Frauen, die reisen, hat es immer gegeben. Und zumindest so weit es sich zurückverfolgen lässt, standen reisende Frauen immer etwas außerhalb der Norm. Dies hat mit dem Gegensatz von Öffentlichkeit und Privatheit zu tun, dessen geschlechtsspezifische Besetzung uns seit der bürgerlichen Gesellschaft als so selbstverständlich erscheint: Während Männer immer schon den öffentlichen Raum besetzten und somit auch für die Eroberung der Fremde, das Abenteuer und die Sehnsucht nach der Ferne zuständig waren, galt als traditioneller Bereich der Frauen das Private, Häusliche, die Familie und der Haushalt. Gerade aufgrund dieser traditionellen Zuteilung war das Reisen – die Fremde, das „Leben in Bewegung“ – für Frauen häufig eine Möglichkeit der Flucht vor den Zwängen, denen sie zu Hause ausgesetzt waren: der sozialen Kontrolle; dem Zwang, gesellschaftlichen Normen zu gehorchen; den Verpflichtungen von Elternhaus oder eigener Familie.
Dies begann nicht etwa erst in der bürgerlichen Gesellschaft des 18. und 19. Jahrhunderts, schon unter den mittelalterlichen Wallfahrern befanden sich etwa 30 % bis 50 % Frauen.[2070] So pilgerte etwa um 1072 die erste deutsche Frau, Richardis von Sponheim, nach Santiago de Compostela, einem der bedeutendsten Wallfahrtsorte des Mittelalters.[2071] Waren die Wallfahrten zunächst als Bußreisen gedacht, so entwickelten sie sich mit der Zeit zu gesellschaftlichen Ereignissen, die auch dem Schließen von Bekanntschaften oder der Anbahnung von Ehen dienten. Gerade wegen dieser gesellschaftlichen Funktionen geriet die Pilgerfahrt für Frauen, insbesondere die, die in weiter entfernte Wallfahrtsorte führte, immer mehr in Verruf.[2072] Papst Gregor XII. verbot den Frauen die Jerusalemfahrt, Ordensschwestern durften schon seit dem 8. Jahrhundert keine Wallfahrten mehr unternehmen, andere Einschränkungen und Verbote folgten.[2073]
Trotz der Befürchtungen in Hinblick auf die öffentliche Moral und der zahlreichen Verbote gingen viele Frauen nach wie vor auf Pilgerfahrt. Der Pilgerbericht von Margery Kemp, die um 1373 in Norfolk – im heutigen Großbritannien – geboren wurde, zeugt davon. Sie heiratete im Alter von etwa 20 Jahren, brachte 14 Kinder zur Welt und entschloss sich 1413 zu einer Pilgerfahrt ins Heilige Land. Nach zwei Jahren kehrte sie nach England zurück, unternahm aber immer wieder neue Reisen: Santiago de Compostela, Norwegen, Danzig, Aachen waren weitere Ziele. Als sie in den 1430er-Jahren einem Priester ihre Erinnerungen diktierte, war sie 60 Jahre alt und hatte die letzten 20 Jahre ihres Lebens hauptsächlich fern der Heimat verbracht. Sie schilderte die schönen Aspekte ihrer Reisen ebenso wie den schwierigen Charakter mancher der religiösen Mitreisenden und die immer wieder gleich auftauchenden Probleme innerhalb der Gruppen von Wallfahrern.[2074] Ihr Text geriet im 16. Jahrhundert in Vergessenheit und wurde erst 1934 wieder entdeckt.
Aber nicht nur im Mittelalter, auch zu späteren Zeiten waren Pilgerfahrten ein willkommener Anlass oder ein Vorwand, der häuslichen Enge unter dem Vorwand der Religion zu entkommen. So unternahm etwa Ida Pfeiffer (1798–1858), die berühmte, aus Wien stammende Weltreisende des 19. Jahrhunderts, ihre erste Reise als Pilgerin ins „Heilige Land“[2075] bevor sie es, als Reiseschriftstellerin anerkannt, wagen konnte, auch ohne äußere Begründung zu reisen. Wallfahrten in die nähere Umgebung des Heimatortes, zu Grabes- oder Marienkirchen, zählten ebenfalls lange Zeit zu den religiösen Bräuchen, die sakrale Momente mit gesellschaftlichen verbanden. Die Wallfahrten selbst und die anschließenden Kirtage dienten häufig zur Anbahnung von Beziehungen zwischen den Geschlechtern, für die es im Heimatort keinen sozialen Ort gegeben hätte.
Maria Sibylla Merian, die nach längerer Ehe und dem Leben in einer urchristlichen Gemeinschaft in den Niederlanden im späten 17. Jahrhundert als Forschungsreisende nach Surinam ging und durch ihre Kupferstiche exotischer Schmetterlinge, Insekten und Pflanzen Berühmtheit erlangte[2076] war ebenso eine Ausnahme wie Lady Mary Montague, die im frühen 18. Jahrhundert ihren Ehemann begleitete, der englischer Botschafter am osmanischen Hof wurde, und die in ihren Schriften auch ein Sittenbild des Wiener Hofes dieser Zeit zeigt. Montague war allerdings in jeder Hinsicht privilegiert. Sie gehörte nicht nur der sozialen, sondern auch der intellektuellen Elite an, sprach mehrere Sprachen (z. B. erlernte sie in ihrer Zeit in Konstantinopel in kürzester Zeit Türkisch) und war unter anderem mit Alexander Pope befreundet, an den sie auch einige ihrer Reisebriefe richtete. Dass diese nach ihrem Tod 1763 veröffentlicht wurden, ist dem Einsatz der Freunde zu verdanken, an die sie gerichtet waren und die den Reiseschilderungen der Botschaftergattin einen hohen Erkenntniswert zugemessen haben. So schrieb etwa ihre Freundin Lady Astell:
„Ich bin, ich bekenne es, boshaft genug, zu wünschen, daß die Welt sehen möge, wie die Damen weit besseren Nutzen aus ihren Reisen zu ziehen wissen als die Herren, daß, da die Welt mit Männerreisen bis zum Ekel überladen worden ist, die alle in dem nämlichen Ton geschrieben und mit denselben Kleinigkeiten angefüllt sind, eine Dame die Fähigkeit hat, sich eine neue Bahn zu eröffnen und einen abgenutzten Stoff mit einer Mannigfaltigkeit von neuen und zierlichen Bemerkungen zu verschönern.“[2077] Die meisten von Montagues Briefen schildern die Sitten und Lebensgewohnheiten des Landes und seiner Bewohner – so verschleiert sie sich etwa nach Sitte des Landes, um das Leben der Frauen besser studieren zu können, und sie misst dem Status der türkischen Frauen einen weit höheren gesellschaftlichen Rang ein als dem ihrer englischen Landsfrauen, was nach zeitgenössischen Maßstäben ebenso ungewöhnlich war, wie es uns heute erscheint.
Waren die Reisebriefe von Lady Mary Montague im frühen 18. Jahrhundert noch eine Seltenheit, so gab es seit der Aufklärung immer mehr Frauen, die ihre Erfüllung im Reisen fanden. Im Zuge von romantischer Natursehnsucht und Freiheitswillen mehrten sich im 19. Jahrhundert die Versuche, gegen die durch die Definition des weiblichen Geschlechtercharakters festgelegte Rollenzuschreibung zu rebellieren. Reisen und darüber schreiben war für viele Frauen der Weg, der scheinbar vorbestimmten Beschränkung auf die Enge des heimatlichen Haushalts zu entrinnen.
