Klicken Sie bitte HIER, um zur Langtext-Version dieses Beitrags zu gelangen.
Vom Kreisheimatpfleger Franz Schned werden unter „Mehr zum Thema“ Zünfte aus der Zeit des fürstpröpstlichen Berchtesgaden und zunftähnliche Vereinigungen der Gegenwart (die im Sprachgebrauch als „Zünfte“ bezeichnet werden) mit ihren kirchlichen und weltlichen Bräuchen vorgestellt.[247] Diese Vereinigungen legen großen Wert auf Tradition und wollen Bräuche an Jüngere weitergeben. Wert gelegt wird auch auf die Zunftinsignien (Zunftkreuze, -fahnen, Leuchterengel …) der historischen Zünfte.
Mit der im Jahr 1803 erfolgten Säkularisation des Stiftes und dem 1825 erlassenen Gewerbegesetz (als Ende des alten Zunftrechtes) mit Übergang von der Gewerbezulassung zur Gewerbefreiheit wurden die Zünfte aufgelassen. Heute existieren sie in ihrem Bestand sowie in ihrer rechtlichen Bedeutung erheblich beeinträchtigt. Die seit dem 16. Jahrhundert starke öffentliche Selbstdarstellung der Zünfte in kirchlichen und weltlichen Bräuchen und Festen wird in der Gegenwart im kirchlichen Jahreskreis in Berchtesgaden noch in Erinnerung gehalten.
Die Maurer und Zimmerleute im Berchtesgadener Kreis zum Beispiel haben nach dem Zweiten Weltkrieg die Bräuche wieder aufleben lassen. Sie formierten sich in zunftähnlichen, aber privatrechtlichen Vereinigungen, die sie auch wieder „Zunft“ nennen und in denen die Hierarchien und Positionen nach den alten Zunftbegriffen benannt werden. Sie feiern ihre Jahrtage und sind ein wichtiges Element aller lokalen Bräuche und Feste.
Bis zum Jahr 1777 gab es in der Fürstpropstei Berchtesgaden zwei Zimmermeister. Die Meister mit 50 Gesellen gehörten der Hauptlade der Zimmerleutezunft in Salzburg an. Außerdem waren 60 ungelernte Zimmerer („Zaunhandwerker“). Die Auflagegelder (also die Gewerbesteuer) gingen außer Land. Die Handwerksgottesdienste wurden ebenfalls in Salzburg abgehalten. Diese wirtschaftlichen und kulturellen Verluste veranlassten schließlich die Meister und Gesellen, den Fürstpropst (er hatte seit 1530 das Recht dazu) um die Errichtung einer eigenen Zunft und Handwerksordnung zu ersuchen. Im Jahr 1778 war es dann so weit. Der eigenen Lade gehörten drei Meister an (Handwerksbezirke Berchtesgaden, Schellenberg, Ramsau). Die „Zaunhandwerker“ konnten der Zunft beitreten, mussten aber ein Aufnahmegeld bezahlen. Die Zunftinsignien wurden angeschafft und als Zunftpatron der Heilige Josef (19. März) gewählt.
Ab 1807 durften auf Befehl der Landesregierung keine Zwangsbezirke (bereits eine Aufweichung des alten Zunftrechtes, nach der Säkularisierung von 1803) mehr sein. Laut Dekret wurde den Zunftmeistern die Einführung des Gesellenkreuzes bewilligt. 1817 wurden die Maurer und Zimmerleute in der „Zunft der Zimmerleute und Maurer in Berchtesgaden“ zusammengeschlossen, behielten aber getrennte Zunftladen (Kassenführungen). Die gemeinsame Jahrtagfeier (heute Jahreshauptversammlung) wird bis heute abgehalten. Nach dem im Jahr 1822 neu geordneten Lehrlingswesen konnte ein Lehrling nur am Tag des „Ordentlichen Handwerks“ aufgedungen, also in die Zunft aufgenommen, werden. 1836 wurde das gesamte Zunftinventar (die Zunftsymbole) erneuert. Die heute noch verwendeten Gegenstände sowie die Zunftfahne wurden 1879 bzw. 1890 besorgt. Ab 1903 hat die eingeführte Gesamtinnung die Aufgabe der Freisprechung übernommen. Die 1906 eingeführten Statuten gelten in der „Zunft“ im Wesentlichen noch heute.
Die Maurer und Zimmerleute in den Gnotschaften (Ansiedlungen[248]) der Gemeinde Ramsau gehören als Mitglieder der „Maurer- und Zimmerleutezunft in Berchtesgaden“ an. Sie unterhalten keine eigene „Zunft“ mehr, da es heute nur wenige Handwerker gibt.
