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Vom Holzziehen und der Brautfuhre im Großarltal (Walter Mooslechner)[5255]

Mit einer Länge von über 27 Kilometern windet sich das Großarltal als eines der längsten Täler in den Hohen Tauern von den wilden Schluchten der berühmten Liechtensteinklamm bis hinein zum gletscherbedeckten Keeskogel am Ende des Tales. Das Großarltal mit seinen zahlreichen, langen Seitengräben ist reichlich bewaldet und liefert den schon seit vielen Jahrhunderten begehrten Rohstoff Holz für bäuerliche Liegenschaften, Handel und Gewerbe.

Durch die Abgeschiedenheit dieses östlichsten Tauerntales haben sich gerade hier verschiedene Sitten, Bräuche, Arbeitsabläufe und Methoden über einen langen Zeitraum hin kaum oder nur geringfügig verändert. Der sich in der Waldarbeit wie in allen Bereichen vollziehende Umschwung durch die rasch fortschreitende Technisierung hat sich im Großarltal deshalb speziell erst im letzten Jahrzehnt so richtig auszuwirken begonnen und einen gewaltigen Wandel in der Arbeitswelt der Holzknechte mit sich gebracht. Heute ist der Großteil unserer Wälder mit Forststraßen erschlossen, der Einsatz modernster Fahrzeuge, Maschinen und Geräte ist zur Selbstverständlichkeit geworden.

Mit rund 70 % der bewaldeten Fläche dominiert der Staatswald im Tal. Allerdings sind nahezu 350 bäuerliche und dörfliche Liegenschaften servitutsberechtigt. Die meisten Bauern und Dörfler hackten und lieferten (zum Teil auch heute noch) das Servitutsholz selbst. Im Staatswald schlägern nach wie vor die Holzknechte mit ihrem „Moasta“ das Verkaufsholz. Doch die Methoden der Holzbringung haben sich grundlegend geändert. Kaum können noch Holzzieher bei ihrer Arbeit beobachtet werden. Das „Holzziach’n“ dürfte – wie viele andere Arbeitsvorgänge nach bisher herkömmlicher Art – endgültig der Vergangenheit angehören. – Es war im Jahre 1984, als bei der Forstverwaltung Großarl zum letzten Mal mit der Partie gezogen wurde.

Jene Zeiten sind also vorbei, als die Holzknechte während der ganzen Woche in luftigen, primitiven Holzknechtsölden hausten, „Selbstverpfleger“ waren und nur an Sonn- und Feiertagen nach Hause kamen. Damals arbeitete man von der ersten „Tagliacht’n“ bis zum „Finsterwerd’n“ oft unter schwersten Bedingungen und mit einfachstem Werkzeug. Besonders das Holzziehen war eine schwere und gefährliche Arbeit, und nur kräftige und erfahrene Holzknechte konnten diese Tätigkeit verrichten. Bereits im Spätherbst begannen die Vorarbeiten. Nachdem das während des Sommers geschlägerte Holz in natürlichen Geländerinnen, Riesen und dergleichen zusammengepirscht und im Wald in Haufen gedrillt worden war, folgte im Spätherbst das „Vorrichten“ der oft bis ins hinterste Ende der Seitengräben reichenden kilometerlangen Holzziehwege.

Zäune wurden abgelegt, Unebenheiten in der Fahrbahn händisch angegraben, gefährliche Stellen talseitig mit „Stempel“ (Pfählen) verschlagen und später mit sogenannten „Fürlegern“ (Blochen) verlegt. Traten Naßstellen in den Ziehwegen auf, so wurden diese mit Fichten- oder Tannenästen ausgelegt, damit sich der Schnee besser anlegen konnte. Der „Moasta“ der Partie gab beim „Wegrichten“ kritische Anweisungen, denn für die Zieher hing nicht zuletzt vom richtigen Anlegen des Weges oft das Leben ab. Nicht selten kam es zu schweren Unfällen, so manches Marterl im Hochgebirgswald erinnert auch heute noch an Todesfälle beim Holzziehen. Nach den Vorarbeiten im Spätherbst hieß es warten auf den geeigneten Zieherschnee. War es soweit, konnte der „Moasta“ endlich seine Partie zusammenrufen und das Holzziehen beginnen. Die Ziehwege wurden nun „aufgemacht“.

