Wie wird der weibliche Körper durch das Leben in der Provinz geprägt? Welche Verhaltensstrategien von Frauen stehen damit in Zusammenhang?
Sucht man eine Antwort auf diese Fragen, dann muss man sich vor Augen führen, dass das Leben in der Provinz, jenseits größerer Städte, über Jahrhunderte hinweg ein bäuerliches und von bäuerlicher Arbeit geprägtes Leben war.
Obwohl weibliche und männliche Arbeitsbereiche weniger stark getrennt waren als in der bürgerlichen Gesellschaft, gab es geschlechtsspezifische Zuweisungen, die mit Körperbildern und Körperempfinden zu tun hatten. So wurden alle Tätigkeiten, für die eine gebückte Haltung notwendig war, von Frauen ausgeführt – mit den entsprechenden physischen Konsequenzen.
Neben der Arbeit waren Schwangerschaft und Geburt ein weiterer wichtiger Bereich, in dem Vorstellungen von Körperlichkeit in Verhaltensstrategien ihren Ausdruck fanden. Laut katholischer Überlieferung wurden Frauen durch Schwangerschaft und Geburt „unrein“ und mussten, nachdem sie das Kind zur Welt gebracht hatten, vom Pfarrer ausgesegnet werden. Diese Zeremonie vor versammelter Gemeinde wurde von vielen Frauen als peinlich und demütigend empfunden.
Auch gab es nach der Geburt kaum eine Schonfrist, was die Arbeit am Hof betraf. Fast alle Mägde und die meisten Bäuerinnen mussten schon kurz nach dem Wochenbett wie gewohnt arbeiten.
Das Lungauer Sprichwort, eine Kindbetterin liege auf der Friedhofsmauer, umschreibt die Gefahren, die schwere Arbeit und mangelnde medizinische Versorgung für schwangere Frauen bedeutete. Ein Rückschluss auf das Verhältnis zur Sexualität, das bei diesen drohenden Konsequenzen kaum sehr positiv gewesen sein kann, ist erlaubt.
Mit dem Ersten Weltkrieg und der kriegsbedingten Abwesenheit vieler Männer, die zu einer stärkeren Arbeitsbelastung der Frauen, aber auch zu einem neuen Selbstbewusstsein führte, kam es zu neuen Bildern des weiblichen Körpers.
Schon vor dem Krieg hatte sich durch den Tourismus die Wirtschaftsstruktur der alpinen Regionen geändert; die Wintersport-Begeisterung vieler Touristen und Touristinnen führten auch den einheimischen Frauen die Möglichkeiten eines anderen Umgangs mit dem Körper vor Augen.
War es 1910 noch eine Gräfin Lamberg, die „in vorzüglicher Haltung als anmutige Konkurrentin“ an Wettbewerben des Schiklubs Zell am See teilnahm, so war in der Generation der im Krieg Geborenen die sportliche Betätigung schon allgemein üblich geworden. In den 20er- und 30er-Jahren waren es häufig Frauen aus bäuerlichen Familien, die bei Skiwettkämpfen sportliche Erfolge errungen und so breiteren Bevölkerungsschichten als Vorbild dienten. So stammte die erste österreichische Ski-Olympiasiegerin Trude Jochum-Beiser, die nach dem Zweiten Weltkrieg insgesamt fünf Medaillen gewann, aus einer bäuerlichen Großfamilie vom Arlberg.