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Alltagsleben in Salzburg (Matthias Koch)

Kommentar von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Matthias Koch (1798–1877)

Matthias Koch – geboren am 3. November 1798 in Wien, gestorben am 27. April 1877 in Baden bei Wien – war Schriftsteller, Historiker und Bibliothekar. Er verfasste kulturhistorische Bücher und trat 1848 mit seinen Flugschriften als „Schwarz-Gelber“ gegen die Revolution auf[5026]. Als Korrespondent der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ (1839–1841, ab 1848; die AZ gegründet vom deutschen Verleger Johann Friedrich Cotta) und des „Österreichischen Courier“ (vormals „Theater-Zeitung“, Herausgeber Adolf Bäuerle) verfasste er „ultrareactionäre“ Artikel, die viele Erwiderungen dort wie in der „Presse“ (gegründet 1848 von August Zang in Wien) fanden[5027].

Sein Vater war Handwerker und stammte aus Straubing in Niederbayern. Wo und wie Koch ausgebildet wurde, wissen wir nicht. 1830–35 war er Kabinettssekretär des Erzherzogs Maximilian von Österreich-Este und wurde ab 1835 Bibliothekar der Erzherzogin Beatrix. Nach 1848 unterstützte die „Akademie der Wissenschaften“ in Wien seine Publikationen (über 40 Bücher neben zahllosen Zeitungsartikeln) und Fürst Dietrichstein betraute ihn mit der Neuordnung seines Archivs.

Bald betrieb er umfangreiche Reisen und Quellenstudien mit dem Ziel eine „populär und praktisch gehaltene Geschichte des österreichischen Kaiserstaates“ zu erstellen. 1844 wurde er Ehrenmitglied des „Historischen Vereins für Oberbayern“. Er starb völlig vergessen 1877[5028].

Auch in den folgenden Darstellungen erweist sich Koch als ein Vertreter staatlicher sowie alltäglicher Ordnungen, jener aus der Aufklärung stammenden staatlichen Lenkung und Aufsicht. Seine städtische Lebenswelt spiegelt sich in den kritisierten Defiziten. Damit beanstandet er schlechte kommunale Zustände und dem Bestreben nach Volksbildung und -aufklärung widersprechende Haltungen.

Kommentar von Ilona Holzbauer

In den folgenden Darstellungen beschreibt Koch „Leben und Sitte“ Mitte des 19. Jahrhunderts in Salzburg. Ausgehend vom Denken, Glauben und Charakter „des Salzburgers“ werden alltägliche Gewohnheiten, Gesellschaftsleben, Sprache, Verkehrsnetz, Witterung, Erholungsmöglichkeiten und Tourismus beschrieben. Der Salzburger ist nach Kochs Beobachtungen unflexibel, unzugänglich und abergläubisch – „wie alle Gebirgsvölker“. Sein Tagesablauf ist streng eingeteilt und das Gesellschaftsleben ist zum Großteil auf wenige Anstandsbesuche beschränkt. Auch Volksfeste sind mit Ausnahme von Schlittenfahrten, Pferderennen und Leichenbegängnissen keine gebräuchlich. Als vorbildlich gelten die Gasthäuser, Reisegelegenheiten und die Verbindungsstraßen – die besten Vorraussetzungen für Tourismus und Fremdenverkehr. Gleichzeitig bemängelt Koch jedoch die schlechte Witterung in Salzburg, „da die Fremden in Salzburg lediglich auf den Naturgenuß angewiesen sind“. Als mögliche Zukunft für Salzburg sieht er eine Ausweitung der Unterhaltungsmöglichkeiten für Touristen (Kur- oder Kunstangebote).

Einen Anstoß zu einem neuen kulturellen Aufschwung gab es bereits 1842 mit der Enthüllung des Mozart-Denkmals von Ludwig Schwanthaler vor dem Regierungsgebäude. Damit verbunden war das erste Mozart-Fest sowie zwei weitere in den Jahren 1852 und 1856, durchgeführt von dem „Dommusikverein und Mozarteum“ (1841)[5029]. Koch erkannte bereits die Tendenz, dass für das Salzburger Kultur- und Gesellschaftsleben das Andenken an Wolfgang Amadeus Mozart in der Öffentlichkeit zu ehren und seine Musik zu pflegen, eine wichtige Repräsentations- und Vermarktungsmöglichkeit werden sollte.