Diese halten am überlieferten Brauch fest. Am Prangertag (Fronleichnamstag) und am Erntedankfest werden die in der Sakristei aufbewahrten Insignien der früheren Zunft in der Prozession mitgetragen. Es sind dies das Vortragkreuz der Zunft und die Engel-Stangen (Vortragstangen) mit brennender Kerze, welche meist von Maurerlehrlingen und das Kreuz seit Jahren vom „zweiten Zunftmeister“ (ein Ramsauer Mitglied) bei der „Zunft“ in Berchtesgaden mitgetragen werden. Diese Träger haben kein eigenes „Zunftgewand“. Sie haben die Festtagstracht an (lange schwarze Hose, weißes Hemd mit Bindl, Bandljoppe, Schützenhut mit Schmuck (Spielhahnstoß, Gamsbart, Reiherfeder) und Haferlschuhe).
Die Umzüge beginnen bei der Pfarrkirche und gehen über den westlichen Ortsausgang zur Wallfahrtskirche „Unserer Lieben Frau am Kunterweg“. Dort wird ein feierliches Lob- und Dankamt zelebriert. Danach geht es wieder in derselben Ordnung mit der Ramsauer Blasmusikkapelle zurück zur Pfarrkirche im Ort.
Alljährlich am Josefi-Tag (19. März) wird mit einem Lob- und Dankamt das Handwerk (die Hauptversammlung) in Berchtesgaden gefeiert. Der „Zunftmeister und die Mitglieder“ treffen sich abwechselnd in den Kirchen von Berchtesgaden-Markt, Ramsau, Schönau-Unterstein. Nach dem gemeinsamen Abendgottesdienst erfolgt in einem Gasthaus des Pfarrortes der „Zunftabend“. Dabei werden gemäß den Statuten von „Zunftmeister“, Schriftführer und Kassier die Jahresberichte vortragen. Danach beginnt der gemütliche Teil des Abends. Mitgliederneuaufnahmen erfolgen nur an diesem Tag. Derzeit zählt diese „Zimmerleute-Zunft“ einhundert Mitglieder. Im Gegensatz zum Jahrtag wird das „Handwerk“ separat gefeiert.
Aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammt wohl die jährliche Beteiligung der Zimmerleute-Zunft in Markt Schellenberg[249] an der Fronleichnamsprozession (die als Demonstration katholischen Glaubens gegen die Protestanten galt). Wieweit die Teilnahme am Erntedankfest zurückgeht, bleibt offen. Mit allerhöchster Entschließung wurden am 10. Oktober 1817 die Handwerke der Zimmerleute und der Maurer zu der „Zunft der Maurer und Zimmerleute in Berchtesgaden“ vereinigt, die Laden blieben aber getrennt. Nach 1825, nach Aufhebung der alten Zünfte, konnten verschiedene Handwerker auch einer neuen, gemeinsamen „Zunft“ angehören. So verblieben die Maurer und Zimmerleute in der Ramsau bei der „Zunft in Berchtesgaden“. Die „Zunftmitglieder“ aus Schellenberg hingegen begründeten ihre „Zunft der Zimmerleute“ eigenständig. Die „Zimmerleute-Zunft“ im Markt Schellenberg verfügt heute über ihre eigenen Insignien, zum Beispiel die Zunftfahne, das Zunftkreuz, zwei Engel-Stangen mit Kerzen.
Im Jahr 1903 gingen das Lehrlingswesen und die Gesellenprüfungen auf die „Gesamtinnung“, also die zeitgemäße, rechtliche Gewerberepräsentanz über, was für das „Zunftwesen“ insgesamt ein bedeutender Rechtsentzug und eine enorme Einnahmeminderung bedeutete.
Der Bestand der „Zunft“ in Berchtesgaden war in Gefahr. Einstimmig hat man jedoch beschlossen, die „Zimmerleute-Zunft“ in Berchtesgaden aufrecht zu erhalten, um die seit Jahrhunderten bestehenden kirchlichen und weltlichen Gebräuche weiterhin zu pflegen. Nach den 1906 neu gefassten Statuten wird heute noch verfahren. Das Josefiamt (19. März), das „Kleine Amt“ am „Handwerk“ und der Jahrtag werden weiterhin beachtet.
Schellenberg und Ramsau bildeten seinerzeit Zweigvereine der „Zunft“, mit eigener Rechnungslegung und jährlichem Beitrag an die Hauptkasse nach Berchtesgaden. Die Schellenberger Zimmerleute holten sich 1906, die älteste Zunftfahne, noch vor jener von 1787, zurück. Am 7. Mai 1905 wurde die heutige „Zunft der Zimmerleute in Schellenberg“ gegründet.
