Dieser Text ist unter dem Blickwinkel der Reformen von Erzbischof Hieronymus (1772–1803) geschrieben. Wir erfahren daraus den Status des Verhaltens und Glaubens vor den wesentlichen Reformen zwischen 1772 und 1792 sowie das, was durch die Reformer beanstandet und verändert worden ist.[4935]
Im Bericht über die Ernährung zeigt sich die traditionell fettreiche (Butterschmalz) alpine Kost, die weitgehend auf den Höfen selbst produziert wurde. Die „Einführung der Kartoffel im Salzburgischen“ ist an dieser Alltagskost noch vorübergegangen und wie wir heute wissen, haben die Dienstboten dagegen auch protestiert.[4936] Die nachfolgende Schilderung der Gründe für die Abwanderung der ländlichen Dienstboten zeigt, dass solche „Experimente“ mit neuen Nahrungsmitteln dem Erhalt der Höfe abträglich gewesen wären. Die Ernährung ist saisonal bedingt und bietet das an, was der Hof produziert. Die Ausgiebigkeit der Speisen ist am Arbeitsaufkommen ausgerichtet, d. h. bei Schwerarbeit oder im Winter werden ausgiebigere Mahlzeiten serviert.
Insgesamt zeigt sich, dass die Ernährung einer „alpinen Herdspeisenregion“ entspricht. Das heißt, es ist reichlich Holz zur Verfügung, daher wird am offenen Feuer bzw. auf einem einfachen Herde ohne Backrohr und Wasserschiff gekocht. Das andere Extrem stellen die „Ofenspeisenregionen“ dar, die mit wenig Holz auskommen müssen, selten Gebratenes anbieten, sondern Aufläufe oder in Sud gekochte Speisen in einem backofenartigen Herd, bei bester Ausnützung der Hitze, fertig garen. Die „Sesselherde“ als frühe Vorläufer des „Sparherdes“ (ab 1860 in den Städten) mit Röhre und Wasserschiff kamen erst ab 1800 langsam in Gebrauch.
Die Pinzgauer Küche ist insgesamt eine sehr einfache, retardierende (der kochtechnischen Entwicklung nachhinkende), was sich bis heute in der regionalen oder als traditionell bezeichneten Kost zeigt, die wenig städtische Entwicklungen übernahm und mittelalterlichen bis barocken Entwicklungen verhaftet blieb.[4937] An Feldgemüsen stehen Kraut und Rüben an vorderster Stelle, dazu kommen wenige Obstsorten, Getreide prägt die Nahrung, Fleisch ist eine rare Ausnahme, im Zentrum der Ernährung stehen die Milchprodukte. Schotten, der aus der mageren Buttermilch bzw. dem Käsewasser erzeugte, hartbröckelige und eiweißreiche Magertopfen (Quark), galt nicht wie heute als besonders gesund, sondern als Abfallprodukte der eigentlichen Produktion an Butterschmalz und Käse und wurde daher nicht verkauft, sondern selbst verzehrt. Aus demselben Grund kam auch häufiger Schaffleisch (frisch, gesurt und geselcht) auf den bäuerlichen Tisch, denn was gelagert, transportiert und verkauft werden konnte, war Einnahmequelle für Bargeld. Die im nachstehenden Text angesprochene Steiermark entwickelte im Ennstal, einer wesentlichen Viehzuchtregion, sogar Sagen, die den Dienstboten den Konsum des Rindfleisch als besser darstellen als jenen von Schweinefleisch – denn das Rindfleisch der älteren Zuchttiere wurde im Haus selbst gegessen und nicht verkauft, die wenigen Schweine dienten dem Verkauf.[4938]
Die Dienstbotenknappheit am Ende des 18. und im 19. Jahrhundert führte, wie wir unten lesen können, zu einer Verteuerung der Löhne. Die weiblichen Dienstboten erhielten sowohl an Bargeld als auch an Kleidung wesentlich weniger als die Männer bezahlt. Zudem bekamen die Frauen nur das Rohmaterial für die Bekleidung und mussten diese selbst nähen, während die Männer fertige Kleidungsstücke erhielten (die vielfach wohl auch von den Frauen im Haus bzw. mit deren Mithilfe von Störhandwerkern hergestellt worden waren).