Neben dem Vorwand der Religionsausübung war die Sicherheit des Reisens in Pilgergruppen ein wichtiges Moment in der Tabuisierung des Reisens für Frauen. Die Gefahr von Raub und Diebstahl und die Bedrohung durch mögliche sexuelle Übergriffe machten ebenso wie Kutschenunfälle das Reisen unsicher. So schrieb Eva König 1772 über ihre Reise von Hamburg nach Wien: „So viele Hindernisse, wie wir auf dieser Reise angetroffen, mit solchen Beschwerden und Gefahren verknüpft, habe ich in meinem Leben nicht ausgehalten. Es lassen sich wenig Unfälle mehr denken, die uns nicht schon alle begegnet sind. In 36 Stunden haben wir zwei neue Achsen und zwei Stangen zerbrochen; die Pferde sind mit uns durchgegangen, und haben über solche Graben und Hügel gesetzt, daß wir nichts anders als den schrecklichsten Tod vor Augen sahen, bis endlich, da sie eben wieder über einen tiefen Graben setzen wollten, die Stränge des einen Zugpferdes rissen. Zu unserm größten Glück! Denn dadurch verloren sie die Macht, über den Graben zu setzen, und kehrten auf die andere Seite um, wo uns Bauern zu Hülfe eilten, die sie auch glücklich erhaschten.“[2078]
Eva König, die Verlobte von Gotthold Ephraim Lessing, war Witwe. Ihr erster Mann hatte ihr Seiden- und Tapetenfabriken hinterlassen, die sie verwaltete und leitete. In dieser Angelegenheit unternahm sie mehrmals geschäftliche Reisen, unter anderem zweimal nach Wien. Sie reiste – wie viele Frauen nach ihr – in der öffentlichen Postkutsche und damit noch sehr viel „öffentlicher“ als adelige Frauen ihrer Zeit, die in einer Privatkutsche unterwegs waren. Sie konnte sich ihre Reisegenossen, mit denen sie auf engstem Raum eingezwängt war, nicht aussuchen und war dabei von Hamburg nach Wien immerhin sieben Wochen unterwegs.[2079]
Im 19. Jahrhundert war das Reisen für Frauen zwar alles andere als allgemein üblich, erfreute sich aber doch wachsender Beliebtheit. Seit der Aufklärung gab es immer mehr Frauen, die intellektuell und schriftstellerisch tätig waren und Briefe, Tagebücher und Autobiografisches veröffentlichten. Daraus entwickelten sich literarische Mischformen wie Brief- oder Tagebuchromane, eine weibliche schriftstellerische Kultur entstand.[2080] Dies bot die Gelegenheit, auch Erlebnisse auf Reisen schriftstellerisch auszuschlachten. Annegret Pelz hat in ihren Arbeiten der Frage des Davor, des auslösenden Moments für die Reisen, besondere Bedeutung geschenkt. Für Fanny Lewald etwa war ihr restriktives Elternhaus, ihr Vater, der ihr jede Tätigkeit außerhalb des Hauses und jede intellektuelle Beschäftigung verbieten wollte, ein wichtiger Grund für die Entscheidung, als Reiseschriftstellerin ihr Leben zu fristen.[2081] Sie erlebte dies als Befreiung, ebenso wie Ida Hahn-Hahn, die nach langem Zögern aus einer unglücklichen Ehe floh. „Furcht habe ich nicht einen Augenblick empfunden, und ebenso wenig die momentane Desperation gekannt, die uns ausrufen lässt: ‚Hätte ich das doch nie unternommen! ‘ Bei der ganzen Sache ist nur Eines mir schwer geworden: zum Entschluß zur Reise zu kommen.“[2082] Johanna Schopenhauer, die Mutter des Philosophen, reiste nach dem Tod ihres Ehemannes (1805), nur um sich dann in der Kritik ihres Sohnes wiederzufinden, der das freie Leben seiner Mutter nicht billigte.
Sie alle verdienten mit ihren Reiseberichten Geld, für die Wienerin Ida Pfeiffer aber wurden die Reisen Auslöser für eine regelrechte schriftstellerische Karriere. Sechzehn Jahre lang finanzierte der Erlös von jedem ihrer Reisebücher ihre nächste Reise, und obwohl sie ihre „Reise ins Heilige Land“ noch als „Pilgerfahrt“ verbrämte, war auch sie männlicher Kritik ausgesetzt. In ihrem ersten Buch paraphrasiert sie einerseits die männlichen Vorurteile der Zeit, die den Frauen vor allem die Widerstandskraft für anstrengende Reisen absprachen, gleichzeitig aber auch die tatsächlichen Gefahren, die das Reisen auch mit sich brachte: „Höchst lebhaft stellte man mir all die Gefahren und Beschwerden vor, die den Reisenden dort [in Konstantinopel] erwarten. Männer hätten Ursachen zu bedenken, ob ihr Körper die Mühen aushalten könne und ob ihr Geist den Mut habe, dem Klima, der Pest, den Plagen der Insekten, der schlechten Nahrung usw. kühn die Stirn zu bieten. Und dann erst eine Frau! So ganz allein, ohne alle Stütze hinauszuwandern in die weite Welt, über Berg und Tal und Meer, ach, das wäre unmöglich.“[2083]
Ida Pfeiffer hatte es 1842, nach einer Ehe und der Erziehung zweier Söhne, gewagt, sich als „ältere Dame“ ihrem Jugendtraum, dem Reisen, hinzugeben. Sie bereiste Südamerika, China, Singapur und Ceylon, Vorderindien, Persien, Armenien und Griechenland, Borneo, Peru und Ecuador, Nordamerika und die kanadischen Seen. Als sie fast 60-jährig Südafrika besuchen wollte, wurde sie auf Madagaskar in politische Unruhen hineingezogen, musste unter schwierigsten Bedingungen durch den Urwald fliehen, zog sich eine Infektionskrankheit zu und trat deshalb die Rückreise nach Wien an. Kurz nach ihrer Rückkehr starb sie am Madagaskar-Fieber.
Leider sind aus dem Salzburger Raum nur wenige Quellen über reisende Frauen überliefert – aus der Zeit vor dem 19. Jahrhundert praktisch gar keine. In den 1830er-Jahren bereiste Frances Milton Trollope Österreich. In ihren Reisebeschreibungen kommt Salzburg allerdings nur am Rande vor. „Ich vermuthe indeß, daß die große Bewunderung, die man stets für Salzburg ausdrückt, weniger der Stadt selbst als dem Lande Salzburg gilt, welches, wie uns unser Reisebuch versichert, das Eldorado der Landschaftsliebhaber sein soll.“[2084]
Die Salzburgerin Marie Andeßner (1833–1906) besuchte ähnliche Reiseziele wie Ida Pfeiffer: Südamerika, die USA, Südostasien, China – sie „besuchte alle fünf Erdteile, und zwar meistens allein und ohne jede Begleitung“, wie es in ihrem Nachruf in der „Salzburger Zeitung“ heißt.[2085] Auch sie war nach Maßstäben ihrer Zeit mit über 60 Lebensjahren schon eine ältere Dame, als sie ihre erste Reise antrat, auch ihre Reiseberichte wurden – in der „Salzburger Zeitung“ – veröffentlicht. Es gab allerdings zwei wesentliche Punkte, die sie von Ida Pfeiffer unterschieden: Marie Andeßner war als Tochter eines Lederwarenfabrikanten äußerst wohlhabend, konnte sich also eine exklusive Form des Reisens leisten, und sie war unverheiratet und kinderlos, hatte also keine Kritik der eigenen Familie zu befürchten. Der wesentliche Unterschied lag aber in der Art des Reisens: War Ida Pfeiffer noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts mehr oder weniger als Abenteuerreisende unterwegs gewesen, so reiste Marie Andeßner gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Touristin. Sie nutzte die neue Infrastruktur von Hotels und Bahnverbindungen und beschrieb die Sehenswürdigkeiten, die schon im „Baedecker“ empfohlen waren. Dieser war schon 1839 nach dem drei Jahre zuvor erstmals publizierten englischen Reiseführer „Murray’s“ erstmals erschienen – als erster Band einer über das Rheinland; Ausgaben über exotische Länder folgten der kolonialen Eroberung fremder Weltgegenden auf den Fuß.[2086]
