Unter den (vier) jahreszeitlichen, regional termingebundenen Märkten finden wir in allen großen Städten Europas auch solche kurz vor dem Weihnachtsfest. Die Bezeichnungen der Märkte waren unterschiedlich und richteten sich meist nach dem Heiligenfest, an dem sie stattfanden (z. B. Münchner Nikolaimarkt als Patroziniumsmarkt) bzw. nach dem für den Winter typischen Zinstag, der auch nach Heiligenfesten benannt war (z. B. Martini- und Michaelimärkte).
Mit der Entstehung des bürgerlichen Weihnachtsfestes wurden diese Märkte im Laufe der letzten 250 Jahre auch zu speziellen „Weihnachts- oder Christkindlmärkten“ mit festspezifischem Angebot und „weihnachtlichem“ Flair. Zahlreiche Darstellungen zwischen 1800 und 1848 – darunter Puzzles und Bilderbögen – zeigen die städtischen Weihnachtsmärkte und das Promenieren und Einkaufen der Bürger. Schon Martin Bohemus, ein evangelischer Prediger, kritisierte 1608 die Unsitte des Schenkens im Zusammenhang mit dem Christfest, denn nur Christus, „das heilige Christkind bescheret uns alles Gute […].“
Über den Salzburger Christkindlmarkt schrieb Lorenz Hübner 1793: „Der Besuch fremder Fieranten nimmt ab. Ein sogenannter Christmarkt ist eigentlich für die Stadteinwohner gewidmet. Er fängt 14 Tage vor Nicolai an, und dauert noch 14 Tage darnach. Während dieser Zeit wird Puppen- und Naschwerk verkauft, und es ist jedermann gestattet, alte oder Trödelwaare öffentlich feil zu haben.“[666] Das heißt, der Christmarkt begann am 24. November und dauerte bis zum 20. Dezember.
Während des gesamten Advents zählt heute der Salzburger Christkindlmarkt auf dem Domplatz (heute Dom- und Residenzplatz) auch zu den touristischen Attraktionen und Kommunikationspunkten der Einheimischen. Fellpatschen und Bioseifen, Räuchermanderl wie Nepalpullover und Maghrebschmuck zählen zu seinem Warenangebot.
Der Einkauf von Krippenfiguren von feinster Handarbeit bis zu Pressplastik gehört neben der Kommunikation zu den Gewohnheiten. Kunsthandwerksstände, karitative Organisationen und täglich um 17 Uhr ein Advent- und Weihnachtsliedersingen runden das Programm ab. Der Salzburger Christkindlmarkt gehört wie viele seiner Art zum Ausflugsprogramm der Reiseunternehmer und wird oft in Kombination mit einem Besuch des Salzburger Adventsingens oder eines der diversen Adventkonzerte angeboten.
Die historischen Märkte dienten einerseits dem saisonalen wie dem internationalen Warenangebot und waren daher für die Städte eine Steuereinnahmequelle. Für die Bürgerschaft ermöglichten sie ein konzentriertes Einkaufen und Vergleichen, die Anschaffung besonderer, sonst in der Stadt nicht angebotener Waren. Andererseits waren die Märkte auch Orte der Kommunikation, der Volksbelustigung, der Ausgelassenheit, des Schauens und Staunens. Die Salzburger Märkte wurden von Händlern zwischen London und Konstantinopel besucht.
Noch 1878 wurde in Salzburg eine Dultordnung erlassen, die uns über die Gepflogenheiten auf den Märkten Auskunft gibt. Die Dultordnungen berichten über die Öffnungszeiten der Stadttore, die Vorkehrungen gegen Brände rund um die „Bratereien“ sowie gegen Raufhändel und Diebstahl und den Umgang mit fahrendem Volk. Neben Händlern besuchten Quacksalber, Zahnbrecher, Gaukler, Seiltänzer, Puppenspieler, Schausteller und Bärentreiber diese Märkte. Den Dienstboten und Hausangehörigen war der Besuch der Märkte zu gestatten, ihnen dafür ein Trinkgeld und ein besseres Essen auszufolgen. In vergangenen Jahrhunderten kamen viele Menschen aus Landgemeinden zu den Märkten in die Stadt. Märkte wie Volksfeste waren auch wichtiger Ort der Werbung um das andere Geschlecht.
Heute existieren neben den kommerziellen Weihnachtsmärkten viele Märkte, deren wesentlicher Zweck kulturelles und soziales Engagement ist. In St. Leonhard in Grödig bei Salzburg hat sich 1973 ein besonderer Adventmarkt entwickelt, dessen Motor Univ.-Prof. Dr. Franz Nikolasch war. Verbunden mit dem Markt, dessen Erlös der Salzburger Lebenshilfe zugutekommt und für dessen Verkaufsstände sich Salzburger Prominenz zur Verfügung stellt, sind auch die Adventandachten und Festgottesdienste in der Kirche.