Die Holzmeisterzunft ist seit dem Jahr 1673 dokumentiert. Dazu zählten früher die Holzknechte, Fuhrleute, Waldarbeiter, Sägewerksbesitzer und weitere Berufe, die mit Holz bzw. der Holzarbeit zu tun hatten. Die Holzmeister beschäftigten damals etwa 300 Personen. Sie hatten Unmengen an Brennholz für die Saline bereitzustellen. Heute ist diese Gemeinschaft auf etwa ein Zehntel geschwunden. Trotzdem finden die traditionellen Bräuche, wenn auch in etwas abgewandelter Art, statt. Um den „Vinzenzitag“ (Heiliger Vinzenzius, 22. Januar, Patron der Holzarbeiter) halten die Holzknechte und Forstleute ihren Jahrtag ab.
In der Ramsau bezeichnet sich der Festtag der Holzknechte als das „Ramsauer Holzbier“. Die Holzknechte begeben sich im Festzug zur Pfarrkirche zum Lob- und Dankamt. Nach dem Festgottesdienst gibt es eine Zusammenkunft in der Taverne mit Verköstigung und Musik. Bis vor wenigen Jahren haben beim Holzknechttanz die Familienangehörigen teilgenommen. Diese Abendveranstaltung musste leider eingestellt werden. Dies hängt damit zusammen, dass durch die Technisierung und in Ramsau auch durch die Teilung der Holzknechtgemeinschaft in zwei Forstbereiche (Nationalpark und Forstamt Berchtesgaden) nur noch wenige Holzknechte beschäftigt sind. Die „Holzknechtzunft“ in der Ramsau war niemals eine Handwerkerzunft, sondern die religiöse Bruderschaft dieser Berufsgemeinschaft. Sie erinnert noch an Zeiten, als der Forstbetrieb mit den Holzknechten zu einem der Haupterwerbszweige in der Gemeinde zählte. Die heutige Benennung entspricht der freieren Begriffsverwendung und dem Bedürfnis nach historischer Anbindung. Die Tradition der Holzknechte bleibt auch heute im kirchlichen Bereich lebendig (Prangertag, Erntedankfest, Beerdigungen). Ein „Zunftzeichen“ gab es in der Ramsau nicht.
Viele unserer heutigen Bräuche stammen aus Zeiten der ständischen Gesellschaft. Im Berchtesgadener Land waren in erster Linie die unfreien Bauern und Holzarbeiter, die leibrechtlich an einen Grundherren (Augustinerchorherrenstift) gebunden waren. Bereits zu Beginn des Bergbaues in Schellenberg hatte die Holzarbeit eine bedeutende Rolle gespielt (Lohnarbeit: Salzfässer, Kufen), später kam das spezialisierte Heimhandwerk, das arbeitsteilig als Nebenerwerbsrecht der Holzarbeiter (dezentrale Manufaktur) betrieben wurde, dazu. Neben dem Salzbergbau war es bedeutende Exportwirtschaft. Die so genannte „Perchtsgadner Waar“ wurde zum Markenartikel ihrer Zeit.
Die Holzhandwerker erhielten im Jahre 1535 den Handwerkerbrief für die Drechsler, Löffelmacher, Spindelmacher, die der „Bruderschaft zu Ehren des Heiligen Sebastian und aller gläubigen Seelen“ in der Pfarrkirche St. Andreas in Berchtesgaden angehörten. Weitere Zünfte folgten: 1581 die Pfeifenmacher, 1596 die Fassbinder und Schaffelmacher, 1637 die Schnitzer. Im Jahr 1659 kam es zur Neuordnung des Handwerks. Diese regelte unter anderem die Lehrlingsaufnahme, die Rechtsstellung der Gesellen und die Art des Meisterstückes.
Auch heute fühlen sich die Maurer, Zimmerleute und Holzhandwerker ihren „Zünften“ zugehörig. Beim Jahrtag am dritten Fastensonntag treffen sich die Schachtelmacher, Schaffelmacher, Drechsler und Schnitzer mit ihren „Zunftmeistern“ auf dem Schlossplatz in Berchtesgaden zum Lob- und Dankamt in der Stiftskirche. Die Mitglieder berufen sich auf eine 450-jährige Tradition. Obwohl es durch rechtliche und wirtschaftliche Veränderungen vielerlei Brüche in der Tradition gab, hat sich durch die frühe Heimatschutz- und Pflegebewegung in Berchtesgaden ein besonderes Bewusstsein für Tradition entwickelt. Dieses führte zur Neu- bzw. Wiedererrichtung der heutigen „Zünfte“.
Um das Jahr 1193 begann man nahe dem Gutratsberg mit dem Salzabbau. Um im Wettbewerb Hallein-Dürrnberg bestehen zu können, waren Betriebsorganisationen gefordert, denen eine Knappschaftsvereinigung folgte. Es kam zur Bildung einer Bruderschaft (1442 „Legerer-Zeche“). Dazu muss man anmerken, dass Zünfte immer Handwerkerverbände waren, Bergknappen niemals Zünfte besaßen, sondern in Berufszechen, Verbänden, zusammen geschlossen waren.