An Andeßners Texten fällt vor allem auf, dass die meisten quasi in die dritte Person transkribiert worden sind – obwohl zweifelsohne direkte und sehr lebendige Berichte vorlagen. Inwieweit vom – männlichen – Redakteur in den Text eingegriffen wurde, und was die Motivation für die Änderung war, wissen wir nicht; die Originale sind nicht überliefert. Aber auch die in der „Salzburger Zeitung“ abgedruckte Version zeigt genuin die Erlebnisse einer wohlhabenden Touristin an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. In den folgenden Ausschnitten, die auch deshalb etwas ausführlicher gestaltet sind, weil Andeßners Reisebeschreibungen bis jetzt nicht veröffentlicht wurden, zeigt sich die Vielfalt ihrer Reisen und ihrer Texte, aus denen aber gleichzeitig auch die Vorurteile der Zeit sprechen: Menschen, die einer anderen Bevölkerungsgruppe als der der europäischen Einwanderer und Kolonisatoren angehören, werden kaum unter mehr als pittoresken Gesichtspunkten gesehen, die exotische Natur ist allemal wichtiger als das Elend der einheimischen Bevölkerung:
„Unsere kühne Landsmännin Marie Andeßner [...] ist [...] am 19. November v.J. [1895] nach 20tägiger Fahrt mit dem Lloyddampfer ‚Imperatore‘ in Bombay im besten Wohlsein eingetroffen. Sie verweilte dortselbst mehrere Tage, besuchte den berühmten Thurm des Schweigens, wo die Leichname der Parsis den Geiern überantwortet werden und hierauf die Insel Elefantine mit ihrer herrlichen tropischen Vegetation. Von dort begab sie sich am 25. November mit der Bahn nach Ahmedabad, einer sehr interessanten Stadt mit schönen Moscheen, dann nach Abu Road, wo sie den Mount Abu besuchte. Sechs Kulis zogen den Wagen den sich hinanschlängelnden Weg hinan, welcher durch tropische Wälder führt, die von schönen Vögeln und Affen belebt waren. Der Gipfel des Berges ist eine Sommerstation für die reichen Engländer und indischen Fürsten, die dort ihre Sommerpaläste haben. Die größte Sehenswürdigkeit ist der Dilaware-Tempel, welcher ein herrlicher Bau aus weißem Marmor ist. Von dort aus wurde Aymere am Fuße der malerischen Tagagathhills gelegen, besucht. Die schöne Residenz des Ministers liegt an einem künstlichen See, zu welchem ein Garten mit großartiger tropischer Vegetation führt. Von modernen Bauten ist das Mayo College interessant, woselbst 70 indische Prinzen im Alter von 8–18 Jahren nach englischem Muster erzogen werden. [...] Eine 12stündige Eisenbahnfahrt brachte unsere unternehmende Reisende nach Agra mit herrlichen Palästen und Moscheen. Im dortigen Gefängnisse wird eben an einem Teppiche für die deutsche Kaiserin gearbeitet. In 16 Stunden erreichte Frl. Andeßner Delhi, genannt das Rom Indiens, mit großartigen alten Tempeln. Weiter ging der Weg nach Ameritzsar, woselbst eine großartige Teppichfabrik sich befindet. Der Bazar mit Bewohnern aus fremden Ländern wie Afganistan, Bothara, Persien, Nepal u.s.w. bietet ein höchst anziehendes Bild. Dann wurde ein Ausflug nach Lahore gemacht, welches eine ganz moderne Stadt ist. Von dort fuhr Frl. Andeßner nach Umballa, dann nach Simlaroad, von wo aus man gegen Norden die schneebedeckten Himalaya-Berge gewahrt. Der weitere Weg führte nach Luknow, dann nach Benares, und am 30. Dec. wurde Calcutta, die Hauptstadt Indiens, erreicht. Nachdem alle Hotels überfüllt waren, entschloß sich die kühne Reisende schnell und fuhr am letzten Tage des Jahres 1895 in der Richtung nach Darjeeling, der schönsten, etwa 2.000 Meter hochgelegenen Sommerstation Indiens am Fuße des Dawalaghiri. Die Bahnfahrt, theils auf der normalspurigen Bahn, theils auf einer Bergbahn, dauert etwa 24 Stunden und führt im letzteren Theile durch herrliche Waldungen. Der Anblick der großartigen Berge, hierunter des etwa 9.000 Meter hohen Nunchinchinga ist großartig. Um den höchsten Berg der Erde, den etwa 9.800 Meter hohen Mount Everest zu sehen, bestieg das Fräulein den Tiger-Hill und hatte das außerordentliche Glück, diesen Riesen wolkenlos zu erblicken. Dann ging es wieder zurück nach Calcutta, welche Stadt mit ihren Palästen, Museen, botanischen Gärten u.s.w. eine Menge des Sehenswerthen bietet. Von Calcutta wird sich das Fräulein per Steamer nach Rongoon und von dort nach Mandoley, dann den Irawaddy-Fluß hinab nach Prome, von dort wieder nach Rongoon begeben, worauf sie mit dem Dampfer nach Colombo auf der Insel Ceylon fahren wird. Bisher störte nicht das geringste Mißgeschick die höchst interessante Reise. Ende März dürften wir Fräulein Marie Andeßner wieder in unserer Stadt begrüßen können.“[2087]
„Das Fräulein fuhr am 15. Jänner [1896] in vier Tagen mit dem Dampfer Calcutta nach Rangoon, welche bedeutende Handelsstadt am Irawaddy gelegen, einen schönen Anblick mit den vergoldeten Pagoden, Bananen-Palmen und Bambus-Gärten bietet, zwischen denen die Bambushütten der Eingeborenen malerisch gebettet sind. Von Rangoon aus fuhr Frl. Andeßner mit der Bahn in 22 Stunden nach Mandalay und sofort auf dem Irawaddy mit dem Dampfer Mongoum nach Bhamo. Dieser Ort wurde nach 4tägiger Fahrt erreicht. [...] Die Reisende schildert die Flussfahrt als sehr interessant. Der Irawaddy hat eine enorme Breite, derzeit aber so wenig Wasser, das der Dampfer bisweilen auf den Grund auffuhr. Die Ufer verengern sich, je mehr man stromaufwärts gelangt; man gewinnt dann die Einsicht in die rechts und links unabsehbar sich ausdehnenden Dschungeln mit Bambus, Brod- und Bananen-Bäumen, sowie Palmen. Bisweilen öffnet sich der undurchdringliche Wald, und es wird gelandet. Die Einwohner des Landes, phantastisch gekleidet, treten heraus und tauschen ihre Bodenprodukte gegen Erzeugnisse der Industrie aus. Eine chinesische Karawane kam herbei und ein lebhafter Handel wurde sofort eröffnet. Vier Stunden vor Bhamo verengern sich die Ufer so, die Felsen steigen so hoch an, so daß man in einem norwegischen Fjord zu sein glauben würde, würde nicht die tropische Vegetation und die große Hitze den Reisenden erinnern, daß er sich im Süden Asiens befindet. Am 24. Jänner fuhr das Fräulein den Irawaddy wieder flussabwärts, dann mit der Bahn nach Rangoon, wo sie sich am 1. Februar auf dem englischen Dampfer ‚Lancashire‘ nach Colombo auf der Insel Ceylon einschiffte. Die vier Tage dauernde Fahrt war bei ruhiger See eine reine Spazierfahrt. Die Reisende war entzückt gewesen von den landschaftlichen Reizen, welche die Fahrt auf dem Irawaddy geboten hatte; der Eindruck, welchen die Vegetation auf der Insel Ceylon bot, übertraf alles bisher gesehene um mehr als das hundertfache. Frl. Andeßner landete in Colombo um 6 Uhr morgens, und war sofort bezaubert von der Pflanzen- und Thierwelt. Um der heißen Sonne zu entgehen, begab sie sich in das Museum, wo sie eine Fülle des Schönen der Flora und Fauna [...] antraf. Nachmittags machte sie mit der Bahn einen Ausflug nach Mount Lavinia und war entzückt von der Fahrt, welche längs des Meeres zwischen prachtvollen Palmenwäldern führt. Zwei Tage nachher fuhr sie mit dem Wagen nach Kelanis Tempeln. Die Dörfer liegen halbversteckt zwischen Bananen-, Palmen- und Eucalyptus-Bäumen, die Einwohner sind halbnackt, aber mit malerisch drapierten Stoffen halb bekleidet, die Gesichter dieser Singhalesen sind hübsch und intelligent. [...]