Diese als Reallohn bezogene Kleidung reichte gerade für ein Jahr, da die Stoffe weniger haltbar, die Nähfäden nicht so robust wie maschinell hergestellte waren. Die Kleidung war sehr schnell verblichen (erst die Anilinfarben brachten ab 1900 eine dauerhaftere Farbtreue der Stücke), abgeschabt und zerschlissen. Das sollte im Laufe des 19. Jahrhunderts (neben dem Preis) zum Siegeszug der maschinell erzeugten Textilien führen.
Leider lässt sich aus diesen Angaben zur Kleidung nicht mehr ersehen, als dass Leinwand und Wolle dominierten und dass Männer schwarze Hosen, zumindest zur Arbeit, trugen. Interessant ist die hohe Anzahl der Schuhe, sechs Paar für die Knechte, fünf Paar für die Mägde. Daran zeigt sich einerseits wie wenig haltbar das Schuhwerk, besonders die gestiftelten Sohlen und ihre Verbindung zum Schuh waren und andererseits wie schlecht die Wege und Arbeitsplätze waren, auf denen ländliche Dienste arbeiteten und unterwegs waren. So wurden die Schuhe stets verschmutzt und häufig durchweicht.
Unter den Gründen für die Abwanderung vom Lande finden sich auch die mangelnden Arbeitsmöglichkeiten für mittellose verheiratete Leute auf dem Lande, die daher gezwungen waren, in die Städte abzuwandern. Dahinter verbirgt sich das Heiratsverbot für mittellose Dienstboten, das einerseits eine große Einschränkung in der persönlichen Lebensgestaltung bedeutet hat und andererseits zu einer Fülle von unehelichen Kindern führte, die wiederum keine menschenwürdigen Lebensaussichten vor sich hatten. Die Reformen der Aufklärer waren daher vielfach notwendig, bedeuteten aber nur einen ersten Schritt zu einer Reihe von sozialen Reformen, die im 19. und 20. Jahrhundert folgen sollten. Die heute so gerne betonte Idylle des ländlichen Lebens vergangener Jahrhunderte wird bereits durch punktuelle Einblicke in das tatsächliche Leben der Bevölkerung vielfach zerstört.
Erschreckend ist die niedrige Entlohnung der Frauen (5–10 Gulden) im Vergleich zu jener der Männer (der bestbezahlte Rossknecht: 18–24 Gulden, der Halterbub 5–10 Gulden). Die „ersten Mägde“, also jene schwer arbeitenden, die etwa als Sennerinnen für das gesamte Vieh oder als Wirtschafterin für Haushalt und Küche verantwortlich waren und bei allen Erntearbeiten eingesetzt wurden, erhielten denselben Lohn wie der niedrigste Knecht, also der etwa 14-jährige Halterbub. Davon ein lediges Kind mit zu ernähren oder auch nur etwas als Altersversorgung oder Heiratsgut anzusparen, war wohl nicht möglich. Die Gründe für die Abwanderung liegen damit auf der Hand. Auch 100 Jahre später zogen die Frauen gerne den Eisenbahnbauten nach, wie Alfred Höck schreibt, da sie dort in den Kantinen und Quartieren ein Vielfaches für leichtere Arbeit bei geregelter Arbeitszeit und gewerkschaftlicher Betreuung erhielten. Dazu kommt noch, dass landwirtschaftliches Personal weitgehend rechtlos dem Dienstgeber unterstellt war und auch in der Religions- und Freizeitgestaltung jeglicher Kontrolle und Bevormundung unterlag.
