Der Lehrer Karl Adrian (17. Februar 1861–14. Oktober 1949) zählt zu den prägenden Vorläufern der Volkskunde in Salzburg, der – besonders seit seiner Pensionierung 1922 – auch ehrenamtlich kulturell tätig war: von 1904–1942 als Ehrenkustos des SMCA, als Ehrenmitglied (ab 1928) der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, als Korrespondent (ab 1925) und Konservator (ab 1937) des Bundesdenkmalamtes, als Korrespondent der Anthropologischen Gesellschaft, sowie der Vereine für Volkskunde in Berlin und in Wien. 1904 erstellte er aus den Beständen des SMCA eine volkskundliche Sammlung und richtete sie 1924 im Monatsschlösschen Hellbrunn als „Altsalzburger Bauernmuseum“ ein. Seine Zugehörigkeit zum „Ahnenerbe der SS Heinrich Himmler“ dürfte – so zeigen es Aktenlage wie Zeitzeugenberichte – eine rein „papierene“ gewesen sein. Neben dem Silbernen Ehrenzeichen der Republik Österreich erhielt er das Bayerische König-Ludwig-Kreuz für Heimatverdienste wie die Medaille für deutsche Volkstumspflege des NS-Regimes.
Karl Adrians wesentliche Aktionszeit fällt in die letzten Jahre der „Altertumssehnsucht“ am Übergang zur Zeit der restaurativen Heimatschutzideen rund um 1900. Karl Adrian gehörte zu den 24 Gründungsmitgliedern des 1910/11 gebildeten Sonderausschusses des Salzburger Landtages „betreffend Förderung und Hebung der Salzburger Eigenart in Tracht, Sitten und Gebräuchen“. Er wurde Vorsitzender des Arbeitsausschusses, denn er war bereits seit 1908 Obmann der Fachabteilung IV „Sitte Tracht und Brauch“ des Vereines für Heimatschutz in Salzburg, der sich am Bayerischen Vorbild entwickelt hatte.[4870] Die Ergebnisse der Tätigkeiten wurden dem Landtag zwischen 24. Jänner 1912 und 19. Oktober 1913 vorgelegt und bildeten die Grundlage für Karl Adrians Bücher und Aufsätze.[4871]
Diese Bemühungen trafen sich mit den Bestrebungen des 1912 gegründeten Österreichischen Heimatschutzverbandes, dessen vorrangiges Anliegen primär dem Denkmalschutz, dem Schutz des Orts- und des Landschaftsbildes und der Pflege einer landschaftsgerechten Bauweise galt.[4872] Die Statuten sahen allerdings auch dezidiert die „Erhaltung und Wiederbelebung volkstümlicher Art in Gerät, Tracht, Brauch und Musik“ vor[4873]. Mit seinen Forschungen und Dokumentationen, die sich in einer Reihe von Publikationen niederschlugen, schuf er die ersten Grundlagen für die Brauchtumspflege. Dokumentation, Rettung, Wiederbelebung, Schutz und zeitgemäße Adaption wie Stilisierung gehörten zu seinen Bemühungen, die Friederike Prodinger darstellte[4874].
Nach dem Zusammenbruch der Monarchie standen die Bestrebungen unter dem Leitgedanken der Heimatpflege und der Bildung eines nationalen Selbstbewusstseins. Den im Heimatschutz engagierten Personen ging es um die Förderung von „Heimatliebe“ und um die Stärkung der „Vaterlandsliebe“. Diese ineinander übergehenden Motive gaben auch den ehemals lokal gebundenen, von eindeutig festgelegten Gruppen durchgeführten und mit bestimmten Zielen versehenen Bräuchen einen neuen Sinn. Sie waren nunmehr hochbewerteter Fundus für die Rekonstruktion eines kulturellen Erbes, das gleichzeitig auf regionaler und auf nationaler Ebene bestimmt wurde[4875]. Karl Adrians Recherchen nach dem „ursprünglichen Volksleben“ fanden in seinem Buch „Von Salzburger Sitt' und Brauch“, aber auch in frühen Tourismusinitiativen wie in der kulturpolitischen Arbeit des Landes ihren Niederschlag.
Aus heutiger Sicht ist zu bemerken, dass Karl Adrian stets um wissenschaftliche Debatte mit den Größen im Fach bestrebt war, – das zeigen u. a. seine Korrespondententätigkeiten – dass aber Volkskunde zum damaligen Zeitpunkt selbst noch eine phänomenologisch arbeitende Altertumswissenschaft war, der es an methodisch-theoretischen Konzepten im heutigen Wissenschaftsverständnis fehlte. So waren auch in der Wissenschaft – ebenso wie bei Adrian – vorbewertende Thesen und Auswahlkriterien in Verwendung. Zudem verquickte Adrian seine Forschungen stets mit gesellschaftspolitischen Zielen.
Karl Adrians Werke sind heute als zeitgeschichtliche Schnitte zur Entstehung der Heimatbewegung, des Landesbewusstseins wie der Heimatpflege zu lesen. Eine Gültigkeit seiner Bewertungen und Ausdeutungen ist heute vielfach nicht mehr gegeben. Obwohl viele Diskrepanzen in Adrians Werken zu heutigem Wissen bestehen, haben sich die Herausgeberinnen entschieden, Adrian-Texte unter den „Historischen Texten“ des Bereichs „Zum Weiterlesen“ hier abzudrucken.
Damit wollen sie einerseits die Entstehung der Heimatpflege- und Volkskultur-Bewegungen im Lande Salzburg aufzeigen und zum anderen auch Quellen ins Bewusstsein rufen, die eine Entwicklungsphase vor der nationalsozialistischen Volkstumspflege zeigen. Die Blickpunkte und Begründungen sind bei Adrian noch deutlich andere: einerseits Altertumssehnsucht nach einer „großen geschichtlichen Zeit“ sowie ein Liebäugeln mit „naturmythischen Aspekten“ und andererseits der feste Glaube an eine wirtschaftliche, soziale und politische Stabilisierung der Gesellschaft durch das Aufleben bzw. Einführen von Bräuchen – als neuer Ständebewegung. Die später so durchdringend feststellbaren zwingenden völkischen Aspekte fehlen bei Adrian gänzlich.