Einer Einladung eines Theepflanzers, welchen die Reisende am Irawaddy kennen gelernt hatte, folgend, fuhr dieselbe mit der Bahn zu der Theepflanzung und wurde von dem Besitzer, dem Manager und dem Pfarrer erwartet. Sie besichtigte die Thee-Plantagen und die Fabriken zur Trocknung und Verpackung des Thees und begab sich hierauf in das Bangalon des Besitzers [...]“.[2088] Nur aufgrund ihres Alters konnte „das Fräulein“ so unumwunden zugeben, sich allein in den „Bangalon“ des Teepflanzers begeben zu haben. Die Exotik der von ihr bereisten Weltgegenden war allerdings nicht das einzige Interesse. Ein gutes Jahr nach der Indienreise finden wir Marie Andeßner in den USA wieder, wo die Salzburger Hausbesitzerin, ganz Kind des 19. Jahrhunderts, sich auch für die Technik von Aufzügen und Brücken und den Ertrag von Mietshäusern interessiert. Immerhin war ihr Vater am Ausbau der Salzburger Neustadt und der Rainerstraße beteiligt – sie selbst lebte lange Zeit in einer von ihrem Vater für die Familie in der Rainerstraße angelegten Villa.
„Fräulein Andeßner traf mit dem Dampfer ‚Spree‘ von Bremen in 9 Tagen in New York ein. Die Ueberfahrt war günstig, nur die letzten zwei Tage bewegten Stürme das Meer. Bei der Ankunft in New York am 24. Mai d.J. [1897] verhüllte Nebel das Land, doch bald heiterte sich das Wetter auf und die Reisende konnte sogleich den Central-Park, ähnlich dem Wiener Prater, besuchen und dort die reiche und elegante Welt spazierenfahren sehen. [...] In der Stadt sind besonders sehenswert die schönen Häuser der Familien Vanderbilt, die 10 Stock hohen Hotels in der fünften Avenue und am Central-Parke. Der Hafen ist sehr schön und sehr belebt, aber geradezu sinnverwirrend ist das Rennen und Jagen im ‚Broadway‘. Sehr interessant sind die Kabel- und Hochbahn, welche Gelegenheit bieten, die Findigkeit der Amerikaner zu bewundern. [...] Fräulein Andeßner bewunderte die Brooklyn-Bridge, welche die größte Hängebrücke der Welt ist, 2 Bahngeleise, 2 Fahrstraßen und einen breiten, erhöhten Fußweg in der Mitte der Brücke hat. [...] Von New-York begab sich Fräulein Andeßner nach Baltimore und Philadelphia und von dort nach Washington, wo sie am 2. Juni eintraf. Dortselbst besuchte sie das interessante Capitol, die herrliche Bibliothek, machte mit dem Dampfer auf dem Potomac einen Ausflug nach Mount Vernon, wo sich Washingtons Wohnhaus und Grabmal befinden. In Washington ist der Obelisk zur Erinnerung an den großen Mann, welches Denkmal 500 Fuß hoch ist. Ein Aufzug führt in fünf Minuten auf dessen Höhe. Da nachmittags 3 Uhr ein Empfang beim Präsidenten MacKinley war, machte das Fräulein denselben mit und ließ sich von ihm die Hand schütteln, gleich wie dies den vielen Hunderten, die vorbeipassiren, geschieht. Fräulein Andeßner wird sich nun nach Chicago und zum Niagarafalle und dann weiter westwärts begeben. Wir werden später Gelegenheit haben, über die Fortsetzung dieser Reise zu berichten.“[2089]
„Die Reise ging von Washington nach St. Louis, wo sich Fräulein Andeßner ein paar Tage aufhielt. Sie schildert den Eindruck, welchen die St. Louis Bridge über den Missisippi macht als großartig. Von dort begab sie sich nach Denver, woselbst der Anblick der Rocky Mountains, den man von der Kuppel des Staatshauses genießt, wunderschön ist. Die Cabelcars-Gesellschaft veranstaltet Excursions-Rundfahrten zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt und die Fahrt dauert drei Stunden. Von hier wurde in drei Bahnstunden der Ort Colorado Springs (das amerikanische Davos) aufgesucht, woselbst eine große Anzahl von Brustkranken sich aufhält. [...]
In Utah am Salt Lake besichtigte Fräulein Andeßner den Mormonen-Tempel und die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Von dort fuhr sie mit der Bahn in 36 Stunden nach St. Francisco. Von dieser Stadt ist Frl. Andeßner ganz entzückt. Der Handel und der Verkehr dortselbst sind großartig, der Ausflug zum Parke am ‚Golden Gate‘ am Ufer des Stillen Ozeans ist bezaubernd. Man findet dort herrliche Bäume, ein Treibhaus mit seltenen exotischen Pflanzen, ein Vogelhaus mit Hunderten von seltenen Vögeln, ein Museum mit interessanten Sammlungen. Auch befindet sich dort ein reizendes japanisches Theehaus. Eine besondere Sehenswürdigkeit ist das Cliff-House am Südende des Golden Gate, im Style eines französischen Schlosses erbaut mit der Aussicht auf die berühmten, nur hundert Meter entfernten Seal Rocks am Pacific Ocean. Man sieht hier zu jeder Jahreszeit Dutzende von Seelöwen sich auf den Felsen sonnen. Neben dem Cliff House sind die Suthra Baths, welche zu den größten Badeanstalten der Welt gehören. Es befinden sich dort fünf Teiche, mehr als 3 Meter tief, mit Seewasser gefüllt, das cristallrein ist. Ringsherum sind Sitze wie in einem Amphitheater arrangirt, wo 7.400 Personen Platz finden. Das Bad ist mit Glas gedeckt. Das Wetter ist schön, aber kühl.“[2090]
„Nach Besichtigung des Niagarafalls, von dessen Großartigkeit die Reisende ergriffen war, begab sich dieselbe mit dem Dampfer über den Ontario-See nach Toronto, der zweiten Stadt Kanadas mit vielen Kirchen, der Universität und schönen Gärten. Von dort ging die Reise mit dem Dampfer auf dem Lorenzo-Strome und an den Thousand Blands (1.000 Inseln) vorüber nach Montreal. Der Schluß der 30stündigen Fahrt ist wegen der vielen Stromschnellen nicht ohne Aufregung. Montreal hat unzählige Kirchen, großartige Bildungsanstalten und auf dem Alt Royal einen der schönsten Parks der Welt mit prächtiger Aussicht über die Stadt, den Hafen, den Lorenzo-Strom und die fernen Berge. Von dort ging die 12stündige Dampferfahrt auf dem Lorenzo-Strom nach Quebek. Die Stadt besteht aus altfranzösischen Häusern und man hört mehr französisch als englisch sprechen. Der Glanzpunkt ist die Frontenae-Terrasse mit sehr schöner Aussicht. Das Parlamentsgebäude ist ein imposanter französischer Renaissance-Bau. Nach 2tägigem Aufenthalte kehrte Fräulein Andeßner nach Montreal zurück und fuhr mit der Bahn nach Plattsburg am Lake Champlain mit mehr als 50 Inseln, welche alle mit Villen und Hotels besät sind, dann zum Lake George, welcher mehr als 200 solcher Inseln zählt, dann nach Caldwell und Albany, in welch letzterer Stadt sich das berühmte State Capitol befindet, das im französischen Renaissance-Style gebaut, 25 Millionen Dollars kostete. Die Säle mit Mahagoni-Vertäfelung und spanischen Ledertapeten in den Govenors Rooms, die Senate Chambers mit Eichenholzdecken und Wandverkleidungen aus mexikanischem Onyx und mit dunkelrothen Granitsäulen gehören zu den schönsten der Welt. Von dort fuhr die Reisende auf dem Hudson River in 10 Stunden nach New York. Der Hudson River wird auch der amerikanische Rhein genannt. Er übertrifft diesen zwar an Wasserfülle und Breite, aber an Schönheit der Scenerie kann er sich mit dem Rhein nicht messen. New York gefiel dem Fräulein fast noch besser als das erste Mal, da sie die Stadt auf ihrer Fahrt von Europa aus betrat. Das Fräulein ermangelte nicht, ein 16 Stock hohes Haus mit Expreß Elevator anzusehen und interessierte sich als Hauseigenthümerin dafür, daß die Häuser in New York 5–6 % und auch über 10 % tragen, was das Erträgnis der Salzburger Häuser jedenfalls weit übertrifft. Am 2. September schiffte sich unsere Reisende auf dem Dampfer Columbia des Norddeutschen Lloyd nach Hamburg ein, wo dieselbe am 11. d.M. mittags ankam. Bald werden wir das unternehmende Fräulein in unserer Mitte begrüßen können.“[2091]
Ein paar Jahre später machte Marie Andeßner eine Reise, die sie wieder nach Nordamerika und dann über den Pazifik nach Japan und Ostasien führte. „Sehr lohnend ist der Besuch des Vergnügungslocales auf dem Madison Square, welches sich auf dem Dache eines 20 Stock hohen Hauses befindet. Man fährt mittelst eines Elevators in einigen Minuten hinauf, genießt eine herrliche Aussicht über New York, hört vortreffliche Musik und verbringt dort einen angenehmen Abend. Auf der Fahrt, welche sie von dort mit der Canada Pacific Railways machte, besuchte sie neuerlich die Niagarafälle und berauschte sich an dem großartigen Schauspiele, welches die Natur hier bietet. [...]
