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Totenbräuche (Karl Fiala)[4951]

Kommentar von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Karl Fiala (Wien 4. Juni 1899–Salzburg 5. Dezember 1986)

Karl Fiala war Lehrer und erhielt durch den Innsbrucker (Kultur-)Geografen Hermann Wopfner Anregungen zu kulturgeschichtlicher Sammeltätigkeit. Er gehörte auch zu den Gewährsleuten des von Berlin ausgehenden „Atlas der Deutschen Volkskunde“. 1938–1945 war Fiala Leiter der Salzburger Dienststelle im „Gauamt für Rassenpolitik“ in der „Dienststelle Alfred Rosenberg“, der das „Amt Volkskunde und Feiergestaltung“, das „Amt Weltanschauliche Information“ und die „Reichslehrgemeinschaft“ und verschiedene „Gauämter“ und „Mittelstellen“ angehörten, welche zur Gründung der ideologischen Parteihochschule führen sollten. Karl Fiala war mit der „Durchführung volkssippenkundlicher Gesamterfassungen“ betraut. Ihm war die „Arbeitsgemeinschaft für Sippenforschung und Sippenpflege“ unterstellt, der auch die Schulung des NS-Lehrerbundes und die Anlage von „Dorfsippenbüchern“ oblagen[4952].

Mit seinen Funktionen sowie mit seiner Dienststelle und deren Möglichkeiten stand Fiala im Kern der ideologischen Parteiarbeit. Über diese Vernetzungen der „Dienststelle Rosenberg“ konnte Fiala daher die NS-Zielsetzungen rasch an die gesamte Bevölkerung und speziell an die Salzburger Lehrerschaft verbreiten, was zu einer weitgehenden Durchdringung der Bevölkerung mit den im NS-System stilisierten, bewerteten und instrumentalisierten „Volks- und Brauchthemen“ führte, die bereits damals von kritischeren Menschen als „Blubo und Brausi“ (Blut und Boden, Brauchtum und Sippenkunde) verachtet wurden, wie Doris Sauer mehrfach feststellte[4953].

Fialas Aufzeichnungen zu Mundart und Etymologie, Namensforschung, Bitt-, Gruß- und Segensformeln, Familien- und Hofgeschichte, Geräte- und Arbeitskunde blieben auch nach 1945 den NS-Werten und -Themen verhaftet[4954]. Sie folgten der Thematik und Bewertung der NS-„Volkstumspflege“, und sie verfolgten in den Bewertungen und Kommentaren des Autors die „Rückführung auf den Nordstandpunkt“, die Suche nach den Wurzeln alles Tuns und Handels im „germanischen Mythos“. Das kommt auch in Fialas Wortwahl zutage: er spricht von „Brauchhandlungen“ als einem Handeln, das bereits durch diese Benennung außerhalb des „Normalen“, „Alltäglichen“ angesiedelt wird. Geradezu grotesk ist das von ihm dazu geschaffene Adjektiv „bräuchig“. So deutet er auch die Elemente von Bräuchen nicht aus dem Lebensumfeld heraus, sondern sucht sie aus diesem fiktiven „Mythos“ abzuleiten, etwa wenn er Begründungen für den Weg des Begräbnisses sucht. Er lässt dabei außer Acht, dass in entlegenen Gebirgsgegenden meist nur ein befahrbarer Weg von den Höfen zur Kirche führt und dieser damit sowohl für Hochzeiten als auch für Begräbnisse benützt wird. Auch das „Herreiten“ und „Glöcken“ wird heute als Relikt barocker Prozessions- und weltlicher Festlichkeiten gesehen, als Aufsehen erregende ehrende Begleitung und nicht als das Vertreiben von Dämonen.

Warum wird daher der folgende Text Fialas hier auszugsweise abgedruckt? Auszugsweise deshalb, weil Fialas Ausdeutungen und Begründungen hier weggelassen wurden, denn aus heutiger Sicht sind sie ideologische Hirngespinste. Zudem macht sich auch in unserer Zeit vielfach wieder das Bedürfnis breit, Erklärungen außerhalb der realen Lebenswelten zu finden und „Mythisch-Magisches“ als Ersatz für Mankos unserer Gesellschaft zu entdecken. Abgedruckt wird der Text deshalb, weil unter der Kenntnis und Berücksichtigung der Zielsetzungen Fialas doch detaillierte Ablaufschilderungen einer bäuerlichen Lebenswelt entstehen, die heute so nicht mehr existiert und die ein Stück Alltagsgeschichte Salzburgs darstellt. Fiala schildert, so weit dies heute nachprüfbar ist, auch tatsächliche Abläufe, aus denen er nichts – etwa die religiösen Bräuche und Vorstellungen – ausklammert, wie es anderen Rosenberg-Mitarbeitern (wie Helmut Amanshauser, Karl von Spieß oder Karl Haiding) selbstverständlich war. Weiters soll der Abdruck dieses Textes auch dazu anregen, andere Texte Fialas, die weiten Teilen der Bevölkerung noch zugänglich sind, bzw. Texte anderer Autoren jener Zeit mit Sorgfalt und kritischem Bewusstsein zu lesen.

Aus diesem Grund wird hier auch das noch immer weit verbreitete „Wörterbuch der deutschen Volkskunde“ zwar erwähnt, aber nicht zum Vergleich herangezogen, enthält es doch weitgehend Ausdeutungen einer im naturmythischen Denken des 19. Jahrhunderts und in den Bewertungen der NS-Zeit verhafteten Phänomenologie, die heutigem Wissen nicht mehr entspricht – als umfassende Sammlung älterer Literatur kann es jedoch vielfach hilfreich sein.[4955]

Tod und Begräbnis

„[…] Sterben und Tod – zwei Worte mit dem ungemütlichen Beigeschmack eines unerbittlichen ‚Muß‘ des Schicksals. Der Gebirgsbauer, der eben so vielen Gefahren ausgesetzt ist, findet für diese schreckhaften Bezeichnungen einen versöhnlichen Klang. Er nennt das Sterben ‚schicht låssn‘ (Schicht lassen, d. h. die Arbeit des Lebens beenden. Die Arbeit ist ja für das Bergvolk eine Kette von Müh’ und Plage), ‚ausspånna / ausschbånna‘ (ausspannen in gleicher Bedeutung wie vorher), ‚ãeschlåffn‘, ‚fåschaen‘ und ‚ausgaestan‘ (einschlafen, verscheinen und ausgeistern). Bildhaft ist das Synonym ‚Sensenmann‘ für Tod. Bodenständige Redensarten zeigen uns die fast tägliche Vorbereitung für ein gutes Sterben auf. Z. B. ‚Muast åewae betn uma guate schderbschdund / sterbstund‘ oder ‚era schderbschdund / sterbstund iwasiachst dãe gånts leim‘.[4956] Die tägliche Bitte um eine gute Sterbestunde, das Ergeben in den Willen Gottes vor Anfang lebensgefährlicher Arbeiten (Gebirgswiesen mähen, Holz- und Heuziehen im Winter u. a. m.) zeigt uns wieder die rührige Vorsorge für eine möglichst gute Trennung von Körper und Seele. Auch wandelt der Tod den Älpler selten im Augenblicke an. Dem gläubigen Gemüte schickt er seine Vorzeichen, deren Bedeutungen man oft in orakelmäßigen Brauchhandlungen auf eine bestimmte Person beziehen will. Hierher gehört das Hüteheben in der Thomasnacht. Wer von den sieben Hüten, darunter die Orakelzeichen versteckt liegen, gerade das Kreuz hervorholt, der soll nach Volksmeinung in Jahresfrist sterben. Eine weitere Todesmahnung beinhaltet das Verlöschen der Weihnachtskerze, das Verdorren von eigens eingesetzten Sonnwenddisteln, die geheimnisvollen Aussprüche der Haustiere in der Christnacht (12 bis 1 Uhr nachts), die Andeutungen vorhandener Hausgeister und nicht zuletzt die persönlichen Traumerlebnisse. Ist aber ein Schwerkranker im Hause, so gewinnen alle derartigen Vorzeichen an Bestimmtheit des bald eintretenden Todes. Direkt auf die Person des Kranken wird als Todesvorzeichen bezogen: Wenn die Klage (d. i. die Eule als Totenvogel) schreit, wenn eine Katze vom Hause läuft, wenn sich die wilde Jagd hören läßt. Todeszeichen am Kranken selbst sind: Wenn der Kranke blauscheckig wird und wenn ihm aus dem linken Auge eine Träne rinnt. Das Blauscheckigwerden zeigt sich bei den inzüchtigen Talbewohnern besonders stark. Die ohnehin schon blauen Lippen werden noch dunkler und die Wangen nehmen auch bläuliche Farbe an. Man ist sich hier auch der Inzucht bewußt, denn eine Redensart besagt: ‚Ein richtiger Großarler ist ‚blaafotsat‘, d.i. blaulippig. Bekommt der Bettlägerige Kopfläuse, so sind dies die Todesläuse. Wird ein Schwerkranker plötzlich recht gut aufgelegt oder greift er in die Zügen (Agonie), so sagt man: ‚der legt sich auf das Totenbrett‘.

Vom Sterben eines Altbauern

Im Großarltale versteht man die erbgesessenen Besitzer größerer Höfe. Segnet so ein Altbauer das Zeitliche, so nimmt förmlich die ganze Talbevölkerung daran Anteil. Die unübersehbare Schar näherer und weiterer Verwandter eilt an sein Sterbelager. Auch seine Feinde kommen in letzter Stunde, um noch ein versöhnliches Wort oder einen verzeihenden Blick zu erhaschen. Dies gilt ihnen als Zeichen, daß die Feindschaft nicht über den Tod hinaus dauert, daß ihnen die vom Körper des Sterbenden entfliehende Seele nicht mehr Schaden bringe. Um den Todeskampf nach Möglichkeit zu erleichtern, gibt man dem Sterbenden ein mit Haferkleien gefülltes Kopfkissen. Die Anwesenden beten laut den Rosenkranz und das ‚Fahre aus christliche Seele‘. Oft wird noch mit einem kleinen, hellen Glöcklein die Seele ausgeläutet und die Sterbekerze angezündet. Um die entweichende Seele zu schützen, tröstet sie der anwesende Priester aus. Der Kranke selbst bekommt ein Sterbekreuz in die Hand. Im Sterbezimmer wird ein Fenster geöffnet und überall hin, in jeden Winkel, unter jeden Kasten usw. fest Weihwasser gesprengt, um die Stube von feindlichen Gewalten zu säubern und um der entfliehenden Seele den Weg ins Freie zu weisen. Alle Spiegel werden aus der Sterbestube entfernt, um die Seele nicht zurückzuhalten. Auch richtet man schon die Sterbekleider zurecht. Als Sterbekleidung dient ein Sterbehemd und die Hochzeitskleider, so sie noch vorhanden sind. Ist dies nicht der Fall, so tritt an ihre Stelle das beste Feiertagskleid. Dem Toten alte, schlechte Kleider anzuziehen, gilt als pietätlos. Oft wird noch eine sogenannte Totenpfaid, eine Leinwandkutte, deren Fäden nicht geknüpft sind, verwendet. Für das Totenhemd haben die Firmpaten, so sie noch leben, zu sorgen. Bei Kindern stellen die Totenkleider die Taufpaten zu. Wenn vom Sterbenden nicht ausdrücklich das Gegenteil ausbedungen wurde, so herrscht im Augenblicke seines Todes lautes Wehklagen, dessen ursprünglicher Zweck neben wirklichem Schmerze um den für immer Scheidenden wohl ein Fortscheuchen seiner Seele durch das offene Fenster war. Während die Seele des Verstorbenen das Haus verläßt, darf niemand schlafen, sonst zieht sie auch die Seele des Schläfers mit. Nach Eintritt des Todes wird gleich die Uhr still gestellt, die erst wieder in Gang gesetzt wird, wenn die Leiche außer Haus gebracht ist. Den Grund hiefür weiß man leider heute nicht mehr anzugeben. Mit dem Stillstehen der Uhr beginnt die Totenwacht, die Tag und Nacht dauert, bis zum Einsargen. Den Totenwächtern obliegt das ‚aufs-liacht-schão‘ (auf das Licht schauen) und das Totenbeten. Nie darf das Licht ausgehen, sonst kehrt der Tote wieder oder seine Seele muß leiden. Die Leute, die die Totenwacht übernehmen, sind meist arm und sie erbitten sich für das Wachen ein von dem Verstorbenen getragenes Kleidungs- oder Wäschestück. Dieses soll der Meinung nach bewirken, daß der Reichtum des wohlhabenden Verstorbenen auf den Träger seiner Kleider übergehe. Allerdings sollen die so geschenkt bekommenen Wäschestücke solange auf bloßem Leibe getragen werden, bis sie gänzlich unbrauchbar geworden sind.[4957] […] Weiters werden gleich nach dem Tode Speisen und Getränke, die der Entschlafene übrig ließ, so wie dessen Arzneien in rinnendes Wasser geworfen, da sie dem Toten gehören und ihm auf diese Weise nachgeschickt werden. […]

