Ursula Schumacher, Jugendreferentin der Salzburger Landesarbeitsgemeinschaft für Volkstanz, des Landesverbandes der Salzburger Heimatvereinigungen und des Bundes der Österreichischen Trachten- und Heimatverbände, Pädagogin/Volksschullehrerin und Psychologin in Ausbildung, übersandte am 1. Juni 2004 ein schriftliches Statement an das Referat Salzburger Volkskultur. Die Fragen wurden von Lucia Luidold gestellt.
Die Salzburger Landesarbeitsgemeinschaft für Volkstanz legt einen Schwerpunkt auf das Tanzen mit Kindern und hat dafür eine eigene Ausbildungsschiene zusammengestellt.
Diese Frage beantworte ich mit einem eindeutigen „Ja“. Bewegung ist ein körperliches Kommunikationsmittel, fördert die Gesundheit und ist Grundlage für kreatives Tun. Damit diese Funktionen der Bewegung auch zum Tragen kommen, ist die Auswahl der Tänze sehr wichtig. Es gibt eine Menge an überlieferten Spielen und Tänzen, bei denen Kinder ihren Bewegungsdrang ausleben können und die für sie eine Herausforderung darstellen. Beispielsweise der „Spanltanz“ – bei diesem Tanz springt man in einer bestimmte Weise über ein auf den Boden gelegtes Kreuz aus Spänen. Das Springen soll im Rhythmus von einer Melodie oder einfachen Kinderreimen erfolgen. Dieser Tanz erfordert ein hohes Maß an Koordination, Ausdauer und Geschicklichkeit. Aus meiner Tätigkeit in der Volksschule weiß ich, dass gerade diese Art von Tänzen Kinder animiert, auch außerhalb einer Tanzunterrichtsstunde selbstständig weiter zu tanzen.
Mit kleinen Kindern tanze ich oft Nachahmungsspiele wie z. B. „Zeigt her eure Füße“. Für uns Erwachsene erscheint dies zwar ein sehr einfacher Tanz zu sein. Durch die ständige Wiederholung haben die Kinder aber die Möglichkeit, ihre eigenen Ideen einzubringen. Indem wir im Kindertanz fast alle Tänze (besonders im Alter bis 11 Jahre) selbst singen, können die Kinder die Geschwindigkeit ihrem Können individuell anpassen. Dies ist bei Klatschtänzen sehr gut zu beobachten: anfangs ist das Tempo eher verhalten und zum Üben langsam; je besser die Kinder die Bewegung beherrschen, desto mehr steigert sich das Tempo. Den Kindern wird die Basis der Tänze vorgegeben, sie können aber durch ihr Mittun beeinflussen, wie schnell und damit wie schwierig ein Tanz letztendlich ausgeführt wird.
Damit die Freude an der Bewegung gestärkt wird, müssen Kindertänze Tänze für Kinder sein, d. h. sie müssen dem Bewegungsdrang und den Bedürfnissen der Kinder angepasst sein. Es gibt sehr viele verschiedene überlieferte Tanzformen und meist lässt sich für jede Entwicklungs-, Alters- und Könnensstufe ein Tanz finden.
Freude an einer Sache bleibt dann bestehen, wenn ich den Kindern ermögliche, dass sie Spaß erleben können. Es können durchaus Aufführungsmöglichkeiten angeboten werden. Diese erfordern eine gewisse Disziplin bei der Ausführung von Schritten etc. Als Tanzleiter muss ich allerdings darauf achten, dass die Bewegung als Ausgleich zu den vielfältigen kognitiven Leistungsanforderungen gesehen wird.
Meine Erfahrungen beziehen sich auf Veranstaltungen, die ich im Freilichtmuseum, bei der Salzburger Bachgesellschaft, beim Projekt „Mit allen Sinnen“, bei der Brauchtumsgruppe Jung Alpenland, etc. machen durfte. Mein größtes Anliegen bei Tanzveranstaltungen ist, dass alle Kinder die Möglichkeit haben, beim Tanzen mitzutun. D. h. es ist egal, wie alt die Kinder sind, oder ob sie in ihren Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt sind.