Für das bürgerliche Selbstbewusstsein war diese Entwicklung besonders wichtig, da die Salzburger Ära der Spätaufklärung unter Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo (1772–1803) in den Wirren des neuen Jahrhunderts ein jähes Ende fand[5030]. Der Ausbruch der Französischen Revolution 1789 und die darauf folgenden Koalitionskriege überschatteten bereits die letzten Jahre Colloredos. Schon 1797 waren die ersten französischen Truppen – plündernd – bis in den Lungau vorgedrungen[5031]. Nach der Flucht des Fürsterzbischofs (1800) und dem Weggang fast aller Gelehrten, dem Verlust der Universität und infolge des wirtschaftlichen Niedergangs verflachte das intellektuelle Klima. Auch der politische Handlungsspielraum des Bürgertums war eng bemessen. Offene Opposition gegen das absolutistische System gab es angesichts der allgegenwärtigen polizeilichen Überwachung nicht. Auch unpolitische Bereiche von Wirtschaft, Kultur und Geselligkeit wurden kontrolliert und streng überwacht. So ist es nicht verwunderlich, dass der Salzburger in seinem Wesen und Gemüt Matthias Koch unzugänglich, verstockt und einfältig erschien – die jüngste Geschichte hatte das bürgerliche Selbstbewusstsein geprägt und beeinflusst.

Das Bedürfnis nach Bildung und Geselligkeit war jedoch stets vorhanden. Unter den Studenten des Salzburger Lyceums lassen sich Ansätze eines konspirativen Verhaltens nachweisen und in einigen Bürgerfamilien wurde liberales und deutschpatriotisches Gedankengut von Generation zu Generation weitergegeben[5032].

Matthias Koch: Alltagsleben in Salzburg[5033]