Aus heutiger Sicht interessant ist auch die Aufstellung der 124 arbeitsfreien Feiertage und Halbfeiertage. Im Zuge der Reformen der religiösen Bräuche und im Zusammenhang mit den sozioökonomischen Verbesserungen wurden auch Feiertage abgeschafft. Auch wenn der Vergleich hinkt, sollen zwei Annäherungen an heutige Arbeitsgewohnheiten folgen. Zum einen rechnet man heute in Österreich und Deutschland mit einer jährlichen Nettoarbeitszeit von 1.600 Arbeitsstunden pro Dienstnehmer (bei Berücksichtigung von Krankenständen, Sonderurlauben, Wochenenden, Feiertagen, Urlaub, Krankenstand, Dienstfreistellungen, Fortbildungsveranstaltungen u. dgl.), das ergibt 200 Achtstundentage bzw. 165 freie Tage jährlich – laut Auskunft verschiedener Personalabteilungen von Firmen und Ämtern. Zum anderen erhält man ca. 138 arbeitsfreie Tage im Jahr, wenn man – als „Milchmädchenrechnung“ – 25 Urlaubstage annimmt, alle Samstage, Sonntage und Feiertage und dazu fünf Tage für die Überschneidungen von Feiertagen mit Wochenenden abzieht. D.h., die von den Aufklärern beanstandeten freien Tage und Feiertage liegen weit unter heutigen Urlaubs- und Freizeitgewohnheiten.
Für die ländliche Bevölkerung und die Handwerker waren die kirchlichen Feiertage und Sonntage die einzige Freizeit, Urlaubsanspruch gab es noch nicht. Neben der freien Zeit, die zumeist bei Festen rund um die Kirchen verbracht wurde, waren die Wallfahrten die einzige Möglichkeit, aus dem eigenen Ort hinaus zu kommen. Dabei konnte man andere Menschen treffen, Bekanntschaften zu möglichen Heiratspartnern anbahnen, sich über die Dienstbedingungen der anderen informieren oder nach einer neuen Stelle Ausschau halten. Das „unkeusche und liederliche“ Treiben bei diesen Festen war der Obrigkeit Anlass und Begründung zur Abschaffung.
Im folgenden Originaltext wurden Zwischenüberschriften von den Herausgeberinnen eingefügt, um die Lesbarkeit zu verbessern.
„Es sind also dieserseits die Bewohner von Salfelden überhaupt ehrliche, verträgliche und christlich denkende Leute, ihren Versprechen oder bedungenen Zahlungsfristen getreuer, als die von Lofer; eingezogener und sittsamer, als die vom obern Pinzgau, und sollen auch arbeitsamer, thätiger und hellerdenkend seyn; endlich ihre Wirthschaft, ihr Melkvieh und dessen Erzeugnisse beßer zu benützen wissen, als die benachbarten Landwirthe von Berchtolsgaden. Die Salfeldner haben ferner viel Anlage zu einem natürlichen Witze und guter Beurtheilungskraft, und es wäre nur zu wünschen, daß diese Anlagen der Jugend auch in den vorigen Jahren durch Lehrer und Aeltern besser wären ausgebildet und von alten Vorurtheilen entbunden worden. Es ist demnach mehr einer versäumten Ausbildung und zu steifen Anhänglichkeit an das Alte, als einer Blödigkeit der Vernunft zuzurechnen, wenn
a. der mehrere Theil der gemeinen Volksklasse Nebensachen von den Hauptsachen der Religion nicht unterscheiden, und vielfach Andächteley einer wahren Andacht oder Gottesverehrung vorziehen will; und wenn also z. B. Viele glauben, daß sie durch ein langes Herumirren nach weit entfernten Wallfahrtsorten, oder durch Beywohnen und Opfergehen unter einem oft fast mörderischen Volksgedränge am Georgentage in der Palfenkapelle oder am Stephanstage in der Pfarrkirchengruft von Gott mehr erbitten können, als vor dem allerheiligsten Altarssacramente ihrer Pfarrkirche; wenn man
b. glaubt, daß die Verehrung eines Heiligen vorzüglich im Feyern, oder vielmehr Müßiggehen bestehe, und daß man schon dadurch an den Tagen des heiligen Georgs, Heinrichs, dann Johannes und Pauls beynahe erzwingen könne, daß der erste Heilige das Vieh wider Krankheiten bewahren, der zweyte die dem Getreide schädlichen Engerlingwürmer vertilgen, und die letztern Schauerwetter vertreiben müssen; und wenn man
c. über die geringste offene Feldarbeit an einem von der katholischen Kirche aus wichtigen Gründen aufgehobenen Feyertage Gewissensangst empfindet, dagegen ganz schuldlos seyn will, wenn wirklich gebothene heilige Sonntage oder Feyertage mit Trinken, lärmenden Spielen, Unordnungen oder sogenannten Perchtenlaufen entheiliget werden.
