Josef Brunauer, Hochzeitslader, pensionierter Zuchtwart, gab Marina Wimmer am 13. Juni 2003 im Referat Salzburger Volkskultur ein Interview.
Da hat sich, um ehrlich zu sein, kaum etwas geändert oder gar nichts geändert, weil ja die ganze Zusammenstellung der Hochzeit mit dem Hochzeitslader gemacht wird. Es wird über alles gesprochen – das ganze „Drumherum“ – von der Bekleidung bis zur Gestaltung in der Kirche, alles.
Ich fange einmal mit Hochzeitssprüchen an, als Einleitung:
„Wüst gschimpft werdn muast heiratn, wüst globt werdn muast sterben.“
„Geht’s heiratn guat is mitta, wie gonz guat geht’s nia.“
„Wo’s Weib des Regiment hot, geht da Hergott hintern Haus vorbei, damit ma eam nix onschofft.“
„Zwischen – ‚I mog di gern’, oder – ‚I mecht di gern’ is a großer Unterschied.“
„Oiwei miaßen is genauso schlecht ois wia nia derfn.“
Zum Hochzeitslader selbst, im nördlichen Flachgau heißt er sogar Prokurator. Er hat den Ablauf der Hochzeit einzuteilen, muss den Bräuchen kundig sein und wissen wann was wie zu geschehen hat. Eine laute Stimme muss er haben und ein sicheres Auftreten war wichtig, sonst wird er nicht akzeptiert. Er hat auch für Ruhe und Ordnung zu sorgen und hat eine „Polizeifunktion“ nach dem Wirt. Der Hochzeitslader war gewissermaßen ortsbekannt, oftmals hat er eine Zweitfunktion als Totengräber – das ist heute im Flachgau teilweise noch so, oder Kirchenplatzschreier, das hat es bei uns noch bis in die 80er-Jahre gegeben, nach der Kirche hast er ausgeschrieen, was diese Woche wichtig ist. Bekleidung: trachtig mit Hochzeitsladerstecken und Büschel; Grün, Rot, Blau sind die drei Hauptfarben.
Bei den Kreistänzen war es gut, wenn der Hochzeitslader mitten drinnen steht, da geht nachher nichts schief. Oftmals war früher das Tanzen die einzige Möglichkeit zum Kennenlernen. Der Bua darf das Dirndl in der Hand haben, mit ihr scherzen und dabei gesehen werden. „Beim Plattler hupft der Bua grod so wia der kloa Hoh am Schneefeld bei der Balz und der Juchaza is nix onders ois a Liebsgsangl fürs Dirndl – a Kroftzoagn, a Schneidzoagn, a Zoagn wie fesch das i bin!“
Die Hochzeit selbst: Hochzeiten gab es durchwegs am Montag. Ich habe 1964 angefangen und da waren die Montaghochzeiten noch üblich. Das hängt mit der damaligen Kirchenordnung zusammen, wo an Sonn- und Feiertagen keine festlichen Hochzeiten gehalten werden durften. Ausnahmen waren Ostermontag und Pfingstmontag. Es hat eine eigene Hochzeitsverordnung gegeben, eine bischöfliche: nicht mehr als dreißig Gäste freihalten, nicht mehr als drei Hauptessensgänge und nicht mehr als ein Fass Wein. Das hat der Bischof deshalb tun müssen, weil sich die Jungbauern früher verprotzt haben, also in Schulden bei der Hochzeit hineingestürzt haben. Zwischen 60 und 30 Leute sind am Brauttisch frei und die anderen zahlen das Mahl selbst. Bei unseren angrenzenden Bayern ist das heute noch so.