Während der Tote noch auf dem Sterbebette liegt, beten die gerade Anwesenden der Reihe nach: den schmerzhaften und den glorreichen Rosenkranz, den sogenannten ‚heiligen Rosenkranz‘, verschiedene Gebete für die armen Seelen (drei Gesätzlein mit der Einlage: wir bitten für die armen Seelen im Fegefeuer) und eine Litanei. Dann erst wird der Tote aufgebahrt. Paul Sartori erzählt in seinen ‚Hauptstufen des Menschendaseins‘, daß der Tod des Hausherrn auch dem Vieh im Stalle und den Bienen angesagt werde, damit sie ihrem Besitzer im Tode nicht folgen müssen. Im Großarltale findet man das Todansagen im Stalle als unwirksam und unnütz, da sich der Verstorbene mit voller Sicherheit sein Lieblingsvieh holt, und bei den Bienen ist man der festen Meinung, daß diese unvererbbar seien und nach dem Tode des Besitzers unfehlbar eingehen […]

Ebenso verkümmern die Blumenstöcke, die zur Aufbahrung verwendet werden. Von den Haustieren sind es vorwiegend die Pferde, die ihren Herren im Tode folgen. Die Bäuerin nimmt dafür wieder die schönsten Hühner und Kühe ins Totenreich mit. Der Eintritt des Todes muß alsogleich bekanntgegeben werden. Das besorgen die sogenannten Totenlader, die zum Nachtwachten und zum Begräbnis einladen. Wer auch noch besonders zum Totenfrühstück und zur Totenzehrung eingeladen wird, verpflichtet sich bei Folgeleistung zum Besuche aller Totenämter und des Jahramts. Desgleichen auch zum Opfergehen in der Kirche. Der Totenlader darf niemals ein Angehöriger zur Familie des Verstorbenen sein, da er sonst den Tod auch in andere Wohnstätten bringen würde. Den Dorfbewohnern wird der Todesfall durch Verkündung von der Kanzel und durch das ‚schileng- oder schiidunglaitn‘, d. i. Scheidungsläuten, bekanntgegeben. Je nach Reichtum des Verstorbenen wird mit drei Glocken eine Viertel-, Halb- oder gar eine ganze Stunde lang geläutet. Bei Kindern, die schon bei der Buße waren, wird nur mit einer Glocke geläutet und für solche, die noch nicht beim Sakramente der Buße waren, erklingt keine Glocke. Das Trauerhaus selbst ist durch verhängte Fenster (Totenstube) gekennzeichnet.

Die Leiche wird rasiert, gewaschen und in die Totenkleider gewandet. Ist sie eingekleidet, so wird sie auf das Totenbrett gelegt. Dieses wird mit weißen Tüchern behangen, und zwar so, daß diese bis auf den Fußboden reichen. Die Leiche wird dann noch mit vielen Blumenstöcken und Lichtern umgeben, um den Anblick etwas zu mildern. Um der Leiche das Schreckhafte zu nehmen, ist es hier Sitte, ihr die Augen zuzudrücken. Der Volksmeinung nach sucht sich eine Leiche mit offenen Augen noch weitere Begleiter zur Reise in die Ewigkeit. Hält die Leiche den Mund offen, so wird dieser mit einem Tuche zugedrückt, um der entwichenen Seele die Rückkehr in den Körper zu verwehren. Jeder Leiche werden womöglich blaue Strümpfe angezogen (das Nationaltrachtzeichen der Großarler) und die Füße zusammengebunden oder auch oft genäht. Der Anlaß zu dieser Sitte konnte nicht mehr erfragt werden.[4958] In der Gemeinde Hüttschlag bindet man auch noch die Hände in schöner Gebetsstellung zusammen. Beim Herrichten der Leiche wird auch gerne viel Schnaps getrunken, um sich gegen verschiedene Gefahren seitens der Leiche zu schützen. Ist nun der Verstorbene nach Recht und Brauch aufgebahrt, d. h. inmitten der Stube mit den Füßen gegen die Türe, so richtet sich das ganze Haus zum Empfang der Gäste, die von nah und fern herbeiströmen, um der Leiche die Ehre zu geben. Diesen Leichenbesuch nennt man hier Nachtwachtengehen.

In der Zeit vom Tode bis zur Fortschaffung der Leiche gehen die Gäste im Sterbehause aus und ein. Es ist Ehrensache, daß fast von jedem Gehöfte in der Gemeinde mindestens ein Besucher erscheint. Besonders abends und nachts und an Sonn- und Feiertagen, die in die Totenwacht fallen, ist das Sterbehaus geradezu überfüllt. Während in der Totenstube immerfort gewacht und gebetet wird, geht es in der großen Wohnstube und im Flur recht laut zu, denn es ist Brauch, daß jeder Gast mit Bier, Schnaps, Butter, Käse und Brot, die Weiber auch mit Bohnenkaffee, Honig und Butter (je nach Vermögen) bewirtet werden. Die Gäste danken mit Gesang und freudigen Mienen. Wäre nicht der Tod im Hause, so könnte man meinen, es gäbe ein frohes Fest. Das Hauptgespräch dreht sich natürlich um den Toten, dessen Vorzüge, Unglücke und Leistungen, kurzum seine ganzen Lebensschicksale besprochen werden. Auf sein Wohl werden auch die Krüge geleert. Die Gesänge bestehen aus geistlichen und weltlichen Liedern, bei letzteren werden besonders Kriegslieder bevorzugt. Und so vergehen Stunden im Gespräche über den Toten, über dessen Krankheit, Charakter, besondere Taten, fast nur Gutes (namla wohl = ‚namla woe‘), denn eine hiesige Redensart besagt: ‚Wenn Du gerne verachtet sein willst, mußt Du heiraten; wenn Du gerne gelobt bist, mußt Du sterben.‘ […]

Am Vorabend des Begräbnistages bringt ein dazu bestimmter Armenhäusler den einfachen Sarg. Dafür erhält er Essen und Trinken und meist auch Geld. Nach Mitternacht rüstet man zum sogenannten Totenfrühstück, an dem die besonders geladenen Verwandten, Freunde und Eintrager (nach Sartori die Notnachbarn) teilnehmen.

Das Totenfrühstück unterscheidet sich durch nichts von einem Brautfrühstück. Es gibt dabei Honigschnitten, Würstelsuppe, Schnaps und Kaffee. Nachher wird die Leiche eingesargt. Ist die Leiche eine Jungfrau oder ein Jüngling, so bekommt sie meist eine weiße Kutte und immer einen Kranz auf den Kopf. An Sargbeigaben sind das wichtigste die Hobelscharten vom Holze des Sarges. Diese dienen als Kopfkissen und sollen die Leiche in der Truhe festbannen. Sonst gibt man noch allgemein ein Sterbekreuz der Leiche auf die Brust. Besondere Grabbeigaben werden nur in den Sarg gelegt, wenn sie bei Lebzeiten des Toten besonders ausbedungen wurden. In den Sarg darf auch keine Träne fallen, sonst findet die Seele des Verstorbenen keine Ruhe.

Wenn das Sterbehaus nicht im Dorfe Großarl steht, so findet im eigenen Wohnhause keine Aussegnung der Leiche statt. Die Leiche muß erst zur Hausaussegnung nach Großarl gebracht werden. Noch vor Tagesanbruch wird der Tote fortgeschafft. Beim Heraustragen der Leiche aus dem Hause wird die Schwelle mit dem Sarge bekreuzt. Dem Bedürfnis, zu weinen, wird bei dieser Gelegenheit freier Lauf gelassen, beim Grabe selbst aber möglichst zurückgehalten. […]

Der Sarg wird nun auf den mit einem Pferde bespannten Totenschlitten (Wagen) gehoben und der Totenzug stellt sich zusammen. Voran geht der Laternenträger als Wegbereiter und Verscheucher böser Gewalten. Ihm folgt das Totengefährt, dessen Pferd an der Trense geführt wird, was wohl ein Umschauen des Zugtieres verhindern soll. Anschließend gehen die Angehörigen und alle, die beim Totenfrühstück waren, und beten laut den schmerzhaften Rosenkranz. Der ganze Zug bewegt sich, ohne umzuschauen und die ihm Begegnenden zu beachten, eilig seinem Ziele zu. Wer dem Zuge begegnet, muß ausweichen und stumm grüßen, durch die Abnahme seiner Kopfbedeckung.

Der Hochzeitsweg soll auch der Totenweg sein. Wo dies nicht möglich ist, ist der letzte Weg der sonst bei Lebzeiten übliche Kirchweg. Daß man gerade auf den Hochzeitsweg denkt, ist unschwer zu deuten, da doch anläßlich des Hochzeitszuges durch das Klöcken (Schnalzen mit den Hochzeits- oder Aperpeitschen) von den Vorprangern dieser Weg von feindlichen Gewalten gesäubert wurde. Eine christlich-religiöse Bedeutung kommt dem Kirchweg als Totenweg zu.

Im Dorfe Großarl wird der Leichenzug erwartet und im Flure eines Gasthauses neuerlich aufgebahrt, damit von der Ortsgeistlichkeit die Hausaussegnung vorgenommen werden kann. Nach dieser stellt sich erst der offizielle Leichenzug zusammen.

An der Spitze des Zuges marschiert die Ortsmusik, wenn der Verstorbene ein Veteran oder Feuerwehrmann war. Trifft dies nicht zu, so wird das Bruderschaftskreuz mit zwei Laternen vorangetragen. Anschließend daran reihen sich die Fahnen der Armenseelen-, Herz Jesu- und Skapulierbruderschaft. Ist der Verstorbene ein Jüngling, so wird eine grüne Fahne, bei einer Jungfrau eine weiße Fahne mitgeführt. Bei verstorbenen Schustern oder Webern wird noch im zünftischen Sinne die sonst in der Kirche aufbewahrte Schuster- oder Weberfahne mitgetragen[4959].

