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Von Leichenkondukten und Trauergerüsten (Werner Rainer) – Langtext

Vorbemerkungen

Nach alter Auffassung der Kirche galt das irdische Leben als Vorbereitung zum ewigen Sein, dessen Erfüllung der Mensch sich durch gute Taten und Gebete im Irdischen erwerben könne. Die Pforte zu diesem jenseitigen Leben war der Tod, dessen Eintritt so gesehen, mit Freuden zu begegnen war.

In ähnlicher Weise, wie zumeist die freudigen Ereignisse im Leben eines Fürsten mit Pracht und künstlerischer Ausstaffierung gefeiert wurden, ergaben auch fürstliche Begräbnisse Anlass zu Festlichkeiten. Sie dienten vordringlich der Zurschaustellung der Taten und Tugenden des Verstorbenen und wurden zum Zwecke der Verbreitung oft schriftlich und/oder bildlich festgehalten. Mit der Wiederentdeckung der Antike im Zusammenhang stehen die aufwändigen Exequienfeiern des 16. Jahrhunderts, deren Zeremoniell und Funeralkunst bis tief ins 18. Jahrhundert hinein als Vorbilder wirkten. Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand das prächtig gestaltete Trauergerüst (Castrum doloris). Den Auftakt der Festlichkeiten bildete ein prächtiger Leichenzug, der sich vom Ort der Aufbahrung zur Hauptkirche bewegte. Begleitet wurde die fürstliche Persönlichkeit, geistliche oder weltliche, von einem prächtig gewandeten, wohlgeordneten Zug. Auch die mitgeführte Leichenbahre war mit kostbarem Tuch geschmückt. Wer sich von der Einwohnerschaft nicht anschloss, da ihm kein Platz in der Kirche zustand, bildete Spalier für den Zug, dessen Weg desto ausgedehnter ausfiel, je höher der Rang des Verstorbenen war.

Die Bevölkerung war in die barocke Festgestaltung fest eingebunden. Ihre Aufgabe begann bereits bei den Vorbereitungen, zum Beispiel bei der Herstellung der Festarchitektur durch die Bau- und Handwerksleute, wobei Maler, Vergolder, Wachszieher usw. viel Geld verdienten, ebenso die Kaufleute, Barchenter, Färber, Schneider usw., wenn es galt, die entsprechende Trauerkleidung möglichst schnell zu liefern. Die Teilnahme der Bürger erfolgte nicht immer ohne Nachdruck der Obrigkeit: schien es doch wichtig, das Festgeschehen vor dem gemeinen Mann zu repräsentieren. Das Beschenken der Leute und das Betrachten der dabei vorkommenden Geschäftigkeiten des Stadt- und herbeigeströmten Landvolkes gehörten zur festen Rahmenhandlung solcher „Feste“.

Die Aufbahrung, für die zumeist das Sterbezimmer diente, sollte die Zeit bis zur Leichenfeier überbrücken: „Die fürstlichen Leichen pflegen gemeiniglich eine Zeitlang, bisweilen einige Tage bisweilen wohl gar einige Wochen auf kostbaren Paradebetten gestellt und gezeigt zu werden.“ (Johann Christian Lünig) Je aufwändiger eine Leichenfeier sein sollte, desto längerer Vorbereitungszeiten bedurfte es. Da für Entwurf und Ausführung selbstverständlich ein gewisser Aufwand nötig war, ergab sich zwischen Aufbahrung und Begräbnisfeierlichkeiten vor allem dann, wenn der „hohe Trauerfall“ überraschend eingetreten war, ein größerer Zeitabstand, den man mit der Aufbahrung der Leiche auf einem so genannten Paradebette im Sterbezimmer überbrückte. Auch dieses Totenbett wurde gewöhnlich im Bild verewigt.

Während der Aufbahrung wurden bereits Totenmessen für den Verstorbenen gelesen, für hoch gestellte Persönlichkeiten an mehreren Kirchen gleichzeitig Gottesdienste gehalten. Erst wenn der Leichenkondukt die Kathedrale erreichte, wurde das Totenoffizium gefeiert. Der Tote lag dann aufgebahrt auf einem Katafalk, einem mehrstöckigen, von Kerzen und Insignien umgebenen Sargaufbau, über den ein so genanntes Castrum doloris errichtet wurde. Diese ephemere Trauerarchitektur bestand aus leicht bearbeitbarem Material wie Holz oder Pappe. Die Zusammenarbeit von Poet, Architekt und Bildhauer sollte das Castrum doloris zu einem emblematischen Gesamtkunstwerk werden lassen, Inschriften und Figuren die Bedeutung des verstorbenen Herrschers repräsentieren. Leichenkondukt, Messe und Castrum symbolisierten Größe und Bedeutung des toten Herrschers. Auf die Ausgewogenheit dieser Elemente wurde dabei Wert gelegt. Um das Plündern des Trauergerüsts, wie es andernorts vorgekommen war, zu unterbinden, bediente man sich in Salzburg der Almosenverteilung.

Der Leichenkondukt hat sich im Laufe der Zeit zur Allkunst ausgeweitet, die allen die Herrschaft in Zeichen und Symbolen vor Augen führte. Auch die Trauerzüge fanden in Form von Einblattdrucken Verbreitung über Europa hin und gerieten über diese Verbreitungsart allerorts, vor allem aber in den katholischen, zum aufwändigen Vorbild.

Die Gepflogenheit, das Herz gesondert beizusetzen, verliert sich im Grau der Überlieferung. So kann Johann Christian Lünig in seinem „Theatrum ceremoniale“, verfasst zu Anfang des 18. Jahrhunderts, über deren Ursprung einzig Vermutungen anstellen: „Was das besondere Begraben des Eingeweides und derer Herzen großer Herren betrifft, davon findet man keine Merkmale bey denen Alten, weder in der geist= noch weltlichen Historie. Weil man aber genöthiget worden, die verblichenen Cörper derer Standes=Personen zum öftern gar weit zu führen, so hat man, dieselben desto besser zu conserviren, die Eingeweide daraus genommen und solche an Ort und Stelle begraben. Was nun anfänglich aus Noth geschehen, das hat man nach der Zeit zu einem Point d’Honneur gemacht, und ein jeder gerne das Herz, als das edelste Theil des Menschen, bey sich haben wollen.“

Personenabfolge im Leichenzug und Sitzordnung bei der kirchlichen Trauerfeier zählten genauso zum Bereich des barocken Zeremoniells wie Anzahl und Größe der Kerzen. Die Zeremonialelemente Wappen und Insignien gingen als Repräsentation des Verstorbenen in die Trauerarchitektur ein, ja bestimmten dessen Form: zum Beispiel bekrönte der „Legatenhut“ das Castrum doloris eines Salzburger Kirchenfürsten. Ebenso mit dem Trauergerüst korrespondierte die Trauerdekoration, inklusive der Gestaltung des gesamten Kirchenraumes.

Der Übergang von den Sterbe- zu den Beerdigungsritualen ist fließend. Nach dem Eintritt des Todes wurde der Leichnam für das Begräbnis hergerichtet. Die Klagweiber, im Protestantischen auch „Seelnonnen“ genannt, übernahmen die Aufgaben, die mit der Herrichtung der Leiche und dem Begräbnis in Zusammenhang standen. Es waren dies durchaus ärmere Frauen, die mit Gebeten den Verstorbenen vom Sterbebett bis zum Grab begleiteten, wohin sie bis zum „Dreißigsten“ kamen, um zu beten und zu klagen. Für die Arbeiten wurden sie mit Stoffen, seltener mit Geld entlohnt.

Als Trauerfarben galten traditionell Schwarz und Weiß, für die Geräte das mit der Farbe Weiß gleichgesetzte Silber. Der schwarze „Klagmantel“, der auch sonstige Kleiderzier verbarg, wurde von Männern und Frauen getragen. Zu den großen Trauerfeiern erschien der gesamte Trauerzug, ausgenommen die Mitglieder bestimmter Bruderschaften, schwarz gekleidet – Sterberaum, Leichenwagen und Kirche waren schwarz ausgeschlagen. Andererseits schränkten allerorts publizierte Kleiderordnungen den Trauerprunk ein, der sich im Wesentlichen in reichlicher Verwendung schwarzer Tücher und Stoffe äußerte und begrenzte ihn als Vorrecht der höheren Stände.

Die Blütezeit der Trauergerüste liegt im Barock, ihr Verbreitungsgebiet sind die katholischen Länder. Wie wichtig in dieser Zeit die Gestaltung der Begräbnisfeierlichkeiten war, erweisen die zahlreichen schriftlichen und bildlichen Quellen, die kirchlichen und weltlichen Trauerprunk anlässlich des Todes einer hoch gestellten Person für die Nachwelt festgehalten haben. Die gedruckten Darstellungen und Berichte dienten immer auch als Vorlage für gleichrangige Gestaltung andernorts. Temporäre Architektur, bildliche und plastische Darstellungen sowie Inschriften künden – in barockem Überschwang – von irdischer Macht und Größe und von der Zuversicht einer Aufnahme des Verstorbenen im Himmel. Eine zahlreiche Teilnahme am Leichenzug sollte das Ansehen bezeugen. Für die niedrigen Bevölkerungsschichten bestand ein Anziehungspunkt in der Entlohnung mit Trauerkleidung und Verteilung von Wachskerzen: somit zeitigte fürstliche absolutistische Repräsentation immer auch karitative Randerscheinungen.

Die „Invention“, die Komposition der Elemente eines solchen Trauergerüsts war nicht Aufgabe des/der am Ort ansässigen Baumeister bzw. Architekten, denen allein die Aufsicht über die handwerkliche Ausfertigung verblieb. Als Material für eine solche ephemere Konstruktion kamen in der Hauptsache Holz und Leinwand, seltener Stuck zur Verwendung, die dann bemalt wurden. Das Verlangen nach illustrierend-narrativen Teilen wurde bald zu einem festen Bestandteil der perspektivisch gemalten, illusionistischen Kulissenaufbauten (in theatralischer Manier). Ein Teil des Funeraldekors für Kirche und Trauergerüst konnte allerdings dem Kirchenschatz entnommen werden. Es waren dies kostbare Leuchter, Kreuze und anderes Kirchengerät, auch Gemälde aus dem Kirchenraum. Der Trauerpomp griff aber immer über den Katafalk hinaus: Auch Portal und Kircheninneres waren auf den feierlichen Anlass bezogen dekoriert.