Mit Karl Adrian wurde in Salzburg der Denkmalschutzgedanke auch auf immaterielle Dinge und Handlungen übertragen. Am 18. September 1913 legte Adrian nach mehreren Sitzungen zum Thema „Sitte und Brauch in unserm Heimatlande“ eine „zusammenfassende Darstellung“ vor, die eigene Darstellungen und ältere Landes- und Volksbeschreibungen verband[4876] Vielfach erinnert sie uns an die topographisch-statistischen Volksbeschreibungen der Aufklärungszeit, die eine Verbesserung der staatlichen Wirtschafts- und Sozialaufgaben zur Ursache hatten. Adrian zählt darin „zur Zeit noch als festgewurzelt“ zu betrachtende, „im Abnehmen begriffene“ und „fast oder gänzlich erloschene“ sowie erst kürzlich auf Initiative von Einzelpersonen „wiedererneuerte“ Bräuche auf (z. B. Unkener Stelzentanz durch Franz Eder, vulgo Peschbauer; Aperschnalzen in der Umgebung Salzburgs).
Vereinzelt erfahren wir daraus die Initiatoren von Bräuchen, die heute als „uralt“ und „immer schon da gewesen“ gelten. Adrians Unterteilung der Sitten und Bräuche umfasst: „A. Sitte und Brauch im öffentlichen Leben S. 772–774“, „B. Sitte und Brauch im Kreise der Familie S. 775–776“ und „C. Sitte und Brauch in Beziehung auf das kirchliche Leben S. 776-–78“, „D. Taufe S. 776“, „E. Hochzeit S. 779; (S. 778 fehlt in der Zählung)“ „F. Begräbnis S. 880“, „G. Unsere Volksspiele S. 880“ „H. Der Tanz S. 882“ sowie „I. Der Gruß S. 882“.
Karl Adrians Darstellung ist zwar nach heutigem Verständnis nicht umfassend und bewertet vor allem ausgewählte historische Formen des Alltagslebens von vornherein als „wichtig“ (und lässt andere weg), doch gibt sie das Verständnis dieser Erscheinungen als gestaltende und ordnende Bestandteile des Alltags und Lebensumfeldes wieder. Diese Auffassung mag wohl vor der NS-Zeit auch in der breiten Bevölkerung noch existiert haben. Adrians Schilderung sieht die Menschen als Gestalter der Bräuche im Sinne von sitten- und alltagsbezogenen Handlungen. Im Gegensatz dazu steht die später in der NS-Zeit vertretene Sicht des Fortwirkens des „germanischen Mythus“ in den Bräuchen, die Menschen wie Ethnien zum Vollzugsorgan des Kultes werden ließ.
Adrians Darstellungen sind kurz gefasste Einsichten in den Wandel von Bräuchen wie in den Bewertungswandel derselben. Wenn Adrian feststellt, dass „einzelne Gebräuche in neuerer und besserer Form wieder aufleben“ und es „der führenden Hand bedürfe, um auf dem Gebiete von Sitte und Brauch manch schönen Erfolg zu erzielen“[4877], dann treten seine volksbildenden und gesellschaftspolitischen Anliegen hervor. Sätze, deren Nachhaltigkeit heute noch hörbar wird. Mit diesen Bewertungen durch Adrian wurden in Salzburg viele Erscheinungen des Alltagslebens ihrem Wandel enthoben und als „besonders“, „schützenswert“ und „wichtig“ bewertet. Der Weg zu ihrer Stilisierung und Pflege war damit beschritten worden.
Was es aber nur heute draußen im Dorfe geben mag, daß gar so gejuchzt, gesungen, gefahren und geschossen wird? Hui da geht’s zu! – Musizieren und Gläserklingen hört man schon von weitem, als gäbe es eine Hochzeit. Ja freilich! Schön sauber erraten. Deswegen sind die Leute in Feierkleidern, tragen die Männer auf ihren Hüten ein frisches Dicknagel und ein Rosmarinzweigl und haben Kellnerin und Hausknecht vollauf zu tun.
Haben sich zwei Herzen gefunden, wobei aber nicht immer die gegenseitige Neigung, sondern sehr häufig die Geldfrage den entscheidenden Ausschlag gibt, so werden Anstalten zum Gutsvertrag getroffen, der durch einen Notariatsakt festgestellt wird. Gleich nach geschehenem Handschlag (Brautexamen) werden an die benachbarten ledigen Mannspersonen der beiden Brautleute kleine Blumenbüschel verteilt, die von diesen bis über den Hochzeitstag auf ihre Hüte gesteckt werden zum Zeichen, daß in nächster Nähe ein Hochzeiter wohne. In Siezenheim war es einst Brauch, daß in dem Ort, wo die Braut wohnte, am Vorabend vor der ersten Verkündigung junge Mädchen von Haus zu Haus gingen, um an die dort wohnenden Buben schöne Rosmarinfedern zu verteilen. Auch herrscht dort die eigentümliche Sinnte, daß Männer und Buben bei den Hochzeiten statt der Nelke die Judenkirsche trugen.
Nach der ersten Verkündigung der Brautleute gehen sie entweder mitsammen oder auch nur eines davon in Begleitung des Hochzeitsladers, der nach überlieferter Gewohnheit einen Stock mit Knopf und allerlei färbigen, fliegenden Seidenbändern in seiner Linken trägt, manchmal auch solche Bänder im Knopfloch seines Rockes befestigt hat, ins „Hochzeitladen“.
Es wird in allen Häusern zugesprochen, in denen sich Freunde, Bekannte oder Gödenleute des Brautpaares befinden. Die Einladung erfolgt nach ganz bestimmten, althergebrachten Formen. Sie lautet: Ja nun mein vielgeliebter Freund, wir können es nicht unterlassen, Dich zu der Ehre Gottes heimzusuchen, dieweil es sich aus sonderbarer Schickung Gottes hat zugetragen, daß dieser gegenwärtiger Hochzeiter gesinnt sei, mit der tugendsamen N. N. das heilige Sakrament der Ehe anzutreten und darum laßt er Euch freundlich berufen und bitten und anstatt der Hochzeiterin sein vielgeliebter Bruder und ich als Beistand sind also gesinnt, Euch auf diesen hochzeitlichen Ehrentag einzuladen und dieser Tag wird sein den nächstkünftigen Dienstag, da sollet ihr im Namen Gottes aufstehen und zu dem ehrengeachteten Herrn N. N., Wirt und Gastgeber in sein Haus gehen, alldort werdet ihr bekommen eine gewöhnliche Morgensuppe oder Frühstück. Nach vollbrachtem Frühstück werden wir uns dann hinbegeben in das lobwürdige Pfarrgotteshaus, alldort ist um 10 Uhr die Kopulation, da werden diese Brautpersonen in das heilige Sakrament der Ehe eintreten. Nach vollbrachtem Gottesdienst, da werden wir Euch geben den heiligen Johannssegen, nach vollbrachtem Johannssegen, da werden wir diesen Brautpersonen das Geleit geben vom Gotteshaus hin auf die Laufstatt[4879] von der Laufstatt wiederum über Gassen und Straßen hin zu dem ehrengeachteten Herrn Wirt und Gastgeber, allwo wir angestellt ein ehrliches Hochzeitsmahl. Da wird in der Kuchel abgerechnet um einen billigen Preis, um Brot und Bier, das schreibt man auf das Papier. Also seid Ihr von uns auf das allerfreundlichste gebeten und eingeladen und ich hoffe, es werden die Brautpersonen in keine Vergessenheit kommen lassen und das, was sie nicht mehr können tun, wird Gott der Allmächtige wiederum vergelten und bezahlen.