Die Überfahrt [...] [von Vancouver in den USA nach Japan, Anm. d. Verf.] dauerte 14 Tage und war insoferne nicht ungünstig, als das Meer ruhig war. Doch herrschte durch nahezu 10 Tage Nebel und die Temperatur war so niedrig, daß das Fräulein ihre Winterkleider hervorsuchen mußte. Die Reisegesellschaft der I. Classe bestand aus 30 Personen, größtentheils Amerikanern, Engländern und Belgiern. Am 10. Tage hellte sich das Wetter auf, es wurde wieder warm und Sonntag den 2. Juli fuhr das Schiff in das Beakwater von Yokohama. Die Fremden der I. Classe wurden von dem Schiffe des Grand Hotel an das Land befördert und konnten nach flüchtiger Untersuchung ihrer Effecten im Costome-House sich in die kleinen Wägen begeben, welche, von flinken Boys gezogen, bald im Grand Hotel ankamen. Das Diner abends im Speisesaale bot ein reiches Bild. Die Herren waren entweder in Frack mit weißer Cravatte oder ganz weiß gekleidet, die Damen trugen Kleider aus rother oder blauer Seide, mit Juwelen und Blumen geziert. Am darauffolgenden Tage machte Frl. Andeßner mit den ‚Prikhaws‘ (zweirädrige von Menschen gezogene Karren) Ausflüge in die Umgebung der Stadt, welche sie als reizend schildert. Besonders gewaltigen Eindruck macht der Vulkan Fusyama, [sic!] dessen schneebedecktes Haupt weithin sichtbar ist. [...] Am 5. Juli machte Frl. Andeßner einen Ausflug nach Kamathura und beschaute sich dort die Riesen-Statue des Buddha aus Bronze, 47 Fuß hoch. Das Straßenleben ist außerordentlich mannigfaltig. Die Vertreter der verschiedenartigsten Völkerschaften mit originellen Costümen drängen sich da aneinander. [...]“[2092]
„Das Fräulein schildert ihren Aufenthalt in Tokio, einer Stadt mit etwa einer Million Einwohnern. Sie war befriedigt von dem Gesehenen. Die Tempel und ‚Shogun‘-Gräber, welche sie besuchte, zeigten in den Holzschnitzereien, den Lackarbeiten, den goldenen und ciselierten Gefäßen, den Vasen- und Blumenverzierungen die hohe Stufe der Kunst, auf welcher sich Japan von alters her befand. Im Meno Museum sind wahre Schätze aufgespeichert. Die ausgestellten Vitrinen weisen prachtvolle Gewänder, Waffen, Vasen in Cloisoné in Porzellan auf; die früheren Wägen und Tragsessel des Mikado sind von einer außerordentlichen Pracht. Nicht minder interessant ist das Waffen-Museum mit wundervollen Waffen und Rüstungen, zum Theile ganz fantastischer Art. Tokio mit seinen größtentheils nach japanesischer Art gebauten Häusern, denen verhältnißwenig, [sic!] nach europäischer Art gebaute Häuser gegenüberstehen, hat eine riesige Ausdehnung. Die niederen Stände kleiden sich durchaus nach japanischer Art, während die Männer und Frauen der besseren Stände die europäische Tracht angenommen haben. Bei schlechter Witterung benutzen alle Stände das japanesische Fußwerk, den hochstelzigen Holzpantoffel, denn die Straßen sind grundlos. Unsere Landsmännin hatte das Glück, den Mikado anläßlich der Schlußfeier, welche an der Universität abgehalten wurde, zu sehen. Er ist ein Mann von angenehmem Äußeren und saß in einem eigenthümlichen viersitzigen Wagen, welcher von zwei schwerfälligen Gäulen bespannt war. Soldaten zu Pferde mit Fähnchen an der Lanze, umgaben den Wagen, welchem etwa sechs Läufer folgten. Der Aufzug war prunkvoll, aber nicht so glänzend als jener, welchen das Fräulein bei der Auffahrt der Khedive in Cairo oder bei der Fahrt des Sultans zum Selamlik in Constantinopel beobachtet hatte. Fräulein Andeßner machte der Frau des österr. Geschäftsträgers ihren Besuch und wurde von dieser sowie von dem Geschäftsträger selbst auf das freundlichste empfangen und zum Thee geladen. Von Tokio aus beabsichtigte das Fräulein das hochgelegene Schwefelbad Mayanosita in der Nähe des früheren Vulkans Fusyama zu besuchen. Am Schlusse ihres Briefes erwähnt sie, daß vom 15. Juli [1899] ab ganz Japan den Fremden offen steht, und daß dieselben keines Passes bedürfen. Den Rückweg wird das Fräulein über China nehmen; wir hoffen seinerzeit über diesen Theil der Reise berichten zu können.“[2093]
„Das Fräulein wohnte in Kioto in dem hochgelegenen Yomi-Hotel, von welchem aus man einen herrlichen Ueberblick über die Stadt und die umliegenden Berge hat. Von den mindestens hundert Tempeln besuchte das Fräulein ein Dutzend. Sie sind nicht so schön ausgestaltet wie die von Tokio, aber ihre Lage auf den Bergen um die Stadt und die Baumgruppen daselbst sind wunderschön. Sehr hübsch ist der Ausflug zum Priwa-See und nach Nara mit alten Tempeln und einem Dammhirschen-Park. Die letzteren sind so zahm, daß sie Backwerk aus der Hand des Besuchers fressen. Von Kioto begab sich unsere Landsmännin nach Kobe. Die Stadt ist durch hohe Berge von den sibirischen Winden geschützt, hat daher eine milde Lage. Die Stadt hat vom Hafen aufwärts, welcher von vielen Schiffen besucht ist, viele europäische Häuser, aber auch ein großes, bloß von Eingeborenen bewohntes Viertel. Von Kobe aus besuchte das Fräulein Kiogo mit vielen Buddha-Tempeln, vor einem derselben befindet sich eine Bronce-Statue des Gottes. Sehr hübsch ist die Aussicht von einem Theehause daselbst, von wo aus man die Städte Kobe und Kiogo und die Insel Kishu überblickt. Auch befindet sich ein Aquarium dortselbst, welches sich aber mit denen von New York und Neapel nicht messen kann. An einem Nachmittage begab sich Fräulein Andeßner auf den Tumo-yama-Hill, von wo aus man eine herrliche Aussicht über die Gegend genießt. Auf diesem Hügel wurde im Jahre 1844 von französischen Offizieren der Durchgang der Venus beobachtet. Unsere Landsmännin war bereits von Yokohama abgereist, als ein großer Brand, welcher 3.000 Häuser einäscherte, dort ausbrach. Sie sah daher von den Verwüstungen, welche dieser Brand anrichtete, nichts mehr. Nachdem zur Besichtigung der Paläste des Mikado eine besondere Erlaubnis des Ministers erforderlich ist, wandte sich das Fräulein an den österreichischen Geschäftsträger Antoine de Goubissich-Keresztur, welcher ihr die Bewilligung zum Besuche zweier Paläste in Kioto bereitwilligst verschaffte. Das Fräulein besuchte dieselben. Sie sind von riesenhafter Ausdehnung ohne Möbel und ohne Öfen. Was wir Comfort nennen kennt der Japaner nicht. Sehenswerth sind daher nur die riesigen Eingangsthore aus geschnitztem