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Der Begriff „Zivilgesellschaft“ trägt die Last eines jeden „Sympathie- oder Modewortes“; er ist mit Erwartungen und Zielvorstellungen überfrachtet. Ein wesentlicher Begriff, der in vielen Definitionen aufscheint und zugleich die am häufigsten gebrauchte (Selbst-)Bezeichnung zivilgesellschaftlicher Gruppen und Organisationen darstellt, ist jener der „Nicht-Regierungs-Organisation“ (NGO). Als gemeinsames Ziel der Sektoren Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft kann die Förderung des Gemeinwohls gelten. NGOs wollen und müssen sich von Regierungsorganisationen, Wirtschaftsunternehmen getrennt und unabhängig betrachten.[439]
Zentrale Aufgabe der zivilgesellschaftlichen Akteure ist es, das verfestigte Gegenüber zwischen ExpertInnen / Laien, BeamtInnen / BürgerInnen, PolitikerInnen / WählerInnen, Regierungsorganisationen / Zivilorganisationen, UnternehmerInnen / ArbeitnehmerInnen, Dienstleistern / KonsumentInnen etc. infragezustellen und zu verändern. Das zentrale politische Mittel der Zivilgesellschaft ist die Partizipation, die Beteiligung aller BürgerInnen an gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen.
Wie und wo engagieren sich Menschen in Salzburg heute für die politische Gestaltung ihrer gesellschaftlichen Umwelt? Der Autor schildert unter „Mehr zum Thema“ aus subjektiver Perspektive die Zivilgesellschaft in Salzburg: Zivilgesellschaft und ihre Ausprägung in Salzburg; mögliche persönliche Motivationen und Ausprägungen gesellschaftspolitischen Handelns von Menschen in Salzburg; Beschreibung möglicher Zugänge zu zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen in Salzburg, die in Netzwerken gesellschaftspolitisch tätig sind.
Vielfach wird die Zivilgesellschaft als rein normatives Konzept zur Legitimierung (Berechtigung) von Ansprüchen und Zielsetzungen der Neuen Sozialen Bewegungen angesehen. Als qualitatives Diskursmodell politischer Meinungsbildung steht sie den Entscheidungsmodellen, die rein an quantitativen Mehrheitsinteressen orientiert sind, gegenüber. Das politische Gewicht der zivilgesellschaftlichen Bewegungen ist nach wie vor relativ gering.
Die konkreten TrägerInnen der Zivilgesellschaft sind und bleiben die einzelnen BürgerInnen: Dort, wo diese sich für soziale Interessen und Probleme engagieren, wo sie als Akteure gesellschaftliche Veränderung herbeiführen wollen, entstehen zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen. Der Begriff der BürgerInnen und der Bürgerschaft hat vor diesem Hintergrund im Verlauf des letzten Jahrzehnts einen positiven Beigeschmack bekommen.
Wesentliche Prinzipien, die für die Struktur zivilgesellschaftlicher Projekte bestimmend bleiben – wie schwierig ihre faktische Umsetzung auch immer sein mag – sind die Freiheit und Gleichheit der von ihnen aktiv und passiv Betroffenen. Zivilgesellschaft entfaltet sich nur in einem Klima hoher gesellschaftlicher Freiheit und Freiwilligkeit. Nicht normative Bindung, sondern persönliche Motivation ist der Schlüssel für die Teilnahme der Beteiligten. Ein großer Teil der zivilgesellschaftlichen Projekte ist demokratisch und mit flachen Hierarchien ausgestattet, die sich durch ein hohes Maß an Durchlässigkeit auszeichnen.
Die „Plattform für Menschenrechte Salzburg“[440] tritt für die Unteilbarkeit der Menschenrechte und für die Gleichberechtigung aller Kulturen und Lebensweisen im Bundesland Salzburg ein. Sie wendet sich gegen Rassismus und gegen die Diskriminierung von Minderheiten und will dazu beitragen, in Österreich und vor allem hier in Salzburg ein offenes, konstruktives und integratives Klima zu schaffen und zu fördern.
Diese Arbeit ist von der Überzeugung getragen, dass die Menschenrechte ihren Platz nicht nur in Erklärungen und Konventionen haben. Die Menschenrechtskultur lebt davon, dass humane Grundrechte universale Geltung haben und überall (international und im regionalen Bereich) ihre Einhaltung beobachtet und eingeklagt wird. Eine Kultur der Menschenrechte lebt von deren Beachtung in kleinen und kleinsten Einheiten. Manifeste und außergewöhnliche Verletzungen menschlicher Grundrechte sind immer das Ergebnis einer Summe von zahllosen Verletzungen, Diskriminierungen, Rassismen etc. in der Alltagskultur einer Gesellschaft.