Das groß dimensionierte Castrum doloris musste rasch entfernbar sein, da der Kirchenraum nicht allzu lange beansprucht werden sollte. Mit dem Ende der Exequien war seine Funktion erfüllt. Der entfaltete Glanz währte kurz, die Kosten eines solchen Aufwands waren hoch. Den Mittelpunkt des Castrum doloris (in der Hauptkirche) bildete selbstverständlich der Sargaufbau. Es war aber auch üblich, dass solche aufwändigen Ehrenstätten gleichzeitig an mehreren Orten gestaltet wurden. Vordringlich diente das Trauergerüst als Träger von Lichtspendern, von Kerzen, Lampen und Torzen (= Wachsfackeln). Da ihre Menge Auskunft über Rang und Stellung des Verstorbenen gab, wurde ihre Art und Zahl in den Beschreibungen genau aufgeführt.

Der Auswahl der Inschriften (Inscriptiones), dem Verfassen der Leichenpredigt in der Kirche für die Exequien, kam immer besondere Bedeutung zu. Vieles davon wurde publiziert. Die im Protestantismus gebräuchliche Grabrede kannte man im katholischen Barock nicht. Dem Stand eines geistlichen Fürsten entsprechend konnten die Inschriften nur aus der Schrift genommen werden, eine Aussage variierend oder in kombinatorischer Wirkung.

Dass in Verbindung mit dem Begräbnis die Feier einer Totenmesse abgehalten wurde, ist altkirchliche Übung. Die Begräbnismesse hatte in den Sakramentarien ihre eigene, lokal divergierende Formulierung erhalten und wurde mit dem Aufkommen der Dreierreihe I., VII. und XXX. (Gedenktag) als „Missa in die depositionis I“ diesen vorangestellt. Sie charakterisiert besondere Solennität. Der ursprüngliche „Dritte“ wurde bald durch den „Ersten“ (= Sterbe- bzw. Begräbnistag) verdrängt. Diese Gedenktage gehen auf frühchristliche Tradition zurück, wurzeln vielleicht in römischem und/oder jüdischem Leichenkult, werden später jedoch aus der Schrift begründet. Der „Dreißigste“ markiert jedenfalls den Endtermin der Trauerzeit. Das vereinheitlichte Missale von 1570 unter Papst Pius V. (1566–1572) reihte die „Missae pro defunctis“ an den Schluss der Votivmessen. Seelenmessen sind Votivmessen, um den armen Seelen im Fegefeuer Beistand zu leisten. Der Tod eines Regierenden wurde öffentlich verkündet und die Abhaltung der Exequien angeordnet.

Dem visuellen Trauerprunk stand der musikalisch-liturgische in keiner Weise nach. Für die gesungenen Responsorien und musizierte Totenmessen wurde der am Ort vorhandene Personalstand aufgewendet. Gleiches galt für die Gedenkmessen am 7. und am 30. Tag nach dem Tod.

Im „Rituale Romanum“ wurden die kirchlichen Riten des Totengeleits erstmals 1614 rubriziert. Sie betrafen Aufbahrung, Prozession, kirchliche Feier (Officium defunctorum; Missa pro defunctis = Requiem) und Grablegung. Teile der liturgischen Feier wurden, je nach gesellschaftlicher Stellung des Verstorbenen, als eigene, für das betreffende Begängnis geschaffene Komposition und nicht nur gesprochen oder choraliter ausgeführt. Hierzu gehören mehrstimmige Vertonungen der Psalmen „De profundis“ und „Miserere“, aber vor allem die Requiem-Vertonungen. (Leider hat der Chronist Johannes Stainhauser keinen Musiker als Komponisten namentlich festgehalten, deren mehrere in der vielköpfigen Hofkapelle tätig waren.)

Über Jahrhunderte disziplinierte die im Mittelalter entwickelte Angst vor dem Fegefeuer die Lebensweise der katholischen Welt. Ins Fegefeuer kämen jene Seelen, die zwar in der Gnade Gottes starben, aber nicht frei von lässlichen Sünden waren, für die zeitliche Sündenstrafen stehen. Der Erwerb von Ablässen diente zu deren Verkürzung. Erlösungshilfe boten die Stiftung von Jahrtagmessen oder die Gebete der Bruderschaftsmitglieder für die armen Seelen verstorbener Brüder und Schwestern. Der Abkürzung der Leidenszeit diente auch, möglichst viele Almosen nach dem Tod austeilen zu lassen.

Das Konzil von Trient gewährte jenem Katholiken Vergebung der Sünden, der einmal im Jahr sowie in Todesgefahr seine Sünden reumütig einem Priester beichte. Wenn er von den Sünden losgesprochen wird, werden ihm diese Sünden erlassen, jedoch nicht die Sündenstrafen. Diese habe er im Fegefeuer abzubüßen. Die einzige Möglichkeit, die Schrecken im Fegefeuer abzukürzen, bestand in der Erlangung des so genannten vollkommenen Ablasses, der in der Sterbestunde nur Bruderschaftsmitgliedern zustand. Dies war wohl der Grund, dass das Volk so zahlreich in eine der Bruderschaften eintrat.

Die nach-tridentinischen Bruderschaften waren nicht mehr zünftische Organisationen, sondern Sodalitäten, deren Mitglieder unterschiedlicher Herkunft waren. Neben sozialen Aufgaben spielten Leichenbestattung der Mitbrüder und Fürbitte für die verstorbenen Sodalen eine wichtige Rolle. Die jedem verstorbenen Mitglied zustehenden Seelenmessen und Gebete sind in den Statuten jeweils vermerkt. Mehrmals im Jahr – meist in den Quatemberwochen – wurden Messen für alle hingeschiedenen Brüder und Schwestern gelesen. Das ausdrückliche Ziel einer Allerseelenbruderschaft war es, ihrem Mitglied einen guten Tod, eine selige Sterbestunde zu verschaffen und für die bereits Verstorbenen – die „Armen Seelen“ – zu beten. Eine Bruderschaft bedurfte der kirchlichen Bestätigung durch den Ortsbischof. Bei festlichen Anlässen trugen die Brüder und Schwestern Kutten in festgelegten Farben mit Kapuze (der „Gugel“). Das Tragen der Bruderschaftsstäbe (der „Rundeln“) und -fahnen kam bei den festlichen Umzügen dem Vorsteher und nur wenigen Mitgliedern als Auszeichnung zu.

Eine Versehgarnitur, wie am Sterbebett unerlässlich, bestand aus Standkreuz, zwei Leuchtern und Weihwasserkessel. Im Haus des Todkranken sollte ein Versehtischchen, mit sauberer weißer Leinwand bedeckt, vorhanden sein. Versehtücher dienten dazu, den Hausaltar zu bedecken, der zum Empfang der Sterbesakramente am Bett hergerichtet wurde. Durch den Versehgang wurde der Sterbende mit allen Tröstungen der Kirche versehen: mit der Absolution in der Beichte, mit der Wegzehrung in der Kommunion und mit der Letzten Ölung in der Krankensalbung. Der in Salzburg bereits eingeführte römische Ritus sieht beim Geleit des Toten von seiner Aufbahrungsstätte zum Gotteshaus und zum Grab vor, dass Kerzen an die Teilnehmer ausgeteilt werden und man den Toten sozusagen in einer Lichterprozession zum Ort seiner zukünftigen Auferstehung führe. Es finden sich daher in Statuten Bestimmungen über Wachspflicht, die als Eintritts- oder Bußgaben festgelegt waren. Der Bruderschaftsbote hatte bei einem Todesfall eines Mitglieds die Todesmitteilung und die Aufforderung zur Teilnahme am Begräbnis zu überbringen. Bruderschaften befassten sich nicht unmittelbar mit dem Leichnam. Sie leisteten aber den Mitgliedern wichtige Hilfestellung im Umgang mit dem Tod.

Begräbnisfeierlichkeiten zur Regierungszeit von Erzbischof Marcus Sitticus (1612–1619)

Die Schilderungen Salzburger Leichenkondukte zu Beginn des 17. Jahrhunderts stützen sich allein auf die Aufzeichnungen des Chronisten Johannes Stainhauser. Dessen jährlich zusammengestellte „Relationen, was sich unter der löblichen Regierung des hochwürdigsten Fürsten, Herrn Marci Sittici, Erzbischofen zu Salzburg [...] allhie verloffen hat“ hielten die Ereignisse aus Sicht ihrer Wichtigkeit für den Fürsten fest, der ja sein Auftraggeber war. Somit stand das Zeremoniell eines Ereignisses in der Mitte seiner Betrachtung(en). Aus diesem Blickwinkel wurden auch die Begräbnisfeierlichkeiten festgehalten: nicht so sehr das Ereignis an sich hatte Bedeutung, sondern dessen „wohl geordneter“ Ablauf war im Detail festzuhalten. Der Fürst, der Adressat dieser Chronik, war hier Mittelpunkt jeglicher öffentlichen Darstellung. Wert befunden für eine Aufnahme in die Chronik wurden daher nur Begräbnisfeierlichkeiten geistlicher Würdenträger oder dem Landesfürsten nahe stehender Persönlichkeiten. Vorbereitung und Durchführung einer Beerdigung des „einfachen“ Mannes war dann aus fürstlichen Mandaten zu erschließen, wo sie regelnd in Gewohnheiten der einfachen Leute eingriffen. Der Aufgabenkatalog der vom Fürsten überaus geförderten Bruderschaften war eine weitere Quelle, wie weiter unten noch darzustellen ist.

Am ausführlichsten ist jener Bericht ausgefallen, wo Stainhauser Tod und Beerdigung des Fürsten selbst aufzeichnete, bildete er doch gleichsam den Abschluss einer mehrjährigen Tätigkeit in Diensten des Hofes.

Eine Äbtissin, ein Abt werden zu Grabe getragen

Als 1582 in dem Kloster der „Petersfrauen“, einem Benediktinerinnenkonvent, nur mehr zwei Schwestern lebten, gestattete Papst Gregor XIII. dessen Aufhebung. Die beiden letzten Mitglieder, Scholastica Gstattner und Cordula Muntenheimer, durften in das Kloster Nonnberg übersiedeln. Als Schwester Scholastica 1586 in der Osternacht um die Mettenzeit verschied, wurde sie, ihrem Wunsch entsprechend, vom Nonnberg hinab nach St. Peter getragen und neben ihren Mitschwestern im dortigen Friedhof „bei der Angst“ begraben. (Den Eintragungen des Fr. Heinrich Pichler folgend, der sich während seines Universitätsstudiums, 1745–1748, Salzburger Eigenheiten, die sich von seinem Heimatkloster Kremsmünster unterschieden, notierte, wurden am Donnerstag um 8 Uhr abends in allen Stadtkirchen mit der großen Glocke die „Angst“ und am Freitag um „11 Uhr auf Mittag“ die „Schiedung“ [Christi] geläutet.)

