krippe aufgestellt. „Wenn irgendjemand in der Klasse eine gute Tat vollbracht hatte, durfte er einen Strohhalm in die Krippe legen. Das Jesuskind wurde erst am Heiligen Abend hineingelegt.“
Am Heiligen Abend blieb das Gasthaus geschlossen. Die Mutter wusch die kleinen Kinder, währenddessen bereitete der Vater den Christbaum vor und legte das Jesuskind in die Krippe. Die ganze Familie betete dann einen Rosenkranz und ging anschließend rauchen. Danach mussten die Kinder vor der Schlafzimmertüre warten, bis das Glöckchen läutete. Sie sangen „Stille Nacht“ und andere Lieder, bis sie die Geschenke öffnen durften. „Nachdem sie ein wenig mit ihren Spielsachen gespielt hatten, gab es, wie jeden Heiligen Abend, ‚Bratwürstel mit Sauerkraut‘ zu essen. Damals waren Würstel sehr teuer.“ Nach dem Besuch der Mitternachtsmette „tranken alle Tee und aßen Kekse und Kuchen“.
Die Schulkinder besuchten täglich die Rorate, wobei die Kirchgänger ob der Dunkelheit mit einer „Roratekerze“ oder einer „Laterne“ ausgestattet waren. Die Kälte blieb besonders in Erinnerung, da die Handschuhe keine Finger hatten, „damit man den Rosenkranz besser halten konnte“.
Die Kinder mussten bei den Weihnachtsvorbereitungen fleißig mithelfen. Der Vater überprüfte die Arbeiten und strafte mit Schlägen mit dem Spazierstock „auf die Kehrseite eines schlampigen Mädchens“. „Am Heiligen Abend wurde gewöhnlich bis Mittag gefastet, dann gab es nur eine Milchfarvel, [...] bei dem Mehl in kochende Milch eingerührt wird. Nach Anbruch der Dunkelheit ging der Vater mit den jüngsten Geschwistern durch das ganze Haus, vom Weinkeller bis in den Dachboden, mit der Räucherpfanne, in der die getrockneten Ölbaumzweige vom Palmsonntag in der Glut verbrannt wurden.“ Die Mädchen halfen inzwischen den „Plent“ (Maisbrei) und „Zitzelen“ (kleine fette Bratwürste) zuzubereiten. Die große Besonderheit war Weißbrot, darüber freuten sich die Kinder besonders.
Nach dem Essen mussten die Kinder im Saal (Vorhaus) warten, bis das Glöckchen läutete, dann war die Bescherung in der Stube, wo der Christbaum stand, eine kleine Fichte mit einfachen roten Kerzen und Äpfeln. Für jedes Kind gab es ein Geschenk, „Spielsachen nur für die Kleinsten“. Die größte Freude war immer der Christbaum.
Nach der Bescherung gab es Weihnachtsstollen und den „Zelten“. Die Kinder freuten sich darauf ganz besonders. Während die größeren Kinder mit den Eltern in die Christmette gingen, bereitete die „Nona“ die Rindsuppe, „in der für jeden eine ganze Wurst schwamm“. „Alle freuten sich schon das ganze Jahr darauf und hätten diese Suppe um keinen Preis verschlafen wollen.“
„Früher gab es, so erzählte mir mein Großvater viel mehr Bräuche als heutzutage.“ In der Vorweihnachtszeit wurden die neun Geschwister angehalten, leise zu sein: „Doch wenn in der Weihnachtszeit einer von ihnen einen Schrei von sich gab, wurden alle neune vor die Tür, in den kalten Schnee gejagt, egal, wer der Urheber auch war.“
Zur Vorbereitung des Festes wurde ein Schwein oder Lamm geschlachtet. Davon wurde auch Speck geselcht. Kekse wurden gebacken und gut versteckt. Die Kinderschar ging mit einem übergezogenen Sack „von Haus zu Haus, klopfte an, sagte einen ewig langen Text auf“ und bekam „Äpfel, Orangen, Nüsse und, in selteneren Fällen, sogar ein wenig Geld.“
