Endlich, nach jahrelangen Mühen der Entwicklungsarbeit ist es auf Anregung des Salzburger Heimatwerkes gelungen, ein für Salzburg traditionell-typisches Gewebe wieder anbieten zu können. Der Rass, ein Mischgewebe aus Schafwolle und Leinen stellt durch die Verwebung von tierischen und pflanzlichen Fasern eine Besonderheit bei den für bodenständige Kleidung verwendeten Stoffen dar.
Bereits im Mittelalter wird in einer Münchner Stadtordnung vom Jahre 1370 dieses ursprünglich in bäuerlichen Hauswebereien erzeugte Gewebe erwähnt. Der Name tritt ebenfalls schon im Mittelhochdeutschen als arraz und arreiz (Pannus e lino et lana factus, also ein aus Leinen und Schafwolle bereitetes Tuch) auf. Noch heute finden wir die Ausdrücke „rasser“ (grober, harter) Stoff im Gegensatz zu „wasser“ (weicher, feiner) Stoff in unserem Dialekt.
Die Bezeichnung „Rass“ ist vorwiegend in Salzburg, Kärnten und der Obersteiermark gebräuchlich. Eine weitere Bezeichnung für dieses Gewebe, nämlich Wifel ist in der südlicheren Steiermark und auch in Tirol üblich. So finden wir z. B. bei der Beschreibung einer Tiroler Frauentracht einen schwarzen Rock in schweren Falten, genannt Wifling. In der Steiermark ist Wifel schon im 11. Jahrhundert als wevil in einer Handschrift des Benediktinerstiftes Admont (welches bekanntlich von Salzburg aus begründet wurde) bezeugt. Zahlreiche Kostümstudien mit detailgetreuen Beschreibungen von E. Tony Angerer geben Zeugnis von der vielfältigen Verwendung von Rass als Bekleidungsstoff in allen Salzburger Gauen.
Der Rass hat also schon eine sehr lange Tradition in unserer Bekleidung und verschwand vor etlichen Jahren mit dem Sterben der kleinen Landwebereien und Lodenwalken von der Bildfläche. Nicht wenige traditionsbewusste Menschen unseres Landes trauerten diesem besonderen Gewebe mit der Kette aus Leinen und dem Schuss aus Schurwolle nach und forderten bei uns immer wieder das Bemühen um eine Wiederproduktion.
Wir machten uns also an die Arbeit. Zum Ersten galt es eine Weberei zu finden, welche in ihrer „Kleinheit“ noch flexibel genug war, die gewünschten Mengen zu weben und sorgfältig genug war, die geforderte Qualität zu erzeugen. Nachdem dieser erste Schritt mit der Produktion des Grundgewebes gelungen war (das Leinengarn stammt von Oberösterreich und das Schafwollgarn von Tirol), kam ein schier unlösbares Problem auf den Erzeuger zu, nämlich das Färben des Gewebes. Die verwendeten tierischen und pflanzlichen Fasern Wolle und Leinen nehmen in ganz unterschiedlicher Weise die Farbe auf und hier bedarf es der besonderen Kunst und mehrerer Arbeitsgänge des Färbers, das gewünschte Farbbild zu erreichen. Erfreulicherweise werden dazu heute nur mehr umweltverträgliche und hautfreundliche Farben verwendet.
Nach drei Jahren der Entwicklung ist er also wieder exclusiv im Heimatwerk erhältlich, der richtige „Rass“ aus Leinen und Schafwolle. Freilich wurde er den Tragegewohnheiten von heute angepasst, er ist im Griff nicht mehr grob und hart wie alte Muster bezeugen, sondern durch qualitativ hochwertige, feinere Qualitäten von Leinen und Schurwolle fühlt sich der Rass von heute in seiner körnigen Struktur angenehm weich an. Er birgt die Vorteile von den beiden Materialien Loden und Leinen in sich, den Schutz vor Kälte und Nässe durch den Loden und die Dauerhaftigkeit und Leichtigkeit vom Leinen, ein einmaliges, natürliches Material für zeitgemäße Oberbekleidung. Wir fertigen daraus schon Joppen für Frauen und Männer, elegante Kostüme und spezielle Trachtenröcke für traditionsbewusste Vereine.
Bei unseren Salzburger Trachten erfreut sich gerade im Pongau der traditionelle grüne Rassrock noch äußerster Beliebtheit. Die Pongauer können also aufatmen, das Material für ihre Tracht ist wieder erhältlich. Dazu noch eine kleine Vorinformation: In der Modellabteilung des Heimatwerkes wird gerade an einer zeitgemäßen Erneuerung eines Salzburger Rassrockes gearbeitet, lassen wir uns überraschen, wie dieser Vorschlag ausfällt und ob die Salzburger daran Gefallen finden.