Cordula (von) Muntenheim (Mundenhammer) wurde 1600 zur Äbtissin gewählt und verstarb am 3. März 1614. Martin Hattinger, geboren in Brünn als Sohn protestantischer Eltern, war anstatt des „übelhausenden, dann abgesetzten“ Andreas Grasser 1584 vom Kloster Michaelbeuern „abgefordert und zu einem Prälaten von St. Peter berufen“ worden. Sein Tod erfolgte am 23. April 1615.

Beide Klostervorsteher hatten sich das „Ruhebettlein“ in ihrem Kloster bereits zu Lebzeiten ausgewählt. Abt Hattinger hatte zudem ein Epitaph für das „aufgewölbte“ Grab in der von ihm neu gestalteten (zweiten) Kapelle selbst verfasst und die Äbtissin war vor dem Virgilaltar, „dessen Tafel sie von neuen schön renovieren und köstlich vergulden lassen“, „zu Erden“ bestattet worden.

Die Verstorbene lag vier Tage, bis zu ihrem Begräbnis, aufgebahrt in der St. Johannskapelle, wo ihr zu Ehren Choralisten „psallierten“ (= psalmodierten). An der Spitze des kurzen Umzugs schritten die Domschüler, acht Kantoren, alle in Chorröcken, der Pfarrmesner, die beiden Stadtkapläne und der Pfarrer am Nonnberg. Von den vier in der Stadt beheimateten Orden beteiligten sich allein Augustiner (von Mülln) und Franziskaner, auch die Priester des Doms am Trauerzug. Ihnen folgten die Mitglieder von sechs Zünften mit großen Kerzen in Händen. Einige aus der Begleitung trugen zwei Stück schwarzen Tuchs mit, das später als Bekleidung an arme Leute ausgeteilt werden sollte. Vor der mit einer samtenen Decke überzogenen Bahre wurden die Insignien einer Äbtissin von Nonnberg, Sessel und silberner Stab (= Pastorale), gezeigt. Diener und Hofrichter des Klosters sowie einige Domherrn beschlossen den offiziellen Trauerzug. Wie üblich waren auch Hofbedienstete und Stadtbevölkerung an diesem Donnerstag zu dem Ereignis hinaufgestiegen. Die Klosterfrauen gesellten sich erst in der Kirche aus dem Nonnenchor hinzu, um an Besingnis (= Exequien) und Bestattung ihrer vormaligen Mitschwester und Vorsteherin teilzuhaben. Der Grabstein stammte von dem Bildhauer Matthäus Murmann und kostete 85 Gulden. (In späteren Zeiten, wird berichtet, kamen die Konviktoren sehr gerne zu solchen Feierlichkeiten, ließen sich auch als Sargträger einteilen, da ihnen für die Teilnahme „ein Maß“ [= ca. 0,4 l] Wein und drei Krapfen, die in Salzburg ihrer Länge wegen volkstümlich „Fußsohlen“ genannt wurden, als Entlohnung winkten – auf die sie freilich oft Wochen zu warten hatten.)

Reicher war der Kondukt des im Folgejahr verstorbenen Abts von St. Peter allein schon dadurch, dass sich diesmal die drei Bruderschaften, angetan mit ihren schwarzen, roten und weißen „Säcken“ (= Kutten), eingliederten. Das Kloster konnte zudem seine eigene Musik aufbieten. Die Leiche – mit der Dalmatika angetan, die Infel auf dem Haupt, den Prälatenstab in die Hand gegeben – wurde auf einer mit schwarzem Tuch bedeckten Bahre offen von acht Männern getragen. Der Abt von Michaelbeuern und der Bischof von Chiemsee gaben Abt Martin Hattinger ebenso die Ehre wie die Offiziere (= Beamten), Diener und Hausgenossen von St. Peter, alle in Klagkleidern. Wie gebräuchlich schlossen sich dem Trauerzug die Angehörigen des Hofes und der Stadt, Bürgerinnen und andere „Weibsbilder“ in großer Menge an. Der Leichenkondukt bewegte sich, von der St. Veitskapelle aus, über den „Peterer Freithof“ (= Friedhof) hinaus an der alten Dompropstei und am Fürstenhof vorbei, durch den Torbogen wieder in den Bezirk von St. Peter hinein und dann durch das Hauptportal in die Kirche. Hier wurde der Sarg während der Besingnis auf einem Katafalk abgestellt. Die Grabplatte befindet sich heute zu Füßen des Denkmales für Michael Haydn.

Der Fürst nahm an beiden Begräbnisfeierlichkeiten nicht teil. In seiner Würdigung des verstorbenen Abtes weist der Chronist Johannes Stainhauser darauf hin, dass der Prälat immer darauf bedacht war, „dem Kloster an seinen Freiheiten nichts zu vergeben“. Marcus Sitticus hatte sicher nicht vergessen, dass der Vorsteher des bedeutendsten Ordens in der Stadt 1612 am fürstlichen Einritt, da er „aus Leibesschwachheit verhindert“ war, „nit hatte beiwohnen mögen“.

Die drei Bischofsbegräbnisse

Feierlichkeiten beim Begräbnis eines Bischofs von Chiemsee

Am Freitag, dem 9. November 1618, war „um sieben Uhr Nachmittag“ Ehrenfried von Kuenburg, der 1610 von Erzbischof Wolf Dietrich geweihte 34. Bischof des Eigenbistums Chiemsee, „in Gott seliglich verschieden“. (Im 18. Jahrhundert wird berichtet, dass der Bischof von Chiemsee, auf dem „Totenschragen liegend“, jeweils in seiner Hauskapelle auf einer „erhebten Bühne“ bis zum Tag des Begräbnisses „in pontificalibus“ aufgebahrt lag. Die Choralisten hatten zu psallieren, die Studenten, die in der Nacht das „Officium defunctorum“ beteten, bekamen vier Gulden.)

Vom Sitz des Bischofs, dem Chiemseehof (heute Sitz der Landesregierung), aus bewegte sich am nächsten Dienstag der „Kirchgang“ an der hochfürstlichen Kammer und dem Neugebäude, dann am Kirchlein St. Michael und der Residenz vorbei durch den alten Salz- oder Habermarkt (Churfürstenstraße) und die Kirchgasse (Sigmund-Haffner-Gasse) hinauf in die Pfarrkirche (Franziskanerkirche). Getragen wurde die Leiche offen von den vornehmsten Mitgliedern der Christi Fronleichnams-Konfraternität, eingerahmt war die Bahre vom Kuenburgschen Wappen und von den bischöflichen Insignien. In den aufwändig gestalteten Zug waren diesmal alle in Salzburg anwesenden Mitglieder des Domkapitels sowie drei Prälaten eingereiht. Auch der Fürst begleitete seinen Suffragan in die Kirche, wo bereits ein mit vielen Kerzen bestecktes und mit schwarzem Samt bedecktes Totengerüst aufgerichtet worden war. Begraben wurde der Bischof in der so genannten Barchanter- (Weber)Kapelle. Die Hofmusik begleitete den Leichenkondukt und gestaltete die „musizierten Seelämter“ (Requien) der eine Woche später veranstalteten Gedenkfeier des „Siebenten“ wie des vier Wochen nach dem Begräbnis gehaltenen „Dreißigsten“. Auch die Konfraternitäten gedachten des ihnen „einverleibten“ Wohltäters mit gesungener Vigil und musizierten Seelämtern zu den üblichen beiden Gedenktagen.

Leichenkondukt für Wolf Dietrich

An einem Montagmorgen, dem 16. Jänner des Jahres 1617, wurde dem Erzbischof Marcus Sitticus gemeldet, dass sein Vorgänger im Amt, Wolf Dietrich, nach einem weiteren epileptischen Anfall im Sterben liege. Nach seiner Resignation war der „geweste“ Salzburgische Erzbischof „fünf Jahre, zwei Monate und etlich Tag in dem hochfürstlichen Hauptschloß Hohen Salzburg gefänglich gehalten worden“. Zwar wollte der Fürst seinem Verwandten in dieser Stunde beistehen, Glatteis verhinderte jedoch eine Fahrt auf dem steilen Weg zur Festung hinauf.

Wolf Dietrich von Raitenau hatte schon zu Lebzeiten für sich als Mausoleum die Gabrielskapelle im Friedhof von St. Sebastian erbauen lassen und angeordnet, auf welch einfache Art und Weise sein Begräbnis ablaufen sollte. Die Übersetzung des lateinischen Textes, festgehalten auf einer vergoldeten Messingtafel, sei hier im „Teutsch“ des Johannes Stainhauser wiedergegeben:

„Wolf Dietrich von Raitenau Salzburgerischer Erzbischof und Landsfurst, auch Stifter dieser Kapellen und Gottsackers, sein Gemein, in Lebenszeit, nach allem Vermögen erhaltund und liebund, hat unter derselben zugleich nach seinem, aus Gottes Schickung tötlichem Abgang, in dieser Kapellen wöllen begraben werden. Derowegen er diejenigen, welche nach seinem Ableiben den höchsten Gewalt des Erzstifts haben werden, durch dieses sein aufgerichtes Epitaphium hiemit, noch im Leben vermahnet, und in Gott den Herrn bittet, daß sie sein verstorbnen Leichnamb nit eröffnen, auch über vierundzwainzig Stunden offentlich zu sehen: sondern alsbald hernachstehunder Maßen zur Erden bestätten wöllen lassen. Nämblich soll man ihme keine andere, als seine tägliche Kleider anziehen: die schlechtern [= einfachen] Kammerdiener, so im Leben auf seinen Leib gewartet, sollen denselben auch toter zum Grab tragen und bestätten. Vor der Bahr soll nur ein Kreuz und vier Wachskerzen getragen werden: die Leich allein sechs Religiosen S. Francisci Ordens de obseruantia und sonst keine andere begleiten: und dies alles soll nit beim Tag, sondern zu Nachts beschehen, und darzue kein andere Glocken, allein die bei S. Sebastiani Kirchlein, zunächst bei dieser Kapellen stehund, geläutet werden. Es soll auch niemand dieser Leich halben, ein Traur= oder Klagkleid anziehen, sondern vielmehr den allmächtigen barmherzigen Gott, für des Abgeleibten Seel, und umb seiner Sünden Verzeihung, inbrünstiglich bitten. Diese all= und jedes soll also ganz standhaft und unverbrüchig sein und bleiben, auch von den Nachkömblingen alles Inhalts gehalten und vollzogen werden: wann sie ihnen anders den güetigen Gott, nach ihrem Tod, auch gnädig und barmherzig zu sein, selbst wünschen und begehren tun.“

Entgegen dieser Disposition ließ Marcus Sitticus, unter Zuziehung des Domkapitels, dem verstorbenen Landesherrn alle Ehren zukommen und ihn mit großem Funeralpomp zur letzten Ruhe geleiten.