Die Dienstleute sind, wie die mehrern übrigen Bewohner des Gebirgs wirklich Veruntreuungen oder Entfremdungen seltner ergeben; sie sind arbeitsam, und eben ihr Bestreben, viel für einen Tag zu arbeiten, oder vielmehr sich in Kurzem von einer Arbeit zu entledigen, veranläßt, daß solche öfters übereilet, und so nicht mit Genauigkeit vollendet wird.
Gleichwie sie an gemeinen Arbeitstagen von den ersten bis in die letzten Tagesstunden, dann bey Feldarbeiten des Sommers von 4 Uhr frühe bis gegen 8 Abends sich mit Arbeiten beschäftigen: so sind sie auch vorzügliche Liebhaber einer guten schmalzreichen Tischkost, und sehr eifrig, aufgehobene und noch mehrere angenommene Feyertage mit Nichtsthun zu feyern.
Man muß sie mit viermaligem Essen sorgfältig versehen, als
1tens in den Arbeitstagen um 6 Uhr frühe mit einem Milchkoch, dann mit einem schmalzreichen Muß oder Schmaden.
2tens gegen 10 Uhr Mittags mit einem Zugemüse [Anm. Kammerhofer: darunter wurden auch jene Speisen verstanden, die wir heute als „Beilagen“ kennen], einer Milch= oder einer andern Mehlspeise, dann im Sommer mit einer Schmalzspeise.
3tens gegen 3 Uhr nach Mittag mit einem Salat oder sauern Kraut und sowohl im Winter als im Sommer mit täglichen im Schmalz gebackenen Krapfen von Kornmehl, welche im Winter mit süßen Schotten gefüllt werden, dann
4tens auf den Abend nach der Arbeit mit einer abgerähmten süßen, im Sommer aber mit einer sauern oder Paismilch [Anm. Kammerhofer: Biestmilch; die Milch der gerade abgekalbten Kuh], und diese wird auch jederzeit bey den vorigen 3 Mahlzeiten am Ende aufgetischet, und mit eingelegtem schwarzem Tischbrod gesättiget.
Bey stärkern Feld= und Sommerarbeiten ist zu Mittag der Tisch abwechselnd mit fetten Schmalzspeisen zu besetzen, als mit Muße, in Butter gedämpften Fleischknödeln, und in Schmalz gebackenen Germkrapfen, Strauben oder Brodkücheln von Weitzenmehl, und dergleichen.
Es wird in diesem [Anm. Kammerhofer: Pfleg-] Gerichte die Tischkost immer ausgesuchter und kostbarer, als in andern Gerichten und so steigen auch die Löhnungen im Gelde.
Die vorzüglichste Ursache davon liegt in dem allgemeinen Abgange an zureichenden Arbeitsleuten, und dieser ist eine Folge des abnehmenden Bevölkerungsstandes, welchen in unserm Lande die nachfolgenden Umstände beynahe alle Jahr vermindern: als
1tens ein zu großer Umfang der Landgüter und Zulehen, welche nur ein verehelichter Bauersmann besitzet;
2tens die zu vielen der Arbeit entzogenen Feyertage,
3tens der sich vermindernde Arbeitsfleiß, dann
4tens der Mangel eines zureichenden Nahrungszweiges für mittellose verehelichte Leute.
