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Brauchtumspflege und soziales Engagement – Verein der Siebenbürger Sachsen in Salzburg (Roland Meburger)[5254]

Der Verein der Siebenbürger Sachsen in Salzburg kann 2004 auf mittlerweile 50 Jahre seit seiner Gründung im Oktober 1954 zurückblicken. Durch die Siebenbürger Volkstanzgruppe in der Stadt Salzburg und die Siebenbürger Blaskapelle Elixhausen-Sachsenheim ist unser Verein seit vielen Jahren im Verband der Heimatvereinigungen bzw. im Blasmusikverband vertreten. Unser Verein hat im Lainerhof in Salzburg-Gneis seine Heimstätte gefunden.

Siebenbürgen, das Herkunftsland der Siebenbürger Sachsen, ist Teil einer jahrhundertealten Kulturlandschaft in Südosteuropa und hat nichts mit dem Siebengebirge oder Sibirien zu tun. Im Karpatenbogen gelegen, gehört Siebenbürgen heute zum Staatsgebiet von Rumänien. Mit einer Größe von ca. 55.000 km² ist Siebenbürgen etwa so groß wie die Schweiz. Bewohnt wird dieser Landesteil von ca. 3,5 Mio. Rumänen, 2 Mio. Ungarn, ca. 800.000 Roma und ca. 16.000 deutschsprachigen Siebenbürger Sachsen von ehemals 250.000, die das Land durch ihre Dörfer und Städte unverwechselbar mit westeuropäischer Kultur prägten. Die Bezeichnung Siebenbürger Sachsen sagt nichts über die ursprüngliche Herkunft der deutschsprachigen Siedler vor über 850 Jahren aus. Von den Ungarn, den damaligen Landesherrn von Siebenbürgen, wurde den Siedlern im 13. Jahrhundert die Bezeichnung „Saxones“ verliehen. Die ersten Siedler, Bauern und Handwerker, kamen aus dem Rheinland um Maas und Mosel, Franken sowie Flandern. Eine weitere große Besiedelung erfolgte vor ungefähr 250 Jahren durch zwangsumgesiedelte evangelische Protestanten aus Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark, den sogenannten „Landlern“.

In den Wirren des Zweiten Weltkrieges wurden rund 40.000 Siebenbürger Sachsen im Herbst 1944, vorwiegend aus dem ungarischen Teil Siebenbürgens, evakuiert und traten die Flucht in Richtung Westen an. Die Flucht der Siebenbürger Sachsen stellt eine rühmliche Ausnahme der von Hass, Zerstörung und Rache erfüllten Vertreibung deutschsprachiger Menschen aus anderen osteuropäischen Ländern dar. Der lange Weg in Richtung Westen endete für die meisten, für manche nur vorübergehend, in Oberösterreich und Salzburg. Nach dem anfänglichen Flüchtlingsdasein unter Millionen anderer Staatenloser in den ersten Jahren nach dem Krieg und den Schwierigkeiten eines Neuanfanges wurden bereits ab dem Jahre 1950 siebenbürgische Siedlungen in Österreich gegründet. Der Bau von zwanzig neuen evangelischen Kirchen, eine davon steht in Elixhausen, wurde durch die Siebenbürger Sachsen initiiert und auch mitgetragen. Durch die Mitarbeit am wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung in Österreich gewannen die Siebenbürger an Anerkennung und bald begann man sich zu integrieren, behielt jedoch einen eigenen Platz in der Gesellschaft.

Die Siebenbürger fanden Mitte der 50er-Jahre wieder mehr Zeit sich der eigenen Herkunft zu besinnen, an die Gesellschaft zu denken, die Bräuche und Traditionen aus Siebenbürgen wieder aufleben zu lassen, und es wurde ihnen ein Bedürfnis unter anderem mit ihren schönen Trachten die österreichische Kulturlandschaft zu bereichern. In Salzburg wurde im Jahre 1957, also kurz nach der Vereinsgründung, die Siebenbürger Volkstanzgruppe gegründet, welche sich bald zu einer der tragenden Säulen im Vereinsleben entwickelte. Die Siebenbürger Blaskapelle Elixhausen-Sachsenheim wurde bereits 1950 gegründet und setzte sich anfangs aus den Musikanten der Blaskapelle der ehemaligen Heimatgemeinde Botsch in Siebenbürgen zusammen.

Die über die Jahrhunderte gewachsene Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen war stets vom christlichen Geist der Nächstenliebe und der Hilfsbereitschaft füreinander geprägt. Dieser Geist ließ auch beim Neubeginn in Österreich vieles unmöglich Scheinende möglich werden. Die Siedlungs- und Kirchenbauten wurden, unterstützt von staatlichen, gemeinnützigen und kirchlichen Organisationen, in nachbarschaftlicher gegenseitiger Hilfe realisiert.