Ähnlich lauten die Einladungen an die Hochzeiterin, den Brautführer und die Kranzljungfrau. Sie sind teilweise in Reimen gehalten und von köstlichem Humor durchwebt. Entfernt wohnenden Verwandten sendet man zu diesem Zweck eigens gedruckte Einladungsbriefe. Da hier die Brautleute von den Hochzeitsgästen kein Geschenk, sondern ein sogenanntes „Weisgeld“ erhalten, so ist die Teilnahme eine allgemeine und die geladenen Gäste erscheinen meist zahlreich, weil es sich hiebei nur mehr hauptsächlich um die Kosten des Mahles handelt.
Bei der dritten und letzten Eheverkündigung sollen die Brautleute selbst in der Kirche anwesend sein, damit, wie man glaubt, ihre Kinder nicht schwerhörig werden.
Hat während der Brautzeit eines der Brautleute irgendwohin einen Weg zu machen, der beim Hause eines Bekannten vorbeiführt, oder es kommen die Hochzeitlader in die Nähe desselben, so werden sie durch einige Schüsse, die in der Eile aus einer Flinte oder Pistole in die Luft gesendet werden, feierlich begrüßt und überrascht. Das wird immer gut aufgenommen, denn es zeigt von großer Aufmerksamkeit, das Herannahen der Hochzeitsleute nicht zu übersehen.
Am letzten Abend vor dem Hochzeitstage ist im Hause der Braut im Kreise der Familie und der nächsten Nachbarn eine Abendunterhaltung, der sogenannte „Hehnentanz“, üblich.
Am Hochzeitstag selbst vernimmt man schon in aller Frühe, gleich nach dem Taganläuten, wieder das Geknatter des Kleingewehrfeuers, wohl auch das Dröhnen der Böller. Bald hernach rollen die mit trefflichen Pferden bespannten Wagen der Hochzeitsgäste daher. Im Gasthaus wird vor der Trauung das Frühstück eingenommen und dort ordnen sich die Hochzeitsgäste zum feierlichen Kirchengang. Das Frühstück besteht häufig aus warmem Wein und Kuchen, für die Männer Würstl, die Musikanten erhalten Bier, Brot, in Siezenheim die berühmten Walser Schusterlaibl und ein Lüngerl.
Es ist bald 10 Uhr, die Glocken der Pfarrkirche läuten zum zweitenmal und nun setzt sich der Zug, den die Musikanten eröffnen, in Bewegung. An die Musikanten schließen sich gleich paarweise die ledigen männlichen Hochzeitsgäste, nach diesen der Bräutigam in Begleitung des Hochzeitsladers, der den Wein zur Weihe in einer Kanne mitträgt. Diesen beiden folgen die Beistände (Trauzeugen) und die nächsten männlichen Verwandten des Bräutigams und der Braut. Nun kommen die verheirateten Männer und unmittelbar daran reihen sich die ledigen Weibspersonen und die Kranzljungfrauen mit der Braut; sie wird vom Herrn Pfarrer, der vorher abgeholt wurde, begleitet. Diese ist entweder mit einem künstlichen Myrtenkranz in den Haaren geschmückt oder trägt nach Umständen auch einen andern Kopfputz. Den Schluß des Zuges endlich bilden die Hausfrauen.
Bräutigam und Braut sind natürlich in einem solchen Zuge, der immer mit größtmöglichem Gepränge aufgeführt wird, der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit; deshalb stellen sich allerorts, wo der Hochzeitszug vorüber kommt, dichte Menschengruppen auf, um ihre Neugierde zu befriedigen. Die Gebetbücher der Braut und ihrer Jungfrauen sind in färbigen Seidensamt gebunden, mit reichen Silberbeschlägen, Schließen und feinem Goldschnitt und werden von Dienern auf ihre Plätze auf den Kirchstuhl hingelegt. Überhaupt entwickelt sich bei Hochzeiten eine Kleiderpracht, wie sie sonst selten im Jahre so auffallend auftritt. Da sieht man noch schönen, alten Schmuck, Seidenhüte mit Goldschnüren und Quasten und manche wertvolle Goldhaube.
Die Kirche ist von Andächtigen dicht gefüllt. Der Trauung geht eine lange Lesung voraus, die auch in den Zuschauern eine feierliche Stimmung hervorruft. Nach der Trauung beginnt das Hochzeitsamt, bei dem sämtliche Hochzeitsleute zum Opfer gehen. Die Kranzljungfer legt bei diesem Opfergang einen Porzellanteller, um dessen Rand ein hübscher Kranz liegt und dessen Mitte entweder mit Zitronen, Pomeranzen oder einer Torte ausgefüllt ist, auf den Altar. Es ist dies ein Geschenk für den Herrn Pfarrer.
Zur Opferung wird auf dem Chor ein altes Hochzeitslied gesungen, das schon bei der Trauung der Eltern und Großeltern im Gebrauche war und auf das, trotz seines köstlich naiven Inhaltes, ein besonderer Wert gelegt wird. Einige Strophen zur Probe:
Sing mit fröhlichem Gemüte,
Bräutigam mit deiner Braut,
die dir heute Gottes Güte
zur Gehilfin anvertraut.
Daß sie dich in Angst und Plagen
trösten soll in dieser Welt
und die Bürde mit dir tragen,
welche dir beschwerlich fällt.
Tretet fröhlich zum Altare,
betet Gott mit Ehrfurcht an,
dessen Güte viele Jahre
euch gesund erhalten kann.
Bittet Jesum um den Segen,
ladet ihn zur Hochzeit ein,
denn daran ist es gelegen,
wenn ihr glücklich wollet sein.
Die Weise schmiegt sich lebhaft und tanzartig dem Texte an. Der Auszug aus der Kirche gestaltet sich in gleicher Weise.