„Leben und Sitte in Salzburg bestehen noch in großer Ursprünglichkeit und werden noch lange so fortbestehen, da ein umstaltendes Element weder gegeben ist noch von der Zukunft in Aussicht gestellt zu sein scheint. Der Salzburger hält seine Welt für die beste und bewegt sich darin mit der Selbstbefriedigung und Behaglichkeit eines Menschen, der in den abgeschlossenen Kreis seines Seins und Schaffens absichtlich nichts aufnimmt, was an seinem Zustande rütteln, und ihm von der Richtigkeit seiner Anschauungsweise einen Zweifel zuführen könnte. Es geschieht dies zum Theile wohl, um keine unangenehmen Erfahrungen zu machen und mit der Macht der Gewohnheit, der er hingegeben ist, nicht in einen Widerstreit zu gerathen. Bei solcher Unzugänglichkeit für neue Einrichtungen und bei dem Umstande, daß der Salzburger nicht die mindeste Lust hat, über die Gränzen seines Landes hinauszuschreiten, um den Kreis seiner Kenntnisse zu erweitern und einen prüfenden Maßstab an seine eingesogenen Meinungen und Anschauungen zu legen, gibt es für ihn kein anderes Bedürfniß, als den Status quo, in dem er sich von je her bewegte, beizubehalten. Es mag sich wohl auch Einer oder der Andere finden, welcher noch lieber eine Rückbildung zu älteren Zuständen, und die Wiederaufnahme verjährter Gewohnheiten und Maßregeln, als den Fortschritt und die zeitgemäße Umwandlung des Bestehenden zulaeße. Diese Denkweise ist dem Salzburger keineswegs eigenthümlich, sondern er hat sie mit allen Gebirgsvölkern gemein. Die gute Seite hiervon ist die unerschütterliche Anhänglichkeit desselben an alles was er sein nennt, die schlimme, daß seine Vaterlandsliebe zu beengt ist, den allgemeinen Interessen des Staats und der Menschheit sich entfremdet und in kleinliche Selbstsucht ausschlägt. Das hätten diejenigen zu bedenken, welche der Meinung sind und thatsächlich darauf hinarbeiten, das Volk in dieser Richtung zu erhalten. Wir meinen damit jenen Stand, welcher auf Gesinnung und Gesittung des Volks den größten und unmittelbarsten Einfluß ausübt. Das Volk ist gut und bieder und beharrlich in seinem Thun, wenn es einmal darin eingewohnt ist. Von stiller Gemüthsart, schwer anzuregen, wo sein materielles Interesse es nicht erheischt, mehr zurückhaltend als vertraulich entgegenkommend, könnte man es für grämlich und freudenlos halten, was es eben nicht ist. Wir erklären diese Gemüthserscheinung durch die Annahme, daß im germanischen Volksstamme des Landes ein slavischer untergegangen und mit ihm vermischt ist. Der diesfällige Abstand von dem viel lebhafteren Oberösterreicher und dem feurigen Tiroler, den beiden Nachbarvölkern, ist zu groß und die Aehnlichkeit des Salzburgers mit dem Kärnthner und Krainer zu auffallend, um dieser Vermuthung sich entschlagen zu können. Die religiösen Begriffe des Volkes sind sehr unklar und dessen Sinn für abergläubige Meinungen und Gebräuche sehr empfänglich. Der salzburgische Bauer von heute glaubt noch eben so fest wie der vor 150 Jahren an Hexen und Zauberer, welche Menschen und Thieren nachstellen, an Bergmännlein und Wassernixen, an Geistererscheinungen und Beschwörungen. Er heilt sich und sein Vieh mit sympathetischen Kuren und erwartet vom Himmel Abhilfe seiner Nöthen dann um so gewisser, wenn er seine Gebete mit Gaben begleitet, oder sie verlobt. Als sich in Salzburg das Mozartdenkmal erhob, sagten sich die Landleute, nun sei offenbar das Weltende nahe und der Antichrist gekommen, denn es geschehe bereits, wie in der Schrift steht, daß man Götzenbilder aufrichtet, sie nach heidnischer Weise anbetet und Umgänge zu ihnen anstellt. ‚Sie nennen die Statue Mozartstatue,‘ sagten sie, ‚es ist aber nichts anders als ein Götzenbild; wer wäre denn dieser Mozart‘ u.s.w. Und als man den, dem Denkmal gegenüber gestandenen Brunnen mit der Michaelsstatue beseitigte und diese an einem anderen Platze aufstellte, weil es offenbar nicht wohl anging, daß beide Monumente einander deckten, erhob sich ein großes Geschrei in der Stadt wegen der dem heiligen Michael zugefügten Unbill. Man machte Pasquille, eines gröber und plumper als das andere, und entschädigte den heiligen Michael wegen der vermeinten Zurücksetzung durch ein von mehreren Bürgern veranstaltetes Sang= und Zechfest unter Bekränzung und Beleuchtung der Statue. Es fehlt nicht an Leuten, welche in dergleichen Dingen Aeußerungen der Frömmigkeit erblicken und darüber ein höchliches Wohlgefallen an den Tag legen. Wir sehen aber darin nur Thorheit und Verstandesfinsterniß, die allenfalls heute mit religiösen Dingen ein sogenanntes unschuldiges Spiel treibt und morgen zu einem gefährlichen Ausbruch von Fanatismus umschlägt. Der irregeleitete Begriff des Volks in religiösen Dingen ist ein Feuerfunke zu verheerendem Brande!