Basierend auf dieser Grundeinstellung ist es erwähnenswert und bemerkenswert zugleich, dass bereits Ende der 50er-Jahre ein Bundessozialwerk der Siebenbürger Sachsen ins Leben gerufen wurde. Diese Hilfsorganisation war vorerst für die Unterstützung bedürftiger Landsleute in Österreich und zur Hilfe bei dem Neuaufbau einer Existenz gedacht. Erstmals wurde im Jahre 1964 eine österreichweite Sammlung unter den Siebenbürgern gestartet und 40 % des Erlöses für die bedürftigen Landsleute im kommunistischen Rumänien bereit gestellt. Ab diesem Zeitpunkt nahm die Hilfe für die Landsleute, aber auch für die rumänischen und ungarischen Nachbarn in Siebenbürgen ihren Anfang und erreichte über die Jahre hinweg, von 1964 bis 1999 gerechnet, eine gewaltige Dimension. In Zusammenarbeit mit vielen anderen hilfsbereiten Organisationen wie dem Roten Kreuz, kirchlichen Institutionen, Lionsclubs, Bund, Länder und Gemeinden wurden vom Bundessozialwerk in erster Linie Lebensmittelpakete aber auch sonstige Hilfsgüter im Wert von rund 4,4 Mio. Euro für Rumänien erbracht. Die unzähligen Hilfsleistungen anderer Art und anderer Organisationen sowie Privatinitiativen sind in ihrem Gesamtumfang nicht erfassbar und in dieser Zahlenangabe nicht enthalten. Im Laufe der jahrelangen kommunistischen Planwirtschaft mit Korruption und politischem Machtmissbrauch wurden die Wirtschaft und die Versorgung der Menschen in Rumänien nahezu zugrunde gerichtet. Hilfe war und ist daher zu jeder Zeit erforderlich.

Auch beim Verein der Siebenbürger Sachsen in Salzburg und der Nachbarschaft Elixhausen-Sachsenheim stand und stehen neben der Traditions- und Brauchtumspflege und dem geselligen Aspekt die Kontaktpflege und die Hilfe nach Siebenbürgen an vorderster Stelle. Viele der mittlerweile schon zweiten und dritten Generation der „österreichischen“ Siebenbürger Sachsen hegen großes Interesse an der Herkunft der Vorfahren. Nach einem Besuch vor Ort sind ihnen das Land Siebenbürgen und dessen Menschen ans Herz gewachsen. Unsere Jugend-Volkstanzgruppe, die mehrere Male nach Siebenbürgen fuhr, um die Heimat ihrer Eltern und Großeltern kennen zu lernen sowie Teilnehmer von Rundreisen brachten Mengen von Lebensmitteln aber auch Kleidung und Schuhe an verschiedene Orte und Städte. Als österreichische „Folkloregruppe“ reiste man mit einem zugeteilten, mehr oder weniger verdächtigen Reiseleiter durch das Land. Neben den offiziellen Auftritten in Kulturhäusern wurde in den Dörfern auch in Pfarrhöfen, Tanzsälen oder in privaten Gärten getanzt und den Menschen mit der bloßen Anwesenheit Freude bereitet. Pfarrer und Kuratoren fungierten als Kontaktpersonen bei der Übergabe der Hilfsgüter. Sie übernahmen auch die Verteilung der einzelnen mit Namen und Adressen versehenen Pakete.

In den Jahren nach 1989, der politischen Wende und dem Sturz der kommunistischen Diktatur in Rumänien, wurden von unserem Verein zusammen mit der Jugendgruppe mehrere Hilfstransporte nach Siebenbürgen gestartet. Mit meist vier Kleintransportern, oft bis an die Grenze des Erlaubten beladen, machte man sich auf den Weg. Die finanziellen Mittel für diese Hilfsaktionen wurden bei Flohmärkten, Kuchen- und Weihnachtsbazaren sowie über Spendenaufrufe im Verein aber auch von vielen privaten Sponsoren aufgebracht. Die Aufbruchstimmung und die hohe Zahl der Auswanderungen aus Siebenbürgen in den 90er-Jahren, Veränderungen bei den Bedürfnissen der Menschen, Veränderungen in der wirtschaftlichen Situation des Landes, ein rasanter Verfall der Währung aber auch die geänderten Möglichkeiten vor Ort, erforderten und ermöglichten ein Umdenken und eine Neuorganisation der Hilfsleistungen.

Neben der seelsorgerischen und verbindenden Funktion für die Menschen übernimmt die Evangelische Kirche und das Diakonische Werk in Rumänien oft auch jene sozialen und gesundheitspolitschen Aufgaben, welche von staatlicher Seite nach wie vor vernachlässigt oder ungenügend erbracht werden können. Diesen Aufgaben ist auch jene Tatsache dienlich, dass sich die rumänische Regierung zu Gesetzen über die Rückgabe von enteignetem Grund und Boden sowie von Immobilien durchringen musste. Auch die Evangelische Kirche in Rumänien profitiert von dieser Entwicklung und ist in der Lage rückerstattete Gebäude für die Einrichtung von Alten- und Pflegeheimen und verschiedene Sozialstationen heranziehen zu können. Für viele alte und gebrechliche Menschen, welche alleine in mehr oder weniger entlegenen Dörfern leben, werden für unsere Breiten selbstverständliche Sozialeinrichtungen, wie Hauskrankenpflege mit der nötigen medizinischen Grundversorgung oder Essen auf Rädern und dergleichen eingerichtet.