Daß 1tens ein zu großer Umfang der Landgüter und die zu vielen Zubaugüter der Religion, der Bevölkerung und der Landeskultur schädlich seyen, ist eine schon im Voraus bekannte Sache. Zwarweniger auffallend, aber doch vielleicht noch nachtheiliger sind
2tens die zu vielen arbeitlosen Tage, welche sich nach und nach in Salfelden noch mehr, als in andern Gerichten bisher vermehrt haben.
Tabelle 33.
Wir feyern billig jährlich Gott geheiligte Sonntage | 52 |
Andere noch gebothene Feyertage bey | 16 |
Ganze und halbe Tage an den Festtagen Mariä=Opferung und 7 Schmerzen, in der Charwoche, an Beicht= Bitt= Dank= Kreuz= und aller Seelen Tagen | 7 |
Summe | 75 |
So sehr zu wünschen ist, daß diese 75 Tage nach dem Geiste der Kirche zum wahren Dienste Gottes, Verehrung der Heiligen und Besorgung unsers Seelenheils wirklich angewendet würden, so sehr ist hingegen auch zu bedauern, daß überdieß nicht ganz nach dieser verdienstreichen Bestimmung, sondern vielmehr aus alter Gewohnheit und steifem Hange zum Nichtsthun von dem größten Theile des Volkes auch die nachfolgenden Tage noch gefeyert werden: als
Tabelle 34.
Aufgehobene auf Werktage fallende Feyertage | 17 |
Die Tage der Heiligen: Sebastian, Vicenz, Georg, Florian, Johann und Paul, Heinrich, Martin und Catharina, dann der Weynachtabend und dergleichen ganze oder halbe Tage | 10 |
Von andern ganz zum Nichtsthun bestimmten Tagen zur Wanderszeit, zu Lichtmessen am Salfeldenschen Marktage, in der Fastnacht zum Zusehen bey Hochzeiten wenigstens bey | 7 |
Summe | 75 |
Endlich betragen die an Vorabenden der Sonn= und gebothenen Feyertage, um 3 Uhr nachmittags geendeten Arbeiten für ein ganzes Jahr einen Abgang an der Arbeitszeit von beylich | 15 |
49 | |
Summa aller arbeitslosen Tage | 124 |
Da nun die letztern 49 Tage beynahe den 7ten Theil des Jahres dem Arbeitsfleiße entziehen, so müssen Landwirthe und Handwerker, um das in so vielen Tagen Versäumte wieder durch Nacharbeit hereinzubringen, eine größere Anzahl der Dienstleute unterhalten, und diesen um die brauchbarsten an sich zu ziehen gegeneinander in die Wette eifernd, die Tischkost und Löhnungen immer verbessern. Wie nebstbey
3tens die dermalige Vertheurung aller Feilschaften die Einkünfte der Gewerbs= Handwerks= und Bauersleute vermehret, so erlauben sich viele von diesen mehrere Bequemlichkeiten. Sie bemühen sich nicht mehr so sehr, durch eigenes anhaltendes Mitarbeiten und Anführen, welches oft mehr, als das Mithelfen 2 anderer Arbeiter wirket, die Thätigkeit der andern zu beleben, und strengen auch ihre heranwachsenden Kinder weniger zu stärkern Arbeiten an.