Im Gasthaus nun entfaltet sich ein Leben und Treiben, daß man es mit einem großen Ameisenhaufen vergleichen könnte. Vom weitgeöffneten Tanzboden erschallt Musik und Stimmengewirr, das sich zu einem ungeheuren Getöse vermengt. Nach dem Takt der Musik fliegen die Paare in der Runde, bald schräg hinüber, bald rückwärts und vorwärts, daß es rauscht und staubt und ein Zusammenstoß mit den anderen Paaren unvermeidlich wird. Der erste Tanz ist der Brauttanz, den allein der Bräutigam mit der Braut und der Brautführer mit der Kranzjungfrau tanzt. Im Gastzimmer tauchen in einem Meer von Tabakswolken allerlei Gestalten auf. Sie sitzen gemütlich beim Bier und vollen Schüsseln, sie reden von Haus und Hof, Vieh und Feld, Weib und Gesind.
Beim Anblick der Speisen möchte einem das Wasser im Munde zusammenlaufen, so schmackhaft sind sie bereitet. Meist um 12 Uhr beginnt das Mahl. Zuerst werden gebackene Leberknödel aufgetragen, dann bekommt jeder Hochzeitsgast zwei Paar Würstel, hierauf ein Lüngerl, dann Rindfleisch mit Essigkren, dem folgte eine frische Wurst mit Nudelsuppe und den Schluß des ersten Teiles des Mahles bildet das Geselchte mit Kraut und Senf. Während des Mahles erscheint die Köchin mit großem blumengeschmückten Kochlöffel und sammelt das Trinkgeld ein. Um vier Uhr herum kommt meist das Brautstehlen an die Reihe, das mit allen möglichen Listen ausgeführt. wird. Der Brautführer hat dann die angenehme Aufgabe, die Braut zu suchen und sie auszulösen, indem er die von den Burschen gemachte Zeche bezahlt. Auf dem Rückweg leisten sich die Buben noch folgenden Scherz. Sie haben ein langes Seil mit und fangen alle Weiber, die ihnen begegnen, damit ein. Diese ziehen sie dann in der Seilschlinge, die oft geknüpft wird, als Trotz hinten nach, während einer vorausgeht, der in einer Stallaterne ein brennendes Licht trägt, und ein anderer mit einem großen Besen ihn begleitet.
Gegen 6 Uhr sind die Gäste wieder im Gasthause eingetroffen und das Mahl findet seine Fortsetzung. Es kommt zunächst eingemachtes Kalbfleisch oder gebackenes Lämmernes auf den Tisch, dann folgen zwei Braten, Kalbs- und Schweinsbraten, um ½ 9 Uhr abends gibt es Frischschweinernes und endlich um 9 Uhr Kaffee mit je zwei Faschingkrapfen für den Gast oder einem Stück Torte.
Daß die so reiche Menge an Speisen nicht von dem einzelnen verzehrt werden kann, ist wohl erklärlich; daher nehmen die Hochzeitsgäste die mehr trocken bereiteten Speisen als „Bschoadessen“ für ihre Kinder und Freunde mit nach Hause. Sie schlagen die Speisen in bunte Tüchel ein, in vergangenen Zeiten benutzte man dazu auch die kleinen, sechseckigen Halleiner Hochzeitsbrettel, die eigens für diesen Zweck gemacht wurden. Eine Entlastung in dieser Beziehung bringt auch das Hochzeitsuchen. Die nichtgeladenen Angehörigen der Hochzeitsgäste kommen während des Mahles und erhalten, was ihr geladener Vater, Bruder, ihre Schwester usw. selbst nicht ißt. Sie müssen aber die Speisen auf anderen, abseits stehenden Tischen oder in der Wirtsstube zu sich nehmen. Da meist nur ein Teil des Ehepaares geladen ist, so kommen zwei Stück Braten auf den Tisch, wovon eines dem nichtgeladenen, entweder dem Manne oder der Frau gehört. In der Gegend an der Saalach, und zwar nur in einem schmalen Streifen an derselben in Ainhering, Feldkirchen, Hammerau traf man den sonderbaren Brauch, daß während des Mahles auf einer Zinnplatte Stücke ungekochten Rindfleisches, und zwar des besten, aufgetragen wurden. Diese nahmen die Hochzeitsgäste mit nach Hause für die Großeltern, Eltern oder Austragleute.
Geht nun am späten Abend das Brautpaar nach Hause, so wird es von der Musik mit einem fröhlichen Marsch begleitet, auch der Wirt geht mit einer Laterne eine Strecke Weges mit. Im Wirtshaus aber wird weiter getanzt, bis der Morgen dämmert.
Bei kirchlichen Festen im großen, bei Hochzeiten im kleineren Maße bietet sich die günstigste Gelegenheit, unser Landvolk in seiner Tracht und seinem dem Ernste der Handlung entsprechenden Auftreten kennen zu lernen. Mag auch bei Hochzeiten mancher früher geübte Brauch verschwunden sein, mag auch die Tracht manche Veränderungen erlitten haben, im ganzen spielt sich der Hochzeitszug auch heute noch so ab, wie ihn Hübner uns vor mehr als 100 Jahren schilderte:
„Die Hochzeitsgäste werden feierlich eingeladen, doch nicht wie im Pinzgau gebeten und gehalset. Der Hochzeitstag beginnt mit einer Morgensuppe, im angrenzenden Abtenauergebiet ‚Frühgraisch‘ genannt, dann wird an den Ort der Trauung geritten oder gefahren.
Außer den sogenannten Vorprangern und Spitzreitern fährt alles in einspännigen Wagen. Unter den Gästen zeichnen sich die Vorpranger durch ihre ponceauroten, mit silbernen Knöpfen besetzten Röcke und durch eine Art bunter Schwungfedern auf ihren Hüten aus. Diese und die Vorreiter sind mit großen Peitschen versehen, welche sie während des Reitens um die Wette erknallen lassen, so daß sie unter einem fürchterlichen Getöse laut jauchzend im Orte der Trauung ankommen.
