Startseite: Bräuche im Salzburger LandFolge 1: Im Winter und zur WeihnachtszeitFolge 2: Vom Frühling bis zum HerbstBegleitheft (in Arbeit)ZitierempfehlungVolltextsucheHilfe

Badearzt in Gastein (Ulrike Kammerhofer-Aggermann)

Tipp

Klicken Sie bitte HIER, um zur Langtext-Version dieses Beitrags zu gelangen.

Badearzt zwischen Wien und Wildbad Gastein

Der k.k. Rat Dr. Benedikt Hönig Edler von Hönigsberg (1813 Prag–1877 Wien) war „Primararzt des Bezirkskrankenhauses auf der Wieden in Wien“ und in den Jahren 1856–1876 von Mai bis September „Landesfürstlicher Badearzt und Ordinarius des Badehospitals“ in Wildbad Gastein. Damals war das heutige Badgastein zwar ein bekanntes Heilbad, doch entbehrte es all dessen, was man mit Kurort und Badebetrieb verbindet.

Hönigsberg begann die Ausgestaltung Gasteins zum Weltbad und die wissenschaftliche Erforschung des Heilwassers, wozu er auch Justus von Liebig hinzuzog. Seine Erfolge führten die Kaiser Wilhelm I. und Franz Joseph I, sowie die Spitzen der damaligen Politik und Gesellschaft nach Gastein. Hönigsberg sorgte für deren Therapie und gesellschaftliche Unterhaltung im Badeschloss.

Zu seinen Lebzeiten mit zahlreichen in- und ausländischen Ehrungen und Auszeichnungen bedacht, zum Ehrenbürger ernannt, errichtete man ihm nach seinem Tode ein Denkmal, das aber mehrere Jahrzehnte später entfernt wurde, weil er Jude war.

Keine einfache Geschichte

Die Geschichte von Dr. Benedikt Hönig Edler von Hönigsberg (1813–1877) ist von mehreren Aspekten betrachtet heute von Interesse und beispielhaft:

  • Erstens zeigt sie das Lebensumfeld eines Akademikers im 19. Jahrhundert und ist damit Beispiel für die damals neu aufstrebende „zweite Gesellschaft“, die andere Lebensbedingungen und Konventionen hatte als heute.

  • Zweitens ist das Leben Hönigsbergs die Geschichte eines konvertierten Juden, für den trotz aller Gleichheitsgrundsätze (1781/82), doch andere Vorgaben galten als für Nichtjuden.

  • Drittens lässt sich die Familie Hönigsbergs bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen, gehört sie doch zu den "12 tolerierten Hofjuden" in Wien. Sein Urgroßvater war der erste als Jude Geadelte und das erste Mitglied einer Österreichischen Landtafel (NÖ). Auch unter den Nachfahren gab es Ärzte und Wissenschaftler, darunter die Enkelin Ilse von Arlt, die Begründerin der Sozialarbeiterinnen-Ausbildung (1911). Der Lebensweg seiner Nachfahren führte also viele in die Wissenschaft und Verwaltung, doch einige auch in die (erzwungene) Emigration.

  • Viertens stellt sich die Frage, warum gerade jüdische Badeärzte nach Gastein gingen,wo ihre Stellung ein von der Welt abgeschiedener „Hungerleider-Beruf“ war und es ihnen dennoch gelang, den Ruf Gasteins als internationalem Kurort zu begründen.

  • Fünftens ist seine Familiengeschichte – wie viele ähnlich gelagerte Familiengeschichten – ein Spiegelbild der Zeitläufe, zwischen Anpassung und Verdrängung.

This document was generated 2022-08-08 16:43:28 | © 2022 Forum Salzburger Volkskultur | Impressum