Am Rande vieler kommerzieller Märkte haben sich karitative Stände entwickelt, die von Hilfsgruppen, Vereinen und internationalen Serviceclubs betrieben werden; in der Stadt Salzburg etwa auf dem Alten Markt oder vor dem Landeskrankenhaus. Glühwein, Brote und Kuchen, Tombolen und Glücksräder, selbstgearbeitete Basteleien und Handarbeiten machen das Angebot aus. Die katholischen Pfarren wie das Diakoniezentrum veranstalten Bastelmärkte zu karitativen Zwecken; Eltern-, (Lehrer-)initiativen an Schulen und Kindergärten bringen über Weihnachtsmärkte und Weihnachtsaufführungen vielfach die fehlenden Budgetsummen für Spielzeuge, Computer oder Projekttage auf.
Unter den „karitativen“ Märkten wie unter jenen von Kunsthandwerks- und Kulturinitiativen besteht oft das Bemühen, „gutes Kunsthandwerk“, „zeitgemäße Kunst“ anzubieten und „Kitsch und Ramsch“ zu vermeiden, auch wenn sich diese Begriffe nur schwer definieren lassen.
Die historischen Christkindlmärkte in Deutschland[667] haben sich einerseits in großen Handelszentren und Residenzstädten aus den alten Quatembermärkten – infolge der alten vierteljährlichen Zinstermine zu Beginn der nächsten Wirtschaftseinheit – entwickelt. Andererseits haben jene Märkte, die an Zentren des Verlagshandels stattfanden, einen besonderen Aufschwung und weitreichende Berühmtheit erlangt. Nürnberg ist das beste Beispiel dafür.
Auf diesen Märkten wurden von internationalen Verlegern im 18. und 19. Jahrhundert all jene halb- und vorindustriellen Waren angeboten, die zu den typischen Weihnachtsgeschenken der bürgerlichen Gesellschaft wurden. Die Erzeugnisse der Hausindustrie, des arbeitsteiligen Nebenerwerbs und der dezentralen Manufaktur aus dem Erzgebirge, dem Bayerischen Wald, aus Berchtesgaden und Hallein und viele andere mehr, die im 18. und 19. Jahrhundert zum typischen Weihnachtsgeschenk wie Requisit wurden: die Hampelmänner, Vogelpfeiferl, Puppen und Docken, Christbaumkugeln und Leuchterengel sind als Beispiele zu nennen. Ludwig Richter und neben ihm viele Maler und Dichter unter Romantikern und Realisten schilderten die Ambivalenz dieser Märkte: Fülle und Freude für die Reichen und Verzicht und Nebenerwerb für die Armen.
Der Berliner Weihnachtsmarkt wurde vermutlich vom Großen Kurfürsten eingeführt und fand vor dem Schloss statt. Seit dem frühen 18. Jahrhundert gibt es Berichte, im Biedermeier fand der Markt seine volkstümliche Ausprägung. Ludwig Tieck beschrieb den Markt von 1835, auf dem „Spielzeug, Näschereien und Geschenke zum Weihnachtsfest“ eingekauft wurden: „[...] Um die Mittagsstunde wandelten dann wohl die vornehmern Stände behaglich auf und ab, schauten und kauften, luden den Bedienten, welche Ihnen folgten, die Gaben auf, oder kamen auch nur wie in einem Saal zusammen, um sich zu besprechen und Neuigkeiten mitzuteilen [...]“.
Neben Spielsachen aller Art, Hausrat und Kunstgewerbe wurden Christbäume und Schmalzgebackenes angeboten. Hölzerne Buden bildeten die Gassen, dazwischen aber marschierten Verkäufer mit typischen Rufen. Die königlichen Kinder wurden mit Kutschen zum Markt geführt. Der Berliner Weihnachtsmarkt wurde 14 Tage vor dem Fest eröffnet und dauerte bis zum Neujahrstag. Bereits im Biedermeier war er abends geöffnet und beleuchtet; die ganze Stadt war dort zu finden. Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt der Markt die weithin vorbildgebende Riesentanne als Symbol der neuen stilvollen Inszenierung.
