Peter Windhofer, Direktor der St. Johanner Volksschule am Dom, gab Marina Wimmer am 10. Juni 2003 in Salzburg ein Interview.
Es lässt sich fast alles mit der Gegenwart verbinden – auch Volkslieder und Volkstänze werden natürlich gelebt und sind kein Gegensatz. Derselbe Lehrer, der ein Volkslied singt, kann im nächsten Augenblick auch ein rhythmisches afrikanisches Lied singen oder ein Lied in einer anderen Sprache. Die Dinge stehen einfach, wenn sie sich nicht miteinander verbinden lassen, nebeneinander und sind als solche akzeptiert – da gibt es kein Problem.
Natürlich können zwischen unterschiedlichen Volksgruppen Probleme entstehen, aufgrund verschiedener Religionen und Traditionen – wir haben auch sehr viele Flüchtlinge, die aus extremen Krisengebieten kommen. Aber das sind übliche Themen, die in vielen Schulen und in der Gesellschaft auftauchen. Das hat nicht speziell mit unserer Schule zu tun hat. Dass wir die Tradition hier stärker pflegen – das ist nicht der Fall –, und viele Dinge passieren von selbst. Wenn Lehrer zum Beispiel bei dem Projekt „Mit allen Sinnen“ dabei sind, so geht das auf die ganze Schule über und dann arbeiten alle in diesem Bereich mit. Im gleichen Maße arbeiteten wir (in den Jahren 2000 bis 2004) zum Beispiel an einem von der EU geförderten Comenius-Projekt: „water, a lot in common“ mit einer Spanischen, Irischen, Polnischen und Deutschen Schule an einem fächerübergreifenden Großprojekt zusammen. Dies sind nur zwei Beispiele von konkreten Projekten, die die Offenheit der Schule einerseits, aber auch das Traditionsbewusstsein anderseits zum Ausdruck bringen.
Natürlich finde ich, dass das zeitgemäß ist. Der Jahresablauf spielt für alle Menschen eine große Rolle und wir alle orientieren uns an diesen Bräuchen und Abläufen, egal ob das den Brauch an sich betrifft oder einfach Gewohnheiten, die die Jahreszeiten mit sich bringen. Dieser jahreszeitliche Rhythmus ist für alle Menschen sehr wichtig und nicht als rückständig oder nicht zeitgemäß zu betrachten, sondern gerade das ist zeitgemäß. An Bräuchen im Jahreskreis gibt es den Osterfestkreis, den Weihnachtsfestkreis, aber auch andere Bräuche, die im Unterricht behandelt und bewusst gelebt werden. Alle Lehrer arbeiten in den Bereichen Sachunterricht, Deutsch (Gesamtunterricht) an diesen Themen. Wo es möglich ist, werden Bräuche auch in der Schulgemeinschaft gelebt (religiöse Feste, Geburtstage …). Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt dabei naturgegeben im christlichen Festkreis, der den Schulalltag das ganze Jahr über begleitet. Wenn es möglich ist, nehmen wir Rücksicht auf Andersgläubige. Die islamische Fastenzeit Ramadan wird im Klassenverband zwar nicht gefeiert, aber die islamisch gläubigen Kinder bekommen selbstverständlich schulfrei, um in ihren Familien feiern zu können – das Nebeneinander ist auch hier kein Problem.
Das Projekt „Mit allen Sinnen“ zum Beispiel beinhaltet Volkstanz und Volkslied. Nationale und internationale Volkstänze wurden von den Kindern gelernt. Dabei lernten türkische Kinder österreichische Tänze, genauso wie österreichische Kinder einen türkischen Tanz oder andere nationale Volkstänze. Dieses Projekt ist sowohl bei allen Eltern als auch bei den Kindern sehr gut angekommen. Ein anderes Projekt, bei dem alle Lehrer und Schüler dabei waren, war ein Volkslieder-Singtag in Verbindung mit einer Almwanderung. An mehreren Stationen wurden mit den Eltern, Schülern und Lehrern Volkslieder gesungen. Hier lag der Schwerpunkt des gesungenen Liedgutes auf dem österreichischen Volkslied. Trotzdem sich an diesem Projekt weniger fremdsprachliche Kinder beteiligten, war der Tag mit einer Gesamtteilnahme von ca. 350 Personen ein voller Erfolg.
Bezüglich des Vorhandenseins verschiedener Kulturkreise und des Eingebundenseins der verschiedenen Kulturkreise in St. Johann kann ich sagen: Wo Hilfen einer Eingliederung und Information durch die Schule möglich sind, werden diese gegeben. Wir haben mit Menschen anderer Nationalitäten oft sprachliche Probleme zu bewältigen – manche lernen schneller, manche langsamer, oft gibt es Anpassungsschwierigkeiten aufgrund eines Kulturschocks. Der Zugang zur Sprache ist die Grundvoraussetzung, dass sich die Menschen im Einleben in unsere Gesellschaft leichter tun, was aber nicht heißt, dass sie alle Gewohnheiten unserer Gesellschaft annehmen sollen oder gar müssen, sondern ihre Tradition weiterleben können. Aber vieles im Miteinander läuft eben über die Sprache. Wir haben zu diesem Thema verschiedene Aktivitäten in unserer Schule gesetzt, auch in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Integrationsverein. Um den Schulbeginn für Schüler und Eltern fremder Muttersprache sinnvoll zu gestalten, sind bei den Informationsveranstaltungen und bei der Schuleinschreibung auch Dolmetscher anwesend. Schriftliche Informationen der Schule werden auf Türkisch, Russisch, Albanisch, Serbokroatisch usw. übersetzt. Lerngruppenabende für Eltern und Kinder werden von unserer Schule kostenlos angeboten. Zum Großteil ist das Interesse aus den anderen Volksgruppen sehr groß, aber es kommt auch vor, dass das Angebot zur Zusammenarbeit ignoriert wird. Ob es Schwellenangst ist oder ob es andere Gründe gibt, weiß ich nicht. Manche Ausländer möchten sich schnell integrieren, manche weniger, manche haben überhaupt kein Integrationsinteresse und versuchen, in „ihrer Welt“ weiterzuleben. Integration heißt für mich aber nicht, dass die Zuwanderer ihre Tradition aufgeben sollen, sondern dass sie den Grundstein zum Miteinander legen, indem sie die Bereitschaft zum Erlernen der Landessprache bekunden. Nur über den Erwerb der Sprache führt der Weg zueinander.
Das Bemühen, Stereotypen und Vorurteile abzubauen, ist bei vielen Menschen vorhanden. Manchmal kann es aber durchaus sein, dass wir nicht erfolgreich sind. Es wird nicht immer möglich sein, die Wünsche und Träume in Bezug auf Integration, zu verwirklichen. Sehr oft gelingt es uns, aber leider – noch – nicht immer. Vieles von dem, was wir säen, muss erst wachsen und reifen. Die Ernte wird wahrscheinlich erst Jahre später eingefahren.