Noch am Abend des „Abscheids“ (= Tod) wurde die Leiche in der St. Veitskapelle von St. Peter aufgebahrt. Hier war bereits ein mit schwarzem Samt bedecktes, „erhebtes“ Trauergerüst errichtet worden. Dieses blieb bis zum Ende der Trauerzeit stehen. Die Kapelle war mit schwarzem Tuch ausgeschlagen, der Leichnam selbst in bischöflichem Ornat, samt Infel bekleidet worden. Bis Mittwoch, dem Tag des Begräbnisses, wurde, zu bestimmten Stunden eingeteilt, von Choralisten und den Religiosen der Stadt an der Bahre „psalliert“, auch in jeder der Stadtkirchen am „Erchtag“ (= Dienstag) und Mittwoch Seelenmessen gelesen.

Mittwochs machte sich der wohl geordnete Leichenkondukt nach der Vesper von St. Peter auf. Alles, was die Residenzstadt zu bieten hatte, sollte dabei sein: die Bruderschaften in ihren verschiedenenfarbigen Kutten, die beiden Schulen, das hochfürstliche Seminar, die Patres der verschiedenen Orden, das Domkapitel mit den jüngst angeschafften „rauhen Quadraten“ (= Chorkappen aus Pelz). Die zwölf Choralisten des Doms sangen unterwegs das Miserere und die Hofmusik musizierte „trauriglich“. Vor und neben der Bahre gingen insgesamt 60 „vergugelte“ Buben mit Windlichtern und dem Wappen des verstorbenen Erzbischofs in Händen. Hinter der in bischöflichem Ornat offen einhergetragenen Leiche schritten der Erzbischof und nach ihm die vier Klagherrn, an ihrer Spitze Jakob Hannibal von Hohenems, der Neffe des Landesherrn. Auch die nach ihnen folgenden Edelknaben, Lakaien und Kammerdiener waren in Klagkleidung. Den Beschluss bildeten, wie bei solchen Feiern üblich, Hofherrn und Hofgesinde, Bürgerschaft und Gemeinde, adelige Frauenzimmer und „allerlei“ Weibspersonen. Die hochfürstlichen Leibtrabanten schirmten den Zug auf beiden Seiten ab.

Der Weg führte über die Salzachbrücke in die Gabrielskapelle. Auch diese war im Innern rundum mit schwarzem Tuch verhängt. Für die Begräbniszeremonien war ein Klaggerüst aufgerichtet worden. Die Choralisten und die Priester des Doms sangen die ganze Vigil, d. h. alle drei Nocturnen. Die Einsegnung, die sich von sechs bis sieben Uhr abends erstreckte, nahm der Dompropst und Erzpriester Paris Graf zu Lodron vor. Der Dompropst zelebrierte auch an allen drei Gedenktagen das Seelenamt, das jedes Mal von der Hofmusik mitgestaltet wurde.

Zum Zeichen der Trauer waren auf Befehl des Landesfürsten alle fastnachtlichen und hochzeitlichen Veranstaltungen und die so genannten Saitenspiele (= Aufspielen mit Instrumenten) abgesagt worden. Trotzdem ließ Marcus Sitticus am Fasnachtssonntag und am Montag darauf (6. Februar) Opernaufführungen im Hoftheater ansetzen. Am Faschingsdienstag stand gar eine „lustige“ Tierhatz als Volksbelustigung auf dem Programm.

„Exiguum et cum tædio est tempus uitæ nostræ“: Der Tod kommt zum Fürsten

Auf der Reise nach Frankfurt zum Wahltag traf am 16. Juli 1619 Ferdinand II. in Salzburg ein. Nicht ohne Absicht hatte er diesen Weg genommen, wie sich herausstellte: Marcus Sitticus konnte dem zukünftigen Kaiser mit (nachträglich erfolgter) Zustimmung des Kapitels einen auf 50.000 Gulden lautenden Kreditbrief überreichen. Als die Nachricht von der einstimmigen Wahl des Habsburgers zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches nach Salzburg gelangte, veranstaltete der Fürst ein Freudenfest, an dem die ganze Stadt teilhatte: Dazu läuteten an diesem 3. September alle Glocken eine Stunde lang. Die bürgerlichen Musketiere und die wegen der unruhigen Zeiten angeworbenen hundert Soldaten stellten sich vor der Residenz und dem Rathaus in Schlachtordnung auf und schossen drei Salven, zwischen jeder Salve spielten die Trompeter und Pauker auf. Auch die großen „Stuck“ (= großen Geschütze) auf der Festung wurden abgelassen.

Ende September musste sich Marcus Sitticus „mit einem fiebrischen Anstoß“ [= Infektion] zu Bette legen, von dem er sich nicht mehr erheben sollte: Am Mittwoch, den 9. Oktober, ist Marx Sittich, im Alter von 45 Jahren, nach zwei Uhr in der Früh entschlafen. Fast auf den Tag genau hatte der Fürst sieben Jahre zuvor seinen festlichen Einritt in die Residenzstadt gehalten. Und nur gut zwei Jahre hatte der Hohenemser seinen Vorgänger überlebt. Am Tag darauf, Donnerstag den 10. Oktober, traf mittags der jüngst erwählte römische Kaiser, auf der Durchreise, wieder in Salzburg ein.

Am Morgen dieses Tages war die „Schiedung“ des Landesherrn durch zweistündiges Läuten der Kirchenglocken den Bewohnern der Stadt angezeigt worden. Ferdinand II. gebot, alle vorbereiteten Freudenfeste und Feuerwerke sowie Ehrensalven und Kanonenschüsse bei seinem Empfang zu unterlassen. Das Domkapitel, das während der Sedisvakanz, d. h. in der Zeit der Erledigung des erzbischöflichen Stuhls, die Regierungsgeschäfte führte, bediente beim Bankett Ihre kaiserliche Majestät. Während der Tafel unterhielten 16 „zierlich bekleidete und mit Lorbeerkränzen bekrönte“ Knaben mit Vokalkonzerten, die ein Zehnjähriger auf der Laute begleitete. Hernach gratulierten sie in acht oder auch mehr Sprachen zur Wahl. Bevor der Kaiser am nächsten Tag nach Graz aufbrach, verrichtete er noch ein Gebet an der Bahre des Erzbischofs.

Nach altem Brauch hatte man dem Leichnam Herz und Intestina (= Eingeweide) exenteriert (= entnommen), diese nachmals in der Karl Borromäus-Kapelle beigesetzt. Während das Herz noch heute in der Franziskanerkirche ruht, wurde der Leichnam in den fertiggestellten Dom überführt. Paris Lodron widmete seinem Vorgänger die folgende (aus dem Lateinischen übersetzte) Grabinschrift:

„Nur mit wenigen Worten halte ich dich auf, oh Erdenpilger, und lies! Hier, auf einer so kleinen Grabtafel ist es mir nicht möglich, mich zu verbreiten: An diesem Ort habe ich, Marcus Sitticus aus dem Geschlecht der Grafen von Hohenems, Fürsterzbischof von Salzburg, meine Hülle und Gebeine geborgen. Mein Herz aber ruht beim hl. Karl Borromäus, meinem Onkel. Das Haus, das ich jetzt bewohne, fing ich den Schutzheiligen des Vaterlandes, den Heiligen Rupert und Virgil, zu bauen an. Kaum gelangte ich bis zum First, da wurde ich gezwungen, zu dessen Fundamente zurückzukehren, so befiehlt es der Tod. Doch! die Beschützer des Vaterlandes erwarten im neuen Haus Gottes den Legaten des Apostolischen Stuhles. Nun zieh weiter und lerne sterben.“

Der verstorbene Erzbischof wurde sieben Tage lang in seinem Sterbezimmer („von der großen Ritterstube hinein“) aufgebahrt. Alles in diesem Raum war mit schwarzem Samt abgedeckt, der Leichnam auf eine „erhöhte Bühne“ unter einem schwarzen Baldachin gestellt worden. Angetan war der verstorbene Fürst mit einer „Casula“ (Kasel, Messgewand) von silbernem „Stuck“ (= Brokat) und darein gewirkten Pfauenschwänzen, hatte die Infel aus ebensolchem Material auf seinem Haupt und das erzbischöfliche Pallium um den Hals. Bei seiner rechten Hand lag ein vergoldetes Silberkreuz, zur linken der Bischofsstab und zu den Füßen der rote Legatenhut. Die sechs um die Bahre stehenden Kerzen brannten Tag und Nacht. Der zu den Füßen aufgestellte silberne „Weichbrunn“ (= Weihwasserkessel) samt Sprengwedel diente der allgemeinen Ehrerbietung: Denn sieben Tage lang war jedermann zugelassen, den christlichen Dienst dem Verstorbenen zu leisten, die Bewohner der Stadt genauso wie die zu den Kirchen und zum Markt hereinkommenden Bauern aus der Umgebung. Zwischen den Fenstern des Sterbezimmers war ein kleiner Altar aufgebaut, auch Betstühle und Bänke waren aufgestellt worden. Auf ihnen saßen Kleriker und Kantoren und besangen die ganze Zeit den Toten mit „Spalliern“.

Am festgesetzten Begräbnistag riefen um sechs Uhr früh die Glocken der Stadt die Trauergemeinde in die Residenz. Es waren an diesem Dienstag, dem 15. Oktober, alle erschienen, die in der Residenzstadt (und aus der näheren Umgebung) für ein solches Ereignis aufgeboten werden konnten: die Bruderschaften und Zünfte, Ordensleute und Weltgeistlichen, die Mitglieder des Domkapitels, Hofherrn und Pfleger, Adel und Stadtrat, inklusive der vornehmen Bürger – alle in Klagkleidern. Zuvor und während der Prozession, deren Beginn durch Glockengeläute angekündigt wurde, beteten Priester die Vigil für den toten Landesherrn. Von der erzbischöflichen Residenz aus bewegte sich der Zug am Dombau, der bis zum First fertig gestellt war und der Pferdeschwemme auf dem Kapitelplatz vorbei und über die Kaigasse hinaus an St. Michael vorbei über den so genannten Aschhof (Residenzplatz) und den Marktplatz durch die Kirchgasse (Sigmund-Haffner-Gasse) hinauf, um durch die große Pforte in die Franziskanerkirche zu gelangen.