Wie also diese mehr Dienstleute, als ihre arbeitsamen Vorfahrer anstellen müssen, so vergrößert auch dieses den Abgang an Arbeitern um so mehr, da überdieß
4tens arbeitsame und zugleich mittellose Leute zu viele Hindernisse gegen sich haben, sich verehelichen, und also zu einer gesetzmäßigen nützlichen Bevölkerung mitwirken zu können; denn es ist das dießortige gemeine Volk weniger gewohnt sich mit einer magern Tischkost zu behelfen und kann sich dagegen ein gewohntes besseres Auskommen für sich und Kinder, um so schwerer verdienen, jemehr dermal die Preise aller Lebensbedürfnisse vertheuert werden, und jemehr die Anzahl der zur Arbeit nöthigen Tage vermindert wird. Da überdieß der letzte unglückliche Krieg, der so viele Schlachtopfer verschlang, auch manchen Jüngling aus diesen sonst stillen und friedlichen Thälern dem Pfluge entrieß, und da die immer verheerender werdende Kindspockenseuche eine ungemein große Anzahl von Kindern und auch Erwachsene wegraffte, so drohet dieser Mangel an arbeitsamen Händen in den folgenden Jahren noch weit größer, und fühlbarer als er es bisher war, zu werden. Wie sehr wäre es demnach zu wünschen, daß
a. Die Landesregierungen auf alle möglichen abhelfenden Mittel, nämlich auf Verminderung der zu vielen arbeitslosen Tage auf das neue aufmerksam würden; daß auch
b. Die Volkslehrer durch obige traurige Aussichten jetzt mehr als jemals bewegt würden, dem Volke durch wiederholte gleich übereinstimmende Belehrungen anhaltend, und ohne bey den ersten unwirksamen Versuchen sogleich wieder zurückgeschreckt zu werden, nach und nach zu erklären, wie sehr die zu vielen müßigen Tage, welche leider von dem größern Theile der Menschen mehr zum Uebeln, als Guten angewendet werden, dem Staate, der Landeskultur und selbst auch den Sitten schädlich sind, und daß also unsere heilige katholische Kirche die Ueberzahl vermehrter Feyertage auch in vorigen Zeiten schon öfters vermindern mußte. O möchte auch letzlich
c. Die Gemeinde selbst endlich die Augen öffnen, um ihren eigenen Nutzen, und die guten Absichten der Vorgesetzten zu erkennen; möchte sie einsehen, daß die Verminderung so vieler müßiger schädlicher Tage das sicherste Mittel wäre, dem Abgange an Dienstleuten, Handwerkern und Taglöhnern abzuhelfen, und den allgemeinen Nahrungsstand zu verbessern; möchte sie begreifen, daß z. B. in der einzigen Pfarre Salfelden mit ihren Vikariaten eine Anzahl von 5.803 Arbeitsleuten, ohne die 1.113 Kinder mitzurechnen durch jeden der Arbeit entzogenen Tag einen Arbeitnutzen von 967 fl. [Anm. Kammerhofer: Gulden; der Gulden zu 60 Kreuzern] 10 kr. [Anm. Kammerhofer: Kreuzer] versäumet, wenn der Werth einer Tagarbeit für 1 Person nur auf 10 kr. geschätzt wird.[4940]
Obschon man das in Salfelden immer früher geschehende Verdingen der Dienstleute als eine gemeinschädliche Unordnung durchaus beklaget, so wird doch diese zu unterhalten und zu vermehren ein Landwirth von dem andern hingerissen. Da fast jeder die brauchbarsten und stärksten Dienstleute von den Diensten eines andern abziehen, und darinnen einer dem andern vorkommen will, so werden die mehrsten Arbeitsleute, welche z. B. zu Anfang des Monats Hornung 1801 in die Dienste einstehen, oder in solchen ferners verbleiben sollen, schon in den Monaten März, oder April des vorhergehenden 1800ten Jahrs verstellt oder verhääret, obschon der Verstellende zu dieser frühen Zeit noch nicht wissen kann, ob diese Leute, welche kaum einige Wochen in seinen Diensten sind, zu den nachfolgenden stärkern Sommerarbeiten tauglich sind oder nicht. Kommen nach diesem etwas widrige Umstände vor, oder wird dem Dienstbothen von Andern eine grössere Jahrslöhnung versprochen, so muß sich entweder auch zu dieser der erste Dienstverdinger bequemen, oder jährlich statt solcher so frühe verstellter Leute wieder um andere öfters umwerben, da aus diesen überhaupt schon der wenigere Theil geneigt ist, mehrere Jahre hindurch in den alten Diensten zu verbleiben.