Ein Nachbar des Dahingeschiedenen trägt anschließend das bekränzte Grabkreuz. Hinterdrein gehen drei Ministranten mit dem Kirchenkreuz, Weihbrunnkessel und Wedel. Ihnen folgt die Geistlichkeit mit den Kirchensängern. Nach einem kleinen Abstand folgt der von vier Personen getragene Sarg. Das Eintragen geschieht nach festgesetzter Regel, und zwar werden Verheiratete, gleichviel ob Mann oder Frau, nur von Männern getragen. Jungherren nur von Jünglingen und Jungfrauen nur wieder von Jungfrauen. Die Einträger für Kinderleichen sind wieder nur Kinder. Gestorbene Säuglinge werden hingegen von Männern getragen. Dem Sarg folgt der lange Zug der Leidtragenden und Trauergäste in folgender Ordnung: Als erste gehen die Männer und den Zug beschließen die Frauen. In früheren Zeiten soll es Brauch gewesen sein, daß die letzten Weiber im Zuge laut weinten. Geschieht dies heute noch, so kommt hiedurch nur Schmerz zum Ausdruck, ohne bestimmte Absicht. Die Letzten des Totenzuges sollen wiederum nicht umschauen. Während des Ganges wird der Rosenkranz gebetet und die Teilnehmer tragen brennende Kerzen. Am Friedhofe angekommen, wird der Sarg auf die Grabbühne gestellt und es erfolgt die Grabsegnung. Nach dieser wird der Sarg sofort von den Einträgern in die Grube hinuntergelassen. Sodann werfen alle Begräbnisteilnehmer eine Schaufel voll Erde in das Grab hinab. Zu diesem Zwecke geht eine kleine Schaufel dabei von Hand zu Hand. Während die Leidtragenden mit ihren brennenden Kerzen sogleich in die Kirche zur Totenvigil und dem Totenamte (drei an verschiedenen Altären) eilen, schüttet der Totengräber das Grab zu und stellt brennende Kerzen darauf, die während des ganzen Gottesdienstes dort verbleiben. Im Verlaufe des Totenamtes erfolgt der Opfergang zu den Altären. Am Hauptaltare befinden sich zwei Teller, an den Seitenaltären je ein Teller, welche zur Aufnahme des Opfergeldes dienen. Beim Opfergang selbst wird nun eine genaue Reihenfolge strengstens eingehalten (Vater, Mutter, Paten, Kinder, nächste Anverwandte, Nachbarn, Freunde und sonstige Gäste). Daß sich ein Teilnehmer, der beim Totenfrühstück war, am Opfergang nicht beteiligen würde, ist undenkbar, denn dies würde für die Familie des Toten als größte Ehrenbeleidigung angesehen.

Nach beendetem Gottesdienste erfolgt beim Grabe das Libera [Anm. Kammerhofer: Das „Libera“ oder die „absolutio super tumulum“ ist der Ablass der lässlichen Sünden als Abschluss des Totengottesdienstes bzw. des Begräbnisses] unter reichlichster Weihwassersprengung.

Nun begeben sich die Geladenen zur Totenzehrung. Bei dem Wirte, wo der Verblichene am liebsten einkehrte, wird die Totenzehrung gehalten. Die Tischordnung beim Totenmahle ist ähnlich der Ordnung beim Opfergang in der Kirche. An bestimmten Tischen sitzen die Angehörigen und die Geistlichkeit, Verwandte, Nachbarn, Freunde und sonstige Geladene. Bei einer richtigen bräuchigen Totenzehrung wird den Teilnehmern folgendes vorgesetzt: Schnaps und Bier, Würstelsuppe und Braten. Zum Nachtisch gibt es noch Kaffee und Torte. Während der Totenzehrung wird wieder – ‚namla woe‘ – über den Eingegrabenen gesprochen. Vom Mahle darf sich niemand früher entfernen, bis nicht der die Zehrung beschließende Rosenkranz gebetet wurde. Nach diesem Gebete bittet der nächste Anverwandte des Toten noch um das Kirchengehen, und zwar zum Besuche der zwei folgenden Totenämter, des Lobamtes und der drei Bruderschaftsämter.

Die Pflege der Seele

Hier ist es Sitte, an den Jahrtagen des Todesfalles für die Verstorbenen sogenannte Jahrämter zu zahlen. Heiraten die Kinder und auch die Enkel längst Verstorbener, so lassen sie anläßlich der Verkündung der Ehe für die Seelen der Eltern und Großeltern beten. Wohl in dem Sinne, um die Seelenwesen der Dahingeschiedenen für den schwerwiegenden Schritt ins Leben günstig zu stimmen.

Die Gräber werden mit Immergrün und dem sogenannten Ewigkeitskräutl bepflanzt. Wer von einem Grabe eine Blume bricht, muß für den Toten drei Vaterunser beten, sonst kommt er in die Schuld des Toten.

Beim dreimaligen Umgange zu Allerseelen um den Friedhof bleiben beim ersten und dritten die Leute bei ihren Gräbern stehen. Beim zweiten Umgang gehen alle Anwesenden mit und besprengen sämtliche Gräber ausgiebig mit Weihwasser. […]“

Anmerkung von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Etwa 70 Jahre vor diesem Bericht Fialas aus dem Pongau findet sich in der Literatur eine Schilderung der Begräbnisbräuche im Pinzgau. In Ignaz von Kürsingers Text findet sich ebenfalls die weiße Trauertracht der Frauen, die sich bis heute in Österreich noch im Bregenzer Wald erhalten hat und die weit ins Mittelalter zurückreicht. Ein Dokument also, des lange andauernden und retardierenden Gebrauches von Sachgütern in wirtschaftlich und verkehrstechnisch entlegenen Gebieten.

Auch in der Kuenburg-Sammlung, dem bekannten Salzburger Kostümkodex aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, ist unter Katalognummer 124 „Thalgau. Ein Bauern Klageweib“ dargestellt, das zwar einen breitkrempigen flachen Hut über einer Spitzenhaube trägt, doch dazu den großen weißen Klageumhang, der unter dem Ohr beginnt, den Mund verdeckt und vor der Brust gekreuzt wird und über die Hüfte reicht. Die Arme und Hände bleiben unter dem Mantel verborgen.

Im selben Kodex werden auch „Pintzgau. Ein bürgerliches Klageweib“ (Kat. Nr. 177), „Werfen. Ein Weib in der Hauptklage“ (Kat. Nr. 155, Tafel 75) und als Tafel 25, Abbildung 58 „Eine Bürgerin in der Klag“ gezeigt. Alle mit verschiedenen Formen weißer Klagtücher – die Bürgerin etwa trägt über einem spanischen schwarzen Kleid und zu einem schwarzen spanischen Spitzhut („Nebelstecher“) ein weißes, im Rücken geschlossenes Klagtuch, das ebenfalls den Mund überdeckt.

Auch die „Hauptklage der hochfürstl. Räthe“ (Kat. Nr. 55), die „Hauptklage der Cavaliers und Landleute“ (Kat. Nr. 56, Tafel 24) und „ein Bürger in der Klag“ (Kat. Nr. 57) scheinen in der Kuenburg-Sammlung auf[4960].

Im Vergleich der bürgerlichen mit den bäuerlichen Trauertrachten fällt auf, dass die übliche Sonntagskleidung der Bäuerinnen ausschließlich durch das Klagtuch ergänzt wird. Die weiße Farbe des Spitzenhäubchens unter dem Hut darf nicht als Trauerfarbe gerechnet werden, da dies die übliche Spitzengarnitur der Haube ist. Dagegen tragen die Bürgerinnen, Räte und Kavaliere eine in ihren Ständen übliche dunkle Festkleidung und erst dazu die (männlichen) Trauerflore bzw. (weiblichen) Klagetücher. Es ist dabei die Überlegung anzustellen, ob nicht aus der Verquickung der katholisch-kirchlichen Trauerfarbe schwarz (auch violett) mit der festlichen spanischen Hofkleidung in schwarz, die ab dem 19. Jahrhundert weithin übliche und viele Bevölkerungskreise durchdringende, schwarze Farbe der Trauerkleidung zustande kam. Sie erreichte, wie die unten nachfolgenden Beispiele aus dem „Atlas der Deutschen Volkskunde“ zeigen, die bäuerliche Schicht nie zur Gänze. Ein interessantes Detail, das einerseits den Umgang mit dem Tod, vielmehr aber auch ein Zweckbewusstsein und eine Wertigkeit im Gebrauch alltäglicher Güter zeigt. Im bäuerlichen Milieu genügte – zumindest bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts – ein einziges Festgewand zur Distinktion. Dieses eine Gewand wurde, ergänzt durch Zeichen der speziellen Festlichkeit (Trauerflore, Klagmäntel, schwarze Krawatten oder Schürzen bzw. Hochzeitssträußchen, Blumen am Hut, Werbe- und Soldatenbuschen am Hut etc.), für alle Anlässe getragen.

Die Frage der Verhinderung des Scheintodes und damit des Begrabens noch lebender Personen zieht sich in Verordnungen und unbestätigten Sagen durch das ganze 19. Jahrhundert und ist daher ein Zeichen der Zeit, dem man auch mit damaliger Technik zu begegnen versuchte (z. B.: Aufbahrungshallen wurden auch nachts beleuchtet und mit Glockenzügen direkt über dem Sarg versehen). In dieser Angst vor dem Scheintod mischen sich die (im Vergleich zu heute noch geringeren) medizinischen Erkenntnisse des 19. Jahrhunderts mit dem zunehmenden Vertrauen auf die damals neuen technischen Möglichkeiten. Mit der medizinisch einwandfreien Feststellung des Todes waren diese Furcht und damit die Frage, ihr zu begegnen, überholt.

Über die Fragen des Totenmahles, der „Zehrung“ bzw. des „Leichenschmauses“ erfahren wir mehr aus dem dritten Teil dieses Beitrags „Zum Weiterlesen“. Über die Bedeutung des Totenmahles kursieren zwei Erklärungen, ganz abgesehen von der Tatsache, dass nach einem langen Begräbnis Speis und Trank notwendig sind: es gibt sowohl die Meinung in der Bevölkerung, dass sich die Trauerfamilie mit dem Totenmahl bei allen Helfenden und bei den zum Begräbnis Erschienenen bedanken will, als auch – viel weiter verbreitet – die Ansicht, dass das Totenmahl das Abschiedsfest des Verstorbenen und seine Einladung an die Familie und Freunde darstellt – also eine wichtige Form der letzten Selbstdarstellung.

Ignaz von Kürsinger: Todtenkranze[4961]

„[…] Nun vom Hochzeits- zum Todtenkranze! Dabei machen nur die auffallende Kleidung der weiblichen Klagenden eine Ausnahme von der sonst bei Begräbnissen gewöhnlichen Sitte. Sie besteht aus einem schwarzen zugespitzten Hute, worunter sie eine weisse, oder auch blaugestärkte Haube tragen. Ueber die Schultern tragen sie grosse, runde, ebenfalls weisse Krägen, und haben überdem noch weisse Schürzen, die gleich unter der Nase anfangen, über beide Schultern gehen, und bis über die Knie herunterhangen, die aber bei der Halbtrauer nicht gebraucht werden.

