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Die Geschichte des Umgangs mit dem Tod ist die Geschichte seiner „Entzauberung“. Waren in der altgläubigen Welt des Mittelalters die Lebenden und die Toten nicht streng voneinander geschieden, so wurden sie vom Protestantismus stärker separiert: Anstelle des traditionellen Kirchhofes entstanden neue Friedhöfe vor den Toren der Städte.
Im 18. und 19. Jahrhundert wurde der Umgang mit dem Tod von Vernunft und Technik geprägt: die Anatomie nahm den toten Körper wissenschaftlich ins Visier, Leichenhallen und Krematorien wurden gebaut. Aus Friedhöfen wurden bisweilen romantische Landschaftsgärten – Kulisse für einen ausufernden Grabmalkult und Fluchtpunkt bürgerlicher Trauerkultur. Der Tod wurde zum begehrten Thema von bürgerlicher Kunst und Literatur.
Das 20. Jahrhundert brachte millionenfachen Kriegstod. Endlos scheinende, uniforme Gräberreihen der Soldatenfriedhöfe veranschaulichen auf bittere Weise das Massensterben. Auf der anderen Seite entwickelte sich der Umgang mit den Toten zur Angelegenheit für Bestattungsunternehmen. Ist der Tod im privaten Alltagsleben fast abwesend, so erscheint er uns in den Medien aufdringlich. Gegenwärtig entfalten sich neue kulturelle Muster und neue Orte – der Tod ist „individualistisch“ geworden, Trauer und Erinnerung erobern mit ihren Zeichen die freie Landschaft (z. B. Gedenkstätten an Verkehrsstraßen) und die digitalen Gedenkseiten im Internet (zu den ältesten und bekanntesten unter ihnen zählt der World Wide Cemetery).
Am 1. Jänner 1879 wurde der Salzburger Kommunalfriedhof als moderner Parkfriedhof am Stadtrand (damals der Grund des Sandbichlgutes in Morzg) eröffnet. Seither fanden dort rund 150.000 Menschen ihre letzte Ruhe. Bis heute blieb der Charakter des Friedhofs erhalten.
Die „neuen Friedhöfe“, die aus Gründen des Bevölkerungswachstums nicht mehr in Einheit mit den Kirchen angelegt wurden, waren Teil der städtebaulichen Konzepte des 19. Jahrhunderts. Sie gehörten zur Stadtdurchgrünung (1.800 Bäume begrünen den Kommunalfriedhof) und sollten nicht nur ein Ort des Gedenkens, sondern auch ein Erholungsraum für Lebende sein.
Bereits 1873, vor Errichtung des Friedhofs, wurden die ersten Opfer einer Cholera-Epidemie auf dem Areal bestattet. 1874–1878 geschah die Einteilung der Grabfelder – geprägt von Auseinandersetzungen über die Reihenbeerdigung ohne Ansehen der Konfession. Schon 1879 fanden 378 Begräbnisse statt. Fünfzig Jahre später waren 34.775 Personen dort beerdigt.
1914 wurde die noch heute bestehende Leichenhalle in Betrieb genommen. 1931 erhielt Salzburg ein Krematorium und musste nicht mehr nach Linz oder Wels ausweichen.
Der Kommunalfriedhof ist mit seinen rund 22.000 Grabstellen, einem anonymem Urnenfeld, der Kriegsgräberanlage, einem moslemischen Teil und dem Soldatenfriedhof der Niederländer der größte Friedhof im Land Salzburg. Jährlich finden rund 1.300 Bestattungen statt.
Der jüdische Friedhof in Salzburg befindet sich auch heute noch in der Lasserstraße, bei der Synagoge. Ebenso werden auch einige der älteren Kirchenfriedhöfe – etwa jener von St. Peter im Zentrum der Stadt, oder jener von Gnigl am Fuß des Gaisberges – bis heute weiter belegt.
2003 entstand am Kommunalfriedhof, in Fortsetzung des Gründungsgedankens, eine Platzgestaltung für die Friedhofsbesucher. In Zusammenarbeit mit dem Künstler Christoph Obermair und der Fachschule für Steinmetze in Hallein wurde ein Friedhofsbrunnen geschaffen. Sein Rundweg mit den vier Abgängen symbolisiert den Wandel vom Leben zum Tod und führt zu den vier Elementen Wasser, Erde, Luft und Feuer.
2004 nahm die Leitung des Kommunalfriedhofes das 125-jährige Bestehen zum Anlass, ein Grabmal für „still geborene Kinder“ zu errichten. Dort können Eltern von Fehl- oder Totgeburten ihrer Kinder gedenken. Grabmal und Gedenkstätte wurden am 12. November 2004 mit einer ökumenischen Gedenkfeier in der großen Aussegnungshalle eingeweiht.
Die Eckgruft der Gruppe 56 wurde zur Gedenk- und Begräbnisstätte für Tot- und Fehlgeburten. In den Grabstein sind Worte von Antoine de Saint-Exupery gemeißelt:
„Ich bin von Euch gegangen, / nur für einen Augenblick / und gar nicht weit. / Wenn Ihr dahin kommt, / wohin ich gegangen bin, / werdet Ihr Euch fragen, / warum Ihr geweint habt“.
Rund 50 Fehl- oder Totgeburten verzeichnen die Landeskrankenanstalten pro Jahr. Bislang wurden die kleinen Körper, 16 Stück pro Kistchen, in der Regel in einem Armengrab beigesetzt und nur mit Nummern versehen. Eltern, die nach dem ersten Schock ihrem still geborenen Kind nachtrauern wollten, fehlte oft jede Information, wo es genau begraben ist.
„Trauer braucht nicht nur Zeit, sondern auch einen Ort“, wissen Anita und Christian Stadler, die aus eigener Betroffenheit das Grabmal initiiert haben. „Die Eltern wissen jetzt genau, wo ihr Kind begraben ist“, sagt Anita Stadler, „außerdem treffen dort einander Menschen, die sich in der gleichen Situation befinden und sich gegenseitig stützen oder Erfahrungen austauschen können“.
[67] Kurztextseite 1 von Norbert Fischer, Kurztextseiten 2–5 von Ulrike Kammerhofer-Aggermann unter Verwendung eines Artikels von Eva Kuchner-Philipp, Stadt:Leben, November 2004, S. 8–9.