Ein Schwerpunktprojekt ist das Monitoring (ein Beobachtungs- und Dokumentationssystem für Menschenrechte), welches die Situation der Menschenrechte im Bundesland Salzburg erhebt, dokumentiert und zum Gegenstand öffentlicher Diskussion machen will. Im Rahmen dieser Dokumentation arbeitet die Plattform mit einer Vielzahl von „Informationspartnern“[441] zusammen. Das Monitoring gibt einen Überblick zu Themenbereichen wie Flüchtlinge, Diskriminierung, Kinder-, Jugend-, BürgerInnenrechte, Gewalt gegen Frauen ... Einzelfallberichte sollen die Erfahrungen von Menschen in Salzburg verdeutlichen. Die Plattform bietet durch Information und Vermittlung an Beratungs- und Betreuungseinrichtungen auch Hilfe für Betroffene. Weiters gibt die Plattform für Menschenrechte jährlich zum Salzburger Landesfeiertag, dem 24. September, einen Bericht zur Situation der Menschenrechte in Salzburg heraus (vgl. dazu: Menschenrechte in Salzburg 2004).
[438] Kurzfassung von Josef P. Mautner und Melanie Lanterdinger
[439] Die Trennung der Bereiche Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ist auf der grundsätzlichen Ebene richtig und wesentlich. Im praktischen Bereich entstehen allein durch häufige Kooperation und andauernden Wettbewerb der NGOs mit Regierungskörperschaften sowie Wirtschaftsunternehmen Grauzonen und definitorische Unschärfen. Manchmal haben solche „Unschärfen“ auch einen konkreten praktischen Wert; ein Beispiel: Im Bereich der politischen Partizipation von ansässigen Nicht-EU-BürgerInnen ist die Salzburger Politik bisher weitgehend untätig geblieben. Das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-BürgerInnen hat derzeit weder in der Stadt noch im Land Salzburg eine Chance auf Realisierung. Aber ein wichtiges Bindeglied zwischen dem zivilgesellschaftlichen Milieu der AusländerInnen und den Organen politischer Verwaltung in der Kommune könnte ein AusländerInnenbeirat sein: ein von den ansässigen AusländerInnen gewähltes Gremium, das die Stadtregierung in allen Fragen, die Nicht-EU-BürgerInnen betreffen, berät. Der Beirat hat das Recht, von der Stadtregierung offiziell angehört zu werden und über alle AusländerInnen betreffende Regierungsvorhaben informiert zu werden. Die AusländerInnenbeiräte üben eine klassische Brückenfunktion zwischen Zivilgesellschaft und Politik aus. In mehreren österreichischen Städten wie Linz und Graz sind bereits seit Jahren AusländerInnenbeiräte erfolgreich tätig. Im Landesgesetz des Bundeslandes Steiermark ist sogar die Verpflichtung für Kommunen festgeschrieben, ab einem bestimmten Prozentanteil von ausländischen BewohnerInnen einen AusländerInnenbeirat einzurichten.
[440] Da es weder eine vollständige Auflistung bzw. ein offizielles Web-Portal noch eine übergreifende Dachorganisation gibt, hat sich der Autor auf eine – persönlich gefärbte – Auswahl beschränkt und hat mit der „Plattform für Menschenrechte Salzburg“ eine Organisation als Beispiel angeführt, die auf ihre Weise eine Koordinierungs- oder Orientierungsfunktion in Bezug auf einen bestimmten Teilbereich der zivilgesellschaftlichen Szene in Salzburg wahrnimmt. Die Plattform ist ein Zusammenschluss von sozialen und kulturellen Einrichtungen, von kirchlichen und politischen Organisationen sowie Privatpersonen, InländerInnen und AusländerInnen, aus Stadt und Land Salzburg. Sie ist parteipolitisch ungebunden.
[441] Diese Informationspartner sind Institutionen und Beratungseinrichtungen in Salzburg – vorwiegend aus dem Sozialbereich –, die im Rahmen ihrer Arbeit laufend mit Verletzungen von Grundrechten und Menschenrechten konfrontiert werden, die Dokumentation und Veröffentlichung solcher Fälle aber in der Regel nicht selber leisten können. Zu den InformationspartnerInnen der Plattform gehören unter anderem: Caritas, Evangelischer Flüchtlingsdienst, Verein VIELE, Helping Hands, HOSI, KIJA, Internationales Jugendzentrum, SOS-Kinderdorf Clearing-house, Friedensbüro, die Frauenhäuser Salzburg und Saalfelden, Frauentreffpunkt und Interventionsstelle Salzburg, das Salzburger Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung sowie die Rechtsanwälte Gerhard Mory, Rainer Hessenberger und Helmut Hüttinger.