Rühmlicher und nachahmungswürdiger ist dagegen die Betriebsamkeit jener Bauern, welche in ihrem Hause die Häute ihres geschlachteten Viehes selbst zu Schuhleder zurichten; aus selbst erzeugtem Flachs und Schafwolle Leinwath, Loden und Rässe [Anm. Kammerhofer: Mischgewebe, die Kette aus Leinen, der Schuss aus Wolle], und aus diesen Schuhe, Hemder, und dergleichen Kleidungsstücke zubereiten lassen.
Von diesen werden jährlich abgegeben [Anm. Kammerhofer: als verpflichtender Naturallohn]
Tabelle 35.
a. Den Dienstknechten an Loden oder groben Tuch aus Schafwolle 1 Rock, 1 Winterhose oder Beinkleid, 1 Paar Fäustlinge oder Handschuh, 1 Paar Strümpfe, welches zusammen anzurechnen ist auf | 3. fl | 36 kr. |
1 Beinkleid von schwarzgefärbtem Rupfentuch – | – | 26 kr. |
1 Hemd von feiner Leinwath | – | 50 kr. |
2 dergleichen von gröberer, oder Rupfen [Anm. Kammerhofer: grobes Leinen] zu 30 kr. | 1 fl. | – |
6 Paar Schuhe zu 40 kr. | 4 fl. | – |
1 Paar Fäustlinge von Schaafleder | – | 15 kr. |
S. [Summe] | 10 fl. | 7 kr. |
Tabelle 36.
An Geld dem ersten oder Bauknechte von | 15–18 fl. |
dann bey grössern Bauernhöfen 20. | 24–30 fl. |
Einwerfern und Pferdknechten von 14. | 18–24 fl. |
mittlern Knechten von 8. | 12–16 fl. |
den mindesten | 5–10 fl. |
Tabelle 37.
b. Aus den Dienstmägden jeder an Kleidung 2 Salfeldensche lange oder 7spannlange Ellen Loden, deren eine bei 1 7/8 Salzburgische Kaufmanns=Ellen oder 5 Schuh 1 Zoll ausmißt, im Anschlage | 2 fl. | 24 kr. |
2 Ellen feineres Leintuch zu 45 kr. | 1 fl. | 30 kr. |
2 [Ellen] rupfenes [Leintuch] zu 30 kr. | 1 fl. | – |
5 Paar Schuhe zu 36 kr. | 3 fl. | – |
1 Paar Fäustlinge von Schaafleder | – | 15 kr. |
5. Pf. Rauen Flachs, Haar zu 12 kr. | 1 | – |
½ Pf. Schaafwolle zu Strümpfen | – | 12 kr. |
Summe | 9 fl. | 21 kr. |
Die Kleidertrachten des Bauernvolkes, lächerliche und bescheidenere Gepränge bey Hochzeiten und Todtenmählern weichen von jenen nicht viel ab, welche des Hrn. Franz Reisigls topographische Beschreibung des obern Pinzgaues schon vorgestellt hat. Statt der hier beliebten Volkslieder und dergleichen Reime dieses Werkl noch mehr zu verlängern, habe ich zur Ehre der Salfeldenschen Gemeinde nur noch anzuführen, daß der alte Glauben auf Vermeinen, Verschreyen, oder Verhexen und Hexenwetter, wie auch das Vertrauen auf abergläubische Gegenmittel immer mehr zu verlöschen anfangen; daß das Zutrinken und oftmalige Berauschen der Vorfahren auf Gesundheiten oder Johannssegen [Anm. Kammerhofer: Johanniswein weiht die Katholische Kirche am Johannistag, 27. Dezember, Fest Johannes Evangelist, er gilt als besonders Segen bringend und wird zu besonderen Festen, z. B. Hochzeiten, getrunken.] nicht mehr für Segen bringende Sachen angesehen werden, und daß also zu hoffen wäre, daß auch mehrere dergleichen alte Vorurtheile und Anhänglichkeiten an unnütze Sachen durch anhaltenden Unterricht der Jugend und der Erwachsenen von Zeit zu Zeit in etwas zu vermindern seyn werden.