Dass die Hochzeitsbräuche ortsgebunden sind, in jedem Ort ein Hochzeitslader ist und an Gebräuchen nichts mehr verloren geht – das wäre mein Wunsch. Eine Hochzeit, wie ich es gewohnt bin – es soll nur als Beispiel sein und nicht als Verpflichtung gelten, einfach, wie ich es gewohnt bin –, läuft so ab: Die Brautleute reden sich mit dem Hochzeitslader zusammen, wann wie und was geheiratet wird: Hochzeitsbüschel, Einladung, Musik, Wirt, Zeit. Zeit ist ganz etwas Wichtiges: man hat zum Heiraten heute nicht mehr Zeit, es muss alles so schnell gehen. Zusammenkommen zur Würstlsuppe gibt es daher schon selten. Oder das Wirtssterben ist heute auch schon oft, die Kirchenwirte sind einfach nicht mehr da. Die Trauung selbst kommt von „trauen“, ich traue mir selbst etwas zu – Zutrauen, Vertrauen, Misstrauen. Ich traue mir zu und traue dir zu, dass wir miteinander durch das Leben gehen können. Durch Freud und Leid, durch dick und dünn. Wir vertrauen auf unseren Schöpfer, dass er uns die Kraft dazu gibt, wir sagen ja: „heilige Handlung“.
Der Hochzeitszug, wie er bei uns gebräuchlich und überliefert ist, schaut so aus: Vorne die Musik, Vereine Hochzeitsbuben und Hochzeitsdirndln, Kranzlbraut und Kranzlbua – er auf der rechten, sie auf der linken Seite –, dann kommt die Braut mit dem Pfarrer oder mit dem Papa, dann kommt der Hochzeiter mit seinem Beistand (meistens der Vater), dann die Mütter des Brautpaares, Großeltern, Gödnleit, Männer und Frauen. Ein Spruch beim Aufstellen: „Die Junga voro, die Oiten hint dro und wias Brauch un Sitt, die Brautleit in da Mitt.“ Da hat man die Mitte, in die Mitte nehmen – ein Schutzfaktor. Sind kleine Vorprangerinnen da, die die Blumen streuen und die Kerzen und Ringe tragen, lässt man sie vor der Braut gehen. Es geht oft der Vater mit der Braut in die Kirche, was auch eine alte Überlieferung ist – der Vater entlässt die Tochter ins Leben und vertraut sie ihrem Manne an. Die Musik spielt zur Kirche, die Schüsse der Schützen, nicht zu viel, es lässt sich leicht übertreiben. Betonung ist gut, Übertreibung ist schlecht.
Nach der Trauung geht man zum Wirt. Der Brauttisch ist gekennzeichnet: Blumenschmuck, Vasen, Lichter, Tischkarterl. Rechts vom Bräutigam sitzt die Braut, vis-à-vis sitzen Kranzlbub und Kranzlbraut – und da ist die Kranzlbraut links vom Bubn, als Schutzfunktion. Bei den anderen Tischen muss nicht gekennzeichnet sein, das macht der Hochzeitslader normalerweise selbst. Wenn es möglich ist, wird gleich mit dem Suppentanz angefangen, wo jeder mit jedem tanzt. Vor dem Essen wird gebetet, was entweder der Pfarrer oder der Hochzeitslader macht. Gegessen werden Kalbsbraten, Schweinsbraten, Schnitzel. In den 60er-Jahren hat es bei uns noch die Auftrager gegeben, das waren Nachbarburschen oder gute Freunde, die aufgetragen haben, damit es schnell geht, das war freundschaftsbezogen. Heute würden es wahrscheinlich nicht mehr so viele tun, weil es ihnen zu hoch geht, das ist ja ein Dienst – heute verstehen das die Leute nicht mehr.
