Die Tracht, unsere lebendige, fröhliche Kleidung mit Tradition, kommt vielfach erst mit dem nötigen Beiwerk zur Geltung. Sowohl für Frauen als auch für Männer sind die „g’medlt’n Strimpf“, wie sie in unserer Mundart auch häufig bezeichnet werden, ein wichtiger Bestandteil der Tracht. Sie werden mit Stolz getragen, von unzähligen Menschen bei den Musikkapellen, Schützen und Brauchtumsvereinen, aber natürlich auch vielfach im privaten Bereich.
Diese Beinkleidung hat eine sehr lange, bewegte Geschichte. Die einfachste Form, Beine vor Witterungseinflüssen zu schützen, war, diese mit Fellen, Loden oder auch Leinwandstreifen zu umwickeln. Schon die Germanen und Gallier haben diesen Beinschutz verwendet, durch Jahrhunderte fanden sie bei den Soldaten als Wickelgamaschen Verwendung und noch heute – man bedenke die lange Zeitspanne – verwenden Jäger und Holzknechte im Gebirge vereinzelt solche Wickelgamaschen, welche sie über die unverwüstliche graue Lodenkeilhose winden, um besseren Schutz vor Schnee und Kälte im Winter zu haben.
Im Mittelalter kam eine neue Form der Fußbekleidung, die sogenannten Beinlinge, in Mode. Diese enganliegenden, wie Strumpfhosen aussehenden Beinlinge waren anfangs nur bei höheren Ständen üblich, setzten sich aber ab dem 13. Jahrhundert auch in breiteren Bevölkerungskreisen durch. Die Beinlinge bestanden aus zwei Teilen, aus der Scham- oder Lendenhose, auch „Bruch“ genannt, und den daran genestelten Strümpfen, die man auch als „Soch“ bezeichnete. Eine Verbindung dieser Bezeichnung zu unseren heutigen „Socken“ ist naheliegend. Auch die Beinlinge waren vorwiegend aus Leder, Loden oder Leinwand. Neben den Beinlingen hielt sich bei der ärmeren, einfacheren Bevölkerungsschicht aber die germanische Langhose, die Füße wurden in Lappen gewickelt und mit Bändern verschnürt. Diese „Fußhadern“ haben sich bemerkenswerterweise vereinzelt auch bis in die Gegenwart erhalten. Ich kenne selbst noch einfache Bergbauern im Innergebirg, wo die älteren männlichen Familienmitglieder anstatt der heute üblichen Socken die Füße mit den „Fußfetzen“ umwickeln und damit in den Arbeitsschuh schlüpfen!
Doch nun zurück zur weiteren Entwicklung der Beinlinge. Als die Röcke gegen Ende des 14. Jahrhunderts immer kürzer wurden, war es notwendig, die Beinlinge mit der „Bruch“ aus Anstandsgründen zu einer Hose zu verbinden. Diese Hosen (unsere heutigen „Leggins“ sehen ähnlich aus) hielten sich bis in die Renaissance des 16. Jahrhunderts. In dieser Zeit kamen die weiten, aufgebauschten Gesäßhosen in Mode. Durch diese neue Kleidung wurden die Hosen wiederum überflüssig und man trennte die Beinlinge wieder ab. Die endgültige Trennung zwischen Strumpf und Hose war vollzogen, der „Beinlingstumpf“, später nur mehr „Stumpf“, war geboren. Das Material war bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts noch Loden, Leinwand oder Leder wie bei den Beinlingen. Ab dieser Zeit wurde selbstgesponnene Schafwolle, Garn- oder Leinenzwirn, Baumwolle und sogar Seide für die Frauen- und Männerstrümpfe verwendet.