Am ersten Weihnachtstag stand die Familie um sechs Uhr auf und badete. Der Vater ging mit den Kindern in die Kirche. Die Mutter blieb zu Hause, um das Frühstück vorzubereiten. „Sie backte viele Laibe Weißbrot, wobei sie in den Teig einige Münzen warf. Dies hatte diesen Sinn: Wer am meisten Münzen fand, hatte Glück in diesem Jahr! Das [B]este daran war, dass man sich das Geld behalten durfte und dies zwang die meisten dazu, bis zur Übelkeit zu essen.“
Gegen 19 Uhr ging man mit Weihrauch durch die Zimmer „um die bösen Geister zu vertreiben. Dann spielte man zusammen ‚Bleigießen‘, um einem die Zukunft vorherzusagen.“ Nach dem Abendessen stand man „um den Christbaum und sang Lieder. Die Kinder fanden dies gar nicht lustig, da jedes der Kinder schon zum Weihnachtsbaum schielen musste, denn dort lagen die Päckchen.“ Neben Pullover, (Unter)hose, Mütze und Handschuhen bekam, „wer artig war“ „meist Schi oder Schistecken, oder ein selbstgebautes Auto oder eine Puppe. Doch dies bekamen meist nur die Mädchen, da diese fast immer artig waren.“
„Mein Papa stammt aus Marokko und ist muslimischen Glaubens“. Weihnachten war ihm aus Erzählungen und durch einige Weihnachtsfeiern an seinem Arbeitsplatz, einem Hotel in Marokko, bekannt. „Schon in der Adventzeit war die Freude meines Vaters groß. In seinem ersten Winter hier lag besonders viel Schnee, meine Eltern gingen schlittenfahren und zu Hause in der warmen Stube verbreitete sich der Duft von Weihrauch. Auch mit den Krampussen machte er Bekanntschaft, die ihn so auspeitschten, dass er mit vielen blauen Flecken nach Hause kam. Als endlich der Heilige Abend kam, half mein Papa fleißig beim Christbaumschmücken. Wie ein kleines Kind freute er sich über seine neue Langlaufausrüstung und andere Kleinigkeiten. Weihnachten war für ihn etwas ganz Besonderes. Schon allein das Gefühl der Zusammengehörigkeit machte ihn glücklich.“
„Gleich am nächsten Tag schleppte ihn meine Mama auf die Langlaufspur, doch die ersten Versuche waren reine Qual. Eigentlich war mein Papa schon vor dem Langlaufen müde, weil er vor dem Haus Schnee geschaufelt hatte.“ „Einige Leute fragten ihn, ob es ihm nicht zu kalt sei und ob bei ihm oben in Nordamerika (obwohl er aus Nordafrika kommt) auch Schnee sei. Mein Papa wollte sie nicht über ihre geographischen Kenntnisse aufklären und sagte bescheiden: ‚Ein ganz wenig, aber auch nur im Gebirge‘.“ Eigentlich freut sich mein Papa immer auf die Weihnachtszeit und auf den Schnee. Mittlerweile ist er ein besserer Langläufer als meine Mutter. Doch manchmal, wenn es eiskalt ist, [...] wäre er lieber im Süden in der warmen Sonne.“
Eine Urgroßmutter erzählt nicht nur von den schönen Weihnachten, die sie erlebt hatte, sondern auch von den „Kriegsweihnachten“, die von Angst geprägt waren: „Es begann der ‚Erste Weltkrieg‘! Unser Vater musste einrücken und war Weihnachten nicht zu Hause.“ Über der Furcht, „dass unser Vater nicht mehr zurückkehren würde“ wurden die Festlichkeiten „vergessen“.