An der Spitze des Zuges schritt der Hofkaplan mit einem Bildnis des „geduldigen Job“. Eingereiht hatte sich unter die anderen Bruderschaften auch die jüngst gegründete Kongregation „Beatae Mariae Virginis Assumptae“ des Gymnasiums in ihren blauen „Säcken“. Die Allerseelenbruderschaft hatte eine neue Fahne in Auftrag gegeben, auf der auf der einen Seite der Tod in Mannsgröße und darunter Krone, Szepter, Infel, Bischofsstab und allerlei „Ständekennzeichen“ gestickt waren, um deutlich zu machen, dass alle Stände der Welt des Todes Gewalt unterworfen seien“. Neun Domherrn und vier infulierte Prälaten in schwarzen Rauchmänteln, sieben Hauptkläger und vier „Klagfrauenzimmer“ begleiteten den Fürsten auf seinem letzten Weg. Die Leiche des Erzbischofs wurde abwechselnd von sechzehn Dompriestern getragen. Die Begleitung hielt zum Zeichen der Trauer Fackeln und Windlichter „kreuzweis übereinander geschränkt“. Auch die Hofmusik und die Leibgarde der Karabiner und die Leibtrabanten hatten sich zu Fuß in den Zug eingereiht. Gar manch einer unter den einfachen Bürgern, die dem Trauerzug zuschauten, habe seine Tränen nicht unterdrücken können, berichtete der Neffe Jakob Hannibal später nach Hohenems. Der Kirchenraum und die Altäre, auch die Kapellen, waren zuvor mit schwarzem Wolltuch, auf dem die Wappen des Fürsten (Löwe und Steinbock) und Totenköpfe befestigt waren, abgedeckt worden.

In der Pfarrkirche angelangt, wurde der Leichnam unter das majestätische Castrum doloris gestellt. Dessen Maße betrugen 24 Werkschuh in der Höhe (= 7,12 m) und 12 in der Vierungsbreite (= 3,56 m). Es erhob sich auf drei „Stapfeln“ (= Stufen), auf denen große Leuchter mit weißen Kerzen standen. Über den vier großen Portalen des Trauergerüsts hingen jeweils das erzbischöfliche Wappen, in die acht Winkel zwischen den Portalen waren weiße Totentrophäen gemalt. (Das Verfliegen der Zeit und die Eitelkeit des irdischen Lebens symbolisierten Vergänglichkeitssymbole, Totenkopf und abgelaufene Sanduhr variieren das Thema als Vanitasdekoration.)

Ober den Portalen zeigten sich vier „Pyramides“ mit Lampen und Leuchtern mit Torzen. (Die Bezeichnung Pyramide dürfte, alter Definition folgend, hier wohl eine Obeliskenform meinen: ein schlanker Pfeiler, der schließlich, sich konisch verjüngend, in einer pyramidalen Spitze endete.) In vier Füllungen konnte man lateinische, aus dem Alten und Neuen Testament genommene Sinnsprüche lesen, die sich auf die Kürze des irdischen Lebens, den allgegenwärtigen Tod und das darauf folgende Gericht bezogen: „Die Zeit unsers Lebens ist kurz und mit Verdruß.“ (Buch der Weisheit) Bekrönt wurde das Gebilde von den beiden Buchstaben M. S. (= Marcus Sitticus), dem erzbischöflichen Kreuz und dem roten Legatenhut. Auch hier waren auf den Abstellmöglichkeiten zahllose Kerzen untergebracht.

Nach dem von den Kantoren gesungenen „Miserere“ und dem Responsorium hielt der Hofprediger P. Remigius zu Lob und Ehre des verstorbenen Landesfürsten eine Leichenpredigt. Während des vom Weihbischof Johann Paul (Joan Paolo) Ciurletta zelebrierten Pontifikalrequiems gingen alle Anwesenden zum „Opfer“ (= Kommunionempfang). Hierauf wurde der Leichnam in einem Zinnsarg in der vorläufigen „Legstatt“ in der Schmiedkapelle beigesetzt. Während dieser Zeremonien wurde das Canticum „Benedictus Deus Israel“ gesungen. Es war der zu Lebzeiten geäußerte Wunsch des verstorbenen Erzbischofs, den Sarg hier in der Franziskanerkirche, die damals, nach Brand und Abriss des romanischen Konradbaus, auch als Domkirche diente, nur solange zu belassen, bis der Dombau abgeschlossen wäre. Hans Conrad Asper wurde später beauftragt, links vom Hochaltar ein Epitaph, in dessen Rahmen ein Porträt von Marcus Sitticus eingefügt wurde, zu meißeln.

Bei den funeralen Feierlichkeiten in der Franziskanerkirche stand naturgemäß der Leichnam des verstorbenen Erzbischofs im Zentrum des Trauerapparats, bei den Feiern in den anderen Kirchen am Ort hat wohl ein Totenbett, eine Sargattrappe oder ein Bildnis die Stelle des Leichnams eingenommen.

Auch wenn der Leichnam bereits bestattet war, versammelte sich die „völlige Klag, wie sie im Leichenkondukt zugegen gewesen“, in „Klagröcken bekleidet“ zu den beiden Gedenktagen, dem „Siebten“ und dem „Dreißigsten“, um das weiterhin „aufgerichtete“ Castrum doloris, das, wie auch der wiederum schwarz abgedeckte Kirchenraum, von gleich reichem Kerzenlicht erstrahlte. Die Totengedenken waren zweigeteilt: am Nachmittag des Vortags wurde die Totenvigil und -vesper gehalten, nach deren Abschluss der Weihbischof die Absolution erteilte. Am Folgetag versammelte sich die gesamte „Klagordnung“ in der Residenz und zog gemeinschaftlich zur Pfarrkirche, wo diesmal der Weihbischof, unter Mitwirkung der Hofmusik, das Totenamt (Requiem) zelebrierte.

Der „Dreißigste“, der Gedenktag, der vier Wochen nach dem Begräbnistag gehalten wurde, fiel auf Montag und Dienstag, den 11. und 12. November und wurde gleich dem „Siebten“ mit allen Zeremonien und Solennitäten begangen. Zu diesem Abschluss der Trauerfeierlichkeiten wurden, auf Anordnung des Domkapitels, die „Almusen“ verteilt, die, da es ja um das Seelenheil eines Fürsten ging, reichlich und breit gestreut ausfielen. Im Hof des Klosters Nonnberg wurden allen armen Personen, deren eine unglaubliche große Zahl dahin strömte und an arme Bauern aus der Umgebung der fürstlichen Residenzstadt, waren es Erwachsene sechs, waren es Knaben oder Mägdlein drei Kreuzer auf die Hand gegeben. In Summe beliefen sich die ausgeworfenen Almosen auf 1.500 Gulden. Hausarme Leute aus der Stadt wandten sich auch persönlich an das Domkapitel und ersuchten um Unterstützung. Die 36 „vergugleten“ Knaben, die dem Leichenkondukt geleuchtet hatten, erhielten ihre schwarzwollenen Klagröcke, dazu noch einen halben Gulden. Ebenso wurden die schwarzen Tücher aus der Pfarrkirche verschenkt. Auch an die Insassen im Bürgerspital, im Bruderhaus zu St. Sebastian und im Siechenhaus zu Mülln wurden Beträge in unterschiedlicher Höhe gespendet. Fast alles Hofgesinde war in die „Klag“ bekleidet worden oder hatte Geld erhalten. Lang dienende Hofdiener erlangten, auf Ansuchen, Provision oder Besserung ihres Gehalts, die Offiziere (Beamten) auch „schöne Gnaden und Schankungen“. Dies alles geschah „zu Trost und Heil der Seele, wie zu Lob und Ehre des abgeleibten Landesfürsten“.

Mit Freitag, dem 18. Oktober begannen die von Marcus Sitticus so außerordentlich geförderten Bruderschaften mit ihren Besingnissen (= Exequien) für ihren fürstlichen Förderer. Den Beginn machte die Allerchristgläubigen Seelen-Bruderschaft in St. Michael. Der Kirchenraum wurde für die Totenfeiern, wie es Brauch war, mit schwarzem Tuch dekoriert, zahlreiche Kerzen waren aufgestellt und an vielen Stellen die Wappen des Fürsten und Trauersymbole wie Totenköpfe, Gebeine und so genannte Reisuhren (= Sanduhren), aufgemalt worden. Ein Gemälde zeigte, „wie die Seelen aus dem Fegefeuer entledigt“ werden. In der Mitte der Kirche stand auch hier ein Totengerüst. Insgesamt mussten für die Handwerker, die diese Arbeiten ausführten, über 100 Gulden aufgewendet werden. Am Freitag wurden am Nachmittag Totenvesper und Vigil, am Samstag um sieben Uhr früh das Totenamt (Requiem) mit Musik gehalten. Der Ansager der Bruderschaft hatte unter der Woche die Brüder und Schwestern, hohen und niederen Standes, zum Kommen aufgefordert.

Die Christi Fronleichnams Bruderschaft folgte mit ihren Feierlichkeiten am Montag und Dienstag darauf. Diese hatte ihre Kirche, die zum St. Salvator, in gleicher Weise herrichten lassen, außer dass hier Ampeln in Rot, der Farbe der Konfraternität, unter der Beleuchtung überwogen. Beim Totengerüst waren zwei Engel aufgestellt, die Monstranzen in Händen hielten. Auf dem eisernen Gitter, an den Kirchenwänden und in den Feldern des Castrum doloris waren geistliche Sentenzen zu lesen, die, teils aus der Schrift genommen, sich auf den Toten bezogen. Die Predigt hielt der Hofprediger, das Requiem wurde mit „guter Musica“ gestaltet. Die Mitwirkung der fünf Instrumentalisten und Hofsänger wurde mit einem Trunk vergütet. Zu bezahlen waren auch der Schriftenmaler und das Färben von zusätzlich angeschafften 48 Ampeln.

Die Bruderschaft „Unser Lieben Frauen und S. Monicae“ hatte das „ansehnliche“ Totengerüst in ihrer Kirche in Mülln errichtet. Auch ihre Exequien für den toten Wohltäter bestanden aus Totenvesper und Metten sowie einem Requiem mit Musik.