Bald nach dem Eintreffen der Hochzeitsgäste geht der Zug mit Musik in die Kirche, und zwar in folgender Ordnung: An der Spitze des Zuges geht der Gerichtsdiener (1796!), dann folgen die Spielleute, auf welche die Vorpranger und die übrigen jungen Bursche kommen. Der Bräutigam folgt zur Seite der Geistlichen, daran schließen sich die Männer. Nun erscheinen die Prangerinnen mit weißen Schürzen und ebensolchen Krägen, um die Haare einen aus Gold- und Silberspitzen verfertigten Bund, auf welchem ein Rosmarinkranz befestigt ist. Endlich kommt die Braut mit einer schwarzen Schürze und die Weiber schließen den Zug. Nach der Trauung kehrt der Zug in das Gasthaus zurück, wo bald darauf der Kranzltanz stattfindet, unter welchem von den jungen Burschen den Mädchen die Kränze abgetanzt werden.“
Wie schon einleitend bemerkt wurde, tragen diese Hochzeitszüge auch heute noch ihr besonderes Schaugepräge und eine große Reithochzeit bietet stets ein ebenso malerisches als anziehendes Bild. Bei der Hochzeit des Machlschweigbauers in St. Johann i. Pg. im Oktober 1906 wurde der alte Hochzeitsbrauch des Her- und Vorreitens geübt und 30 Pferde dem Brautwagen vorgeführt. Ebenso wurde im Jahre 1913 bei der Trauung des Scheikbauers in Reinbach der Hochzeitszug nach uralter Sitte zusammengestellt, indem sich 52 Reiter daran beteiligten. Aber eine Reithochzeit nach altem Brauche, wie sie seit vielen Jahren nicht mehr stattgefunden hatte, war jene des Einödbauers von St. Johann i. Pg. im November 1909.
Der Hochzeitszug nahm seinen Ausgang vom Wohnhause der Braut, dem Dorfe Plankenau, etwa eine halbe Stunde vom Markte St. Johann entfernt. Den Anfang machte eine komische Kasperlfigur zu Fuß; ein kleines, hölzernes Pferd zwischen den Beinen, eine lange Strohpeitsche in der Hand, trieb er seine lustigen Spässe, Dann kam der eigentliche schöne Hochzeitszug. Es ritten nacheinander 72 Reiter, Bauern und Bürger, alt und jung, lauter kräftige Gestalten im vollen Hochzeitsschmucke. Jeder war ausgerüstet mit einer sogenannten „Knallpeitsche“. Diese hat einen kurzen Stiel, eine lange Schnur, die in einen Seidenschmitz endet. Das Pferd jedes Reiters wird von einem „Schinagl“ geführt. Während des Schnalzens, das die ganze Kraft und Gewandtheit des Reiters zeigt, stehen diese im Steigbügel. Besonders gut klingt es, wenn es mehrere Reiter hintereinander verstehen im Takte zu schnalzen. Der Abstand zwischen den Schnalzenden ist eine Pferdelänge. Von 72 Reitern ausgeführt, macht dieses Schnalzen einen gewaltigen Eindruck. Wochenlang vorher wird schon geübt und abends und sonntags hallt’s im Orte und dessen Umgebung wider von dem Schnalzen der unermüdlich Übenden. Daß es auch Zwischenfälle gibt, läßt sich denken, dem einen fliegt der Hut vom Kopfe, der andere bleibt mit der langen Schnur im Geäste eines nahen Baumes hängen, ein dritter verliert gar seine Peitsche und ähnliches.
Anreihend folgten dann die Wagen der Kranzljungfrauen, die Wagen der Braut und jene ihrer Angehörigen und Verwandten, dann der Wagen mit der Bauernmusik und endlich die zahlreichen Wagen der geladenen Hochzeitsgäste, wobei insbesondere die Frauen in ihrer prächtigen Pongauer Tracht ein schönes, malerisches Bild boten. Den Schluß bildete ein mit Ochsen bespanntes höchst einfaches Wägelchen, auf dem neben verschiedenem alten Hausrate zwei greise Bauersleute in uralter Pongauer Tracht, die Eltern der Braut darstellend, vergnüglich beisammen saßen.
Vor dem Gasthofe „Prem“ wurde die Braut vom Bräutigam und seinen Anverwandten empfangen. Von hier aus nahm der Zug seinen Weg zur Kirche, um nach vollzogener Trauung wieder dahin zurückzukehren.
Beim Verlassen des Gotteshauses bot sich den Hochzeitsgästen eine drollige Szene. Sechs urwüchsige mit Dreschflegeln bewaffnete Knechte droschen unter Aufsicht eines graubärtigen, verschmitzten Bäuerleins. Auf dem Kirchenplatze war rasch eine Tenne zusammengestellt worden, die Garben wurden aufgeschüttet und weithin hörte man das lustige Geklapper, während zwei andere Knechte, munter und flink, die Reinigung des Getreides auf einer alten Putzmühle besorgten. Eine Herde Rinder nebenan, bei denen die Senner geschäftig ihres Amtes walteten, vervollständigten dieses bäuerliche Bild; dabei wurde den Hochzeitsgästen mancher Heller abgezapft. Abends war dann Bauerntanz. Zahlreiche Zuschauer aus dem Orte und der Nachbarschaft verursachten oft ein lebensgefährliches Gedränge, dabei herrschte nur die eine Meinung, seit vielen Jahren habe man eine derartige Prachtentfaltung anläßlich eines Hochzeitsfestes nicht mehr gesehen.
In ähnlicher Weise finden große Hochzeiten auch im Abtenauischen sowie außerhalb des Luegs in der Gollinger und Kuchler Gegend statt. Als die Auerbauersleute in der Kellau bei Kuchl heirateten, begleiteten die „Kellauerbuam“ auf den schmuckherausgeputzten Rossen, die lange Peitsche in der kräftigen Faust, den Hochzeitszug und eine Beschießung wäre gegen das Krachen der 40 Hochzeitspeitschen ein Kinderspiel dagegen gewesen, so meinten nämlich damals manche.
Nach Hübner haben die Hochzeitsgebräuche der Pinzgauer manche Ähnlichkeit mit jenen der Pongauer. Nach eingenommener, aus mehreren Gerichten bestehenden Morgensuppe im Hause der Braut reitet alles nach dem Ort der Trauung, und zwar die Weiber auf Sätteln mit Rücklehnen und Fußschemeln und von Fußknechten, welche den Zaun des Pferdes halten, begleitet. Die Vorreiter knallen voraus mit den langen Peitschen und die Musikanten fahren unter fortwährendem Musizieren vor den Brautleuten einher. Vermummte treten unterwegs vor den Weg und verrammeln ihn zum Zeichen, dass man sich denselben durch einige Kreuzer öffnen soll. Im Trauungsorte darf man ehrenhalber und nach alter Sitte nicht vor der bestimmten Stunde eintreffen. Wenn alle Gäste im Wirtshause versammelt sind, der Vortanz geendet ist, zieht man unter den Klängen der Geige und des Hackbrettes mit dem Geistlichen, der einen Kranz um den Arm trägt, in die Kirche; in Rauris holte der Bräutigam von einem Dümmling und den Musikanten begleitet den Geistlichen vorher vom Pfarrhofe ab. Während des Amtes wird zum Opfer gegangen, zum Schlusse der Johannessegen getrunken und dann in das Gasthaus zurückgekehrt, wo der Kranzltanz beginnt.