Der Ziehschlitten und seine Teile

Die Brems- und Leitvorrichtung (Tatzen)

Bis Anfang der dreißiger Jahre wurden die Schlitten auf dem Rücken der Holzzieher zu Berge getragen. Früher, so erzählen alte Holzknechte, waren die Schlitten wesentlich leichter. Auch hatte man das Blochfuder am Ende nur mit Stricken zusammengebunden. Im Laufe der Jahre verbesserte und verstärkte man die Ziehschlitten. Dadurch war es möglich, mehr Holz zu laden. Bis zu vier Festmeter brachten geübte Zieher nun mit einem Blochfuder zu Tal. Allerdings hatten Schlitten letzterer Ausführung mit Bundkette, „Zsammspitzer“, Klampfen, Sperrketten, Bremstatzen und dergleichen mehr ein Gewicht von rund 60 Kilogramm. Immer mehr kam man deshalb vom Tragen der Schlitten ab. Nun zog man mit Hilfe der Schultergurte („Züg“) die schweren Schlitten bergauf. Die „Züg“ bestand aus zwei Gurtenschlingen, die in einem Eisenring, dem Zugring, befestigt waren. Daran hing die Zugkette mit Haken zum Einhängen in den Schlitten. In seltenen Fällen, vor allem bei sehr nassem, schwerem Schnee oder bei Engstellen in der Fahrbahn, also dort wo man den abfahrenden Ziehern schlecht ausweichen konnte, trug man auch später noch fallweise die schweren Schlitten beim Anstieg. Man kann sich vorstellen, wie kräfteraubend diese harte Arbeit war. Ein Aufstieg über mehrere Stunden in oft steilstem Gelände war keine Seltenheit. Oft gab es in einer Paß den Vorzieher. Diese anstrengende Arbeit übernahm meist der Kräftigste. Bei Neuschnee und auch schwerem Schnee (Schnee und Regen vermischt) wechselte man sich beim Aufwärtsgehen ab.

Früher verwendeten die Zieher beim Anstieg öfters sogenannte Stelzeisen, die an der Ferse erhöht waren und im steilsten Gelände eine gewisse Erleichterung brachten, da dadurch die Waagrechtstellung der Fußsohle erreicht wurde. Beim Beladen und zur Abfahrt wechselte man die Stelzeisen mit den Frosch- oder Gliedereisen.

Schon bei der ersten „Tagliacht’n“ kamen die Zieher bei den gelagerten Holzhaufen an. Nun galt es, den Schlitten fachmännisch zu beladen. Im Großarltal verwendeten die Holzzieher seit jeher Ziehschlitten mit starrem Sattel, während in den benachbarten Talschaften hauptsächlich der Reib- oder Drehsattel üblich war. Nach Aussagen alter Großarler Holzknechte fährt man im steilen, schwierigen Gelände das schwere Blochfuder mit dem starren Sattel sicherer zu Tal. Meist halfen sich die Zieher gegenseitig beim Beladen der Schlitten. Dort wo die Bloche am starren Sattel auflagen, schlug der Holzknecht gekonnt eine Malkerbe, den sogenannten „Knecht“. Mit vier Axthieben hackte der erfahrene Holzknecht in die Bloche den x-förmigen Knecht. Damit wurde die Wendigkeit des Blochfuders bei den Ziehwegkehren ermöglicht. An der Vorderseite des Fuders „knechtete“ man einen oder mehrere – je nach Stärke der Bloche – etwas weiter hinten als die übrigen. Dadurch standen letztere weiter nach vorne und dienten dem Zieher als Sitzfläche während der Talfahrt.

Die Befestigung der Bloche am Schlitten und untereinander erfolgte vorne mit der Bundkette und den Klampfern (Eisenklammern), aber so, daß das Fuder in sich beweglich blieb. Die Bundkette durfte nicht zu locker geklampfert sein. War hingegen die Umschlagkette zu fest gebunden, so krachte das Fuder und sprengte die Ketten. Hinten hatte man die am Boden liegenden Bloche mit dem „Zsammspitzer“ (Schlangenkette, Schleuderkette) zusammengehängt. Diese Kette war in der Mitte zum Festbinden mit einem Stellhaken versehen.