und vergoldetem Holze, die Wände mit auf Gold gemalten Kimonas (Hängebildern), welche Blumen, Thiere und Figuren darstellen. Die geschnitzten, vergoldeten und gemalten Plafonds geben den Räumen ein sehr reiches Aussehen. Die Böden sind mit Strohmatten belegt, wie sie in Japan in den Tempeln und Häusern üblich sind. Da der Japaner auf diesen Matten auch sitzt, muß man sich überall der Schuhe entledigen. In den Palästen und Tempeln gibt es einen mäßig erhöhten Platz mit einem Brocat-Kissen für den Mikado. Kein gewöhnlicher Sterblicher darf sich diesem Platze nähern. Von Kobe fuhr Fräulein Andeßner durch die Inland-Seen nach Nagasaki. Von diesem Ort handelt die Ansichtskarte – denn auch Japan hat seine Ansichtskarten – vom 2. September. In dieser Karte schildert das Fräulein das Entzücken, welches sie bei ihrer Fahrt von Kobe nach Nagasaki, begünstigt von herrlicher Witterung, hatte, da die dortigen Seen den schönsten Landschaften beizuzählen sind.“[2094]
„Um 9 Uhr abends desselben Tages ankerte das Schiff in der Bucht von Kiautschou. Am 9. September fuhr Fräulein Andeßner mit einem Segelboote (Sampon) an das Land und stieg in dem erst eine Woche vorher eröffneten Hotel ‚Prinz Heinrich‘ ab. [...] Die Deutschen haben schon viel gethan, um mit dem chinesischen Schmutz aufzuräumen; es bleibt aber noch viel zu thun übrig. Nach dem Urtheile aller verständigen deutschen Männer machten die Deutschen mit Kiautschou eine gute Acquisition und ist der Ärger der Engländer über diese Action der Deutschen unverkennbar. [...] Nach einer Stunde Bahnfahrt kam man in Tientsin an, woselbst grenzenlose Verwirrung herrschte und unaufhörliches Geschrei der chinesischen Arbeiter sowie Händler den Reisenden begrüßte. Endlich wurde Fräulein Andeßner flott und erreichte auf einem von einem flinken Eingeborenen gezogenen Karren (Prikshaw) das Hotel ‚Aston House‘ in der Victoriaroad. Die einzige europäische Niederlassung (Settlement) besteht hier, wie überall, aus großen Kaufmannshäusern, Warenschuppen und Clubs. Die ein ganz abgeschlossenes Ganzes für sich bildende chinesische Stadt ist sehr schmutzig und lärmend; der Verkehr ist so lebhaft, daß der Passant oft längere Zeit warten muß, bis er seinen Weg fortsetzen kann. [...] Das Fräulein war unter vielen tausenden die einzige Europäerin; sie konnte sich aber an dem ganz eigenthümlichen Bilde, welches sich hier bietet, nicht genug satt sehen.“[2095]
In einem einzigen Brief verzichtet die „Salzburger Zeitung“ darauf, in die dritte Person zu transkribieren, er ist in direkter Rede veröffentlicht:
„Den 30. Jänner [1900] früh umfuhren wir die Südspitze von Ceylon und erblickten den schönen Hafen von Galle. Wir fuhren bis 2 Uhr nachmittags längs der malerischen Küste der Insel mit den vielen schönlehnigen Bergen. Als wir in die Nähe von Colombo kamen sehen wir zuerst einige Höhen mit Forts gekrönt, Palmenhaine und endlich das englische Settlement mit den Häusern der Europäer. Viele Schiffe aus aller Herren Länder ankerten im Hafen. [...] Ich fand Colombo seit meinem letzten Aufenthalte vor drei Jahren sehr vergrößert und verschönert. Auch war ich angenehm überrascht, einige mir bekannt gewordene Firmen aus Bombay und Birma zu finden. Den ersten Abend machte ich eine Rundfahrt um den hübschen See, an welchem Colombo liegt, und entlang dem Meeresufer, wo sich die elegante Welt das Rendezvous gibt. Colombo hat nun auch eine elektrische Straßenbahn nach verschiedenen Richtungen; dieselbe wird insbesonders von den Einheimischen fleißig benützt. Am anderen Tag fuhr ich in den schönen Victoria-Park, wo sich das Museum mit vielen Alterthümern der Insel und einer Naturalien-Sammlung befindet, welche namentlich schöne Schmetterlinge und Muscheln bietet. Die Eingeborenen finden sich zahlreich ein. Unter ihnen sah ich viele braune Frauen, in reiche Seidenstoffe drapirt und mit Schmuck überladen; sie bilden eine passende Staffage zu den Ausstellungsgegenständen. Man weiss nicht, was man mehr anstaunen soll. [...] In der Nähe (von Kandy) befinden sich einige singhalesische Dörfer, deren Bewohner ein gesuchtes Objekt für den Amateur-Photographen abgeben. Nachdem man auf der Veranda des Hotels seinen five-o-clock-tea genommen hat und die Sonne ins Meer sinken sah kehr man nach Colombo zurück.“[2096]
Der letzte Ausschnitt ist im Gegensatz zu vielen anderen in der ersten Person belassen worden – Marie Andeßners Stimme tritt uns hier unverfälscht entgegen:
„Kandy ist ein Hauptsitz der buddhistischen Hierarchie und man begegnet Dutzenden von in gelbe Seide gekleideten Priestern. Auch ein berühmter Tempel mit einem Zahn des Buddha befindet sich hier. Prächtige Gestalten, in reiche Gewänder gehüllt, Häuptlinge der früher hier herrschenden Fürstengeschlechter, zeigen sich in den Straßen. Den anderen Morgen reiste ich mit der Bahn nach Kandy zurück. Am 5. Februar mittags verließ ich Colombo mit dem deutschen Dampfer ‚Karlsruhe‘. Das Wetter war windig, aber schön. [...] Am 11. Februar erreichten wir Aden. Die Reise durch den indischen Ocean war eine reine Spazierfahrt, so ruhig war die See. [...] Die zwei ersten Tage im Rothen Meer waren zwar warm, aber die Hitze war nicht unerträglich, die zwei folgenden waren kühler, und als wir am 16. Februar in Suez ankamen, legten die Passagiere die weißen Tropenkleider ab und vertauschten sie gegen warme Gewänder. Es dauerte lange, bis der egyptische Doctor an Bord kam. Um die ärztliche Inspection zu vollziehen, doch dann war alles schnell beendet und das Schiff bekam libera pratica. [...] Um 10 Uhr nachts fuhren wir auf eine Sandbank auf und das Schiff legte sich auf die rechte Seite. Dennoch kamen wir mit Ausnahme vieler zerbrochener Gläser, vielen zerbrochenen Geschirrs, ohne Unfall weiter. Morgens landeten wir in Port Said. Die Stadt hat sich ebenfalls sehr gehoben, ist aber vorwiegend Handelsstadt und bietet für die Touristen nichts. Nunmehr muß aber der Gang zur Statue des Lesseps anempfohlen werden, welches Monument an einem günstigen Puncte am Meeresufer angebracht ist. Ich musste drei Tage auf den kleinen österr. Dampfer ‚Austria‘ warten, der ein arges Wetter in Syrien zu bestehen hatte. Die Überfahrt nach Alexandrien aber erfolgte bei ruhiger See. Die Abreise von Alexandrien nach Brindisi mit dem Lloyd-Dampfer ‚Semiramis‘ war von Wind, Regen, und Kälte begleitet. Den 25. Februar hatten wir hochgehende See. Fast alle waren seekrank, nur ich und einige Herren wurden von dem Übel nicht ergriffen.“[2097]