Alle Mädchen erscheinen hier im schönsten Kleide mit weißen Vortüchern, worüber der Gürtel angebracht ist; die beiden herabhängenden Zöpfe sind von grünen Bändern durchflochten. In Rauris trug die Braut, wenn sie eine Jungfrau war, einen Kranz auf dem Haupte, sonst eine Spitzkappe und einen grauen Hut; der Bräutigam hatte einen Kranz und einen zusammengefalteten Flor auf dem Hut. Die Vorpranger, hier Dümmlinge genannt, trugen auf ihren Hüten lange, breite Federn mit Bandmaschen und einen schwarz Flor und im Gürtel Nesteln, dies waren rote, kurze Riemen, die sie unter die Gäste verteilten.
Im Laufe der Zeit änderte sich das Bild eines solchen Hochzeitszuges mannigfaltig ab, aber die Grundform der alten Reithochzeit erhielt sich bis auf unsere Tage, wenn auch letztere wegen der zu hohen Auslagen nicht allzu oft mehr stattfindet. So wurde am 28. Oktober 1923 aus Freude an dem alten Brauch eine alte Reithochzeit von den Heimkehrern veranstaltet. Die Salzburger Chronik vom 1. November d. J. schreibt darüber folgendes:
„Der Markt Rauris war am 28. Oktober der Schauplatz eines Volksfestes, an dem man sich aus vollem Herzen freuen konnte. Das Schönste an dem ganzen Feste war aber eine Reithochzeit nach altem Pinzgauerbrauch. Schon seit zwei Wochen hörte man täglich von allen Seiten Peitschenknallen, hier ‚Klöcken’ genannt. Vom Eckhausbauer aus fand um 8 Uhr, nach dem früher verlegten Pfarrgottesdienst, der Einzug der Reiter in den Markt statt. Voraus ein reitender Trompeter in strammer, militärischer Haltung, dann der Gardereiter in der Uniform eines Reiters aus dem 18. Jahrhundert, hierauf in langer Reihe die Reiter in der alten Pinzgauertracht, ausgerüstet mit langen Peitschen, auf prunkvoll geschmückten, schweren Pferden; jeder bedient von einem ‚Fußknecht’. Zum Schlusse kamen noch ein männlicher, maskierter Reiter auf einem Stier, ein als Weib maskierter Reiter auf einem Ochsen und endlich noch ein ganz jugendlicher Reiter auf einem mächtigen Ziegenbock. Darauf folgten vier prächtig gezierte Fuhrwerke: der Musikerwagen, der Wagen mit den Brautleuten, zwei weitere Wagen mit Brautvater und Braut(Schlutter)mutter und den Beiständen.
Auf dem geräumigen Marktplatz wurde Aufstellung genommen. Und nun begannen die 32 Reiter ein ohrenbetäubendes ‚Klöcken’, daß man glaubte, mitten in einem Maschinengewehrfeuer zu stehen. Es war das Bild eines farbenfrohen, kraftvollen Volkslebens. Kräftige Arme gehörten dazu, um die wuchtigen Peitschen mit der dicken, sehr langen Schnur laut und im Takte knallen zu lassen, wobei die Reiter aufrecht in den Steigbügeln stehen mußten. Nebst jungen Burschen waren unter den Reiter auch gesetzte, ergraute Männer; aber jugendliche Begeisterung an dem schönen alten Brauch glänzte aus ihren Augen, gab ihren Bewegungen Gelenkigkeit und feuerte ihren Eifer stets aufs neue an, so daß das ‚Klöcken’ fast kein Ende nehmen wollte. Der Marktplatz mit den altehrwürdigen Häusern, im Hintergrunde die im Sonnenglanze leuchtenden Bergriesen, die große Zuschauermenge, vielfach in malerischer Pinzgauertracht, das alles hob den Reiz des Festes. Dieses war ein Zeichen, daß die alten Bräuche eine gewaltige Zugkraft ausüben, zugleich wecken sie den Sinn für wahre, gesunde Volksfreude, die keine leidenschaftlichen Ausartungen kennt, die frei von Gegensatz und Derbheit, echte Kameradschaft zeigt.“
Bei den Trauungen kleiden sich beide Geschlechter wie an festlichen Tagen, nur tragen dabei die Männer die Röcke von schwarzem Tuch. Die Mädchen gehen bei Hochzeiten ohne Röckel in die Kirche, flechten sich die Haare in lange, hängende Zöpfe, woran zu unterst grüne Maschen gemacht werden. Auf dem Kopfe haben sie ein kleines von Kranzelbinderarbeit gemachtes Krönchen und das Vortuch ist von weißem Leintuch. Die Weiber unterscheiden sich von den Mädchen, daß sie in der Kirche ihr Röckchen behalten, ein schwarzes Vortuch und einen aschenfarbenen Hut ohne oder mit schwarzen Bändern tragen. Der Hochzeiter hat einen Strauß und die sogenannten Tanzbuben oder Tanzschaffer tragen auf ihren Hüten lange, breite Federn mit grünen oder blauen Maschen, einen schwarzen, zusammengefalteten Flor und im Gürtel ein Paket Nesteln. Die Braut hat über die Schultern einen großen, runden, starkgefalteten Kragen und trägt auf dem Kopfe, wenn sie noch Jungfrau ist, ein Krönchen.
Einige Tage vor der Trauung kommt der Hochzeitbitter mit dem Bräutigam und ladet, nachdem er seinen Spruch von der Hochzeit in Kanaan herabgesagt hat, auf das Feierlichste dazu ein, worauf beide dem Eingeladenen um den Hals fallen und ihn küssen.
Hier ist es Brauch, daß die Hochzeit da, wo sich der Bräutigam aufhält, gehalten wird. Die Braut gibt an ihrem Wohnorte ihren Freunden und denen, die gekommen sind, sie zur Hochzeit abzuholen, in der Früh eine sogenannte Morgensuppe, die allzeit aus mehreren Gerichten besteht. Hat man sich nun schon in aller Früh satt geschmaust, so wird in Saus und Braus zur Hochzeit gefahren, geritten und gegangen. Unterwegs wird der Hochzeitszug häufig von vermummtem, verkleidetem Gesindel, das der Braut ein aus Hadern gemachtes Kind vorhält, aufgehalten, was sie Vormachen nennen. Die Quelle dieser uralten Sitte ist Bettelei, die sich, wenn die Braut drei oder vier Stunden weit zu fahren hat, manchmal 30 auch 40 Gulden aus ihrem Beutel holt.