Bei den meisten Veranstaltungen weiß ich nicht von Vornherein, welche Kinder mit mir tanzen. Daher ist es jedes Mal, trotz Vorbereitung, spannend. Wenn ich die Kinder, mit denen ich tanze, nicht kenne, wähle ich häufig Kreistänze oder symmetrische Tanzformen. Der Vorteil von Kreistänzen ist, dass Kinder der verschiedensten Könnens- und Altersstufen und auch die Eltern von kleineren Kindern mittanzen können. Dadurch, dass sich alle an der Hand halten, gibt man sich gegenseitig Sicherheit und man kann einfach beim Nachbarn schauen, welche Bewegung man machen soll. Symmetrische Tanzformen erlauben es, dass trotz ungleicher Geschlechterverteilung Tänze in Zweiergruppen getanzt werden können. Aufgrund der vielfältigen Tanzbeschreibungen ist es außerdem möglich, bei bestimmten Tänzen verschiedene Schwierigkeitsstufen gleichzeitig zu tanzen (z. B. beim Siebenschritt).
Kinder sagen meistens sofort, was ihnen gefällt und was nicht und manchmal funktionieren Tänze auch nicht so, wie ich mir als Erwachsene das vorgestellt habe. Da erfordert es Mut, mein Programm zu ändern. Weiters ist es notwendig, ein entsprechendes Repertoire an verschiedensten Tänzen zu haben, damit ich in der Situation entsprechend flexibel reagieren kann. Die Eltern bzw. Erwachsenen gehören bei den Tanzveranstaltungen der Kinder auf alle Fälle auch eingebunden – einerseits um den Kindern die Scheu am Mittun zu nehmen, andererseits um ihnen zu zeigen, wie lustig tanzen sein kann.
Mein Verständnis von Kindertanz verlangt nicht, dass ein Mädchen mit einem Burschen tanzen muss. Einerseits sind ja nicht immer idealerweise gleich viele Mädchen wie Burschen anwesend. Andererseits gibt es Zeiten, in denen Mädchen lieber mit Mädchen und Burschen lieber mit Burschen tanzen bzw. gibt es auch Zeiten, in denen es interessant ist, dass Mädchen und Burschen miteinander tanzen. Wenn ich als Tanzleiterin entsprechende Tanzformen aussuche, dann umgehe ich viele Probleme.
Wenn auch im Kindertanzbereich fast alles gesungen werden kann, ist es bei Tanzveranstaltungen (die sehr oft im Freien stattfinden) sehr hilfreich, wenn ich eine musikalische Unterstützung habe. Vorteilhaft ist es, wenn die Tanzmusik ein Verständnis für Kindertanz mitbringt. Das Tanzen mit Kindern unterscheidet sich vom Tanzen mit Erwachsenen insofern, als das Tempo der Musik ständig dem sehr schnellen Lernprozess der Kinder angepasst werden muss. Beim Singen verändert sich die Geschwindigkeit automatisch, bei Unterstützung durch Tanzmusikanten ist die Veränderung nur durch eine intensive Kooperation zwischen der Musik und dem Tanzleiter möglich.
Abschließend bleibt zu erwähnen, dass keine „Dirndlkleid- und Lederhosenpflicht“ besteht, damit überlieferte Tänze getanzt werden können. Wenn auch z. B. ein Kleid bei Mädchen schön anzuschauen ist, sind die Äußerlichkeiten ein kleiner Teil. Viel wichtiger ist, dass die Kinder Freude beim Tanzen und Spielen erleben. Und wenn die Kinder beim Tanzen lachen, dann habe ich als Tanzleiterin die „richtige“ Tanzauswahl getroffen.
Wegen der vielfältigen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen, ist es nicht mehr so leicht wie noch vor ein paar Jahren, diese Zielgruppe längerfristig für den Bereich Tanz und Volkskultur zu begeistern. Daher ist es notwendig, neben einem gewissen Repertoire an Tänzen auch Wissen über deren Entstehung, den altersgerechten Einsatz etc. zu haben. Mit der „Ausbildung zum Kinder- und Jugendtanzleiter“, welche in Zusammenarbeit von der „Bundesarbeitsgemeinschaft Österreichischer Volkstanz“ und dem „Bund der Österreichischen Trachten- und Heimatverbände“ organisiert wird, ist eine Möglichkeit geschaffen worden, Theorie und Praxis zu kombinieren.