In der Stadt Mediasch entstand vor nicht allzu langer Zeit, getragen vom Evangelischen Diakonieverein, eine „Alten- und Armenküche“ mit „Essen auf Rädern“, von welcher aus hilfsbedürftige Menschen versorgt werden. In dieser Einrichtung, welche mit vier Angestellten auskommt, werden täglich im Schnitt 110 Portionen gekocht und an die entsprechenden Adressen ausgefahren. Durch die stetig steigenden Preise und die extrem hohen Energiekosten, bei laufend voranschreitender Inflation, stößt diese Einrichtung immer wieder an die finanziellen Grenzen. Laut unseren Informationen kann mit einer Spende von nur 20 Euro einem bedürftigen Menschen für einen ganzen Monat täglich eine warme Mahlzeit gesichert werden.

Eine weitere Aktion, die von unserem Verein unterstützt bzw. organisiert wird, ist die Lieferung von Geräten und Werkzeugen für die bäuerliche Feld- und Gartenarbeit, mit welchen hauptsächlich der Bevölkerung auf dem Land geholfen werden soll. Wegen der fehlenden finanziellen Möglichkeiten und der Rückständigkeit in der Technisierung der Landwirtschaft ist es für eine Ertragsteigerung wichtig, zumindest gute und langlebige Handgeräte zu besitzen. Speziell Kleinbauern und Menschen, die für ihre eigene Versorgung in Hof und Garten anbauen, sollen mit diesen Hilfsgütern bedacht werden. Die Geräte und Werkzeuge werden in Österreich angeschafft und von meist rumänischen Speditionen nach Siebenbürgen transportiert. Die Bedarfserhebung, in welchem Bezirk in Siebenbürgen eine Lieferung von Nöten wäre, erfolgt zusammen mit der „Saxionia“, einer siebenbürgischen Organisation, die unter anderem die Koordination von Hilfsgütern übernommen hat. Kontaktpersonen vor Ort übernehmen dann die Verteilung der Waren.

Ein besonderes Anliegen ist unserem Verein auch die Unterstützung des von der Evangelischen Kirche aufgebauten und verwalteten Schüler-Wohnheimes in Hermannstadt. Hier befindet sich eines der wenigen noch deutschsprachig geführten Gymnasien in Siebenbürgen. Schülerinnen und Schüler aus dem ganzen Land möchten diese Schule besuchen, und es besteht daher der dringende Bedarf an geeigneten Heimplätzen. Bei einem Besuch zu Pfingsten vergangenen Jahres konnte ich diese Einrichtung besuchen und im Gespräch mit dem Hauptanwalt der Evangelischen Kirche in Hermannstadt, Herrn F. Gunesch, einiges über das Schülerheim erfahren. Der sanierte Gebäudekomplex in der mittelalterlichen Altstadt von Hermannstadt bietet derzeit Platz für 55 Schüler. Im Heim werden die Schüler verpflegt und während der Freizeit nicht nur beaufsichtigt, sondern durch geschultes Personal in entsprechender Anzahl auch erzieherisch betreut. Neben einer Bibliothek, einem Hobbyraum und einem Musikzimmer mit Instrumenten stehen auch Computer mit Internet-Zugang zur Verfügung. Unser finanzieller Beitrag hier wird für die Übernahme der Heimkosten von bedürftigen Kindern bzw. zur Beschaffung von Lehrmitteln für das Heim verwendet.

Bei allen unseren Bemühungen für die Hilfe nach Rumänien werden wir seit Anfang der 90er-Jahre von Stadt und Land Salzburg großzügigst unterstützt. Die Mittel werden zu gleichen Teilen über den Verein der Siebenbürger Sachsen und die Banater Schwaben der Hilfe für Siebenbürgen und das Banat zugeführt. Im Banat wird vorwiegend mit Lebensmittelpaketen für bedürftige Menschen, organisiert und verteilt durch die Caritas-Organisation vor Ort, geholfen. An dieser Stelle darf, auch im Namen aller Landsleute in Rumänien, der aufrichtige Dank an die verantwortlichen Amtsträger von Stadt und Land Salzburg sowie an all jene, die sich an der Hilfe für Rumänien beteiligen, überbracht werden.

Die geschichtliche Entwicklung wie das Zusammenleben mehrerer Nationen in Siebenbürgen, die weltweite Zerstreuung der Siebenbürger Sachsen nach 1944, das Heimischwerden und die Integration in fremder Umgebung, große Hilfsaktionen, vielgefächerte kulturelle und menschliche Kontakte und Brücken aus der Geschichte bis zur Jetztzeit tragen zur Völkerverständigung bei und können als Ganzes als kleiner Baustein am Haus Europa gesehen werden.



[5254] Zeitschrift Salzburger Volkskultur, 27. Jg., Mai 2003, S. 72–76.

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