Das Gymnasium betrauerte seinen Urheber im Gotteshaus von St. Peter ebenso mit einem „Theatrum“, auf dem die Kerzen „orgelweise“ aufgesteckt waren. An dessen Vorderfront lehnte ein lebensgroßes Porträt des Fürsten. An den drei Seitenwänden waren „Epigrammata“ (= kurze Sinnsprüche) und „Carmina lugubria“ (= Traueroden) angeschlagen. Zur Trauerfeier erschienen die Schüler nach ihren Klassen. Die lateinische Ansprache von P. Andreas Vogt wurde später gedruckt. Nach der Oration erschien auch die jüngst gegründete „Congregatio B. Mariae Virginis assumptae“ in der Kirche. Das Seelenamt hielt Abt Joachim Buchauer von St. Peter, die Musiker des Klosters waren in den Trauerakt einbezogen.

Den Abschluss der Trauerfeierlichkeiten der Bruderschaften machte die erst in diesem Jahr gegründete St. Anna-Bruderschaft, die am Dienstag der Folgewoche in dem ihr zugewiesenen Kirchlein S. Nicolai im Kai(viertel) ein „figuriertes“ (= mehrstimmig komponiertes) Seelenamt (Requiem) zelebrierte.

Exkurs: Tod und Begräbnis von Fürsterzbischof Jakob Ernst von Liechtenstein (1745–1747)

Der Kremsmünster Frater Heinrich Pichler hat in seinen Aufzeichnungen die Trauerfeierlichkeiten anlässlich des Todes von Fürsterzbischof Jakob Ernst von Liechtenstein (1745–1747) detailliert festgehalten. Auffallend ist, dass vieles vom Zeremoniell von 1619 sich auch hier wieder findet. Daraus kann abgeleitet werden, dass man sich jeweils an den Vorgängen in der Vergangenheit orientierte und diese nur sehr vorsichtig an die geänderten Zeitläufte angeglichen hat.

Am 13. Juni 1747 wurde um die Mittagszeit durch einstündiges Läuten aller Glocken den Stadtbewohnern der Tod des Landesherrn angezeigt. Bereits eine Stunde später erfolgten die Entnahme von Herz und Eingeweiden und die Einbalsamierung. Wie gewohnt, wurde der Erzbischof öffentlich eine Woche lang in der Residenz aufgebahrt, angetan und umgeben mit und von allen Insignien seiner Würde und seines Amtes. Der Kondukt hielt sich an frühere Prozessionsordnungen und Trauersitten. Auch dieser Trauerzug nahm, vom Tor der Residenz aus, „welches auf St. Peter zeiget“, den vorher gezeigten Weg, der allerdings im Dom endete. Für den Zinnsarg war unter der Domkuppel ein gut drei Klafter (= ca. 5,16 m) hohes Castrum doloris errichtet worden, um das Silberleuchter und über 200 Kerzen aufgestellt waren. Das am nächsten Tag zelebrierte zweite Requiem komponierte Johann Ernst Eberlin (1702–1762), der spätere Hofkapellmeister. Das für die eine Woche später gehaltenen Exequien in der Kollegienkirche aufgebaute Castrum doloris sei von schöner Architektur, mit Schwibbögen, Statuen und Symbolen „ausgezieret“ gewesen. Eine Feier des „Dreißigsten“ und die gewöhnlich daran anschließende Almosenverteilung wurde in den oben bezeichneten Notizen nicht vermerkt.

Begräbnis einer Fürstin und ihres Kindes

Kurz vor der Kirchweihe, die am 7. April Weihbischof Ciurletta in Anwesenheit des Fürsten vornahm, wurde am Samstag, dem 16. März 1619, die drei Tage zuvor an den „Kindsblattern“ (Pocken) verstorbene Gemahlin des von Marcus Sitticus mit besonderer Gunst überhäuften Neffen Jakob Hannibal, Anna Sidonia, Gräfin „zu der Hohen Embs“, geborene Herzogin von Teschen, in St. Salvator in der Kaigasse, der (1805 säkularisierten) Kirche der Corpus Christi-Bruderschaft, in einem Gewölbe im linken Kirchenschiff mit dem ihr gebührenden großen Funeralgepränge zur letzten Ruhe gebettet. Wieder hatte das überraschende Hinscheiden einer noch nicht einmal 22-Jährigen gezeigt, dass das „Sterbstündlein“ jedem Stand stetig im Sinn sein sollte.

Die vornehmsten Mitglieder der Bruderschaft trugen den kupfernen Sarg mit dem Leichnam ihrer fürstlichen Mitschwester auf dem Weg durch die Stadt. Um ein Uhr setzte sich der Kondukt vom gräflichen Palast, dem so genannten Neugebäude, aus in Bewegung und führte am Domneubau und der Kapitelschwemme vorbei in die Kaigasse hinein. Der „allerstattlichste“ Kondukt wurde angeführt von den Schülern von St. Peter, allen Handwerkszünften, die Totenkerzen und Kreuze in Händen hielten, zwölf Kantoren und zwei Stadtkaplänen. Daran schlossen sich die drei Konfraternitäten in ihren roten, weißen und schwarzen „Säcken“ (= Kutten) und die Angehörigen der in Salzburg beheimateten Orden. Darauf folgten Domklerisei und Hofmusik. Unmittelbar vor dem Sarg schritt der Abt von Michaelbeuern, der auch die Einsegnung in der Kirche vornahm. Die den Sarg umgebenden zahlreichen „vergugelten“ Knaben hielten je zwei Windlichter in Händen, an denen die Wappen von Hohenems und Teschen befestigt waren. Nach den vier Hauptklägern schritt der Fürst allein. Die Mitglieder des Domkapitels, der Adel und der fürstliche Hof sowie der Stadtrat waren pflichtgemäß gekommen, die Bürger der Stadt sowie die Frauen und Weibspersonen „in verwunderlicher Anzahl“ schlossen sich, wie bei solchem Festgepränge üblich, wohl aus Schaulust diesem Zuge an.

In der kleinen Kirche, deren Inneres, Altar und Betstühle eingeschlossen, wie geboten, mit schwarzem Tuch abgedeckt war, erwartete die Fürstin nur ein einfaches Castrum doloris, da die Frist keinen größeren Aufwand zugelassen hatte. Das weiße Klagtuch, das man unter ein rotes Bahrtuch, der Farbe der Bruderschaft, gelegt hatte, maß insgesamt 24 Ellen Spinal (= Tuch aus fein gesponnenem Faden, in der Länge von ca. 19 Metern) und verblieb abschließend im Eigentum der Fraternität.

In der Leichenpredigt stellte der Hofprediger P. Remigius, der erst zu Ende des Jahres 1618 als Nachfolger des eifrigen P. Silverius Meusburger von Bozen nach Salzburg gekommen war, die „Gemütszierungen“ der nun „in Gott ruhenden“ Fürstin derart heraus, dass sein Sermon die Zuhörer „zu Vergießung vieler Zäher“ (= Tränen) bewegte. Da der nächste Tag ein Sonntag war, folgte noch die Totenvigil. Denn noch immer galt die mittelalterliche Regel: an Werktagen, d. h. von Montag bis Samstag, möge man der Toten gedenken, den Sonntag aber, wegen der ausnehmenden Beziehung dieses Tages zur Auferstehung des Herrn, für die Lebenden reserviert halten. Das Requiem des „Ersten“, das selbstverständlich die Hofmusik gestaltete, konnte daher von Abt Ulrich erst am Montag zelebriert werden. Am 22. März wohnten Jakob Hannibal und sein jüngerer Bruder Franz Maria einem von den Professoren des Gymnasiums figurierten „Seelamt“ (= Requiem) und einer lateinischen Leichenpredigt bei. Die beiden anderen Sterbegottesdienste, des „Siebenten“ und des „Dreißigsten“, wurden mit gleichem Aufwand gestaltet. Diesmal ging jeweils am Vorabend die gesungene Vigil voraus. Zu Ende des „Dreißigsten“, der nach christlicher Tradition den Endtermin der Trauerzeit markierte, wurde, wie üblich, an all die Armen, „klein und groß, deren ein merkliche Anzahl, inn= und außer der Stadt, zugeloffen“, reichlich Almosen ausgeteilt.

In der Kirche St. Salvator, die Fronleichnam 1616 der Fraternität Corpus Christi mit reichlichen Zuwendungen durch den Fürsten als neue Heimstatt übergeben worden war, war es nicht die erste Bestattung: Bereits am 26. August des Vorjahres war das einzige Kind des Grafenpaares, ein Knabe, dem der Fürst den Namen Marx Hannibal gab und den Graf Paris von Lodron, der spätere Landesfürst, taufte, der nicht älter als 14 Wochen geworden war, in dieser Kirche bestattet worden. Mit der Schenkung des Altars und eines Gitters (mit dem Wappen von Marcus Sitticus) sowie vier Tafelbildern zu Fronleichnam 1618 hatte der Fürst die Grundausstattung abgerundet.

Vanitas vanitatum et omnia vanitas: Ein Requiem für den Kaiser

Den, am 20. März 1619, eingetretenen Tod des Kaisers Matthias nahm Marcus Sitticus zum Anlass, seinen Neffen als Sonderbotschafter mit einem Schreiben zu König Ferdinand II. nach Wien zu senden. Es mag wohl auch die Absicht dahinter gestanden sein, Jakob Hannibal mit dieser Mission von dem herben Verlust etwas abzulenken. Die ausführliche Instruktion enthielt das gebührende Kondolenzschreiben wie eine ausführliche Darstellung der Sorge über die bedrohlichen Ereignisse in Böhmen und im Reich.

Erst nach der Rückkehr des Neffen ließ Marcus Sitticus am 22. April für den dahingeschiedenen Kaiser die Besingnis (= Exequien) abhalten. Nach der Vigil am Abend zuvor zelebrierte der Fürst selbst das „Officium defunctorum“ (Seelenamt). Für diesen Akt war ein mit vielen Wachslichtern bestecktes Castrum doloris errichtet worden. Die kaiserliche Majestät mag ein Porträt oder eine so genannte Effigies (= Wachsbild) repräsentiert haben. Hochaltar und die zunächst liegenden beiden Seitenaltäre wie auch der Chor der Pfarrkirche waren mit schwarzen Tüchern verhängt, über dem Sitz des Erzbischofs war ein Baldachin aus schwarzem Samt aufgestellt. Der Leichensermon des Paters Remigius hatte das Thema „O Eitelkeit über Eitelkeit, alles ist Eitelkeit“ dem Alten Testament (Buch Ecclesiastes) entnommen. Selbstverständlich waren Domkapitel und Hofherrn, Stadtrat und Bürgerschaft, soweit sie in der Franziskanerkirche Platz fanden, „eifrig“ zu diesem feierlich-festlichen Gottesdienst erschienen. (Noch anlässlich des Requiems für Kaiser Joseph II. wurde im Salzburger Dom eine Tumba auf vier Stufen aufgerichtet, die allerdings mit nicht mehr als dreißig Kerzen geschmückt werden durfte.)