Hier ist es Gewohnheit, daß die Leute, während die Leiche auf dem Brette liegt, des Tages hindurch bei selber bethen, ein Gebrauch der mir, abgesehen von der frommen Meinung auch deßwegen gefällt, weil im Falle eines Scheintodes die ersten Spuren des erwachenden Lebensfunkens schneller entdeckt werden, als wo man die Leichen in abgesonderten Kammern unter Lampenscheine unbeobachtet liegen läßt.

In früheren Zeiten, in denen noch nicht Kriege und andere schwere Zeitbedrängnisse die Wohlhabenheit des Unterthans untergraben haben, wurde nach Beendigung der kirchlichen Traueracte ein Leichen- oder Todtenmahl gehalten, wobei es durch Pokuliren [Anm. Kammerhofer: Bechern, Trinken] zuweilen so lustig wurde, daß, wie Reisigl erzählt, manche den herzlichen Wunsch äußerten, auch selbst bei ihrem Todtenmahle als Gäste zu seyn, ja ein alter nicht unwohlhabender Bauer von Sulzau drückte sogar den Wunsch aus, sein Todtenmahl bei seinen Lebzeiten halten zu dürfen. Seitdem ist die Wohlhabenheit des Hochländers gesunken, und nur auf ausdrückliches Verfügen des Verstorbenen werden die aus der Ferne kommenden Leichengäste mit einem frugalen [Anm. Kammerhofer: ländlich, einfach] stillen Mahle beehrt.“

Tod und Begräbnis in den Fragebögen zum Atlas der Deutschen Volkskunde (ADV) um 1930[4962]

Die Idee zum „Atlas der Deutschen Volkskunde“ wurde 1925 aus den Erfahrungen des „Deutschen Sprachatlasses“ von einem Germanisten und zwei Historikern in Frankfurt am Main entwickelt und bald darauf begonnen. 1929 wurde das Unternehmen „Atlas der Deutschen Volkskunde“ (ADV) begründet. Durch die NS-Zeit und den Zweiten Weltkrieg stagnierte das Unternehmen und wurde erst 1955 wieder aufgenommen. Noch 1975 stellte dieser Atlas das traditionsreichste und erfahrungsreichste Atlasunternehmen Europas dar, das bis heute nicht abgeschlossen ist. Die ersten Ausgaben erschienen zwischen 1937 und 1939 und waren damit der erste ethnologische Nationalatlas Europas und richtungsweisend für die thematische Kartografie. Die Atlas-Arbeit regte damals auch kleinräumigere Atlaswerke an bzw. brachte solche aus den Erhebungsmaterialien zustande, die vor dem ADV erschienen. Vom ADV ausgehend setzten ab 1937 der „Atlas der Schweizerischen Volkskunde“ und ab 1939 ein Atlasvorhaben in Schweden neue Maßstäbe (Feldforschung, Einbeziehung der Sachkultur).[4963]

Die Sammlungen des ADV befinden sich heute in Frankfurt und Bonn, Abschriftenteile sind in einzelnen Landesstellen erhalten. Die Österreich betreffenden Fragebögen zum „Atlas der Deutschen Volkskunde“[4964] sind heute im Institut für Europäische Ethnologie der Universität Innsbruck zu finden. Herrn Univ.-Prof. Dr. Ingo Schneider ist herzlich dafür zu danken, dass er, als neuer Institutsvorstand, die Fragebögen zugänglich gemacht hat.

Die Probefragebogen und viele Arbeitsunterlagen gingen im Zweiten Weltkrieg verloren. Insgesamt erhob der ADV in 5 Fragebögen insgesamt 243 Fragen.

Leider sind auf den jeweiligen Fragebögen die Ausgabe- und Rücklaufdaten nicht vermerkt. In der Kartei der Belegorte sind aber die Beantworter vermerkt. Allerdings erfahren wir über die Angaben in der Gewährsleutekartei, wann die Fragebögen abgefragt worden sind. Aus der Karte von Karl Adrian geht hervor, dass der erste Kontakt zu ihm im Jahre 1930 aufgenommen worden war.

Die Karten und Erläuterungen zu den Fragen rund um Tod und Begräbnis sind wie folgt in den Neuen Folgen nach 1955 erschienen[4965]:

  • In Lieferung 2, 1959: Grabbeigaben, Karten 1–22b; Totenfest (d. i. Allerseelen), Karte 20c; Totenmahl, Karten 21–24.

  • In Lieferung 3, 1962: Totenmahl, Karten 25–29.

  • In Lieferung 4, 1965: Nachbarschaftshilfe beim Tod, Karte 47b.

  • In Lieferung 5, 1973: Die Bezeichnungen des Sarges, Karte 49.

  • In Lieferung 6, 1977: Beerdigung und Grabschmuck der toten Wöchnerin sowie Todesvorzeichen beim Begräbnis, Karten 70–72c; Erinnerungszeichen für Verunglückte oder vorzeitig Verstorbene, Karte 72d.

  • In Lieferung 7, 1979: Der Verstorbene als Nachzehrer [Anm. Kammerhofer: als jemand der andere nachholen will; eine Vampirvorstellung], Karten 73–76b; Erinnerungszeichen für Verunglückte oder vorzeitig Verstorbene, Karte 76c.

Unter den Österreich-Duplikaten finden sich im Innsbrucker ADV-Archiv – zerschnitten in die einzelnen Fragestellungen – folgende Fragen rund um Tod und Begräbnis:

Tabelle 39. Fragebogen 1:

1/18:Trauerfarben und Stufen der Trauer
1/19: Anverwandte bei der Bestattung
1/20: Erinnerungszeichen für Verunglückte/Ermordete
1/21: Erinnerungsmale am Ort des Unglücks

Tabelle 40. Fragebogen 4:

4/159: Eintritt des Todes/Handlungen
4/160: den Tod des Hausherrn verkünden
4/161 und 162: Umgang mit dem Toten
4/163: Sargbeigaben
4/164: Aufbahrung von Jungfrauen/Totenkrone
4/165: Totenwache
4/166: Sarg aus dem Haus tragen
4/167: Begräbnis
4/168: Sargträger beim Begräbnis
4/169: Totenmahl
4/170: Lebende nachholen
4/171: Erscheinung Toter

In Salzburg wurden um 1930 73 Orte abgefragt, als Beantworter und Gewährsleute erscheinen in erster Linie Lehrer und Schuldirektoren; die Ausnahmen bilden der Tamsweger Sparkassendirektor, der Postbeamte von Oberndorf, ein Bauer in Obertrum, der Seekirchner Gemeindesekretär und der Pfarrer von Oberalm. Einige aus der Geschichte der Salzburger Heimatpflege und Volkskultur bekannte Personen sind darunter. Der ADV hatte daher dasselbe Prinzip wie der 1955 begonnene „Österreichische Volkskundeatlas“, nämlich die Beantwortung der Fragebögen durch die ortsansässige Lehrerschaft. Die Schilderung regionaler Gewohnheiten durch Laien erbrachte teils detaillierte, teils oberflächliche Ergebnisse. Grundsätzlich wurde durch diese Methode das freie Erzählen bereits eingeengt. Es muss angenommen werden, dass vielfach Details nicht genannt wurden, weil sie den Ausfüllenden als zu selbstverständlich, zu banal oder auch als zu peinlich erschienen. Ebenso ist auch die Möglichkeit einer „Verbesserung“ der Ergebnisse durch die Ausfüllenden in Einzelfällen mitzudenken, nämlich, dass Ergebnisse „modernisiert“ oder „traditionalisiert“ worden sein könnten. Kritische Beobachtungen und Auswertungen durch Fachleute in einem Feldforschungsprozess hätten vermutlich abweichende und qualitativ andere Ergebnisse erbracht.

Karte 028/3/12a: „Groß-Köstendorf: Otto Dengg, Oberlehrer, 52 Jahre alt, geb. in Ried im Innkreis, seit 1922 in Köstendorf.“

Otto Dengg: laut Kulturlexikon wurde er am 21. Jänner 1879 in Ried im Zillertal (sic!) geboren und starb am 2. Dezember 1957. Dengg war Lehrer, Musiker und Volksliedsammler, er arbeitete in loser Anbindung an das Österreichische Volksliedunternehmen[4966].

Karte 028/20/13d: „Oberalm: Franz Wirleitner, Fachlehrer, 33 Jahre alt, geb. in St. Michael bei Amstetten, seit 8 Jahren in Oberalm.“

Dem landwirtschaftlichen Fachlehrer Franz Wirleitner verdanken wir das Bändchen „Die Bauernkost im Lande Salzburg“ (Salzburg 1951) über die historische Salzburger Küche der Zeit um 1900 bis um 1950.

Karte 037/24/16a: „Adolf Dengg, Schulleiter, geb. 11. Oktober 1902 in Leogang, seit 1925 in Weißpriach.“

Adolf Dengg ist durch die oben genannten Arbeiten von Gert Kerschbaumer weitgehend in die NS-Zeit eingeordnet worden.

Karte 028/14/7c: „Salzburg Stadt, Schulrat i.R. Karl Adrian, 69 Jahre alt [Anm. Kammerhofer: 1930], geboren in Salzburg-Stadt, seit 1961 mit 10-jähriger Unterbrechung in Salzburg wohnhaft.“

Karl Adrian (17. Februar 1861–14. Oktober 1949) ist jener Schulrat und Heimatforscher, der über sein Wirken in der von ihm angeregten Landtagskommission „Zur Erhaltung der Salzburger Tracht Sitten und Gebräuche“ ab 1910 auch kulturpolitisch im Sinne der Heimatschutzbewegung tätig war. Er ist gleichsam als der Begründer der Salzburger Heimatpflege- und Volkskulturbewegung zu nennen. (Für das Jahr 1930 gibt Adrian 36.000 katholische Einwohner, 2.000 Protestanten und „kleiner Rest Andersgläubige“ an[4967].)

Auf einzelnen Belegen tauchen auch die Namen Kuno und Leopold Brandauer sowie Karl Fiala auf.

Über Tod und Begräbnis erfahren wir – kurz zusammengefasst – über Salzburg in den 1930er-Jahren Folgendes:

Sterben, Aufbahrung und Totenwache

„Wenn ein Hausangehöriger stirbt, werden ihm die Augen zugedrückt, die Uhr wird angehalten, weil seine Lebensuhr abgelaufen ist und seine Zeit stehen bleibt. Ein Fenster wird geöffnet, damit die Seele hinaus kann, Spiegel im Raum werden verhängt, damit der Tote nicht gestört wird und die Fenster werden verhängt. Eine geweihte Kerze wird angezündet, allen im Haus wird der Tod angesagt, es wird gemeinsam gebetet (häufig fünf Vaterunser). Vereinzelt werden auch Trauerflore um ein Kreuz gehängt. (Frage 159)

Diese Schilderungen über das Sterben im eigenen Wohnhaus, im eigenen Bett zeigen uns einen weitgehend alltäglichen und würdevollen Umgang mit dem Tod. Dabei gehört der Tod tatsächlich zum Leben, er ist Etappe und Ereignis im Leben des Individuums wie des sozialen Umfeldes. Der Tod eines Hausbewohners reißt auch dessen gesamtes Umfeld aus dem Alltag heraus. So werden im Haus die Uhren angehalten, die Fenster geöffnet, der Tote würdevoll aufgebahrt und sein Abschied den Hausangehörigen und den Nachbarn angesagt. Der Tod wird also weder verheimlicht noch als schreckhaft oder peinlich betrachtet. Die Nachtwachen zeigen einerseits die Verbundenheit zum Toten an, und bieten andererseits auch die Möglichkeit, die Emotionen zu bewältigen, Erinnerungen wachzurufen, zu überprüfen und zu verankern und vom Verstorbenen Abschied zu nehmen.