Viktor von Geramb und Konrad Mautner schreiben in ihrem umfassenden „Steirischen Trachtenbuch“ dazu unter anderem: „Die ‚Hamburgerstrümpfe‘, die wir in der Steiermark seit 1664 nachweisen konnten, erfreuten sich bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts besonderer Beliebtheit, wie das mehrere Polizeianzeigen und Krämerinventare bezeugen. In diesen finden wir auch ‚Neapolitaner‘-, ‚sächsische‘, ‚Hallinger‘- oder ‚Haller‘-Strümpfe und Socken erwähnt. Um 1850 konnten wir für die Stainzer Gebirgsbauern feine blaue ‚Salzburger Stimpf‘ nachweisen und in der Seckauer Gegend nannte man weiße, grüngemodelte Wollstrümpfe noch um 1900 ‚salzburgerstrümpf‘.“
Die vorhin von Geramb erwähnten „Hallinger Stimpf“ könnten die von Bergknappen und Salinenarbeitern in Hallein schon seit 1620 hergestellten „Halleiner Strümpfe“ sein. Wobei in dieser Zeit das Stricken scheinbar auch von Männern sehr intensiv ausgeübt wurde, denn der Salzburger Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1772–1812) beauftragte die Gefängniswärter, die müßigen Gefangenen im Stricken zu unterrichten. Soldaten durften beim Wachdienst stricken, auch Schafhirten, Frauen und Kinder strickten. War der gestrickte Strumpf vorerst nur in vornehmen Kreisen zu finden, so beginnen sich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts die gestrickten Wollstrümpfe auch in der bäuerlichen Bevölkerungsschicht durchzusetzen. Die alten Strumpfformen bis an oder über das Knie hinauf wurden mit farbigen Strumpfbändern oder Lederriemen dicht unter dem Knie festgebunden. An Strumpffarben findet man Blau, Weiß, Braun, Grün, Rot, Schwarz, Grau und auch zweifärbige Kombinationen. Eine Farbpalette, wie sie auch heute noch üblich ist.
Die Bezeichnungen früherer Zeit könnten heute allerdings Verwirrungen stiften. So wurden als „Strümpfe“ nur die Wadenstrümpfe ohne Fußteil bezeichnet, der Städter sagte dazu gerne „Stutzen“ und im Ennstal waren das die „Stranglstrimpf“, weil der Strumpf unter der Fußsohle mit einem Steg (Strangl) festgehalten wurde. Die mit einem Fußteil versehenen Strümpfe hießen „Socken“. Die langen, bis übers Knie reichenden Strumpfformen mit Fußteil bezeichnete man als „Sockenstrümpf“ und unsere heutigen Socken heißen im Salzkammergut noch „Söckl“ oder „Strumpfsöckl“. Wann sich der fußlose Strumpf, der mittlerweile zumindest in Österreich fast vollständig verschwunden ist, einbürgerte, läßt sich nicht genau sagen. Zweifellos ist aber der Strumpf mit Fuß, wie er heute getragen wird, älter, weil sich dieser ja aus dem „Stumpf“ des Beinlings entwickelt hat.
In alter Zeit waren die Strümpfe meist glatt gestrickt oder einfach quer- beziehungsweise längsgestreift, die festlicheren Strümpfe hatten an den Knöcheln farbige Zierzwickel. Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts gibt es Aufzeichnungen über „gemodelte Strümpfe“, wie lange diese Strickkunst aber wirklich schon ausgeübt wird, läßt sich wiederum nicht genau feststellen. Das Modelstricken hat sich einfach vererbt, von Generation zu Generation, von der Großmutter zur Enkelin. Alle diese kunstvollen Model haben einen eigenen Namen wie Kleeblatt, Almweg, Fenster, Herz, Baum, Jagersteig, Hexnhaxn, Vergessene Liab, Hahntritt, Zwetschkenkern, Glöckerl, Fischgratn, Brennende Liab, Hennasteign, um nur einige aus der großen Vielzahl zu nennen.
Viele dieser Model sind, weil sie ja nur mündlich überliefert wurden, verlorengegangen, und so ist es ein großer Verdienst von zwei Frauen, die unabhängig voneinander nach intensiver Sammeltätigkeit und Abhaltung von zahlreichen Kursen, bäuerliche Modeln umfangreich in einer leicht lesbaren Strickschrift dokumentiert haben. Es sind dies Frau Oberschulrat Maria Erlbacher aus Gröbming mit drei Heften „Überlieferte Strickmuster aus dem steirischen Ennstal“ und Frau Lisl Fanderl, die Witwe des unvergeßlichen Volksmusikpflegers Wastl Fanderl aus Frasdorf, mit ihren drei Büchern über „Bäuerliches Stricken“. (Alle Bücher beziehungsweise Hefte sind im Salzburger Heimatwerkerhältlich.)
Neben Leuten, die in einer beneidenswerten Selbstverständlichkeit das Modeln noch von eigenen Vorfahren (oder der Lehrerin) aus der Überlieferung lernen, gibt es eine große Zahl von Modelstrickerinnen und -strickern, die sich in Kursen oder durch die Anleitung der Strickhefte diese großartige traditionelle Handarbeitskunst aneignen. Es ist ein gutes Zeichen, daß in unserer hektischen, von Intoleranz und Ausländerhaß bedrohten Zeit das Besinnen auf überkommene Wert wieder im Wachsen ist. Keiner Frau soll es aber so ergehen, wie im folgenden Vierzeiler beschrieben:
„Heit brauch i’s nit an’ziag’n, meine g’medlt’n Strimpf,
wei der Saubua in Wirtshaus huckt und eh neama kimmt.“