Der Gewerbsmann in Salzburg geht bei Zeiten an seine Arbeit, ißt um eilf Uhr Mittags und um sechs Uhr Abends, schließt bei einbrechender Dämmerung seinen Laden, und geht dann in ein Brauhaus oder Gasthaus zu einem Krug Bier. Ist es einmal dunkel geworden, so ist kein einziges Kaufgewölb mehr auf, selbst nicht von Eßwaaren oder anderen gemeinen Feilschaften, auch nicht einmal die Apotheken. Bier, dicke Würste und große Krapfen sind die beliebtesten Artikel des Abend= oder Nachmittagsschmauses. Mit salzburger Würsten wird selbst ein Handel getrieben. Die Lebensweise des dem höheren Mittelstande sich annähernden Bürgers weicht hinsichtlich der Zeiteintheilung ungefähr um eine Stunde ab. Einen Abendbesuch nach sieben Uhr kann man in seinem Hause nicht mit Anstand machen, weil um diese Stunde zu Abend gegessen wird. Will die Familie den Abend im Theater zubringen, so speiset sie gewöhnlich vor Anfang der Vorstellung um sechs Uhr, und erscheinen die Männer nicht beim Souper, so wohnen sie einer Zusammenkunft in einem der zahlreichen Brau= oder Gasthäuser bei. Bei dem Statt findenden kompleten Stillleben wird ein geselliger Verkehr im höheren Bürgerstande gänzlich vermißt. Man macht sich nur zuweilen Höflichkeitsbesuche, und da auch keine häuslichen Feste gegeben werden, so sind blos die Gasthäuser, das Theater und das Museum an Ball= oder Konzerttagen Vereinigungsörter des Publikums. Führen schon die langen Winterabende die Leute nicht zusammen, so trennt sie vollends die schöne Jahreszeit. Die reichen Bürgerfamilien begeben sich sodann auf ihre, im weiten Thale zerstreuten schönen Landsitze, und verleben in noch größerer Isolirung von der übrigen Welt den Sommer. Ob die Römer in Salzburg auch so gelebt haben?