Der Dresdner Striezelmarkt ist bereits im 16. Jahrhundert aus einem für die Weihnachtszeit erlassenen Privileg des sächsischen Kurfürsten für einen zeitlich beschränkten, zunftfreien Verkauf entstanden. Vergleichbar wären dazu etwa die österreichischen Sonderregelungen für den Krapfenverkauf in der Faschingszeit durch die Hausfrauen und „Krapfenbacherinnen“. Der Dresdner Striezelmarkt ist nach jenem Weihnachtskuchen benannt, den wir heute als „Dresdner Stollen“ oder „Christstollen“ kennen und der, so stellen es heute von der Sächsischen Bäckerinnung herausgegebene und mit erzgebirgischen Holzbergleuten gezierte Versandkartons dar, in seiner Form an einen Stollen im Bergwerk erinnern soll (Bäckerei Luckmann, Chemnitz). Noch 1809 wurde diese Gebäckform, wie vielfach ähnliche in Europa, als Wickelkind, als Christkind gedeutet.
Der Markt fand bis zum 19. Jahrhundert auf dem Altmarkt statt und begann eine Woche vor dem Christfest. Die Christstollen zählten, neben anderen weihnachtlichen Waren, zu seinem Hauptangebot: „Das Glitzern der mit Rauschgold, mit bunten Papierschnitzeln und goldenen Früchten dekorierten Weihnachtsbäume, die hell erleuchteten kleinen Krippen mit dem Christuskinde, die gespenstischen Knecht Ruprechte, die Schornsteinfeger aus gebackenen Pflaumen [vgl. unsere Zwetschkenkramperl ], die eigentümlich weihnachtlichen Wachsstockpyramiden, [...] das alles regte festlich auf“, erinnert sich Wilhelm von Kügelgen an seine Kinderzeit 1809.
„Der Frankfurter Christkindchesmarkt hat seinen traditionellen Standort am Römerberg vor der Nicolai-Kirche und war im 19. Jahrhundert ein Zentrum für Handel und Wandel, besonders auf dem Gebiet des Spielzeugs.“[668] So beginnt Ingeborg Weber-Kellermann ihre Darstellung des Frankfurter Christkindchesmarktes, der für seinen gewürzten heißen „Äppelwoi“ bekannt ist.
Schon Johann Wolfgang von Goethe beschrieb das „Wogen und Treiben, das Abladen und Auspacken der Waren “, das in Kürze eine neue Stadt innerhalb der Stadt entstehen ließ, über der das Glockenspiel von St. Nicolai Weihnachtslieder spielt.
Nach dem Ersten Weltkrieg begannen viele Städte, wie auch Frankfurt, im „Dienste des Heimatwerks“ folkloristische Märkte zu inszenieren und sie entsprechend feierlich zu eröffnen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Kinderkarussell und kommunalem Kino zum Ambientemarkt erweitert, zählt dieser Markt heute zu den berühmten Ausflugszielen der Adventzeit.
Der Nürnberger Christkindlmarkt ist heute wohl der berühmteste seiner Art, er wird erstmals 1610 – „ein Zentrum der Rauschgoldengel, der Pfefferkuchen und des Spielzeughandels“ – als Nachfahre des „Nürnberger Tands“ erwähnt, der, wie das Sprichwort sagte, „geht durch alle Land“.
Längst hat sich von ihm die eigentliche Spielzeugmesse abgelöst, die vor der Stadt stattfindet und so groß ist, dass Busse die Gewerbetreibenden von den Parkplätzen zu den Ausstellungshallen führen. So ist der Platz zwischen Liebfrauenkirche und St. Sebald, überragt von der Burg, der Romantik gewidmet. Zwischen Bratwurstglöckchen wie Haeberlein und Metzger findet sich alles an Kunsthandwerk, was nostalgisch ist und vielleicht ohne diese Szenerie nicht so leicht und so teuer gekauft werden würde, wie Ingeborg Weber-Kellermann[669] anmerkt. Das feierliche Einblasen des Marktes – wie auch in Regensburg und Frankfurt – gibt den heutigen Märkten ein kulturelles, formelles Szenario, neben dem die „Pfefferkuchenlyrik“ blüht.
Der Münchner Nikolaimarkt – er soll schon seit dem 14. Jahrhundert bestehen[670] – wandelte sich, was Termin und Angebot betraf, im 19. Jahrhundert immer mehr zum Christkindlmarkt. Der aufgeklärte Akademieprofessor Lorenz von Westenrieder berichtet 1772, dass jährlich auf den Nikolausmärkten Geschenke für Kinder verkauft wurden. 1800 kamen die ersten Lebkuchenhändler aus Nürnberg nach München, und danach muss sich die Art des Marktes und seines Angebotes verändert haben; der alte Nikolaimarkt wurde zum Christkindlmarkt.