Um 1930 wurde der Tod des Hausangehörigen im Ort weitgehend noch nicht durch Partezettel angekündigt, sondern durch die Kirchenansager, den Mesner, den „Zuasager“, den „Leichenbitter“, den Kirchensänger oder die „Totenkranzerin“. Nach Orten unterschiedlich übernahmen diese Pflicht bestimmte Personen – oft nur Frauen, dann wieder nur Männer, in einem Ort nur Kinder, in vielen niemals Kinder, vielfach auch Hausangehörige. Vielfach sehen wir, wie bei anderen Lebensfesten auch, kleinräumige Bräuche und Rituale. Als Ansagesatz wird vielfach angeführt >„Ihr [Name der Angesprochenen], die [Name der Trauerfamilie] -Leut lassen bitten ums Kirchengehen, denn der [Name des Verstorbenen] is g’storben. Eingraben wird er um [Zeit des Begräbnisses].“(Frage 160, 161)

Dieser Fragenkomplex zeigt, dass vielfach in den Orten offenbar noch ältere Frauen als Leichenwäscherinnen („Totenkranzerin“; die „Wachterin“ offenbar in derselben Funktion wie jene der bereits abgekommenen Klageweiber) tätig waren, und dass es in diesen Regionen früher auch Totenkronen gegeben haben könnte – nicht „muss“, denn als „Aufkranzen“ wird allgemein ein Herausputzen, Schmücken und Ausstaffieren bezeichnet. Auch der „Leichenbitter“ ist offenbar eine ehrenvolle Funktion innerhalb der Gemeinde ebenso wie etwa der Hochzeitslader oder Kirchenansager, die die schriftliche oder mediale Nachrichtenvermittlung in kleinen Orten ersetzten. „Dreinschaun“ oder „ein Gesicht machen wie ein Leichenbitter“ ist als Redensart heute noch häufig zu hören.

Die Totenwache in der Nacht war um 1930 vielfach nicht mehr üblich. Sie dauerte je nach Ort bis 22.00 oder bis 24.00 Uhr. Statt der Totenwache in der Nacht wurde dafür das Trauerzimmer mit dem aufgebahrten Toten verschlossen, eine geweihte Kerze oder ein Nachtlicht angezündet oder vier Öllampen aufgestellt. Vereinzelt wurden auch eine bezahlte „Wachterin“ oder „vier Männer“ als Nachtwache genannt. Zur Totenwache erschienen die Nachbarn – teilweise nach Häusern, teilweise nach Ledigen, Alten, Frauen oder Männern gruppiert – zu unterschiedlichen Zeiten. Bei der Nachtwache wurden religiöse Lieder gesungen, religiöse Texte gelesen, es wurde gebetet und über den Toten gesprochen. Seit 1890 bzw. 1900 soll eine Bewirtung bei der Totenwache seltener geworden sein. Vereinzelt gibt es aber noch Bier, Brot, Tabak, einen Haustrunk oder Kaffee. Der Sarg wird als „Truhen“, „Totentruhe“ oder „Sarg“ bezeichnet. (Frage 165 a–f)

Die Nachtwache richtet(e) sich – sie existiert vielfach heute noch – damit wohl auch nach dem erforderlichen Arbeitsrhythmus einer nicht mehr rein bäuerlichen Gesellschaft, in der Schul- und Arbeitspflichten ihren geregelten Verlauf nehmen müssen.“

Das Begräbnis

„Wird der Sarg aus dem Haus getragen, sprengt ein Hausangehöriger Weihwasser auf den Sarg, die Anwesenden und das Haus. Am häufigsten wird der Tote mit den Füßen voran aus dem Haus getragen – zwei Nennungen sagen mit dem Kopf voran. Dabei wird gebetet. Über der Schwelle werden entweder ein Kreuz oder drei Kreuze mit dem Sarg gemacht bzw. der Sarg dreimal auf der Schwelle abgestellt. Ist der Sarg aus dem Haus gebracht, wird das Haus geputzt und gelüftet. (Frage 166 a–e)

Der Weg vom Trauerhaus zum Begräbnis wird als „Leichenweg“, „Totengassl“, „Totenweg“, „Kirchenweg“ oder „Rechtsweg“ bezeichnet. In einzelnen Orten gibt es konkrete Wege mit dieser Bezeichnung, in anderen werden die üblichen Wege für diesen Gang genannt und nur für den Begräbnisgang so bezeichnet. Solche Wege haben oft auch Punkte, an denen mit dem Sarg eine Rast gehalten wurde. Das können Bildstöcke sein, die Mitte des Dorfplatzes oder auch spezielle als Sarg-Raststellen bezeichnete Punkte wie „Totenrast“, „Totenschnaufer“ oder „Dahingang“. Zur Art des Absetzens des Sarges wurden keine Angaben gemacht, eine spezielle Form war dafür nicht mehr bekannt. Die letzte Aufbahrung vor dem Begräbnis erfolgt(e) häufig in einem Gasthaus. Für das Begräbnis wurden folgende Bezeichnungen genannt: „die Leich“, „das Eingraben“, „die Begräbnus“, „das Leichgehn“, „die Beerdigung“, „das Leichenbegängnis“. (Frage 167 a–e)

Die frühen Heimatkundler und „Volks-Beschreiber“ des 19. Jahrhunderts und der NS-Zeit suchten auch in den Formen des Umgangs mit dem Sarg beim Verlassen des Hauses und am Weg zum Friedhof nach „mythisch-magischen Relikten“. Heute ist es angebracht, kritisch mit solchen Überinterpretationen umzugehen.

Weitgehend wurden unterschiedliche Sargträger bei unterschiedlichen natürlichen Ständen genannt: bei verheirateten Personen solche des gleichen Geschlechts oder die Patenkinder oder nahe Verwandte; bei Kindern, Jungfrauen und Jünglingen Personen des gleichen Alters und des gleichen Geschlechts. In allen Orten gehen beim Begräbnis einer Jungfrau die Sargträgerinnen weiß gekleidet mit Myrtenkränzen am Haupt, in anderen Orten ist dies auch beim Begräbnis männlicher Lediger so.

Als Totengräber werden der „Totengraber“ oder der Mesner erwähnt. Begraben wird auf dem „Friedhof“ oder „Freithof“. (Frage 168 a–b)

Aus der Schilderung einzelner Antworten geht hervor, dass im ländlichen Bereich um 1930 die Begräbnisse am Vormittag stattfanden. Beerdigungsinstitute gab es also nicht, in größeren Orten stand ein eigener Totengräber zur Verfügung, in kleineren war das Begraben eine Erweiterung der Pflichten des Mesners.“

Trauermahl

„Sehr unterschiedlich wurden die Fragen nach dem Trauermahl beantwortet. Nach Begräbnis und Trauergottesdienst wird in einem Teil der Orte nur mit der Trauerfamilie, in anderen Orten mit den nächsten Verwandten, den Ansagern und Sargträgern ein Trauermahl eingenommen. In einzelnen Orten gibt es kein Mahl, sondern nur einen Trunk. Vereinzelt werden zum Mahl alle Personen eingeladen, die beim Begräbnis waren.

Als Ort werden Dorfgasthaus oder „Kirchenwirt“ angeführt. Die Mahlzeit heißt „Totenzehrung“, „Totenmahl“, „Totensuppe“, „Totenschmaus“, der Umtrunk wird „Totentrunk“ oder „Vertrinken“ genannt. Das Wort Totensuppe weist auf eine übliche, oder früher übliche Speise hin, die Suppe, die in Salzburg zu besonderen Anlässen vielfach die „Würstelsuppe“ ist, ein Rindsuppe mit eingelegten Weiß- oder Frankfurterwürsten und Nudeln.

Würstelsuppe, Nudelsuppe, Suppe und Würstel stehen bei den Nennungen an erster Stelle. Es finden sich aber auch Würstel und Bier, Lüngerl/Beuschel, Schweinsbraten, Suppe und Rindfleisch, Fleischknödel, Brot mit Käse und Bier, Bier und Brot, Suppe und Braten sowie Totenkrapfen.

Mehrere Antworten nennen auch eine Geschichte des Leichenschmauses in Salzburg: Vielfach heißt es, der Totenschmaus sei seit 50 Jahren (d. h. ab 1880) nicht mehr üblich, vereinzelt wird der Erste Weltkrieg als Ursache der Einstellung genannt. Vor dieser Einstellung wurden bei Begräbnissen wohlhabender Familien auch für die Armen Krapfen ausgeteilt. Das Austeilen von Krapfen während und nach Hochzeiten etwa wurde 1783 von Erzbischof Colloredo verboten, und es wurde auch angeordnet, die Ausgaben für die Hochzeitsfeierlichkeiten niedrig zu halten[4968]. Es ist offenbar nach den Verboten wieder üblich geworden. Die Frage nach den Krapfen erübrigt sich, sind sie doch in ganz Salzburg unter wechselnden Zusatzbezeichnungen (z. B. Perchtenkrapfen, Abdruschkrapfen, Schlenkerkrapfen) das übliche Festgebäck, wenn nicht sogar die wesentliche Festspeise.

Nähere Verwandte und die Sargträger bekamen um 1930 jedenfalls noch immer in der Früh vor dem Begräbnis im Trauerhaus ein Frühstück.

Von den Einschränkungen und Verboten Erzbischofs Colloredo ausgehend hatte sich also auch eine Verminderung der Ausgaben bei Begräbnissen ergeben, die in den wirtschaftlich schwierigen Jahren vor und nach dem Ersten Weltkrieg offenbar noch weiter eingeschränkt wurden.“

Die Krankenölung

„Über Versehgänge, die katholische Krankenölung bzw. das so genannte „Sterbesakrament“ berichten die nach „Altertümern“, „Mythen“ oder „Bräuchen“ suchenden Schriftsteller nichts. Es ist heute noch bei der katholischen Bevölkerung üblich. Zurzeit der aufgeklärten Reformen wurde es zum Stein des Anstoßes, denn Erzbischof Colloredo verbot zwischen 1783 und 1787 nicht nur die Forderung, sondern auch das Annehmen eines freiwillig gegebenen Versehgeldes. Aus den Eingaben der Priester wie den Beschwerden der Bevölkerung geht hervor, dass ein Versehgang zwischen einem Gulden und 12 Kreuzern kostete und diese Summen für ärmere Menschen wie auch für Dienstboten nicht erschwinglich waren. Der Wegfall der Versehgebühren verminderte allerdings die Jahresgehälter der Priester, besonders der Hilfspriester um bis zu 30 Gulden pro Jahr, so dass sie um Ausgleich dieses Entganges ansuchten.“[4969]

Die Trauerfarben und Trauerzeiten

„1930 werden nur selten Trauerfarben und eine eigentliche Trauerkleidung erwähnt, was einerseits auf den Wandel solcher Sitten, und andererseits auf die wirtschaftliche Lage der Zeit zurückzuführen ist. Genannt werden als Farben der Trauer: Schwarz, Halbschwarz, Schwarz mit Grau, Dunkel. Bei Volltrauer wurden bei Almfahrten den Kühen keine Glocken umgehängt.