Begräbnis des „gemeinen“ Mannes

Schon bald nach Regierungsantritt gab der geistliche Landesherr in einem Mandat seiner Sorge um ein würdiges Begräbnis des einfachen Mannes Ausdruck. Bereits der Titel des Mandats formuliert die Zielsetzung sehr deutlich: „Wie es hinfüran mit den Leichen der Verstorbenen, sonderlich der gemeinen, die sich keines Kondukts gebrauchen, solche zu der Begräbnis zu begleiten, solle gehalten werden“.

Vor allem die allenthalben aufgetretenen Missbräuche und „Ungelegenheiten“ (= Schäden) wurden zu Eingang des Mandats angeprangert und im Weiteren ihre Unterlassung angeordnet. Der geistliche Landesfürst sah sich als Hirte seiner Untergebenen. Daher habe er Sorge zu tragen, dass im Erzstift „die Ehre Gottes und seiner Heiligen befürdert und der christkatholischen Kirchen Gebote und wohlhergebrachten Gebräuche in besseren Wohlstand gebracht“ würden. Damit der ihm untergebenen Untertanen „Seelen Seligkeit, Heil und Wohlfahrt gesucht“, seien die eingerissenen „Laster und Untugenden“ auszurotten, schließt die Präambel.

Als „wider christlichen Gebrauch“ eingerissene Übel werden aufgelistet: Der größere Teil der Verstorbenen werde ohne alle Feierlichkeit und Andacht zu Grabe getragen. Dabei würden sich große Ungelegenheiten begeben wie solche, dass die Lichter „mehrerteils“ ausgelöscht getragen würden, dass der Tote allein durch Zünfte und Laien begleitet würde, ohne „Beisein einiges Priesters“.

In Zukunft seien die Städter, die ohne Hinterlassenschaft verstorben waren, von jenem Stadtkaplan, dem die wöchentliche Verrichtung obliege und zwei Choralisten in Chorröcken zu begleiten, denen ein Mesner das Kreuz vortrage. Auf dem Weg seien die Psalmen „Miserere“ und „De profundis“ der verstorbenen Person „zu guetem“ zu beten. Die Einsegnung am Grab folgte den synodalen Statuten und salzburgischen Agenden. Da es vorkam, dass die, wie üblich, vor der Leiche gehenden „alten Weibspersonen“ die brennenden Wachskerzen „ganz unordentlich und buschweise“ trugen, sollten die Kerzen zu Anfang unter allen an der Prozession teilnehmenden Personen verteilt, bei den Begräbnisfeierlichkeiten in der Kirche von ihnen wieder abgefordert und – wie an sich gebräuchlich – dort aufgesteckt werden.

Waren Erben vorhanden, so waren der geistlichen Begleitung Gebühren, wie festgesetzt, zu entrichten, auch für das Ausleihen von Vortragekreuz oder Totenfahne. Für ein von den Zünften getragenes Leichenbegängnis gab es keine Beschränkung bei der Anzahl der Choralisten und Priester. War aber die Armut des Verstorbenen zu groß, hatte der Leichenkondukt als „gottseliges Werk der Barmherzigkeit wegen der Liebe Gottes“ umsonst zu erfolgen, jedoch keiner der Verwandten und Bekannten war verbunden, daran teilzunehmen. Solche Armenbegräbnisse, sollten sie auf einen Tag zusammenfallen, durften jedoch nicht gemeinsam abgehandelt werden, da jedem Christen eine würdevolle Bestattung zustehe.

Da sich die ärmeren Bevölkerungsschichten, überkommenen Gebräuchen folgend, vielfach veranlasst sahen, ihre finanziellen Mittel übersteigende aufwändige Trauerfeiern zu veranstalten, wurde auch hier mit diesem Mandat regulierend eingegriffen. Denn es sei dies ein Aufwand, der die Erben besonders belastete. Vor allem bei Begräbnissen eines Zunftmitglieds war es üblich, dass die teilnehmenden Mitglieder sich hernach zu einem Umtrunk zusammenfanden, der zulasten der Hinterlassenschaft „verraitet“ (= verrechnet) wurde. Es gingen dabei oft acht und mehr Viertel Wein auf. Zudem käme es infolge der Trunkenheit bei diesem Leichenschmaus zu „schimpflichen“ Reden und Leichtfertigkeiten. Diese unnotwendige und ohne Nutzen geschehene Ausgabe führte darüber hinaus vielfach zum Ausfall der Entlohnung der „verordneten“ geistlichen Personen und sei daher einzustellen und aufzuheben. Um das Mandat gegen eingerissene Missbräuche möglichst umgehend durchzusetzen, wurde zu einem drastischen Mittel gegriffen: All jenen, die sich unterfingen, ihre Verstorbenen auf vorige, mit diesem Mandat aber abgeschaffte Weise begraben zu wollen, auch die Begleitung in der angegebenen Form unterließen, sollte solange die Beerdigung verweigert werden, bis sie sich „gehorsamblich diesem Bevelch“ nachzukommen erklärten. Mit der Durchsetzung der Gebote und Verbote wurden Konsistorium und „stadtgerichtliche Obrigkeit“ beauftragt.

In einer Art „Kleiderordnung“, die ganz allgemein der grassierenden Verarmung der Bevölkerung durch die Zeitläufte begegnen wollte, wurde noch einmal auf das aufwändige „Bankettieren“ eingegangen. Das Mandat „wider die, so durch ihr Bankettieren und Hoffart in Abfall [= Verlust] ihrer Güter geraten“, vom 16. April 1617, wandte sich vor allem an den „gemeinen Bürger und Bauersmann“, also jene Stände, die nach verbreiteter Meinung der Obrigkeiten durch „ungemäße“ (= nicht standesgemäße) Kleidung sowie durch tägliches übermäßiges „Schlemmen und Prassen, sowohl in den öffentlichen Wirts- als Privathäusern, Haltung allzu stattlicher Hochzeiten, Tagwerchen [= Verlobungen], auch Kindl- [= Tauf-], Meister-, Toten- und andere dergleichen unnutzen Mahlzeiten und Fressereien“ zum einen die edlen Gaben Gottes in schändlicher Weise verschwendeten – „damit die göttlich Majestät höchlich beleidigten“ –, alle Sachen in fast unerschwingliche Steigerung brächten, ehrliche Leute, „so mit dergleichen leichtsinnigen und verschwenderischen Personen auf Trauen und Glauben handlen, in Schaden und Nacht(eil) einführten“ und zugleich ihr Weib und ihre unschuldigen Kinder in Verderben und Elend setzten.

Für die christliche Begleitung bei Leichenbegängnissen des „gemeinen Mannes“, für die anscheinend die Geistlichkeit oft unterschiedliche Gebühren verrechnet hatte, wurden bereits im ersten Regierungsjahr mit einem Mandat einheitliche Sätze festgelegt.

Totendienste der Bruderschaften

Die 1613 gegründete Christi Fronleichnams Bruderschaft zählte zu ihren Mitgliedern Bischöfe genauso wie unbegüterte Brüder und Schwestern aus der „Gemein“. Kein Wunder, dass die Zahl der Mitglieder innerhalb weniger Jahre auf über 1.200 Einschreibungen hinaufschnellte. Die nicht billigen roten Bruderschaftskutten mit dem „Kennzeichen einer Monstranz“ auf der Brust wurden teils aus den Einkünften bezahlt, teils auch vom Fürsten gespendet.

Die „Speisgänge“

Das von Erzbischof Marcus Sitticus besonders geförderte Bruderschaftswesen der neuen Art entwickelte, in Übereinstimmung mit den Zielen der Trienter Konzilsväter, von Anbeginn an eine soziale Komponente. Für die Corporis Christi-Bruderschaft zählten die Versehgänge, die Sterbenskranke mit der letzten eucharistischen Wegzehrung versahen, früh zu den wichtigen Zielen. Dazu war einmal ein tragbarer „Himmel“ zu erwerben, als Träger gewann man zwei arme Leute, die auf Glockenzeichen zu erscheinen hatten. (Der neue Kommunionshimmel fiel mit der Verwendung von rotem „Doppeltaffet“ allerdings so aufwändig aus, dass er augenfällig in Widerspruch zum Ort der Besuche stehen musste.) Der Mesner hatte mit einem Glöcklein den vier „Corporales“ (= Domsängerknaben) voranzugehen, die Laternen in Händen hielten. Zwei Träger von Wachstorzen (= Fackeln) und Mitglieder der Bruderschaft, soweit sie Kenntnis erhalten hatten, ergänzten den Zug. Für die Teilnahme am Speisgang winkten einige Jahre Ablass! (Die männlichen Bruderschaftsmitglieder mussten freilich bald ermahnt werden, sich ein Beispiel an den Schwestern zu nehmen und sich der Sakramentsbegleitung „über die Gassen“ nicht zu schämen.)

Almosenstiftung

Weil sich aber bei den Versehgängen zeigte, dass die Krankenstuben oft in einem „schlechten“ (= einfachen) und unsauberen Zustand befanden und es an Zubehör für Spendung und Empfang des Sakraments mangelte, schaffte die Bruderschaft selbst eine kleine Lade mit sauberem „Fürleg“ für den Tisch, ein versilbertes „Crucefix“, zwei vergoldete „Leuchterl“ und Kerzen sowie ein „Geschirrl“ zum Wein an. Da Not und Armut so groß wären, ersetzte man jenen, die „nit mehr arbeiten konnten, sich aber des Betteln schämten“, aus dem Vermögen der Bruderschaft die Gebühr für den Priester, die Begleitung und die Entlehnung des „Altärls“. Darüber hinaus wurde „liegerhaften (= bettlägerigen) Hausarmen“ ein finanzieller Beitrag zu „Labung, Arznei und Speis“ gewährt. Allerdings: Voraussetzung für diese Unterstützung waren Beichte und Empfang der Kommunion „nach recht katholischem Brauch“, da das Sakrament ein Viatikum und Zehrpfennig auf der Reise in die Ewigkeit sei und die Einholung „geistlichen Trostes“ durch einen von der Bruderschaft bestellten Priester. Zudem wurde von der Bruderschaft für die Armenfürsorge je ein, dem Präfekten berichtspflichtiger Krankenpfleger in den beiden Stadtbereichen „herent und enthalb“ (= dies- und jenseits) der Salzach eingestellt. Die Unterstützung der Armen, die Gottes liebste Mitglieder seien, geschehe zur Beförderung der göttlichen Ehre und Erhaltung der andächtigen Seelen Heil, auch aus christlicher Liebe, hielt das Protokoll der Bruderschaft fest.