Beim Beladen des Blochfuders achteten erfahrene Zieher auf eine gleichmäßige, gute Gewichtsverteilung. Ungleich schwere Fuder waren bei der waghalsigen Abfahrt schwer zu halten und in nicht seltenen Fällen stürzte der Zieher mit dem Schlitten um. Bei sehr steilen, eisigen Ziehwegen legten die Holzzieher am hinteren Ende des Holzfuders an den am Boden liegenden Rundlingen den sogenannten „Umschlag“. Dies war eine grobgliedrige Kette und diente als zusätzliche Bremse. Waren alle Schlitten beladen, beugte sich der erste Zieher mit kräftigem Ruck in die Ziehgurte bis der Ziehschlitten endlich in Fahrt kam. Nicht vergessen durfte der Zieher, daß sofort nach Fahrtbeginn die „Züg“ von der Zugkette losgelöst wurde, denn im äußersten Notfall konnte man nur durch Abspringen einem Unglücksfall entkommen.

Der Zieher setzte sich nun auf die vorstehenden Bloche des Fuders und spreizte sich mit den Füßen an den Kufenhörnern ab. Die Bremstatzstiele nahm man in die kräftigen Hände oder preßte sie unter die Arme und schon ging’s in brausender Fahrt talabwärts. An den Kufenhörnern hingen Sperrketten, die bei steilen, vereisten Stellen bedarfsweise eingelegt wurden, um die Fahrtgeschwindigkeit entsprechend zu reduzieren. Folgten hingegen Flachstellen und kam der Schlitten zum Stillstand, riß man die eingeworfenen Sperrketten wieder heraus. Bei Flachstellen und kleineren Gegensteilen (Widerlager, „Schutzen“) halfen mehrere Zieher beim Überhinziehen der Blochfuder. Um Auffahrunfälle zu verhindern, hielten die Zieher bei der Talfahrt untereinander einen Respektabstand. Trotzdem kam es immer wieder zu solchen Unfällen, dem Zieher blieb in dieser kritischen Situation nur mehr der rettende Absprung.

Besonders gefürchtet war bei Holzziehern das sogenannte „Öpischnapp’n“ (Ebelschnappen). Dabei gerieten die Holzknechte beim Ziehen mit der Ferse unter den Querbalken des fahrenden Schlittens (Ebel). Schwerste Zerrungen oder Quetschungen waren meist die Folge. Auch konnte es den Zieher in besonders tragischen Fällen unter den schweren Schlitten reißen.

Am Blochholzlagerplatz angelangt, halfen die Zieher beim Drillen oder Aufrollen des Rundholzes zum Großstapel. Ungemein rasch, aufeinander eingespielt, ging das Drillen vonstatten. Geschickt verstanden es die Holzknechte, die oft schwersten Bloche spielend mit ihren Sappeln auf Kommando zu drehen und einzurichten. Begeistert vom Geschauten beschrieb der bekannte Großarler Heimat- und Mundartforscher Dr. Karl Fiala dieses Zusammenspiel einmal folgendermaßen: „Bei den fast rhythmisch gegebenen Kommandos, bei dem Unterstreichen durch den darauf erfolgenden Sappelschlag und durch den Unterton des rollenden Bloches gewinnt man beim Zuhören der verschiedenen Laute beim ‚Aufdrillen‘ schlechthin den Eindruck, als würde die Urmelodie eines Jodlers gespielt.“

Bei langen Ziehwegen und größeren Ziehermannschaften gab es einen oder auch mehrere Wegmacher. Diese etwas leichtere Arbeit übernahmen meist die Älteren der Paß. Es galt den Neuschnee aus der Fahrbahn zu schaufeln, Mitterriedeln und Eisbildungen mit dem Spitzkrampen aufzuhacken, schneefreie Stellen aufzufüllen und überhaupt den Ziehweg ständig in „Schuß“ zu halten. Aber auch Pferde wurden zum Holzziehen öfters eingesetzt. Besonders bei flachen Ziehwegen mit Gegensteigungen oder bei gerade herrschendem Schneemangel brachte der Einsatz von Pferden eine große Erleichterung für die Zieherpartie. Die schweren Schlitten wurden dabei von den Pferden zu Berg gezogen.