Eine Großmutter berichtet, dass die Familie 1944 schon lange keine Nachricht mehr vom Vater aus Russland bekommen hatte. Trotzdem und trotz der Armut versuchten sie das Beste daraus zu machen. „Wir holten uns aus unserem Stall Strohhalme und schnitten sie gerecht zu. Dann banden wir diese mit Stroh zusammen. Die Sterne hatten zwar nicht alle eine schöne Form, doch sie gefielen uns. Sie wurden als Christbaumschmuck verwendet. Meine Mutter legte die Sterne zwischen altes Papier und bewahrte sie gut auf.“ „Beim Keksebacken halfen wir fleißig mit. Es gab aber nur wenige und einfache Kekse, denn die Zutaten waren sehr teuer, zum Teil auch gar nicht zu bekommen.“ Aus dem Wald wurde ein Baum geholt und in die geheizte Bauernstube gestellt. „Wir behängten ihn mit Äpfeln, Keksen, unseren selbstgebastelten Strohsternen und Engelshaar, das wir schon seit Jahren hatten.“
„In dieser Zeit überflogen auch viele feindliche Flieger das Land. Diese warfen Bündel aus Engelshaar und Lamettakugeln ab. Es wurde uns verboten, diese verlockenden Fundstücke anzugreifen, denn in einigen dieser vermeintlichen Gaben waren Sprengsätze versteckt.“
Am Heiligen Abend gab es zum Abendessen „Tunk (= geschlagener Rahm mit ein wenig Milch angegossen) und Buchteln“. Nach diesem Festmahl ging die Mutter mit den Kindern „räuchern“; es wurde der Rosenkranz gebetet. „Danach durften wir endlich in die Stube zum Christbaum. Dort musste kniend noch ein Rosenkranz gebetet werden.“ Das Geld war knapp, sodass nur die Älteste „ein kleines Stück Seife“ bekam. Nach der Mette gab es „Specksuppe mit Fleisch“. „Und so feierten wir damals Weihnachten und es war auch ohne Geschenke schön, nur unser Vater fehlte sehr.“
Der Advent und die Weihnachtsfeiertage wurden Jahr für Jahr von gleichbleibenden und zeitlich festgelegten Ritualen und Symbolen bestimmt. Dies hob die Vorweihnachts- und Weihnachtszeit aus dem Jahreskreis heraus und stärkte das Gefühl der Zusammengehörigkeit.
Die herausragendsten Merkmale der Vorbereitungen und Feiern der Weihnachtszeit in den Erinnerungen der Alten (besonders der Bergbauernkinder) sind:
das Zusammensein der Großfamilien,
gemeinsam lange und feierlich zu Hause beten,
miteinander die Festvorbereitungen „wie es der Brauch war“ zu erledigen,
jeder hatte seine ihm nach Stand und Alter zustehende Aufgabe zu erfüllen,
das lange Glauben der (vielen) Kinder an die Existenz des sich verbergenden, schenkenden Christkindls und damit verbunden das Aufbauen von Spannung und Erwartung durch Heimlichkeiten,
das vorbereitete Fest gemeinsam feiern und genießen (Essen, Trinken, Lustigsein),
die Fähigkeit, große Freude durch Schönes zu empfinden und staunen zu können,
der gemeinsame, oft beschwerliche und weite Weg zu den Gottesdiensten,
der in der Frömmigkeit und Ehrfurcht der Alten verwurzelte Glauben an das große Geheimnis des Weihnachtsgeschehens und die Sehnsucht nach Schutz bzw. die Furcht vor Unberechenbarem und Bösem,
die Fähigkeit, an Traditionen festzuhalten,
die Fähigkeit, in bescheidensten Verhältnissen zufrieden zu sein.
[351] Kurzfassung von Melanie Wiener-Lanterdinger.
[352] Wenn diese Zweige zu Weihnachten blühten, so sagte man, stand in diesem Haus eine Hochzeit bevor.
[353] Die Autorin stammt mütterlicherseits aus einer Bergbauernfamilie, väterlicherseits aus einer Unternehmerfamilie im Markt. Ihr ist das traditionelle Weihnachtsbrauchtum der Bergbauern aus eigenem Erleben ebenso vertraut wie das Feiern des Weihnachtsfestes im Markt.