Nachmittags sind dann die Ehrentänze, für die Verwandtschaft der Braut, vom Hochzeiter und oftmals ist leider auch Streit angezettelt worden, ich habe das ein paar Mal erlebt. Deshalb schafft den Ehrentanz nur der Hochzeitslader an, weil das nicht mehr funktioniert hat, weil die anderen haben dann einfach der Musi etwas gezahlt – und damals war es so, dass je mehr die Musi eingenommen hat, desto besser –, heute wird das ja schon vorher ausverhandelt. Vorm Unternessen (Jause) ist es zum Gedichtaufsagen, zum „Nachmittag-Weisen“ und die Zeit zum Küchentanz, mit der Köchin und dem Koch. Das Brautstehlen ins nächstgelegene Gasthaus ist gerne um 16 Uhr 30 gewesen. Das Brautstehlen gehört dazu, aber nicht übertrieben und eineinhalb bis zwei Stunden sind genug, dann müssen sie wieder beim Wirt sein, weil sonst wieder lauter Rauschige zurückkommen. Das Abendessen ist meist ein Aufschnitt, oftmals nur für den Brauttisch. Hochzeitsfotos werden wenn möglich nach der Kirche gemacht und wenn es da nicht möglich ist, dann am Nachmittag.
Um 20 Uhr, 20 Uhr 30 ist dann die Brautübergabe gewesen und der anschließende Abdank. Das ist aber auch nicht überall so – in Salzburg rundherum ist da Gott sei Dank noch am meisten hängen geblieben, das ist nämlich eine ganz wichtige Zeremonie. Bei der Brautübergabe tanzt der Kranzlbub mit der Braut, der Hochzeiter mit der Kranzlbraut einen kurzen Walzer und der Kranzlbub übergibt die Braut an den Hochzeiter. Kranzlbub und Kranzlbraut stecken die Büschel um – auf rechts. Der Hochzeitslader erklärt den Brauch und meint, dass sie ab jetzt verheiratet sind. Es ist ein Höhepunkt bei der Hochzeit, die Leute stehen am Tanzboden herum und es ist ruhig im Hochzeitssaal, ein ergreifender Moment: die Brautleute gehen vom Tanzboden weg als Mann und Frau. Beim Abdank stehen die Brautleute neben dem Hochzeitslader an seiner linken Seite, er möchte ihnen ja auch Glück bringen und wünschen. Der Abdank besteht aus einem Glückwunsch an die Brautleute, aus einem Dank an die Verwandten und an Hochzeitsleute und Wirt, aus einem Brief (was so alles um die Hochzeit rundherum vorgefallen ist) und aus dem Hinführen zum „Weisen“ (Geschenke überreichen). Nach dem Weisen ist es für den Hochzeitslader zu Ende. „Es ist Ende der Extratantz“, seine Polizeifunktion ist aufgehoben und es beginnt die Abendunterhaltung allgemein. Um zwölf wird das Brautpaar nach einem Schlusswalzer von der Bevölkerung, die einen Kreis herum machen, hinausgespielt.
Eine Kostprobe vom Abdank; jeder Hochzeitslader hat seinen eigenen Stil entwickelt. Der Glückwunsch an die Brautleute:
„Der Hochzeitstag ist woi füa wohr der größte Tog für jedes Poar und füa den Schritt in eiam Leben mecht eich i an Wunsch mitgebn: i wünsch eich zu dieser großn Stund a Eheleben recht long und gsund, a Ringal des eich nia zerspringt, a Schicksal des eich nur Guates bringt, a Liachtl des eich oiwei brennt, a Bleamal des ka welka kennt, a Hoamgehn in a Stubn sche woarm, an gsundn Nochwuchs aufn Arm, a rechtes Wort zur rechten Zeit und minimalen Ehestreit und über alles Gottes Segen und a die Goida [Goldene Hochzeit] soits daleben, des wünsch eich i, i glaub es is gnua, was abgeht wünscht´s eich selbn dazua, ois Guate.“ Dann gebe ich ihnen die Hand. Nach diesem Glückwunsch spielt die Musik: „Hoch sollen sie leben!“