Volksfeste sind, mit Ausnahme der Schlittenfahrten, die aber ganz einfach gedacht werden müssen, und der seit etlichen Jahren gesehenen Pferderennen, keine gebräuchlich; es wäre denn, daß man die mit großem Aufwande gepflogenen Leichenbegängnisse und den Gräberbesuch am Allerseelentage dazuzählen wollte. Alter Sitte gemäß, erscheinen bei Leichenbegängnissen die Träger der Kirchenfahnen, und der Fahne der Todtenbruderschaft, die Träger der Bruderschaftskreuze, eine Anzahl armer Leute, die Geistlichkeit, die Sänger und Instrumentalisten, der Leichenbitter u.s.w. Der Sarg wird in der Hausflur aufgestellt und hier zunächst eingesegnet; dann bewegt sich der lange Zug zur Kirche, wo die das Grab in Menge umstehenden Bettler auf die übliche Bescherung harren. Es ist Sitte ein halb Dutzend derselben bei der Leiche, so lange sie im Hause ist, Tag und Nacht über abwechselnd laut beten zu lassen, wofür sie wie natürlich besonders bezahlt werden; auch quält man Sterbende immer noch mit dem Spiegelvorhalten oder mit dem sogenannten Lichteinhalten, indem man ein brennendes Wachslicht in die Nähe des Mundes bringt, eigentlich um zu beobachten, ob der Sterbende noch athmet, im Grunde aber ohne hieran zu denken, weil es so vom Herkommen ist. Die Bauersleute setzen einen großen Werth darein, in der Bruderschaftskutte begraben zu werden, in der Hauptstadt dürfte es aber hiervon abgekommen sein. Sind die Gräber und Gruftkapellen überhaupt schon von Trauerzügen aller Art überladen, so ist die Ausschmückung derselben am Gedächtnißtage aller Verstorbenen (2. November) vollends gehäuft. Sie sind dann mit Blumensträußern, Kränzen, Florgewinden, Laternen, Lampen, Wachslichtern u.s.w. voll gepfropft. Ganz Salzburg ist auf den Beinen, und in dem Menschengewoge auf den Friedhöfen wird mehr das Element der Fröhlichkeit als der Trauer bemerkbar. Ueberbleibsel religiöser Gebräuche aus der älteren Zeit haben sich in der Hauptstadt einige, auf dem Lande und im Gebirge deren noch sehr viele erhalten. So dort die Räucherungen in den Wohngebäuden am Thomastage, am Christabende und am Abend vor Epiphanie, welche gewöhnlich die Väter Kapuziner vornehmen; ferner die Verlobungen in Krankheits= und anderen Beschwerdefällen. Bezahlte Leute verrichten nämlich an dem Orte, wohin z. B. der Kranke sich verlobt hat, gewisse Gebete an seiner Statt. Wir begegneten eines Tages zwei weißgekleideten Mädchen mit aufgelöstem Haare, brennendes Wachslicht in der Hand haltend, und hinter ihnen eine alte Frau, Gebete laut vor sich hersagend. Sie gingen ohne Zweifel eine Verlobungsverrichtung zu vollbringen. Die Passionsspiele am Charfreitage wurden schon 1779 abgestellt, und auch die vormals sehr zahlreichen Prozessionen unter der letzten erzbischöflichen Landesregierung auf wenige beschränkt. Unter jenen, welche vom Lande nach einer Kirche der Hauptstadt geschehen, ist die der Dorfgemeinde Siezenheim dadurch eigenthümlich, daß die Wallfahrter der Nonnbergkirche, wohin sie ziehen, ein Lamm als Opfergabe darreichen. Man vermuthet, es sei dies eine auferlegte jährliche Dankesbezeigung für die Freilassung der Siezenheimer aus der Leibeigenschaft. Die Zünfte der Maurer und Steinmetzer pflegen bei ihrem Jahrestage in der Franziskanerkirche, statt Geldes, Semmelbrote zu opfern, welche sie bei dem sogenannten Opfergange in der Kirche, in die bereit stehenden Körbe legen. Dies geschieht im Sinne der altchristlichen Opferungsweise von Brot und Wein. Niemand wird wegen des Fortbestandes solcher unschädlichen Gebräuche eine gegründete Beschwerde vorbringen können, dagegen ist aber die in der Hauptstadt Salzburg fortwährend beibehaltene Sitte, in der Weihnacht durch zahlreiche Pöllerschüsse die Gesunden aus dem Schlafe zu scheuchen und Kranke vielleicht heftig und gefährlich zu erschrecken, obgleich durch eine eigene Stiftung gesichert, nicht zu loben. Es ist in Salzburg gebräuchlich, daß die Hauseigenthümer zur Osterzeit die Beichtzettel von den Inwohnern abnehmen und sie, mit einer kleinen Geldgabe begleitet, dem Pfarrer einsenden, falls dieser nicht darum schicken sollte, was auch geschieht. Auf dem Lande ist es damit anders bestellt. Jeder Beichtende reicht nach beendigter Osterbeichte dem Geistlichen einen Kreuzer dar. Es gibt so würdige Priester, welche diese Beichtkreuzer alles Ernstes zurückweisen, allein die Bauern sträuben sich gegen die Rücknahme, weil sie der Meinung sind, dem Beichtakte würde an Vollständigkeit etwas abgehen, wenn nicht der Erlag des Beichtkreuzers dabei wäre. So sind Gebirgsvölker! Darum eben thut bei ihnen die Begriffsläuterung und die allmählige Entwöhnung von schlechten Gewohnheiten dringend Noth. Der Beichtkreuzer ist eine uralte Einrichtung, ohne Zweifel um arme Landgeistliche besser zu dotiren. Er ward aber nicht blos von katholischen Geistlichen, sondern auch von protestantischen Pastoren angenommen. Als bei der Religionsbewegung zur Zeit des Erzbischofs Markus Sittikus die Pastoren von Unterach und Lützelburg von den Bauern im Salzburgischen herbeigeholt wurden, nahmen sie an Beichtkreuzern über hundert Gulden von ihnen ein.