Eine weitere Erleichterung für die Holzzieher brachte dann Anfang der fünfziger Jahre der mit Seilwinde und Dieselmotor betriebene Schlittenaufzug, der bei verschiedenen Forstverwaltungen, so auch in Großarl, von nun an eingesetzt wurde. Damit konnten die Holzknechte mit ihren Schlitten erstmals mit Motorkraft bergwärts gezogen werden und das anstrengende Hinaufziehen der schweren Handschlitten mit Menschenkraft konnte entfallen. Das „Holzziach’n“ dauerte in der Regel von Neujahr bis Anfang/Mitte März. Nicht immer war in dem normalerweise schneereichen Gebirgstal genügend Schnee zum Ziehen. Trotzdem mußte das Holz geliefert werden, denn nicht wenige Talbewohner verdienten seinerzeit durch das Holzziehen ihren Lebensunterhalt.

Bis zum Schluß hat sich im Großarltal der einzigartige Brauch des „Brautziehens“ erhalten. nachdem die schwere und gefährliche Arbeit des Holzziehens dem Ende zuging, führte man zum Abschluß jeder Partie das allerletzte Blochfuder, das „Brautfuder“ mit dem „Brautbloch“, feierlich zu Tal. Nach Auskunft alter Holzarbeiter war es üblich, als „Brautfuder“ das stärkste Bloch am Schlag, das als „Hagmoar“ bezeichnet wurde, ins Tal zu bringen. In letzter Zeit allerdings wurden zum Schluß die „Fürleger“ vom Ziehweg entfernt, sodaß die letzten Fürleger das Brautfuder bildeten. An das „Brautbloch“ wurde am vorderen Ende ein mit bunten Papierbändern geschmückter „Brautboschen“ (Fichtenbäumchen) genagelt.

Nun kann man sich nicht schwer vorstellen, daß sich die gesamte Zieherpartie auf diesen lustigen Tag zum Abschluß des Ziehens freute. Meist schon am Vormittag begann das „Brautblochziehen“. War in der Partie ein Lediger, so verkleidete sich dieser bei manchen Partien als Braut und brachte feierlich das „Brautfuder“ ein. In Hüttschlag ist noch bekannt, daß die Holzbraut ein maskierter „Lotter“ (Bursch) war und er das „Brautholz“ zog.

Beim „Brautziehen“ ging es fröhlich zu. Es gab, was zu dieser Zeit nicht alltäglich war, reichlich Speck und Brot, natürlich durfte der selbstgebrannte Schnaps nicht fehlen, der immer wieder in die Runde gereicht wurde. Oft spielte ein Musikant mit seiner „Steirischen“ auf und alte Jodler und Volkslieder erklangen durch die rauhen Kehlen der Holzknechte in der spätwinterlichen Bergwelt. Vielfach gab es in Anwesenheit des Forstmeisters und der Förster einen gemeinsamen gemütlichen „Abstecher“ zum Dorfwirtshaus. Falls nicht gerade Fastenzeit war, wurde früher beim „Abstecher“ auch getanzt. Dieser Holzknechttanz unterschied sich nur unwesentlich vom bäuerlichen Brauttanz. In gereimter Form wurden Vorkommnisse am Schlag und beim Holzziehen in einem volkstümlichen Rügegericht gutmütig bespöttelt und darauf ein „Rädlein“ getanzt.

Am Vinzenzitag ist für die Holzknechte Feiertag. An diesem Tag Holz zu ziehen wäre für die Holzzieher besonders frevelhaft gewesen und hätte sicher nur „Unreim“ gebracht. Für die Heu- und Holzzieher gilt im Arltal der hl. Vinzenz von Saragossa und für die Holzschlägerung der hl. Klement als Schutzpatron.

Anmerkungen:

Auskunftspersonen für den vorliegenden Bericht: Oberforstrat Dipl.-Ing. Kurt Christian aus Großarl; Vorarbeiter Josef Pirchner aus Hüttschlag.

Zum Vinzenzentag

Heunt is Vinzenzentag!
Hallt’s durch’n Wald und Schlag.
Der muaß in allen Ehr’n
fest g’feiert wer’n.

Vinzenz, der brav vürsteht,
daß eahm koa Bam durchgeht,
sunst a koa Unglück g’schiacht –
brennt’s eahm a Liacht.

G’fährlich is’s Holzknechtleb’n
und wohl a schö daneb’n
drum frevelt’s net den Tag
drauß’n im Schlag.

Vinzenz, all’s ruaft zu dir,
steh uns brav allweil vür –
jetzt und zu jeder Stund’
schütz unsern G’sund.
Konrad Nusko



[5255] Zeitschrift Salzburger Volkskultur, 15. Jg., März 1991, S. 57–68.

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