In dem Wirtshaus, wo die Hochzeit stattfindet, wird schon vor dem Gottesdienst getanzt und nichts als Branntwein getrunken, daher es wohl kein Wunder ist, wenn manchem schon beim Kirchenzuge die Füße schwanken. Wenn nun die Braut ihren Einzug gehalten hat und die Hochzeitsgäste versammelt sind, schickt man um den Herrn Pfarrer oder Vikar, der den Kirchenzug verherrlichen muß. Der Geistliche bekommt, wie die übrigen Gäste, an den Arm einen Kranz. Man zieht nun paarweise der Kirche zu, indessen die Musikanten einen Marsch vom letzten Türkenkriege herabzuklimpern beginnen.
An dem Fenster, das gerade ober der Türe des Wirtshauses ist, steht jemand mit einem von Stroh zusammengebundenen Weihwedel und bespritzt jedes hinausgehende Paar mit Weihwasser, damit sie nicht etwa wegen ihrer Schönheit, wie sie sagen, vermeint werden. Wenn man zur Kirche kommt, wird man wieder mit Weihwasser begrüßt. Nach der Kopulation ist der Gottesdienst, doch ohne Musik. Während man um den Altar zu Opfer geht, stehen hinter dem Altar ein Paar Tanzbuben und geben jedem Mann einige von ihren Nesteln. Nach dem Gottesdienste gehen die Tanzschaffer in der Kirche mit großen Bechern, die mit Wein gefüllt sind, herum und geben den Gästen daraus zu trinken. Aus der Kirche geht man in der gleichen Ordnung, wie man hinein gegangen ist. Im Wirtshause wird dann getanzt, zu Mittag gegessen und dann wieder getanzt, wobei sich 10 Paare auf einem 12 Schuh großen Platz drehen. Um 5 Uhr nachmittags pocht der Hochzeitsbitter mit einem hölzernen Teller an der Tür, geht dann hinein und sagt den sogenannten Dank den Gästen, daß sie bei der Hochzeit erschienen sind. Er ermuntert sie, Speis’ und Trank zu genießen, es sei dessen kein Mangel und die Spielleute seien zu dem Ende gerufen worden, damit sich die Gäste erlustigen können. Bald darnach beginnt das „Weisen“ der Gäste, man tanzt noch eine Weile und – die Hochzeit ist zu Ende.
Wie alles einer beständigen Veränderung unterliegt, so trifft dies auch beim Zeremoniell der Bauernhochzeiten zu. Mit Ausnahme unbedeutender Bräuche sind die Hochzeiten im ganzen Gau gleich. War in früheren Zeiten eine Bauernhochzeit ein Ereignis im Dorfe, ein wahres Familien- und Gemeindefest, so ist dieselbe jetzt zu einer Seltenheit geworden. Schuld daran sind hauptsächlich die Auswüchse beim „Vermachen“ und „Brautstehlen“.
Hat sich nun ein Paar „versprochen“, so ist es ihre erste Aufgabe, einen Hochzeitslader zu bestellen. Das Amt eines solchen ist keineswegs leicht, es erfordert viel Umsicht, ein gewisses Maß Redebegabung und einen guten „Einfall“, damit er den Dank und die bei der ganzen Hochzeitsfeierlichkeit vorgekommenen Verstöße oder „Böcke“ in launiger Form vorzubringen in der Lage ist, denn gerade dieser Teil seines Amtes kennzeichnet seine Verwendbarkeit. Im Oberpinzgau sind heute nur mehr zwei, welche diese Aufgabe übernehmen. Der Hochzeitslader, dem rückwärts vom Hute zwei lange, bunte Bänder herab hängen, geht mit der Braut zu den Verwandten und Bekannten und bringt dort seine freundliche Einladung zum hochzeitlichen Ehrentag der Brautleute vor.
Am Hochzeitstage versammeln sich die Hochzeitsgäste in dem Gasthaus, wo das Mahl eingenommen wird, zur Morgensuppe. An Stelle des früher üblichen warmen Frühstückes bekommen jetzt die Männer und Buben Bier oder Schnaps, die Weiber Glühwein, wohl auch Kaffee oder Lüngerl. Eine wichtige Rolle fällt den Vortretern oder Tanzschaffern zu, die den Hochzeitslader unterstützen, für die Unterhaltung der Weiber zu sorgen und die Ordnung beim Tanze inne haben.
Sind die Hochzeitsgäste mit den Hochzeitsbändern oder Sträußen versehen, so ordnet der Hochzeitslader den Zug zur Kirche. Voran die Musik, dann der Bräutigam mit seinem Beistand, die Männer, die Vortreter und die Buben; hinter diesen folgen die Jungfrauen, die Braut mit dem Brautführer und zum Schluß die verheirateten Weiber.
Auf dem Platze vor der Kirche vollzieht sich das sogenannte „Vermachen“. Dabei werden Szenen aus dem Berufsleben der Brautleute oder anderen Vorkommnissen aus ihrer Vergangenheit entnommen und zur allgemeinen Belustigung vorgeführt. Bei einer richtigen Bauernhochzeit wird gemäht, gemolken, gebuttert, gekäst, gekocht; steht der Bräutigam auch im Rufe eines Viehdoktors, wird einer Kuh ein „Einguß“ gemacht, Jagdpech und ähnliches kommt ans Tageslicht.
Die Platzanweisung in der Kirche fällt wieder dem Hochzeitlader zu. Nach der Messe gehen die Brautleute, Brautführer, Brautmutter, die nächsten Verwandten und der Hochzeitslader wie beim Opfergang um den Altar, wo ihnen auf der Epistelseite vom Priester geweihter Wein gereicht wird. Den übrigen Hochzeitsgästen wird der Wein vom Hochzeitslader und den Vortretern in den Stühlen gereicht.
Der Auszug aus der Kirche vollzieht sich in der gleichen Ordnung. An der Kirchentür oder am Friedhofsgitter erwarten einige junge Männer den Zug, um die Braut zu stehlen. Während die Braut in ein anderes Gasthaus gebracht wird, geht der Zug unbekümmert darum dem Hochzeitsgasthaus zu, wo sogleich der Kranzltanz beginnt. Indessen ist der Hochzeitslader in der Hochzeitsstube mit der Sitzordnung beschäftigt. Ein Tisch faßt 12 Personen; die Größe der Hochzeit wird nicht nach der Zahl der Personen, sondern nach jener der Tische gemessen. Die größte Hochzeit in den letzten 50 Jahren in Bramberg zählte 28 Tische.
