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Die Salzburger Liedertafel (János Czifra, Horst Friedrich Graf, Elke Petrisch)[488]

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Die Zeit vor dem Biedermeier in Salzburg

Die ideologischen Einflüsse der Französischen Revolution und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des beginnenden 19. Jahrhunderts bestimmten auch das Leben der Menschen in der Residenzstadt Salzburg. Das Ende der weltlichen Herrschaft der Erzbischöfe und die Säkularisierung nach der napoleonischen Besetzung (1805–1809) waren unabwendbar.

Der letzte Erzbischof und Landesherr Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1772–1803) widersetzte sich den Bestrebungen Kaiser Joseph II. (1765–1790) und konnte die Säkularisierung um Jahrzehnte hinauszögern. Das Ziel von Colloredo war die Schaffung eines geistlichen Musterlandes, eines Zentrums der Aufklärung im katholischen deutschen Sprachraum. Colloredo floh jedoch 1800 aus der Stadt Salzburg; 1803 unterzeichnete der Erzbischof sein Abdankungspatent. Eine wichtige Periode der Stadt- und Landesgeschichte ging zu Ende.

Der Rückfall in die Provinzialität war nach dem „Anschluss“ Salzburgs an Österreich (1816) nicht mehr aufzuhalten. Der Bevölkerungsrückgang nach 1816 zeigte eine tief greifende Krise auf, gegen deren Ursachen die Salzburger Bürger weitgehend machtlos waren. Diese Krise führte auch zu einem Rückgang im Bauwesen. Bauten aus der Zeit des Biedermeier sind durch den verheerenden Stadtbrand, am 30. April 1818, kaum erhalten geblieben. Der Aufschwung kam erst durch die Stadterweiterung der Gründerzeit um 1860.

Das Weltbild im Biedermeier

Nach der Zerrüttung des feudalen Gesellschaftssystems und der Niederschlagung der Französischen Revolution hieß das politische Hauptziel, den Gleichgewichtszustand zwischen Gewalt und Kraft als Naturnotwendigkeit herzustellen (politische Restauration 1815). Nach dem Scheitern gesellschaftlicher Utopien der Gleichheit und Freiheit ohne Grenzen wandten sich die Menschen von den öffentlichen Interessen ab, steckten – im Polizeistaat – ihre Ziele und Grenzen enger und zogen sich in ihre „Häuslichkeit“ zurück.

In der Zeit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollzog sich der grundlegende Wandel, der zum – damals neuen – „Freizeitbegriff“ geführt hatte. Der Arbeitsplatz wurde immer häufiger vom Wohnraum getrennt. Die dadurch neu gewonnene freie Zeit diente dem Gewinn von Freude und Bildung. Schichtenspezifische Kultur blühte seit Jahrhunderten in der Musik, im Tanz, in der Literatur und in der Gebrauchskunst. Das immer selbstständiger werdende Bürgertum entdeckte die Kunst des „Volkes“ und löste auch in der ländlichen Bevölkerung eine selbstbewusste Pflege und Darstellung ihrer Traditionen aus.

Die Vereinsbildung bot die organisatorische Möglichkeit dazu. Volksliedchöre und Blasmusikkapellen wurden gegründet. Das Leben dieser sich neu formierenden Leistungs-, aber auch beginnenden Konsumgesellschaft fand seine „Ventile“ in den Mußestunden. Mit Enthusiasmus wurde das Theater besucht und einen wichtigen Stellenwert – historistisch geprägt – nahmen die Hausmusik, das öffentliche Konzert, der Tanz und das Reisen ins „Fremde“ ein.

Die Anfänge der „Salzburger Liedertafel“

In der Zeit des Biedermeier vollzogen sich enorme Veränderungen im gesellschaftlichen und im kulturellen Bereich. Die zahlreichen neu gegründeten Vereine sind Ausdruck der nun möglichen Eigeninitiativen des Bürgertums und einzelner Bürger. Einer der ersten Gesangsvereine war der von Adalbert Lenk 1844 gegründete „Männergesangsverein“, der Vorgänger der 1847 gegründeten „Salzburger Liedertafel“.

Das k.k. Theater in Salzburg war jenes Institut, das in der Übergangszeit zwischen der Auflösung der fürsterzbischöflichen Hofkapelle (1803) und der Gründung des „Dom-Musik-Vereines und Mozarteums“ (1841) als Vermittler zwischen alter und neuer Zeit den eigentlichen Repräsentanten salzburgischen Musiklebens darstellte. Der in preußisch Schlesien geborene Komponist und Dirigent Alois Taux (1817–1861) war zu dieser Zeit mit der Leitung des Theaterorchesters beauftragt. Dieser gründete am 22. November 1847 – in einer Zeit des Aufbruchs der bürgerlichen Musikbewegung – die „Salzburger Liedertafel“. Der Chor bestand aus 120 Männern unterschiedlicher Berufe, die aus der Mittelschicht der Gesellschaft kamen.

Am 17. März 1848 erteilte Kaiser Ferdinand der „Salzburger Liedertafel“ die allerhöchste Genehmigung. Am 23. August 1848 fand dann im Carabinierisaal der Residenz das erste öffentliche Konzert statt. Zum ersten Mal war in Salzburg ein Männerchor mit einer so großen Anzahl von Sängern zu hören.