Die untere Volksklasse in Salzburg spricht ein Deutsch, welches ihre Abkunft vom süddeutschen Stamme verräth. Viele Ausdrücke, welche man in Wien hört, kann man auch in Salzburg hören, andere sind aber rein provinziell. Besonders ist dies der Fall mit dem Füllworte Ge (nicht geh). Dasselbe hat einen ganz unbestimmten Sinn, ist also blos ein üblicher, nichts bedeutender Zusatz, den wir auch in Baiern und selbst in München hörten. Der Salzburger sagt z. B.: ‚Homma’s ge?‘ das ist ‚haben wir’s?‘ ‚Lauf ge!‘ ‚laufe!‘ ‚Gömma ge,‘ ‚gehen wir.‘ ‚Wanma ge zsamma käman,‘ ‚wenn wir zusammen kommen werden.‘ Das Fragewörtchen was kennt der gemeine Mann gar nicht. Er bedient sich statt dessen immer des Ausdruckes ‚hands?‘ um anzudeuten, er habe das Gesagte nicht verstanden. Man kann aber auch den Salzburger der höheren Stände augenblicklich und untrüglich an der Betonung des Buchstabens A erkennen. Er gebraucht bei dessen Aussprache einen Mittelton zwischen a und o mit einiger Dehnung, sagt also statt Karl, Korl, statt Haar, Hoor, statt gar, gor u.s.w. Dies geschieht überdies weit mehr in der Annäherung zum Vollton des o, als es in Wien üblich ist, daher ein Wiener den Salzburger genau daran erkennen würde. Der größte Schimpfname, den Leute aus dem Volke gebrauchen, ist: ‚Fex,‘ das ist Cretin. Gewöhnlich gibt der Beschimpfte ihn mit der größten Erbitterung zurück und sagt: ‚Fex du!‘ Diese Entgegnung hätte in längstvergangener Zeit in Salzburg beinahe einen Mord zur Folge gehabt. Die Salzburger der höheren Stände haben auch in Gebrauch: beilich statt beiläufig im Sprechen und Schreiben zu sagen. Dult ist gangbar für Jahrmarkt und die Sommerfrisch für Landaufenthalt. In die Sommerfrisch ziehen, heißt einen Landaufenthalt nehmen. Wann gehen sie auf das Land? verstände der Salzburger als eine Frage über einen Spaziergang vor den Thoren. Für Haushälterin sagt er ‚Häuserin‘ – Das Landvolk in der Umgebung der Stadt spricht größentheils die Mundart des Pongau’s. Wenn man daher in Gastein hört: Bißal für ein Bischen, Hansal für Hanns, und viele andere derlei Ausgänge auf al, so würde man sehr irren, den Angaben der meisten Touristen Glauben zu schenken, diese Endungen seien nur dem Gasteinerthale eigenthümlich. Selbst Pinzgauer Benennungen findet man im Flachlande, z. B. Bachltag, der heilige Abend, Berchnacht, der Vorabend vor heiligen drei König, Hois, das ist Matthäus. Der grüne Donnerstag heißt beim Salzburger ‚Antlaßpfingsttag,‘ das Frohnleichnamsfest ‚Gottsleichnamsfest;‘ wenn er aber Lenzl (Lorenz), Poldl (Leopold), Stephl (Stephan) sagt, so drückt er sich wie ein Fiaker in Wien aus, was recht augenscheinlich die gemeinsame Abkunft der Nieder= und Oberösterreicher sammt den Salzburgern vom süddeutschen Volksstamme darthut.

Für die nöthige Unterkunft und Bequemlichkeit der Reisenden ist in Salzburg hinlänglich gesorgt. Gasthäuser besten Rufes sind: das von den Personen höchsten Rangs besuchte zum Erzherzog Karl, zum goldenen Schiff, zu den drei Alliirten; zweiten Rangs zum Mohren, Hirschen, goldenen Krone, Ochsen, zur Traube, beim Höllbrauer, Gablerbrauer u.s.w. Da in Salzburg nur Silbergeld in Umlauf ist, so ist die Zehrung in den Gasthäusern ziemlich theuer. Im Privatverkehr ist den Vierundzwanzig=Gulden=Fuß allgemein in Gebrauch; Staatskassen nehmen und geben Zahlungen jedoch nur im Zwanzig=Gulden=Fuße. An Reisegelegenheiten ist kein Mangel, auch sind Verbindungsstraßen nach allen Richtungen hergestellt. Bei der kaiserlichen Postfahrt besteht der Gebrauch, daß man nebst dem ohnehin bei sich führenden Paß noch einen sogenannten Geleitschein der Polizei selbst für Reisende im Inlande vorweisen muß, für den eine kleine Gebühr, irren wir nicht 12 Kreuzer K. M., zu entrichten ist. Worauf sich diese Einrichtung gründet, wissen wir nicht. Da sie aber besteht, und da der Fremde sie so wenig wie der Einheimische wissen kann, weil sie anderswo in Oesterreich nicht üblich ist, so bemerken wir sie im wechselseitigen Interesse, damit man vermeiden könne, was uns begegnete, nämlich im Augenblicke des Wegfahrens mit der Eilpost nach Gastein um den Geleitschein angegangen zu werden und ihn nicht gelöst zu haben. Gesellschaftswagen in die Umgebungen der Stadt bestehen wohl, allein sie sind, dem Stande des salzburgischen Gewerbswesens gemäß, schlecht eingerichtet. Mit den Lohnkutschen wird man besser bedient sein. In der Vorstadt Mülln ist von mehreren Badhäusern in anderen Stadttheilen die beste Badeanstalt, wo auch Soolenbäder zu haben sind. Für kalte Bäder und Schwimmübungen ist der Teich in Leopoldskron nahe bei der Stadt trefflich benützt; es ist davon die Rede, daß auch eine Damenschwimmschule daselbst errichtet werden soll. Uebrigens würde die Schwimmanstalt noch zahlreicher von den Einwohnern benützt werden, wenn die Preise, besonders die für Freischwimmer, ermäßigt würden. In der Salzach zu baden, ist mit Recht verboten, allein dies Verbot erheischt zugleich die Herstellung eines Freibades dort durch Bestimmung gefahrloser Plätze, oder anderswo, damit die untere Volksklasse nicht, wie es jetzt der Fall ist, dieses Reinigungs= und Gesundheitsmittels gänzlich entbehre.