Sobald die Hochzeitsgäste Platz genommen haben, gehen Hochzeitslader und Brautführer mit der Musik die Braut auszulösen und sie heimzuholen. Ehe die Suppe aufgetragen wird, begibt sich die Braut in die Küche, um sie zu salzen. Das Mahl beginnt mit Suppe, Lüngerl und Rindfleisch. Nachdem dies verzehrt wurde, tritt eine Pause ein. Jetzt gehen Gäste „über die Gasse“ oder „feiertagen“, das heißt sie besuchen andere Gasthäuser. Bei der Rückkehr wird das Mahl fortgesetzt, da gibt es Knödel, Braten, Nudeln und ein eigenes Gebäck, „Hirscheng’stämm“ genannt.
Vor Aufhebung des Mahles spricht der Hochzeitslader den ziemlich langen Hochzeitsdank. Er unterbricht ihn einmal, indem er sagt: „Die Brautleute sollen hoch leben und die Musikanten sollen ihnen die Ehre geben.“ Nachdem nun die Musik einen Tusch gespielt hat, reicht der Bräutigam dem Hochzeitslader ein Glas Wein. Hierauf setzt der Hochzeitslader fort: „Jetzt hätt ich noch eine Bitt, und zwar, daß niemand eine alte Bekanntschaft aufsucht, noch weniger eine neue anfangt, damit dem heiligen Sakrament der Ehe keine Unehre und den Brautleuten keine Verantwortung zugefügt wird. Zum Schluß wünsch ich Euch allen eine glückliche Heimreise, nicht nur heut, sondern auch nach diesem mühseligen Leben, in die ewige Freud und Glückseligkeit, wo wir mit allen Engeln und Auserwählten Gott leben und preisen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“
Nun werden die verschiedenen Verstöße in witziger Form, ähnlich den Brauttanzliedern im Pongau, vorgebracht. Damit ist die eigentliche Hochzeitsfeier vorüber und es beginnt der Tanz. Inzwischen wird von den Hochzeitsgästen der Anteil des Mahles bezahlt und später den Brautleuten geweist, das heißt das Hochzeitsgeschenk, in Form eines Geldbetrages, übergeben, wofür die Brautleute den sogenannten Weiswein reichen. Allmählig verlieren sich die Hochzeitsgäste, das „Bschoadpaktl“ für Kinder und Hausleute mittragend.
(Nach Mitteilung des Oberlehrers Pürstl in Bramberg)
Wenn die Hochzeitsgäste versammelt sind und die Zeit zum feierlichen Kirchgang eintritt, so beginnt dieser, die Musik voraus, in folgender Ordnung: 1. Der Bräutigam an Seite des den Kirchgang begleitenden Pfarrers; 2. die männlichen Hochzeitsgäste; 3. die Mädchen als Vorprangerinnen; 4. die Vortreter oder Spitzreiter mit Seitengewehren; 5. die Braut am Arme des Brautführers mit der sogenannten Braut- oder Schlottermutter an der Seite, welches meist die Taufpatin, in deren Ermangelung eine nahe Verwandte der Braut ist; 6. die Weiber, welche den Zug beschließen.
Viel einfacher als in den übrigen Teilen unserer Gebirgsgaue gestaltet sich in der Gegenwart der „Kirchengang“ bei einer großen Hochzeit im Lungau. An der Spitze marschiert die Musik, hierauf folgt der Bräutigam mit dem Priester, dann kommen die verheirateten Männer, denen sich die ledigen Männer und Burschen anschließen. Im weiteren reihen die Jungfrauen an; zwei Spitzreiter begleiten die Kranzljungfrau, ihnen folgt an der Seite eines Priesters die Braut, den Schluß macht der Brautführer mit der Brautmutter, meistens die Patin oder eine Verwandte der Braut, und die verheirateten Frauen.
[4870] Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Die Salzburger Landeskommission „betreffend Förderung und Hebung der Salzburger Eigenart in Tracht, Sitten und Gebräuchen“ und der Salzburger Landesanzug. In: Trachten nicht für jedermann? Hg. U. Kammerhofer-Aggermann, A. Scope, W. Hass (= Salzburger Beiträge zur Volkskunde 6) Salzburg 1993, S. 25–50. – Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Die Anfänge der Salzburger Heimatwerks- und Heimatpflegeidee. In: Volkskunde und Brauchtumspflege im Nationalsozialismus in Salzburg. Hg. Walburga Haas (= Salzburger Beiträge zur Volkskunde 8) Salzburg 1996, S. 81–120, bes. 85–89.
[4871] SLA, Landtagsbericht Nr. 150, L.-T.1911/12, 24. Jänner 1912, S. 931 und Beilage B, S. 936. – Jahrbuch des Salzburger Gewerbeförderungsinstitutes 1908, S. 7ff.
[4872] Johler, Reinhard; Nikitsch, Herbert; Tschofen, Bernhard: Schönes Österreich. Heimatschutz zwischen Ästhetik und Ideologie, Wien 1995 (= Kataloge des Österreichischen Museums für Volkskunde, Bd. 65).
[4873] Prodinger, Friederike: Karl Adrian † (Österreichische Zeitschrift für Volkskunde, 53/1950, S. 175–177 und 177–179 zus. mit Leopold Schmidt: Adrian-Bibliographie). – Prodinger, Friederike: Karl Adrian † (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 90/1950, S. 174–182).
[4874] Prodinger, Friederike: Karl Adrian † (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 90/1950, S. 174–182).
[4875] Johler, Reinhard und Nikitsch, Herbert: Zum Wesen des Österreichischen: die Heimatschutzbewegung. In: Volkskunde und Brauchtumspflege im Nationalsozialismus in Salzburg. Hg. Walburga Haas (= Salzburger Beiträge zur Volkskunde 8) Salzburg 1996, S.211–234.
[4876] SLA, Landtagsbericht Nr. 150, L.-T.1911/12, 24. Jänner 1912, S. 931 und Beilage B, S. 770–885.
[4877] SLA, Landtagsbericht Nr. 150, L.-T.1911/12, 24. Jänner 1912, S. 931 und Beilage B, S. 770f.
[4878] Adrian, Karl: Von Salzburger Sitt’ und Brauch, Wien: Österreichischer Schulbücherverlag 1924, S. 214–233.
[4879] An Orten, wo das Schüssellaufen gebräuchlich ist.