Wenn auch gleich die vorhin beschriebene ausgesuchte Tischkost einerseits eine Verschwendung zu seyn scheint, und also in dieser Vieles zu ersparen wäre, so wird doch andererseits durch das Verkochen des vielen Schmalzes der Verbrauch des Getreides, von welchem in unserm Gebirgslande selten das zureichende Quantum erwächst, vermindert. Es begnügen sich die dießortigen Arbeitsleute in gemeinen Tagen mit einem sehr schwarzen Tischbrode, und außer den Arbeitstagen auch mit einer schlechtern Kost: als z. B. an gemeinen Sonn= und Feyertagen in der Frühe mit einer Suppe von abgerähmter süßer Milch, zu Mittag mit einem Milchkoch, dann gegen Abend mit sogenannten im Wasser gesottenen Fleischfarfeln, oder Nocken. Es ist in diesem Stücke hier überhaupts so, wie anderwärts. In jedem Lande werden die reichlicher erhaltenen Erzeugniße auch wieder in größerer Menge verbraucht. So verzehret der Bayrische Landmann Vieles von seinem vielen Getreide, der Steyermarkische eine uns überflüssigscheinende Menge Fleisches von seiner zahlreichen Ochsenzucht, der Weinländer vielen Wein bey seiner übrigens sehr magern Tischkost; der vorzüglich nach Geld geizende Schweizer hingegen vertheuert und verschwendet seine wichtigsten Schmalzeroberungen zur Verbesserung seiner zu verkaufenden fetten Käse.“
[4935] Siehe dazu CD-ROM 2 dieser Serie, die Beiträge von Alfred Stefan Weiß: Colloredo-Verbote. Kirchliche Reformpolitik am Beispiel Salzburg Ende des 18. Jahrhunderts. und Ulrike Kammerhofer-Aggermann: Volksfrömmigkeit und Zeitgeist im 18. Jahrhundert.
[4936] Schuhladen, Hans: Zur Einführung der Kartoffel im Salzburgischen. Ein Beispiel lenkender Sorge um die Bevölkerung durch Vertreter der Volksaufklärung. In: Bauer, Ingolf u. a. (Hg.): Forschungen zur historischen Volkskultur. (= Beiträge zur Volkstumsforschung, Bd. 26). München 1989, S. 309–338. – vgl. Pirckmayer, Friedrich: Lebensbild aus dem salzburgischen Gebirge gegen Ende des 16. Jahrhunderts. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde (MGSLK) 31. 1891, H. 2, S. 398–402. – Wirleitner, Franz: Bauernkost im Lande Salzburg. Salzburg 1951, S. 33. – Adler, Margot: Eßgewohnheiten und Kochkunst. (= Kniepaß-Schriften, NF 20). Unken 1993. – Schwendter, Rolf: Arme essen – Reiche speisen. Neuere Sozialgeschichte der zentraleuropäischen Gastronomie. Wien 1995.
[4937] Siehe dazu CD-ROM1 dieser Serie: Ulrike Kammerhofer-Aggermann: Weihnachtsspeisen.
[4938] SLIVK, Nachlass Karl Haiding, Tonbandsammlung mit Sagenaufzeichnungen.
[4939] o. A.: Historisch=topographisch= und ökonomische Beschreibung des Salzburgischen Pfleggerichts Liechtenberg oder Salfelden. Von einem Freunde des Vaterlandes. Salzburg: Franz Xaver Oberer 1802, S. 44–54.
[4940] Eine §. 6. angezogene Abhandlung über die Landwirthschaft soll von §. 66 bis 70. noch umständlichere Erklärungen hierüber machen. – Fußnote im Original mit * bezeichnet.