Dann kommt der Dank: es war ja früher ganz wichtig, dass für das Brautpaar jemand Dankeschön sagt, aber nicht das Brautpaar selbst, also hat das der Hochzeitslader getan. „Das Brautpaar bedonkt si durch meina recht sche bei olle Leit füars Hochzeitsgeh, bei Eltern, Gschwistern, Verwandte, Nachborn, Freunde, guat Bekannte, einzeln konn i koanen nenna, gedankt sei jedem füa sei Kemma.“ Dann macht die Musi wieder einen Tusch. „Bei Musileit, bei Prangerschützen, beim Wirt und seine Leit, die schwitzen, beim Fotografen, Taximeter und bei St. Petrus für des Wetter.“ – Tusch –. „A Brautpaar sche fesch, a Musi sche resch, die Leit in der Tracht, es wird gjuchazt und glocht, es wird tanzt und wird gsunga und da Tog is glei umma.“ – Tusch – Und da schicke ich das Brautpaar wieder zum Brauttisch. Jetzt kommt der Hochzeitsbrief, er soll ein wenig spitz sein, aber nicht beleidigend. Hier ein Auszug davon: „Die zwoa lernen sie kenna und im Herz tuats ea brenna, sand a Johrl beinonnt, i woas eh net, obs glongt, des is nur das ma redt, verheirat woans net.“ – Tusch – „Und der Mo schofft o und was sie wüh, des wird to und bei de zwoa, oh mei, do wird’s grod a so sei. – Tusch – „Und die Godn hot recht, dass gheirat werdn mecht jetzt wa netta no Zeit und jetzt kamman die Leit. – Tusch - „Und die Leit wünschen eian Segen und tun Weisheit hergeben und so is a koa Gfrohr, dass ses aushebt die zwoa. – Tusch – „Und Leit sand vü do und es geht niamti wos o, ja und wos weiderbracht hobn, sehns beim Zamrechnen donn. – Tusch – „Jo freili wird’s a Brautnocht geben, sie hobn ja gheirat ah, der Christian trogts durch die Tüa und sogt ‚du bist ma z’ schwar’.“
Das Hinführen zum Abschluss ist etwas Besinnlicher, zum Beispiel: „Zwoa Leitln sogn ja und i bin füa di da, i geh mit dir durchs Leben mit mein Nemma und Geben.“ „Des Glück is a Vogal, gor liab, aber scheu, es losst sie schwar fonga und fortgflogen is glei. Derts des Vogal guat hoiten, losst’s es net ausn Haus, ihr kennt’s es nimma dafonga und’ s Glück is donn aus.“ Der Abschluss ist ein bisschen witzig und doch ein Wunsch, zum Beispiel: „Bei der Hochzeit do draht si hoit vü umman Brauch, in der Kuchi wird kocht und es draht si im Bauch, i drah mi donn außi, für mi is jetzt goa, denn beim Weisengehn draht sie sie rein um die zwoa.“ – Tusch – „I donk fürs Mittoan aus Disziplin, hoffentlich worts a olle zfriedn, donn nu an Wunsch, an gonz an kloan: kemmt’s nochher olle guat hoam.“
Es gibt immer hervorstechende Hochzeiten. Ich hatte eine Hochzeit vor etwa 10 Jahren, da bin ich überraschenderweise für einen Hochzeitslader eingesprungen, eine reine Trachtenhochzeit, die alle Bräuche gekannt haben. Das war faszinierend, weil die Leute alles gekannt haben und gewusst haben, wie alles abläuft. Diese Hochzeit ist mir gewaltig gut in Erinnerung. Eine von den letzten Hochzeiten, die war in Holzhausen; es waren sehr viele Leute da, 350 bis 400 Leute, ich war etwas skeptisch weil so viele Leute da waren. Aber es ist alles genau nach Plan abgelaufen. Eine Hochzeit muss eine Ordnung haben, dass das Brautstehlen nicht zu lange dauert, dass man die Brautleute auch sieht, usw. So ist es bei uns immer üblich.