Der zwiespältige Charakter des Tourismus um die Jahrhundertwende wird anhand der Andeßner-Briefe überdeutlich. Während die Reisenden durch eine ständig verbesserte Infrastruktur aus Zugsverbindungen, Schifffahrtslinien, Hotels und Botschaftskontakten unter immer komfortableren Umständen reisen und die Risiken immer geringer werden, bleiben die arbeitenden Einheimischen wie die „flinken Boys“, die die „Prikshaws“ ziehen, nahezu ausgeblendet oder treten nur als Teil des exotischen Ambientes in Erscheinung. Das Bewusstsein dafür, wie die beginnende Demokratisierung des Reisens durch die Ausbeutung von Arbeitskraft ermöglicht wird, fehlt fast völlig. Trotz großer struktureller Nähe von Bedienten und Dienern werden die Produktionsverhältnisse in der Tourismusindustrie nicht transparent, ja, eine Transparenz würde den Erfolg der Tourismus-Industrie geradezu verhindern: Mit dem Erholungswert einer Reise ist die Vorstellung, auch die Einheimischen würden vom Tourismus profitieren, heute ebenso untrennbar verbunden wie vor hundert Jahren das europäische Überlegenheitsgefühl, das Menschen hinter Exotismus-Klischees verschwinden ließ. Genau dies tritt in Marie Andeßners Briefen zutage, wenn sie von den „verschiedenartigen Völkerschaften mit originellen Costümen“[2098] spricht oder von den „vielen braunen Frauen“, die eine „passende Staffage zu den Ausstellungsgegenständen“ in den japanischen Kunstgewerbemuseen bilden. Die Vorstellung vom „chinesischen Schmutz“[2099] evoziert ebenso ein wohliges europäisches Überlegenheitsgefühl wie die von den Europäern importierten technischen Errungenschaften. Die Bahn auf den Mount Lavinia stört die Idylle der bewunderten Natur ebenso wenig wie die „Kulis“, die die Wägen durch die „tropischen Wälder“[2100] ziehen.
Die Reiseberichte der Marie Andeßner zeigen aber nicht nur die negativen Seiten, sie haben auch den Charme des bürgerlichen 19. Jahrhunderts und sind für Salzburg einzigartige Zeugnisse der Frauengeschichte. Erst über 30 Jahre später gibt es wieder ein Zeugnis für die Reise einer Salzburgerin in ein exotisches Land, wenn auch vor einem ganz anderen Hintergrund. Die 1914 geborene Katharina Fuchshofer verbrachte fünf Jahre in einer Missionsstation in Papua-Neuguinea: „Als ich da hinübergefahren bin, hab ich aus dem Flugzeug geschaut: lauter Wald und Busch, undurchdringlicher Wald. Da hab ich mir gedacht, vielleicht muss ich auf einem Baum leben, vielleicht krieg ich gar kein Zimmer. Ich bin neugierig, wie das wird. Wie die Schule da ist und ob es da richtige Häuser gibt. Ich hab mir nichts vorstellen können.“[2101]
Aber nicht nur exotische Reisen, auch solche in die nähere Umgebung konnten den Charakter der „evasion“, des Entkommens aus den engen häuslichen Verhältnissen und der familiären Umgebung, aufweisen. So zeigt ein Brief von Marie Zulehner, die 1849 in Wien als Marie Hoch in wohlhabenden großbürgerlichen Verhältnissen geboren wurde und mit einem Salzburger Kaufmann verheiratet war, wie groß die Sehnsucht auch nur nach einer Sommerfrische sein konnte. Marie Zulehner hatte nie die Kraft, dem Schicksal ihrer Verpflichtungen als bürgerliche Hausfrau durch weite Reisen zu entfliehen. Briefe an ihre Schwester zeigen aber, dass auch kleinere Aufenthalte fern des eigenen Haushalts die Funktion erfüllten, der im Alltag vorhandenen sozialen Kontrolle zu entgehen und kleinere Freiräume zu verschaffen. Sie machen aber auch die Schwierigkeiten deutlich, mit denen Marie Zulehner bei der Erreichung dieses Ziels zu kämpfen hatte. Ihr Ehemann meinte, sie habe „auf einer Erholungsreise zu wenig Ruhe, in Gesellschaft Sofie oder Anna, da wir zuviel lachen oder hetzen würden. Dich, liebe Betti, wäre sein erster Wunsch gewesen zu meiner Begleiterin auszuerlesen, da ich aber weiß, daß Du vom Geschäft oder Deinem Mann nicht wegkannst, so kam auch kein Wörtchen über meine Lippen. [...] Wenn es für kommenden Sommer aber doch Möglichkeit wäre, Dich auf vier Wochen loszuschrauben, wie dankbar wäre ich Dir dafür! Sei es Unken oder was immer für ein Aufenthalt, wir würden glücklich sein [...]“.[2102]
Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ändert sich der Charakter des Reisens. Allgemein, weil der Massentourismus aufkommt, von dem eine Marie Andeßner noch keine Ahnung hatte. Das Reisen wird nicht nur für wenige Privilegierte, sondern für breite Bevölkerungsgruppen zu einem Vergnügen, das wie der Besitz eines Autos den steigenden Wohlstand nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dokumentiert. Aber auch für Frauen ändert sich der Charakter des Reisens. So ist Erli Beutel-Windischbauer noch in den 1990er-Jahren stolz darauf, dass sie mit Unterstützung ihres Vaters in den 50er-Jahren den Führerschein machte, der ihr und ihrem Mann ein neues Stück Freiheit einräumte.
„Ich habe den Führerschein für genau 140 Schilling mit meinem Vater in seinem Auto gemacht. Während meiner Stillzeit, denn ich habe mir gedacht, das ist die beste Zeit. Dann, so 1960, hab ich mir ein Auto angeschafft, einen Mazda. Da hat mich immer mein Vater beraten. Mein Mann hatte keinen Führerschein, der konnte nicht einmal Rad fahren. Der war ein Philosoph! Das ist ungewöhnlich für damals, daß ich ihn hatte und er nicht. Ich hab einige Freundinnen, bei denen der Mann sagte, nein, du machst keinen Führerschein. Die können heute nicht Auto fahren, weil der Mann es ihnen damals nicht erlaubt hat. Bei der Prüfung waren wir 15, aber ich war die einzige Frau. [...] Mein Mann und ich sind sehr reiselustig gewesen. Unsere erste Reise – so um 1950 – ging nach Sizilien. Wir hatten zwei große Rucksäcke, ein Zelt, ein Kochgeschirr und die ganzen Malsachen. So sind wir losgefahren mit dem Zug. Dort haben wir gezeltet, ich habe gemalt, und er hat gekocht. Und er hatte immer so ein bißchen mit den Italienerinnen geflirtet und hat Zitronen und Orangen nach Hause gebracht. Und getrunken haben wir Wein, der war ja dort so billig.