Die Klage über schlechte Witterung in Salzburg ist gegründet. Gebirgsgegenden sind überall häufig schnellem Wechsel und anhaltendem Regenwetter ausgesetzt. In Ischl ist es um nichts besser. Da aber die Fremden in Salzburg lediglich auf den Naturgenuß angewiesen sind, und die Schauspielergesellschaft während der schönen Jahreszeit sich in Ischl aufhält, so wird es nöthig sein, den Fremden, wie den Einheimischen, irgend eine andere Ressource zu verschaffen, damit sie besonders bei übler Witterung nicht aus langer Weile des schönen Aufenthalts überdrüssig werden. Vielleicht gäben die Musiken ein Auskunftsmittel, besonders wenn sie mit Bällen und Reunionen wechselten. Verstehen die Salzburger die kleine Kunst, ihre Stadt zugleich zum Unterhaltungsorte zu machen, so werden sie nicht allein ihren Interessen damit förderlich sein, sondern sie könnten selbst den Versuch machen, ihr treffliches Trinkwasser zu einer Kaltwasserkuranstalt und ihre Moore und die nahe Soole zu ähnlichen Zwecken zu verwenden.“



[5026] Siehe: http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.k/k520578.htm – Bedeutende Werke: Koch, Matthias: Die Donaureise von Linz bis Wien. 1838. – Ders.: Wien und die Wiener. 1842. – Ders.: Reise in Oberösterreich und Salzburg. 1846. – Ders.: Genesis der Wiener Revolution. 1850. – Ders.: Geschichte des Deutschen Reiches unter der Regierung Ferdinands III. 2 Bände. 1865–66.

[5027] Wurzbach, Constant von: Biographisches Lexikon des Kaiserthumes Österreich. Teil 12. Wien 1864, S. 193–195.

[5028] Santifaller, Leo (Hg.); Eva Abermayer-Marnach (Bearb.): Biographisches Lexikon 1815–1950. Band IV. Wien 1969, S. 19f.

[5029] Furich, Edda; Gisela Prossnitz: Die Salzburger Festspiele. Ihre Geschichte in Daten, Zeitzeugnissen und Bildern. Band I: 1920–1945. Salzburg, Wien 1990, S. 7.

[5030] Dopsch, Heinz; Robert Hoffmann: Geschichte der Stadt Salzburg. Salzburg 1996, S. 423.

[5031] Zaisberger, Friederike: Geschichte Salzburgs. Wien 1998.

[5032] Dopsch, Heinz; Robert Hoffmann: Geschichte der Stadt Salzburg. Salzburg 1996, S. 422–425.

[5033] Koch, Matthias: Reise in Oberösterreich und Salzburg, auf der Route von Linz nach Salzburg, Fusch, Gastein und Ischl. Mit einem historischen Anhang, Abbildungen und statistischen Tabellen. Wien: J. P. Sollinger 1846, S. 180–187.

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