Leichgänge und Totengedenken

In unmittelbarem Zusammenhang mit den Versehgängen stand als Verpflichtung für die Mitglieder der Totendienst, einmal in Form des Leichenbegängnisses, zum anderen im Gedenken an die Verstorbenen.

Der Leichgang eines verstorbenen Mitglieds, ob „hohen oder niedern Stands, jung oder alt, reich oder arm, Mann- oder Weibsperson“, wurde regelmäßig mit gleichem Aufwand veranstaltet: jeglichen begleiteten die vorausgetragene Fahne, Laternen, Kruzifix und Torzen zur letzten Ruhestätte. Dazu erschienen die Brüder in ihren „Säcken“, ihrer sechs waren dann auch als Leichenträger eingeteilt. Das rote Bahrtuch aus Samt (im Wert von etwa 200 Gulden!) lag beim nächstfolgenden Totengedächtnis über dem traditionell errichteten „Bahrgerüst“ (Castrum doloris), das von reichlich aufgesteckten Wachskerzen umrahmt war. Das Geläute der Glocken der Bruderschaftskirche kündigten Vigil und Requiem an. Zu beiden Feiern, der vorausgehaltenen Vigil wie dem am Folgetag zelebrierten Seelenamt pro defunctis, hatten jeweils acht Choralisten zu kommen. Das Requiem „figurierte“ die „Musica“. In der Allerseelen-Oktav wurde ein gemeinsamer Jahrtag für alle bisher „Abgeleibten“ gehalten. Bei den Quatembergottesdiensten sprach man gemeinschaftlich ein deutsches Bruderschaftsgebet, das von so genannten Betzetteln abgelesen werden konnte.

Ablassgewinnung

Jeder Bruderschaft stand reichlich Ablassgewinnung zu, die sich jedem Mitglied schon beim Beitritt eröffnete. Weitere zeitliche Strafmilderungen versprachen die Teilnahme an Prozessionen, Sakramentsbegleitung und das Sprechen von bestimmten Gebeten zu bestimmten Tageszeiten. So wurde zum Beispiel den Christgläubigen, die, wenn die Uhr schlägt, ein Ave-Maria beteten, der Ablass im Ausmaß von tausend Tagen verliehen. Wer Gott um eine selige Sterbestunde bat, hatte die „Letanei von Unsrer Lieben Frauen zu Loreto“, mit „angehängetem“ Gebet zum Heiligen Joseph täglich zu beten. Ein Druck aus Augsburg lag hierfür in deutscher und lateinischer Sprache seit 1616 auf. Zusätzlich konnten die Mitglieder durch festgesetzte Beträge Jahr-, Monats- und Wochenmessen bzw. gesungene Jahrtage erwerben, die weiteren Strafnachlass im Jenseits verhießen.

Die Allerchristgläubige Seelen-Bruderschaft

Die Allerseelenbruderschaft war jene Fraternität, die die Sorge um das jenseitige Schicksal der Toten als ihr zentrales, ja alleiniges Anliegen betrachtete. Denn

„die Liebe [zu] unserem Nächsten erheischet, daß sich dieselbe nicht zu den lebendigen allein, sondern auch zu denen in Christo abgeleibten erstrecke: daß wir nämlich denjenigen, so allhie auf dieser Erden ihr Sünden nit völliglich gebüßet, sondern derentwegen in dem Fegfeuer noch enthalten werden und darin abzubüßen schuldig sein, mit unsern Gebet, Opfer, Almosen, Fasten, Kasteiung des Leibs und dergleichen Gott angenehmen Werken in solch ihrer Pein zu Hilf und Trost erscheinen.“

Zwischen des Fegfeuers und der Höllen Qual sei kein anderer Unterschied, als dass die in der Höllen ewiglich brennen und braten müssen, die im Fegefeuer aber nur zeitlich und „beinebens von den frommen mitleidlichen Christenmenschen“ (welche sie dann in ihrer Pein kläglich um Hilf ansuchen) Trost und Erledigungsmittel erwarten könnten.

Gerade das im barocken Menschen tief verwurzelte Bewusstsein um die diesseitige allgegenwärtige Endlichkeit und um das im Jenseits zu erwartende Strafmaß ließ ihn im Angesicht des Todes alle ansonsten im Täglichen schier unüberwindlichen Standesschranken übersehen: Wie die Matrikel erweist, haben sich in diese Bruderschaft Personen sowohl geistlichen als auch weltlichen Stands, Herrn und Frauenzimmer, Bischöfe und Äbte, Adel sowie vornehme und gemeine Bürger eingeschrieben, kurz gesagt, die Mitgliedschaft in der Allerseelenbruderschaft stand „jedem frommen andächtigen Christen ehrlichen Stands“ offen.

Bei ihren Diensten an den Toten trugen die Brüder und Schwestern schwarze Kutten, die Ausstattung für den Kondukt bestand aus Stäben, Fahnen und Kreuzen, Laternen und Windlichtern, später wurde noch ein weißes Sargtuch angeschafft. Auch nicht eingeschriebene Personen wurden – gegen Vergütung – zu Grabe geleitet. Zu den „Beamten“ der Bruderschaft zählten unter anderem der Mesner, ein Ansager, einige Sänger sowie acht bis zehn Sarg- und Kerzenträger. Die Vergütung der Leichenträger bestand zum Beispiel in zwei Viertel Wein (ca. 3,14 Liter) nebst Brot sowie „Suppengeld“ in der Höhe von zwei Gulden. (Ein Taglöhner verdiente etwa 9 Kreuzer). Der Bruderschaftskaplan hatte die registrierten Jahrtage und die quatemberlichen Requien für die verstorbenen Mitglieder zu zelebrieren, der Mesner in der Kirche sechs große Kerzen und eine Totenbahre aufzustellen. Diese Tumba wurde in späteren Jahren bemalt und mit Totenköpfen und Gebeinen „verziert“. 30 Lichter tauchten sie in ein mystisches Licht.

Als Quartier stand bis 1626, dem Jahr der Übersiedlung in die (1783 durch Colloredo exekrierte, 1788 in ein Wohnhaus umgebaute) St. Nikolaus- oder „Schwarze Bruderschaftskirche“, das St. Peter inkorporierte Michaelskirchlein auf dem Residenzplatz der Allerseelenbruderschaft zur Verfügung. Für deren Renovierung hatten die Mitglieder hohe Kosten auf sich genommen: galt es doch neue Gewölbe mit Stuckaturarbeit zu zieren, um den Kirchenraum heller zu machen, zusätzliche und größere Fenster auszubrechen und ein schönes Portal von Grund aus aufzuführen. Als Ausstattung gab die Fraternität Kniestühle, einen Tabernakel und einen Altar sowie eine Empore in Auftrag. Der Maler Georg Maurer schuf die Bilder der Heiligen Barbara und des Heiligen Christophorus, der Sterbepatrone.

Mit der Einverleibung übernahmen die Brüder und Schwestern die Verpflichtung, täglich drei Vaterunser und Ave-Maria sowie einen „Glauben“ zu Ehren der Dreifaltigkeit zu beten. Ein päpstliches Breve bestätigte den bereits früher gewährten vollkommenen Ablass zum Eintritt und am Sterbebett.

Verwendete Literatur

[Brandhuber/Rainer 2010] Brandhuber, Christoph; Rainer, Werner: Ein Fürst führt Tagebuch. Die „Notata“ des Salzburger Fürsterzbischofs Franz Anton Fürsten von Harrach (1665–1727). In: Salzburg Archiv 34 (2010), S. 205–262.

[Heinisch 1991] Heinisch, Reinhard Rudolf: Paris Graf Lodron, Reichsfürst und Erzbischof von Salzburg. Wien 1991.

[Hübner 1796] Hübner, Lorenz: Beschreibung des Erzstiftes und Reichsfürstenthums Salzburg in Hinsicht auf Topographie und Statistik., 3 Bände. Repr. d. Ausg. 1796.

[Hübner 1982] Hübner, Lorenz: Beschreibung der hochfürstlich=erzbischöflichen Haupt= und Residenzstadt Salzburg und ihrer Gegenden verbunden mit ihrer ältesten Geschichte. 2 Bände. Repr. nach der Ausg. 1792–93. Salzburg 1982.

[Klieber 1999] Klieber, Rupert: Bruderschaften und Liebesbünde nach Trient. Ihr Totendienst, Zuspruch und Stellenwert im kirchlichen und gesellschaftlichen Leben am Beispiel Salzburg (1600–1950). Habil.-Schr. Wien 1997.

[Lünig 1719] Lünig, Johann Christian: Theatrum ceremoniale historico-politicum, oder Historisch= und politischer Schau=Platz aller Ceremonien, [...]. Tl. 1–2. Leipzig 1719–20.

[Martin 1940] Martin, Franz: Vom Salzburger Fürstenhof um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Tl. 1–3. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 77, 78, 80 (1937–38, 1940), S. 1–48, S. 89–136, S. 145–204.

[Merk 1926] Merk, Joseph Karl: Die meßliturgische Totenehrung in der römischen Kirche. Stuttgart 1926.

[Popelka 1994] Popelka, Liselotte: Castrum doloris oder „Trauriger Schauplatz“. Untersuchungen zu Entstehung und Wesen ephemer Architektur. (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, Veröff. d. Kommission für Kunstgeschichte, Bd. 2). Wien 1994.

[Rainer 2012] Rainer, Werner: Marcus Sitticus: Was sich in Regierung des hochwürdigsten Fürsten Marx Sittichen zugetragen, beschrieben durch Johannes Stainhauser, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde: Ergänzungsband, Bd. 29, Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 2012.

[Rohr 1729] Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremonial-Wissenschaft der großen Herren. Tl. 1. Berlin 1729.

[Welti 1963] Welti, Ludwig: Graf Kaspar von Hohenems 1573–1640. Ein adeliges Leben im Zwiespalte zwischen friedlichem Kulturideal und rauher Kriegswirklichkeit im Frühbarock. Innsbruck 1963.

[Zillner 1885–90] Zillner, Franz Valentin.: Geschichte der Stadt Salzburg. 3 Bände. Repr. d. Ausg. 1885–90.

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