Als Stufen der Trauer werden sehr unterschiedliche Gewohnheiten genannt, mehrfach heißt es auch, dass keine Trauerzeiten mehr eingehalten würden:

„Starke Tauer“ oder „Volltrauer“ (schwarze Kleidung) allgemein zwischen 4–6 Wochen und einem halben Jahr; „Halbtrauer“ oder „mittlere Trauer“ (dunkle Kleidung) zwischen 2 und 6 Wochen bis zu 3 Monaten; „schwache Trauer“ (dunkle Kleidung an Sonn- und Feiertagen) 2 Wochen.

Detailliertere Angaben nennen:
nach dem Tode von Eltern, Geschwistern oder Ehepartnern 6 Monate Volltrauer, 1–6 Monate Halbtrauer;
nach dem Tod der Mutter ein Jahr Volltrauer;
nach dem Tod des Vaters 6 Monate Volltrauer;
nach dem Tod von Geschwistern 3 Monate Volltrauer.
Nach dem Tod anderer Verwandter: 6 Wochen Volltrauer.

Vereinzelt heißt es auch, dass die Trauerfarben nur am Tag des Begräbnisses und danach an den Sonn- und Feiertagen für den Kirchgang sowie zu Allerheiligen angezogen werden. Vielfach heißt es, dass Männer keine Trauerkleidung trügen, die Frauen aber eine schwarze Schürze.

Vielfach wird genannt, dass „früher“ nach einem Todesfall ein Jahr Tanz- und Musikverbot von der Familie eingehalten wurde. Aber auch für die Zeit um 1930 wird angeführt, dass ein Trauerverhalten wichtig sei und darin bestehe, dass sich die trauernde Familie von Unterhaltungen, Hochzeiten, Bällen und öffentlichen Belustigungen fern halte. (Frage 18 a–c)

Dieser gesamte Fragenkomplex zeigt, dass äußere Trauerzeichen und allgemeine Verhaltensrichtlinien am Lande und in der Stadt andere sind und waren. Während am Lande die Tage der Aufbahrung im Hause wichtig waren bzw. vereinzelt noch sind, zeigte eine städtische Gesellschaft mit anderen Sitten die Trauer öffentlich in einer weit anonymeren Umgebung. Viele dieser Sitten einer städtischen Gesellschaft waren am Lande niemals wirklich gültig. Schwarze Kleidung war ja ganz allgemein am Land eher unüblich und auch für die ländliche Arbeit weitgehend nicht verwendbar. Im Vergleich mit der Schilderung von 1841 und mit den Abbildungen aus der Kuenburg-Sammlung aus dem 18. Jahrhundert zeigt sich, dass im bäuerlichen Milieu nur das Trauertuch, der Trauermantel, über die Sonntagskleidung getragen wurde.

Zudem erhebt sich die Frage, wieweit lange dauernde Trauerzeiten mit Kleidungsvorschriften in einer ländlichen Gesellschaft mit Großfamilien und weitreichenden Verwandtschaftsbeziehungen überhaupt hätten eingehalten werden können, da Todesfälle naher Angehöriger zum Alltag gehörten.

In der folgenden Frage werden Details der Kleidung als Zeichen der Trauer nach dem Tode von nahen Verwandten aufgezählt, die vielfach bürgerliche Details enthalten: Männer trugen schwarze Krawatten, „bis vor 5 Jahren“ (also um 1925) schwarze Halstücher oder einen großen schwarzen Halsflor, einen schwarzen Florstreifen am Hut und/oder am linken Ärmel. Interessant dazu ist der im oberen Kommentar angeführte Vergleich mit den bürgerlichen Männertrachten der Kuenburg-Sammlung. Deren Elemente lebten offenbar vor 1930 am Lande noch nach. Frauen trugen schwarze Trauerhüte, den schwarzen Filzhut, anstelle des Strohhutes ein schwarzes Kopftuch, schwarze Schürzen. Über die Goldschnüre des Priener Hutes wurde ein schwarzer Schleier gezogen; einmal werden schwarze statt der weißen Blusen genannt. (Frage 19 a–c)“

Fragen zu Tod und Trauer im „Österreichischen Volkskundeatlas“ (ÖVA)[4970]

Für den Österreichischen Volkskundeatlas wurden Lebensfeste weitgehend nicht abgefragt, seine Fragenkomplexe bestehen im Wesentlichen aus dem in der NS-Zeit bewerteten „Brauchtum“ im Jahresverlauf sowie aus der ländlichen Sachkultur. Dazu wurde rund um Tod und Trauer ausschließlich die Existenz, Verwendung und Bearbeitung des Totenbrettes erhoben. Die Fragen finden sich in Fragebogen 4, Frage 38 a–e: Totenbretter: Frage nach der Aufbahrung im Hause auf Totenbrettern; Name der Bretter; Weiterverwendung; Bemalung, Beschriftung, Verwendung als Gedenkmarken.[4971] Die Antworten wurden aber in Kommentaren und Karten nicht ausgewertet.

Tod und Sterben in Schüleraufsätzen aus den 1950er- und 1960er-Jahren im Nachlass Richard Treuer[4972]

Zusammenstellung von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Der bereits mehrfach für die CD-ROM-Reihe verwendete Nachlass des Bezirksschulinspektors für die ländlichen Berufsschulen im Pinzgau, Schuldirektor in Zell am See und Oberschulrat an der Landwirtschaftsschule in Bruck im Pinzgau, Richard Treuer, enthält Schüleraufsätze der Schule in Bruck aus den 1950er- und 1960er-Jahren, die Tod und Sterben beschreiben.

Die Schülerin A. V. aus Kleinarl im Pongau (Schuljahr 1956/57) schrieb im Aufsatz „Am Sterbebette“, dass sobald jemand im Hause im Sterben lag, alle lauten und nicht terminisierten Arbeiten eingestellt wurden, und alle nur noch flüsterten. Auch Weinen oder Schluchzen war verboten. „Feierliche Ruhe muss im Hof sein, wenn die unsichtbare Majestät des Todes Einkehr hält.“ Die Angehörigen baten den Sterbenden um Verzeihung für alles Beleidigende, sie besprengten ihn mit Weihwasser und zündeten die Sterbekerzen an. „Wenn für den Toten jedes irdische Licht erlischt, soll ihm das geweihte Licht der Kerze auf seinem Scheideweg leuchten und ihn auf seinem Heimweg zum Herrgott begleiten.“ Die Sterbekerzen sollten bis nach dem Begräbnis nicht mehr verlöschen. Sterbegebete wurden gebetet, und die Familie stand um das Sterbebett. War der Tod eingetreten, wurden dem Toten die Augenlider geschlossen, die Hände um ein Kreuz in Gebetshaltung gelegt und das „Requiescat“ [Anm. Kammerhofer: requiescat in pace] gebetet. Danach wurde der Tote gewaschen, frisch eingekleidet und aufgebahrt sowie die offiziellen Stellen (Gemeindeamt, Totengräber, Pfarrer) verständigt.

Nach der Totenwache wurde den Betenden in der Gesindestube eine Jause (Kaffee, Tee, Milch, Schnaps, Bier und Speisen) – zumindest aber Brot – gereicht. In dieser Zeit durfte die Essensglocke am Hausdach nicht geläutet werden.

Erst vor dem Begräbnis wurde der Tote in den Sarg gelegt, auf einen Kopfpolster gebettet und erhielt auch ein Stück Sterbekerze mit. Am Weg zum Begräbnis trugen alle Teilnehmer Kerzen in den Händen, Verheiratete trugen rote, alle anderen weiße Kerzen. Am Weg wurde gebetet. Musste im Winter ein Toter von entlegenen Höfen durch Schneeverwehungen und steiles Gelände getragen werden, so wurde nur schweigend gebetet.

Es hieß, dass die Seele des Verstorbenen noch drei Wochen im Hause sei und alles sehen und hören könne.

Auch A. V. (Schülerin, Kleinarl im Pongau, Schuljahr 1956/57) berichtet, dass vor 50 Jahren, also um 1900, noch reichhaltige Totenmähler stattfanden, bei denen abschließend gescherzt und gesungen wurde. „Mancher alte Bauer forderte auf dem Sterbebette auf, bei seiner Totenzehrung mit Speis und Trank ja nicht zu sparen. Es kam oft vor, dass er sagte: ‚Bei meiner Totenzehrung muss es lustig hergehen, da darfs koa Rehrn und Tränzen nit gebn.‘“

„Das Wachen. Ein alter Begräbnisbrauch, der bis heute noch teilweise im Lungau erhalten ist“, wurde von einem Schüler aus Thomatal (J. G., ohne Datum) beschrieben.

Am Abend versammelten sich Verwandte, Freunde und Nachbarschaft im Trauerhause. „Nach einem kurzen Gebet bei der Bahre, versammelten sie sich in der Stube, wo vorerst laut drei Rosenkränze gebetet wurden. […] Anschließend wurde je ein Vaterunser gebetet: für dasjenige welches von den Versammelten zuerst sterben würde, für beiderseitige Verwandtschaft, für diejenigen, die an dem Tage in den letzten Zügen lagen, für alle, die aus diesem Hause bereits gestorben waren, für die ärmste der Seelen im Fegefeuer, für alle die an dem Tage vor dem Gerichte Gottes standen, usw.“ Danach wurde aus religiösen Büchern vorgelesen und wurden „Wachlieder“ gesungen wie etwa „Gute Nacht“ (bei Bauersleuten, da es den Abschied von der bäuerlichen Lebenswelt schildert), „Die falsche Welt“, „Göttliche Allmacht“, „Fruahling“ (bei jung Verstorbenen), „Kronk sei is a schwere Buaß“ und „Wach auf!“. Die Liedtexte sind notiert. Immer dieselbe alte Austragsbäuerin aus Thomatal leitete diese „Wachen“ an.

„Wenn sich die Wächter auf den Heimweg machten, kam die Bäuerin mit dem so genannten Wachbrot, […] in einer Schüssel […] Das Vergeltsgott, das die Wächter für das Brot sagten, sollte der Seele des Verstorbenen zugute kommen.“

Auch hier gilt also die Meinung, dass dieses „Totenmahl“ der Verstorbene spendet, da er es von seinen Nachfahren einfordert bzw. ihm dafür gedankt wird.

In der Arbeit des Schülers J. U. aus Gerling bei Saalfelden (1957/58) heißt es, dass die „Wachterin“ die Vorbeterin der Gemeinde ist, die mit einer „guten Jause und Geldspende“ belohnt wird. Ihre Aufgabe war es, den „Wachtnern“, jenen, die zur Totenwache kamen, für das Gebet zu danken, und um den Besuch der Seelenmesse zu bitten, etwa so: „Schönen Dank für’s Gebet und bitt Euch um den Kirchgang am Donnerstag, um 9 Uhr ist der Seelengottesdienst und nachher das Begräbnis.“ Am Tage vor dem Begräbnis trafen sich die nächstgelegenen Nachbarn um 12.00 Uhr zum „Abschiedleuten“, dem Rosenkranzgebet während des Mittagläutens, für die Verstorbenen.

J. G. aus Thomatal führt auch fünf Verse für „Bahrdeckchen“ auf, das heißt, dass die einzelnen Haushaltungen solche bestickten Handarbeiten besaßen und für die Aufbahrung im Hause verwendeten. Drei der Verse seien hier wiedergegeben:

„Hier liege ich und muss verwesen / Was ihr seid bin ich gewesen; / Was ich bin, werdet ihr einst sein. / Schließt mich in euer Gebete ein!“ und „Jesus, milder Heiland Du, / schenk der Seele ewige Ruh!“ sowie „Trauernd legen wir dich nieder / in das stille Schlafgemach. / Niemals kehrst du zu uns wieder, / Ach darum weinen wir dir nach.“ In diesen drei aufgeführten Beispielen zeigt sich katholische Gedenklyrik vom Barock bis ins 19. Jahrhundert.