Vielfältigkeit: Zielgruppe der Ausbildung sind alle, die am Tanzen, Spielen und Singen mit Kindern und Jugendlichen interessiert sind. D. h. angesprochen werden Lehrer, Kindergärtner aber ebenso Tanzleiter von Heimatvereinen und Brauchtumsgruppen. Zur Vielfältigkeit dieser Ausbildung gehört auch, dass die Kurse in ganz Österreich angeboten werden. Dadurch ist es möglich, die Verschiedenartigkeit der einzelnen Regionen in das Konzept einfließen zu lassen. Gerade dieses Miteinander erscheint mir sehr hilfreich. In zahlreichen Kursen der letzten Jahre hat sich gezeigt, dass die Möglichkeit eines Erfahrungsaustausches gegeben sein muss. Im Gespräch mit den Teilnehmern werden Tricks im Umgang mit Kindern ausgetauscht und wertvolle Tipps hinsichtlich didaktischer und methodischer Hilfen gegeben. Oft sind Teilnehmer erleichtert, wenn sie hören, dass es gewisse Probleme in beinahe allen Bereichen, wo mit Kindern getanzt wird, gibt. Dadurch dass vor allem in den Kursen zu Modul II und III Personen aus ganz Österreich zusammentreffen, lernen die Teilnehmer die unterschiedliche Organisation (bezüglich Finanzierungsmöglichkeiten, Zusammenarbeit der Schulen und Kindergärten mit der Volkskultur, etc.) von Kindertanz kennen.
Praxis: Bei jedem Kurs wird sehr viel getanzt, wobei es grundsätzlich darum geht, dass die Teilnehmer überlieferte Tänze aus dem europäischen Raum kennen lernen. Das Vorzeigen der Tänze wird durch methodische Anregungen zur Weitergabe der Tänze erweitert. Zwischen dem Modul II und III wird ein Praxisnachweis gefordert. Dies ist deswegen notwendig, weil in Modul III Kinder eingeladen werden. Jeder Teilnehmer erarbeitet einen Tanz mit den Kindern. Diese Unterrichtssequenzen werden auf Video aufgenommen und in kleinen Gruppen analysiert. Die Aufnahme ist ein gut brauchbares Instrument, die eigene Arbeit zu reflektieren und es hilft, ein Gefühl für die eigene Wirkung bei anderen zu bekommen. Ein Vorteil für die Teilnehmer ist, dass die Ausbildung über einen längeren Zeitraum absolviert wird. Damit besteht die Möglichkeit, das erworbene Wissen selbstständig auszuprobieren und bei den folgenden Kursen durch Diskussionen und weitere Informationen zu erweitern. Eine ständige Weiterbildung wird aber auch nach Abschluss der Ausbildung erforderlich sein. Tanzarbeit mit Kindern ist nur dann erfolgreich, wenn man eine gewisse Sicherheit in der Weitergabe von Tänzen hat. Diese Sicherheit kann man sich nur durch oftmaliges Tanzen mit Kindern aneignen.
Theorie: Neben all den praktischen Beispielen darf ein klein wenig Theorie bei der Ausbildung nicht fehlen. In den Kursen wird den Teilnehmern die vielfältige Tanzliteratur vorgestellt, es wird über die altersspezifische Einteilung der Tänze gesprochen, wie Tanzaufzeichnungen gelesen werden, woher die Tänze kommen und wie Kinder und Jugendliche zum Tanzen motiviert werden können. Ergänzend zu diesen Punkten werden bei den Kursen zu Modul II und III auch Gastreferenten aus anderen Fachgebieten, die dem Tanz verwandt sind, eingeladen. Beispiele für solche Gebiete sind: Motopädagogik, Kinesiologie, Tanzpädagogik und musikalische Früherziehung.
Reflexion: Den Abschluss der Ausbildung bildet eine kurze schriftliche Arbeit. Die bisher eingelangten Arbeiten reichen von Erfahrungsberichten in der Vereinsarbeit mit Kindern und Jugendlichen über Beschreibungen von alten Spielen bis hin zu Gedichten. Bei diesem Teil ist jeder aufgefordert, sich mit der eigenen Arbeit und den Gedanken über Tanzen mit Kindern und jungen Leuten auseinanderzusetzen.