Die Entwicklung der „Salzburger Liedertafel“

Mit der Gründung der „Salzburger Liedertafel“ (1847) setzte auch die besondere Förderung des Mozart-Kultes in Salzburg ein. Der erste künstlerische Leiter und Gründer, Alois Taux[489] wurde neben seiner Theatertätigkeit sehr aktiv in der Mozart-Bewegung. Die an Mozarts Geburts- und Sterbetagen[490] aufgeführten Konzerte entwickelten sich so allmählich zu kleinen Mozartfesten und später zu den „Salzburger Musikfesten“. Eine Leidenschaft Taux’ war das Sammeln von Albumblättern mit musikalischen oder textlichen Widmungen berühmter Musiker.[491]

Im September 1848 spendeten die Frauen Salzburgs die erste Fahne in den Farben Belgiens (Schwarz, Gold, Rot). Die Enthüllung dieser Fahne erfolgte am 20. Mai 1849. Das Fest war so erfolgreich, dass es in der Folge zu Gründungen von Liedertafeln in Hallein, Reichenhall, Laufen, Traunstein und Steyr kam.

Schon bald nahm die „Salzburger Liedertafel“ an vielen Veranstaltungen im In- und Ausland teil. Besonders gerne bediente man sich der Sänger bei Besuchen höchster Persönlichkeiten wie Kaisern, Königen oder Erzherzogen. 1872 beging die „Salzburger Liedertafel“ ihr 25. Gründungsfest, sie erhielt dabei einen wertvollen Ehrenbecher der Stadtgemeinde Salzburg. 1887 wurde ihr zum Jubiläum die „Viribus-unitis“-Goldmedaille von Kaiser Franz Joseph I. verliehen. Wichtige Impulse erhielt die Salzburger Liedertafel unter dem Chormeister Josef Friedrich Hummel.[492]

Die „Salzburger Liedertafel“ – vom Ersten Weltkrieg bis heute

Durch den Bau des „Mozarthauses“, bald wie heute „Mozarteum“ genannt, gelang es der „Salzburger Liedertafel“, sich den lang gehegten Wunsch nach einem eigenen Vereinsheim zu erfüllen. Am 15. November 1913 konnte die „Salzburger Liedertafel“ endlich in das neue Vereinsheim einziehen.

Während des Ersten Weltkrieges (1914–1918) mussten sechs „Liedertafler“ ihr Leben lassen. 1920 wurde in Erinnerung an sie eine Gedenktafel im Vereinsheim enthüllt. 1922, beim 75. Gründungsfest, stellte die „Salzburger Liedertafel“ mit einer glanzvollen Aufführung unter Beweis, dass sie auch nach dem Krieg wieder an ihre alten Leistungen anknüpfen konnte. 1939 kam es zum Zusammenschluss der „Salzburger Liedertafel“ mit dem „Salzburger Männergesangsverein“. Während des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) musste der Betrieb eingestellt werden, doch dieser begann bereits am 30. Oktober 1946 wieder. Am 8. März 1948 fand der Zusammenschluss der „Salzburger Liedertafel“ mit dem „Damensingverein Hummel“ und der „Salzburger Chorvereinigung“ zu einem gemeinsamen Chor statt. 1952 erhielt die „Salzburger Liedertafel“ als erster österreichischer Verein die „Walter von der Vogelweide-Medaille für Kunst und Kultur in Silber“ des „Österreichischen Sängerbundes“.

Die Salzburger Liedertafel pflegt die oratorische Chormusik. Im Laufe ihrer Geschichte war und ist sie immer darum bemüht, sich den neuen Herausforderungen der Zeit anzupassen. Der Chor besteht heute aus 50 Frauen und Männern. Auf dem Programm stehen heute auch Salzburger Erstaufführungen und die jährlichen Oratorienkonzerte im Großen Saal des Mozarteums oder im Salzburger Dom.



[488] Kurzfassung von Ilona Holzbauer

[489] Alois Taux leitete die „Salzburger Liedertafel“ von 1847–1861.

[490] Wolfgang Amadeus Mozart wurde am 27. Januar 1756 geboren und ist am 5. Dezember 1791 verstorben.

[491] Neben Musikern und Freunden aus seiner Heimat, deren Blätter am Anfang dieser umfangreichen Sammlung stehen, finden sich darin auch viele berühmte Namen. So haben sich Künstler wie Louis Hector Berlioz, Heinrich Dorn, Georg Hellmesberger, Josef Wenzel Kalliwoda, Albert Lortzing, Felix Mendelssohn Bartholdy, Otto Nicolai, Carl Gottlieb Reissiger, Robert Schumann, Simon Sechter, Franz Stelzhamer, Josef Strauß, Louis Spohr und Richard Wagner mit einem Autograf bei Alois Taux eingestellt. Richard Wagners Albumblatt mit dem „Tannhäuser-Motiv“ – wenige Tage vor der Uraufführung der Oper – stellt wohl eine besondere Wertschätzung von Alois Taux dar.

[492] Die künstlerische Entwicklung der „Salzburger Liedertafel“ lag von 1892–1910 und 1911–1912 in den Händen des Komponisten und Mozarteumsdirektors Josef Friedrich Hummel.

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