Nach dem Tod meines Mannes, das war 1964, bin ich sehr viel allein gereist. Weil ich immer Leute kennenlerne auf der Reise. Ich habe mir einen VW-Bus angeschafft und so eingerichtet, daß ich schlafen, essen und malen konnte. So bin ich durch England gefahren und um den ganzen Peloponnes.“[2103]
Erli Beutel-Windischbauer war in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahme: sie machte als einzige Frau unter 15 Prüflingen den Führerschein, und sie reiste allein, noch dazu in einem VW-Bus: in den 1960er-Jahren immer noch eine Ausnahme, aber kein Verstoß gegen die Konventionen mehr, zumal in dem Künstlermilieu, dem Beutel-Windischbauer angehörte.
Anna B. verreiste schon in den 50er-Jahren nicht mit Eltern oder Ehemann, sondern mit Kolleginnen in einem Reisebus: „Der erste Urlaub war 1956 drei Tage Triest, das war meine erste Auslandsreise, und das Geld war noch ein bißchen knapp damals. Da hab ich das erste mal das Meer gesehen. Ich hab mich mit meinen Kolleginnen zusammengetan, und wir fuhren viel mit ‚Vorderegger Reisen‘. Später sind wir einmal acht Tage nach Venedig gefahren und haben so den Urlaub immer ein bißchen gesteigert.“[2104]
Der Reiseboom in der Zeit des Wirtschaftswunders und danach hat trotz Rezession keine wesentlichen Einbußen erfahren. Der Historiker Hartmut Berghoff hat kürzlich dargelegt, dass der Kontext der Konsumgesellschaft einen wichtigen dynamisierenden Faktor für den modernen Tourismus darstellt; Reisekonsum gehört auch heute zu jenen Konsumgütern, nach denen die Nachfrage tendenziell unersättlich ist.[2105] Gerade für Frauen, die gehobenen ökonomischen Schichten angehören, werden immer neue Reisevarianten erfunden. Wellness-Reisen, Städtetourismus mit eingeplanter Shoppingtour, besondere Angebote für AlleinerzieherInnen gibt es zwar nicht nur für Frauen – sind aber hauptsächlich auf ein weibliches Publikum zugeschnitten. Vor allem aber Reisen mit Abenteuercharakter werden auch bei Frauen immer begehrter: die Sahara, Patagonien, die Himalaya-Region scheinen letzte Refugien der Flucht aus der spätbürgerlichen Gesellschaft zu sein.
[2070] Potts, Lydia (Hg.): Aufbruch und Abenteuer. Frauen-Reisen um die Welt ab 1785. Berlin 1988, S. 10.
[2071] Herbers, Klaus (Hg.): Der Jakobskult in Süddeutschland. Kultgeschichte in regionaler und europäischer Perspektive. Tübingen 1995, S. 43ff.
[2072] Pytlik, Anna: Die schöne Fremde – Frauen entdecken die Welt. Stuttgart 1991, S. 110.
[2073] Carlen, Louis: Wallfahrt und Recht im Abendland. Freiburg/Schweiz 1987, S. 13ff. – Carlen setzt die Begriffe „Pilgerfahrt“ und „Wallfahrt“ als Wanderung oder Fahrt zu einem Gnadenort gleich.
[2074] Kempe, Margery: The Book of Margery Kempe. Herausgegeben von Sanford Brown Meech. London 1961. – Collis, Louise: Leben und Pilgerfahrt der Margery Kempe. Erinnerungen einer exzentrischen Lady. Berlin 1986.
[2075] Pfeiffer, Ida: Reise einer Wienerin ins Heilige Land. Stuttgart 1969.
[2076] Pytlik, Anna: Die schöne Fremde – Frauen entdecken die Welt. Stuttgart 1991, S. 62f.
[2077] Frederiksen, Elke; Tamara Archibald: Der Blick in die Ferne. Zur Reiseliteratur von Frauen. In: Gnüg, Hiltrud; Renate Möhrmann (Hg.): Frauen Literatur Geschichte. Schreibende Frauen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Stuttgart 1985, S. 104–122, hier S. 110.
[2078] König, Eva Catharina: Briefwechsel zwischen Lessing und seiner Frau. Herausgegeben von Alfred Schöne. Leipzig 1870, S. 337.
[2079] Pytlik, Anna: Die schöne Fremde – Frauen entdecken die Welt. Stuttgart 1991, S. 36.
[2080] Bovenschen, Silvia: Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen. Frankfurt/Main 1979, S. 200ff.
[2081] Pelz, Annegret: Reisen in die eigene Fremde. Reiseliteratur von Frauen als autogeographische Schriften. Wien, Köln 1993.
[2082] Hahn-Hahn, Ida: Orientalische Briefe. Hg. Von Gabriele Habinger. Wien 1991, S. 3.
[2083] Pfeiffer, Ida: Reise einer Wienerin ins Heilige Land. Stuttgart 1969, S. 9.
[2084] Trollope, Frances: Wien und die Oesterreicher sammt Reisebildern aus Schwaben, Baiern, Tyrol und Salzburg. Bd. 1. Leipzig 1838, S. 141. Vgl. auch eine Erwähnung des Dürrnberg bei Hallein in: Trollope, Frances: Briefe aus der Kaiserstadt. Frankfurt 1980, S. 91–96.
[2085] „Salzburger Zeitung“, 3. März 1906, S. 2.
[2086] Knoll, Gabriele: Reisen als Geschäft. Die Anfänge des modernen Tourismus. In: Bausinger, Hermann: Reisekultur. München 1991, S. 336–343, hier S. 342.
[2087] „Salzburger Zeitung“, 3. Februar 1896, S. 3.
[2088] „Salzburger Zeitung“, 6. März 1896, S. 4.
[2089] „Salzburger Zeitung“, 23.Juni 1897, S. 3f.
[2090] „Salzburger Zeitung“, 15. Juli 1897, S. 4.
[2091] „Salzburger Zeitung“, 13. September 1897, S. 3.
[2092] „Salzburger Zeitung“, 7. August 1899, S. 4.
[2093] „Salzburger Zeitung“, 9. September 1899, S. 2.
[2094] „Salzburger Zeitung“, 13. Oktober 1899, S. 2/3.
[2095] „Salzburger Zeitung“, 5. Dezember 1899, S. 3.
[2096] „Salzburger Zeitung“, 23. März 1900, S. 4.
[2097] „Salzburger Zeitung“, 24. März 1900, S. 5.
[2098] „Salzburger Zeitung“, 7. August 1899, S. 4.
[2099] „Salzburger Zeitung“, 5. Dezember 1899, S. 3.
[2100] „Salzburger Zeitung“, 3. Februar 1896.
[2101] Interview mit Katharina Fuchshofer, 15. September 1995, von Birgit Kirchmayr und Martina Gugglberger. Zitiert nach Bauer, Ingrid; Erika Thurner (Hg.): Die andere Geschichte. Bd. 2: Eine Salzburger Frauengeschichte des 20. Jahrhunderts. Salzburg 1996, S. 220.
[2102] Marie Zulehner, geb. Hoch, an ihre Schwester. Undatiert. Familienarchiv Zulehner. Zitiert nach Mazohl-Wallnig, Brigitte; Gunda Barth-Scalmani; Ingrid Bauer; Helga Embacher; Sabine Fuchs: Die andere Geschichte Bd. 1: Eine Salzburger Frauengeschichte von der ersten Mädchenschule (1695) bis zum Frauenwahlrecht (1918). Salzburg 1995, S. 91.
[2103] Interview mit Erli Beutel-Windischbauer: zitiert nach Bauer, Ingrid; Erika Thurner (Hg.): Die andere Geschichte. Bd. 2: Eine Salzburger Frauengeschichte des 20. Jahrhunderts. Salzburg 1996, S. 217.
[2104] Interview mit Anna B.: zitiert nach Bauer, Ingrid; Erika Thurner (Hg.): Die andere Geschichte. Bd. 2: Eine Salzburger Frauengeschichte des 20. Jahrhunderts. Salzburg 1996, S. 218.
[2105] Berghoff, Hartmut: Modern Tourism and the Rise of Consumer Society. In: Berghoff, Hartmut; Ralf Schneider; Christopher Harvie (Hg.): The Making of Modern Tourism. The Cultural History of British Experience. Hampshire 2002, S. 169.