Am 1. Oktober 1617 bekamen die im Bergbau tätigen Arbeiter ihre gewünschte „Zechordnung“. Mit Bestätigung dieses „Freibriefes“ der Knappen und der Ergänzung der Zechordnung im Jahr 1692 wurden die Aufgaben im Bergbau spezialisiert und privilegiert (etwa mit dem Recht der Mitbeschäftigung, Weitergabe des Gewerbes an den ältesten Sohn). Im Jahr 1628 verlieh der Fürstpropst den Bergknappen eine eigene Fahne zur Repräsentation bei Aufzügen und Prozessionen. Die Engel-Stangen und das Zunftkreuz werden in der Bruderschaftsurkunde von 1617 erwähnt. Aus dem Jahr 1628 hat sich bis heute das „Kleine Zunftkreuz“ erhalten. Schutzpatron der Salzbergknappen in Berchtesgaden sowie am Dürrnberg ist der Heilige Rupert.
Das Gewerbe der Bergleute unterlag in den letzten 500 Jahren großen Veränderungen, die in der Literatur vielfach dargestellt wurden. Das ursprüngliche, kastenähnliche System der Bergleute existiert heute längst nicht mehr, das Gewähren von Sicherheiten wurde von anderen Trägern übernommen. Die Identifikation und Repräsentation über historische Traditionen – auch wenn sie begrifflich aus heutigem Geschichtsbedürfnis gesetzt werden – wird daher umso wichtiger erachtet.
Im Jahr 1667 erhielten die „Pöckchen und Müllner“ (= Bäcker und Müller) in „Berchtolsgaden“ ihren Zunftbrief, den ihnen Administrator und Fürstpropst Max Heinrich von Bayern (1650–1688) am 4. Februar 1667 bestätigt hat. Zunftpatronin war die Heilige Katharina (25. November), ihr Feiertag das Hauptfest. Die „Pöckchen und Müllner“ waren der Frauenbruderschaft (Heilige Maria) zugeschrieben, ihre Prozessionsfahne ist heute noch vorhanden. Matthias Schmidhammer zitiert in der „Bergheimat“:
„‚Jährlich am Festtag S. Catharina item am Fest des hl. Pauli-Gedächtnis hielt das ehrsambe Handwerk in dem würdigen Gottshaus und Pfarrkirchen alhie jedesmahl ‚ein gesungenes Ampt‘, dann auch zu jeder Quatemper ein Seelenambt für alle des Handwerks abgestorbenen Brüder und Schwestern.‘“[250]
Im Jahr 1723 gab es im fürstlichen Berchtesgaden über 40 „Mauthmühlen“. (Mautmüller waren zum „Lohnmahlen“ berechtigt, d. h. sie durften Getreide gegen „Maut“, Entlohnung, zum Mahlen annehmen. Daneben kauften sie, wie üblich, Getreide, aus dem sie das Mehl verkauften.) So genannte „Gmachmühlen“ (Hausmühlen) gab es ungefähr 30. Ihre Inhaber hatten keinerlei gewerbliche Befugnisse und durften nur eigenes Getreide für den Haus- oder Nachbarschaftsbedarf mahlen.[251] Mühlen gibt es im Berchtesgadener Land heute keine mehr. Einem engagierten Bäckerehepaar ist es zu verdanken, dass man sich erneut der jahrhundertealten Handwerkstradition erinnert.
[246] Kurzfassung von Melanie Lanterdinger und Ulrike Kammerhofer-Aggermann
[247] Für den gegenwärtigen Forschungsstand siehe: [Brugger/Dopsch/Kramml 1991]
[248] [Schmeller 1985], Sp. 1763: Das Wort Gnotschaft kommt von Gemeinschaft, Genosschaft und bezeichnet in Berchtesgaden kleinste Landgemeinden, von denen mehrere eine Rotte ausmachen. Offenbar gehörten diese Gnotschaften früher in leibeigener Abhängigkeit zu übergeordneten Herrschaften.
[249] Der Schellenberger Markt war lange Zeit der mehr florierende, in Schellenberg war das bürgerliche Marktbewusstsein hoch. Ausführlich abgehandelt wird das Thema „Märkte“ bei: Hederer, Kerstin: Die Entwicklung der Märkte Berchtesgaden und Schellenberg. In: Brugger, Walter; Heinz Dopsch; Peter F. Kramml (Hg.): Geschichte von Berchtesgaden. Stift – Markt – Land. Bd. II/2. Berchtesgaden 1995, S. 701–898.
[250] Zitiert nach: [Schmidhammer 1926], hier S. 63.
[251] Vgl. [Hauser 1939].