An den historischen Märkten ist feststellbar, dass mit dem Vordringen des bürgerlichen Weihnachtsfestes auch das Angebot und Flair der Märkte anders wurde. Der Nikolausmarkt fand 1804 auf dem Max-Joseph-Platz statt, 199 Verkaufsstände boten Waren an, darunter 22 Krippenfiguren, fünf Puppen, fünf Schnitzwaren aus Berchtesgaden und eine Puppenküche. Zwischen 1805 und 1884 vergrößerte sich der Markt und wanderte auf den alten Dultplatz, den heutigen Maximiliansplatz, danach 1885 zum Sendlinger Tor und 1945 auf den Viktualienmarkt am Marienplatz an der Frauenstraße. 1938 machte sich auch die Politik am Markt breit, und NS-Organisationen errichteten Stände; 1939 wurden Richtlinien für Fliegeralarm erlassen.
Neben diesem Markt gibt es seit 1856 den Münchner Kripperlmarkt, über den wenig an Information vorliegt. Ebenfalls in Bayern ist seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts der Regensburger Christkindlmarkt bekannt, der heute zu den touristischen Attraktionen der Stadt gehört.
Die Wiener Händler und Gewerbetreibenden erhielten 1296 das Privileg, einen Dezembermarkt zur Versorgung der Bevölkerung abzuhalten. Zwischen 1600 und 1761 wurde der Thomasmarkt am Graben veranstaltet. Spätestens 1772 fand er auf der Freyung als Nikolo- und Weihnachtsmarkt statt. Erst in den 1840ern zog er mit dem neuen Krippenmarkt auf den Platz Am Hof (bis 1918) und wurde zum bürgerlichen Christkindlmarkt, um dann vielfach seinen Standort zu wechseln. Erst 1975 erhielt der Wiener Christkindlmarkt den Standplatz vor dem Rathaus, an dem er mit Eislaufplatz und Shows Eventcharakter hat.[671]
Die Autorin hat als Kind den Wiener Christkindlmarkt vor den Hofstallungen erlebt und damals (um 1960) von einem seidenen Wurstel mit Porzellankopf geträumt. Aber auch türkischer Honig, kandierte Äpfel und ein gasgefüllter Luftballon, vom Großpapa am Mantelknopf des Kindes befestigt, erfüllten es mit Entzücken.
Hannelore Fielhauer[672] fand im Reisebericht der Miss Trolope über Wien aus dem Jahr 1836 Hinweise auf Christbaummärkte: „An jeder Straßenecke sieht man Frauen, [...] um Christbäume feilschen, die mit buntem Papier herausgeputzt sind. Diese Bäume, [...] stets Sprossenfichten [...], werden in jeder Größe und für jeden Preis fast von jeder Familie in Wien, die noch junge Leute hat, gekauft.“ Und 1851 stand in der Wiener Theaterzeitung: „Auf dem Hof sieht es aus wie im Prater, Baum an Baum; am Peter sieht man kaum die Kirche vor lauter Bäum und in Mariahilf hat der Weihnachtsmarkt an Bäumen einen solchen Vorrat, dass man vermeint, ein zweites Wien müsste hier für seine Kinder kaufen.“
Heute führen Betriebsausflüge und Eisenbahnsonderfahrten zu regionalen wie berühmten Christkindlmärkten, u. a. die Fahrten der ÖGEG (Österreichische Gesellschaft für Eisenbahngeschichte) von Linz und Salzburg nach Nürnberg oder die Nostalgiefahrten der Salzburger Lokalbahn zum Oberndorfer Christkindlmarkt. Für viele sind der Christkindlmarkt und die nostalgische Anreise, für andere die historischen Lokomotiven das Begeisternde an diesen Fahrten.
Unterschiedliche Bedürfnisse werden durch Christkindlmärkte erfüllt. Daneben bieten Geschäfte, speziell in touristischen Zentren, ganzjährig Christbaumkugeln bzw. Ostereier unter entsprechender Beschallung an, von denen die Festung Hohensalzburg, die Trapp-Familie, aber auch Mozart, Heidi, Edelweiß und Alpenglühen strahlen. Ausflugsziel wie internationalen Handelsbetrieb, ein Stück „good old Europe“ und Herzensglück, stellt dagegen „Bronner’s Christmas Wonderland“ dar.
[666] [Hübner 1792], Bd. 2, S. 450.
[667] Ingeborg Weber-Kellermann hat die Geschichte der historischen Christkindlmärkte in Deutschland zusammengestellt, aus ihrem Buch wird folgend zitiert: [Weber-Kellermann 1978], S. 70–84.
[668] [Weber-Kellermann 1978], S. 70–84.
[669] [Weber-Kellermann 1978], S. 70–84.
[670] [Fröhling 2000], hier S. 35–38.
[671] [Fröhling 2000], hier S. 38 f. – Vgl. [BauerWT 1996], S. 246.