Der Aufsatz eines Schülers aus Leogang im Pinzgau, (G. E., 29. Februar 1952), beschreibt „Brauchtum beim Begräbnis“ im Pinzgau nach den Erinnerungen alter Leute seines Ortes. Viele der genannten Bräuche existierten nur bis rund um den Ersten Weltkrieg. Der Verstorbene wurde nur noch in einzelnen Familien in den 1950ern „in der Kammer oder Stube aufgebahrt.“ Dazu wurden „drei Bretter über ein Bett gelegt, darauf die Leiche gebettet wird […]“ Blumen, Kränze, Bilder und „Heiligentaferln“ schmückten Bahre und Raum. Das mittlere Brett wurde nach der Aufbahrung zum Tischler gebracht, von diesem beschrieben und danach an einem Haus, Heustadel, einer Brechelstube oder an einem Schuppen angebracht, „um den Lebenden eine Erinnerung an den Toten oder auch eine Mahnung für jeden zu sein“.

In der Arbeit des Schülers J. U. aus Gerling bei Saalfelden (Schuljahr 1957/58) heißt es, dass das wie oben beschriebene Leichenbett mit dem Kopf zur Wand positioniert wird und an sein Fußende ein Tisch mit einem Kreuz und zwei Kerzenhaltern sowie einem Weihwasserkessel mit einem Zweig zum Sprengen aufgestellt wird. Auch seitlich des Bettes werden Reihen von brennenden Kerzen aufgestellt. Bei Verheirateten wird die Leiche mit einem schwarzen, bei Ledigen mit einem weißen Schleier bedeckt.

G. E. aus Leogang beschrieb weiters: Die „Lebensläng“ oder auch „Lebenslicht“ ist ein gefalteter Wachsstock, der gerne zu besonderen Anlässen (Taufe, Firmung, Hochzeit) verschenkt wurde. „Stirbt sein Besitzer, so wird die Kerze in der Länge ausgezogen und in Form von drei Kreuzen auf den Toten gelegt. Dieser Brauch will sagen, dass die Kerze nicht mehr brennen wird, denn das Licht (Sinnbild des Lebens) ist schon erloschen.“ Eine Schülerarbeit aus Alm bei Saalfelden (P. L., undatiert) beschreibt das so, dass auf die mit einem Schleier bedeckte Leiche der Wachsstock in der Körpermitte in der genauen Körperlänge aufgelegt wurde, die Querbalken des Kreuzes wurden auf der Stirne, über dem Mund und über der Brust aufgelegt – also an den Stellen, an denen sich der Katholik bekreuzigt.

Das „Leichentuch“, jenes Leinentuch mit dem die Bahre bedeckt wurde bzw. mit dem der Sarg am Weg zur Kirche bedeckt wurde, und den zerschnittenen Wachsstock erhielt der Totengräber als Geschenk. Arme Kinder musste er kostenlos begraben. Vielfach haben sich auf dem Lande im Umfeld der Bräuche solche „Naturallöhne“ bis ins 20. Jahrhundert erhalten. Das Leinentuch, mit Preisen des beginnenden 19. Jahrhunderts verglichen, ist dabei ein ansehnlicher Lohn. 1801 kostete im Pinzgau ein schönes Herrenhemd aus feinem Leinen 50 Kreuzer (der Gulden zu 60 Kreuzern), das war ein Sechzehntel eines guten Magdlohnes oder ein Zweiunddreißigstel eines mittleren Lohnes für einen Rossknecht. Da die Stoffmenge etwa einem Leintuch entspricht und die Arbeit gering bewertet wurde, ist der Vergleich zulässig. Zwischen 1930 und 1950 war die Entlohnung wohl nur noch eine Geste.

Zur Totenwache kamen in Leogang die Verwandten, Nachbarn und die gesamte Dorfbevölkerung, besonders in der Mittagszeit und am Abend. Ein „Nachtwachter“ oder eine „Nachtwachterin“ wurden dazu aus dem Bekanntenkreis als Vorsänger und Vorbeter bestellt. Die Bäuerin stellte für die „Wachtbeter“ im Vorhaus Brot und Käse in einem Milchgeschirr oder Korb als Jause auf. Das „Kirchensagen“, die Bekanntgabe des Todesfalles, und die Einladung zu Begräbnis und „Totenzehrung“ geschahen durch die Dienstboten des Hofes. Brot und Käse sind auch heute in Teilen des Pongaues und Pinzgaues noch eine gute traditionelle Jause, die u. a. auch als erste Festspeise zu Beginn der Feierlichkeiten des Weihnachtsabends gegessen wird.

Die Begräbnisse fanden vormittags statt, so dass nach der Totenzehrung der Englische Gruß [Anm. Kammerhofer: Ave-Maria] als Abschluss zum Mittagsläuten gebetet werden konnte. Das Minimum für die Zehrung im Pinzgau waren Honigkrapfen [Anm: Kammerhofer: kleine aus Butterschmalz gebackene Germkrapfen, übergossen mit Honig; eine wichtige Festspeise im Pinzgauer Bauernhaus]. Vielfach fand noch einige Tage nach dem Begräbnis, sofern der Verstorbene das angeordnet hatte, die „Brotverteilung“ statt, dabei konnten sich die Dorfarmen auf Kosten des Verstorbenen Brot beim Bäcker abholen.

Neben der Entlohnung für das Begräbnis hatte der Totengräber das Recht, einmal jährlich im Winter bei allen Bauern Heu zu sammeln – und zwar pro Kuh einen Ballen von 10–15 kg als Entlohnung für die Instandhaltung des Friedhofes.

J. U. aus Gerling berichtet, dass in den Sarg Palmzweige kamen. Am Weg zur Kirche sprengten die Nachbarn Weihwasser auf den Sarg, sobald er an ihren Häusern vorbeigetragen wurde. Das Läuten der Sterbeglocke auf dem Begräbnisweg hieß das „Ausläuten“.

Sobald die Leiche aus dem Haus gebrachte wurde, entfernte die „Wachterin“ alle Blumensträuße aus dem Haus, die Kerzenleuchter und das Bahrtuch. Das Pferd, das den Leichenwagen zog, wurde ebenfalls mit schwarzen Bändern geschmückt.

Die Sargträger bestellten im Laufe des folgenden Jahres eine Gedenkmesse mit einem Opfergang für den Verstorbenen.

In einer Schülerarbeit (P. L., undatiert) aus Alm bei Saalfelden wird über die Totenbretter im Pinzgau („[…] am meisten in unserer Gegend, […] man sieht sie wohl noch in Tirol etwa bis St. Johann sowie bis zur bayrischen Grenze“) berichtet, die bei Verheirateten schwarz gestrichen werden mit weißen Buchstaben und Malereien darauf, und bei Unverheirateten und Kindern blau. Der Sargtischler übernimmt auch die Bemalung der Totenbretter.

Die Verse der Totenbretter sind dieselben wie auf den Sterbebildchen. In der Arbeit des G. E. aus Leogang, von 1952, sind auch Inschriften noch erhaltener Bretter erwähnt, u. a.:

„Leichladen des erengeachten Matth. Scheiber, Bauern vom Riederhäusl, gestorben 16. Jänner 1899 im 59. Lebensjahr. Dort lebt der Vater beste / in süsser Himmelsruh / und von dem Himmel-Feste / ruft er uns tröstend zu.“
„Leichladen des Jüngling Martin Deutinger gewester Grundnerbauer in Ecking gestorben den 22. April 1886 im 74. Lebensjahr.“

J. U. aus Gerling bei Saalfelden (1957/58) gab 14 Inschriften von Leichladen seines Ortes wieder, darunter u. a.:

„Christliches Andenken an die geehrte Anna Wildauer, Holzeggbäuerin in Pfaffenhofen, welche am 23.4.1935 im Alter von 72 Jahren gestorben ist. Meine Wiege stand in Zillertal in Hart, das Grabkreuz mir im Pinzgerland gesetzet ward! Und was dazwischen liegt ist Menschenleben. Voller Arbeit, Sorgen, Leid und Freud und Streben! [...] Als Christ, als Mutter: drum beim Gericht, so hoffe ich: Der Herr verstösst mich nicht.“

P. L. berichtete, dass während der Tote aufgebahrt war, im Hause auch eine Messe, das „Ladenamt“, gehalten wurde. Die Totenbretter waren zwischen 150 und 200 cm lang, 30 bis 40 Zentimeter breit und vier Zentimeter dick. Die Seitenbretter konnten auch als Bachstege gelegt werden. Solche Stege aus Brettern mit dem Kürzel RIP [Anm. Kammerhofer: auch R.I.P., d. i. requiescat in pace = er/sie ruhe in Frieden!], dem Namen des Verstorbenen und dem Sterbejahr konnten auch von frommen Verwandten als Stege zum Gedenken gelegt werden.

Auch das „Bayerische Wörterbuch“ kennt das „Totenbret“ (sic!), als „Brett von der Form und Länge des Deckelbrettes am Sarge, mit daraufgezeichneten Anfangsbuchstaben des Namens des Verstorbenen, das an den Grabhügel gelehnt, oder auf einen zum Dorf führenden Fußpfad gelegt wird, damit die Darübergehenden sich er armen Seele erinnern und für sie beten mögen.“ Dort finden sich auch „Totentrunck“, Totenmahl und Totensuppe sowie Totenbrot in den von den SchülerInnen beschriebenen Arten erwähnt, die vielfach ins ausgehende Mittelalter zurückreichen.[4973]

Diese Aufsätze von 15–17-jährigen SchülerInnen beeindrucken als Schilderungen des in den Gemeinden teils noch erlebten, teils gerade erst abgekommenen Verhaltens bei Todesfällen im Hause. Sie erzählen, ohne darüber zu reflektieren und vor allem auch ohne – wie gerade den Heimatkundlern jener Zeit eigen – hinein zu interpretieren und nach versteckten „mythischen Relikten“ hin umzudeuten. Die Schilderungen zeigen sogar ganz im Gegensatz dazu einen realistischen Umgang mit dem Tode und das Bemühen, dem Sterbenden das Scheiden zu erleichtern, würdevoll zu gestalten und die Beziehung zwischen dem Sterbenden und seiner Familie zu klären. In die Erklärungen der SchülerInnen fließt ihre Erziehung und Sozialisation ein, daraus ergibt sich ein schönes Zustandsbild der geschilderten Zeit.

Die Abläufe zeigen einen hohen Respekt vor dem Tod und den Toten. Sie zeigen, dass auch Krankheit und Tod als Lebensetappen betrachtet und von der gesamten Familie und Hausgemeinschaft miterlebt und mitgestaltet wurden. Insgesamt sind alle Handlungen vom Nachbarschaftsgeist und katholischen Glauben geprägt.

Damit sehen wir hier eine Art des Umgangs mit Tod und Sterben vor uns, die sich je nach Region und Ort, nach der Entfernung von Krankenhäusern und der Erbauung von Aufbahrungshallen und schließlich mit anderen Arbeitsverhältnissen auch auf kleinen Friedhöfen zwischen 1900 und 1960 ganz wesentlich veränderte.

Heute kommen laut Auskunft der Städtischen Bestattung (Telefonat vom 20. Juli 2004) in der Stadt Salzburg vereinzelt noch Aufbahrungen in Privatkapellen vor. Eine telefonische Umfrage bei den Gesundheitsbehörden der Bezirkshauptmannschaften (20. und 21. Juli 2004) erbrachte sehr unterschiedliche Ergebnisse. Im Bezirk Tamsweg fanden in den letzten fünf Jahren ungefähr zwei Anfragen nach Hausaufbahrungen statt; im Bezirk Salzburg-Umgebung seien sie seltene Ausnahmen; im Bezirk Hallein seien sie kaum mehr bekannt und im Bezirk Zell am See ebenso. Als Beispiel wurde die Pfarre Abtenau genannt, in der seit der Erbauung einer Leichenhalle im Jahre 1972 praktisch alle Aufbahrungen dort stattfinden.

Für den Bezirk St. Johann im Pongau stellte Ltd. Obersanitätsrat Dr. Friedrich Göschel fest, dass besonders bei Bauern und Großbauern noch Wert auf eine Aufbahrung im Hause und die zeitlich genau geregelte Totenwache gelegt würde. Auch stellen vielfach noch Gasthäuser den letzten Punkt der öffentlichen Aufbahrung am Tag des Begräbnisses dar. Nachdem der Arzt den Tod festgestellt hat, erfolgt eine Meldung an den Bestatter und den Amtsarzt. Pflicht des Amtsarztes (Sachverständiger der Bezirksverwaltungsbehörde) bzw. des Sprengelarztes (Sachverständiger für die Gemeinde) ist es dabei, die hygienischen Voraussetzungen zu prüfen bzw. zu schaffen (z. B. Desinfektion). Die Raumgröße und Lage (ideal wäre ein nach Nordost ausgerichteter Raum), die Tagestemperaturen etc. sind zu prüfen. Bei kühlen Temperaturen reicht ein qualitätvoller, gut verfugter Holzsarg aus; bei heißen Temperaturen muss ein Sarg mit verlötetem Blecheinsatz verwendet werden. Eine offene Aufbahrung der Leichen ist heute nicht mehr gestattet. [Anm. Kammerhofer: Sie würde, wie in Amerika üblich, eine ausführliche Konservierung der Leiche erfordern]. Aus hygienischen Gründen hat sich auch bei der jüdischen Bevölkerung, wie Marko Feingold schildert, ein baldiges Begräbnis erhalten. Auch für andere Bezirke Salzburgs gibt es noch Beispiele von Aufbahrungen im Bauernhaus und die Autorin kennt aus der Obersteiermark Beispiele von gegenwärtigen Hausaufbahrungen.

Neben dem unten angeführten Salzburger Landesgesetzblatt Nr. 84 kommen bei den Hausaufbahrungen auch Gemeindesanitätsgesetze zur Anwendung[4974]. Die gesetzlichen Regelungen über die Aufbahrung von Leichen finden sich im § 18 des Salzburger Leichen- und Bestattungsgesetzes 1986, LGBl Nr. 84 in der Fassung LGBl Nr. 125/2003, und dieser besagt Folgendes:

„Aufbahrung der Leiche, § 18: Nach durchgeführter Totenbeschau ist die Leiche zur Aufbahrung in eine Leichenhalle (Leichenkammer) zu überführen. Im Sterbehaus oder sonst außerhalb der Leichenhalle (Leichenkammer) kann eine Leiche nur mit Zustimmung des Totenbeschauers aufgebahrt werden, wobei diese Zustimmung nur versagt werden darf, wenn sanitätspolizeiliche Bedenken gegen eine solche Aufbahrung bestehen.“

Totenbeschauer im Land Salzburg sind im Bereich der Landeshauptstadt Salzburg der Amtsarzt, in den anderen Gemeinden der Sprengelarzt, wenn die Person in einer öffentlichen Krankenanstalt verstorben ist, der mit dieser Aufgabe betraute Arzt der öffentlichen Krankenanstalt.[4975]



[4951] Fiala, Karl: Totenkult im Großarltale. In: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. Band 56, 1, 26, 1926, S. 294–304, hier zitiert S. 299–304.

[4952] Lit: Kerschbaumer, Gert: Organisiertes Heimatbrauchtum in Salzburg. In: Haas, Walburga (Hg.): Volkskunde und Brauchtumspflege im Nationalsozialismus in Salzburg. (= Salzburger Beiträge zur Volkskunde, Bd. 8). Salzburg 1996, S. 121–133. – ders.: Rekonstruktion und Dokumentation. In: Haas, Walburga (Hg.): Volkskunde und Brauchtumspflege im Nationalsozialismus in Salzburg. (= Salzburger Beiträge zur Volkskunde, Bd. 8). Salzburg 1996, S. 266–293. – Martischnig, Michael: Ein Leben für die Salzburger Heimat. In: Zeitschrift des Österreichischen Lehrerverbandes 29. Wien 1979, F. 3, S. 6ff.

[4953] Sauer, Doris: Erinnerungen: Karl Haiding und die Forschungsstelle „Spiel und Spruch“. (= Beiträge zur Volkskunde und Kulturanalyse, Bd. 6). Wien 1993.

[4954] Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Fiala, Karl. In: Haslinger, Adolf; Peter Mittermayr (Hg.): Salzburger Kulturlexikon. 2. Auflage, Salzburg 2001, S. 144f.

[4955] Wörterbuch der Deutschen Volkskunde. Begr. von Oswald A. Erich und Richard Beitl. 3. Auflage neu bearbeitet von Richard und Klaus Beitl. (= Kröners Taschenausgabe, Nr. 127). Stuttgart 1974, Tod, S. 807–812.

[4956] Da die Lautschrift im Original aus technischen Gründen nicht übernommen werden konnte, wurde sie vereinfacht. Für die Vorschläge und Beratung dazu danken wir Herrn Dr. Hannes Scheutz, Universität Salzburg, herzlich.

[4957] Karl Adrian fand diese Volksmeinung auch im Dientnertale.

[4958] Vermutlich geht diese Sitte auf eine Notwendigkeit bei Begräbnissen ohne Sarg zurück.

[4959] Anm. Kammerhofer: offenbar die während der Reformen von Erzbischof Hieronymus Colloredo zwischen 1782 und 1785 verbotenen Zunftfahnen.

[4960] Prodinger, Friederike; Reinhard R. Heinisch: Gewand und Stand. Kostüm- und Trachtenbilder der Kuenburg-Sammlung. Salzburg 1983, S. 167f, S. 183, S. 192, S. 198.

[4961] Kürsinger, Ignaz von: Ober-Pinzgau oder Der Bezirk Mittersill. Eine geschichtlich, topographisch, statistisch, naturhistorische Skizze. Salzburg: Oberer’sche lothographisch-typographische Anstalt 1841, S. 169–170.

[4962] Zusammenstellung von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

[4963] Harmjanz, H.; E. Röhr (Hg.): Atlas der Deutschen Volkskunde. Lieferung 1–6. Leipzig 1937–39. – Kretschmer, Ingrid: Ethnologische Atlanten in Europa, ihre Entwicklung und ihr Beitrag an die thematische Kartographie. In: Internationales Jahrbuch für Kartographie 15. 1975, S. 55–90, spez. S. 58ff.

[4964] Zender, Matthias: Der Atlas der deutschen Volkskunde. In: Konferenz für volkskundliche Kartographie in Linz a. d. Donau. 11.–13. Dezember 1958. Linz 1959, S. 28–36. – Helbok, Adolf: Eröffnung und zur Geschichte des Österreichischen Volkskundeatlas. In: Konferenz für volkskundliche Kartographie 1958. Linz 1959, S. 14–20.

[4965] Zender, Matthias: Der Atlas der deutschen Volkskunde. In: Konferenz für volkskundliche Kartographie in Linz a. d. Donau. 11.–13. Dezember 1958. Linz 1959, S. 28–36, bes. S. 28, S. 35f. – Zender, Matthias (Hg.): Atlas der Deutschen Volkskunde. Auf Grund der von 1929–1935 durchgeführten Sammlungen im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von Matthias Zender. Marburg/Lahn. NF Lfg. 1, Karte 1–12, 1958; NF Lfg. 2, Karten 13–24, 1959; NF Lfg. 3, Karten 25–36, 1962; Lfg. 4, Karten 37–48, 1965; Lfg. 5, Karten 49–60, 1973; Lfg. 6, Karten 61–72, 1977; Lfg. 7, Karten 73–84, 1979.

[4966] Acker-Sutter, Rotraud: Dengg, Otto. In: Haslinger, Adolf; Peter Mittermayr (Hg.): Salzburger Kulturlexikon. 2. Auflage, Salzburg 2001, S. 111f.

[4967] Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Adrian, Karl. In: Haslinger, Adolf; Peter Mittermayr (Hg.): Salzburger Kulturlexikon. 2. Auflage, Salzburg 2001, S. 47.

[4968] Schöttl, Josef: Kirchliche Reformen des Salzburger Erzbischofs Hieronymus Colloredo im Zeitalter der Aufklärung. (= Südostbayerische Heimatstudien, Bd. 16). Hirschenhausen 1939, S. 124.

[4969] Schöttl, Josef: Kirchliche Reformen des Salzburger Erzbischofs Hieronymus Colloredo im Zeitalter der Aufklärung. (= Südostbayerische Heimatstudien, Bd. 16). Hirschenhausen 1939, S. 123f.

[4970] Zusammengestellt von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

[4971] Salzburger Landesinstitut für Volkskunde, Archiv des Österreichischen Volkskundeatlas, Fragebögen-Übersicht. – Österreichischer Volkskundeatlas. Herausgegeben von der Kommission für den Volkskundeatlas unter ihrem Vorsitzenden Richard Wolfram. Drucktechnische Betreuung Ingrid Kretschmer. 6 Lieferungen. 1. Lieferung hrsg. von Ernst Burgstaller und Adolf Helbock. Linz 1959; 2. Lieferung hrsg. von Richard Wolfram, Egon Lendl und Ingrid Kretschmer. Wien 1965; 3. Lieferung hrsg. dieselben unter Mitarbeit von Edith Klenk. Wien 1968; 4. Lieferung hrsg. von Richard Wolfram, Ingrid Kretschmer, Edith Klenk. Wien 1971; 5. Lieferung hrsg. dieselben. Wien 1974; 6. Lieferung hrsg. dieselben. Wien , Kartenbände 1977 und 1979, Kommentar 1981. 1 Kartenband mit 117 Blättern und 8 Kommentarbände.

[4972] SLIVK (Salzburger Landesinstitut für Volkskunde), Nachlass Treuer, Mappe 20, Lebensbräuche – alle Gaue, Klappe Totenbräuche.

[4973] Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch. Sonderausgabe und Nachdruck der von G. Karl Frommann bearbeiteten 2. Ausgabe München 1872–1877. München 1985. Band 1/1, Sp. 632.

[4974] Wie danken den Damen und Herren der Bezirkshauptmannschaften und ganz besonders Herr Ltd. Obersanitätsrat Dr. Friedrich Göschel, Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau herzlich für Ihre Auskünfte. Frau Cornelia Maier und Frau Rosa Gaurek haben mir wichtige Beobachtungen mitgeteilt – herzlichen Dank!

[4975] Herrn Referatsleiter Dr. Hans-Peter Diemath, Referat Gesundheitsrecht und Gesundheitsplanung, danke ich herzlich für diese Auskunft und Rechtsberatung vom 20. Juli 2004.

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