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Unser gesamtes Leben ist durch Rituale geprägt. Sowohl die großen Ereignisse in unserem Lebenslauf als auch der Alltag sind von Ritualen begleitet. Rituale können Sicherheit geben und Hilfen zu einem achtsamen und bewussten Leben bieten. In den letzten Jahren wurden Rituale und ihre heilende Wirkung verstärkt von der Psychologie wieder entdeckt. Im religiösen und kirchlichen Bereich wird häufig von Ritualen gesprochen. Sie sind Lebensäußerungen und Lebensvollzüge der Kirche als Gemeinschaft und weisen einen engen Bezug zum Jahresablauf auf.
Der Begriff „Ritus“ kommt etymologisch von der indogermanischen Wurzel „ar“, was soviel wie „fügen“ heißt (altindisch: „rtáh“ = „angemessen“, „recht“). Unter diesem Begriff versteht man im religiösen Kontext eine wiederholbare Art und Weise des Kultvollzuges in Wort und Zeichen. Das „Ritual“ bezeichnet alle Akte eines formalisierten symbolischen Ausdruckhandelns von Einzelnen oder Gruppen. Die „Zeremonie“ bezeichnet die äußeren Formen des liturgischen Handelns. „Kult“ bzw. „Kultus“ ist ein Oberbegriff für den Umgang des Menschen und seiner religiösen Gemeinschaft mit höheren Mächten, Gottheiten oder Gott.
Die äußerliche Ordnung der Rituale gibt einen festen Halt und vermittelt Sicherheit. Rituale stiften Sinn und können den göttlichen Wert unseres Lebens erfahrbar machen. Sie werden auch als Weg angesehen, die Hilflosigkeit und Angst, die Menschen gegenüber unbewussten Mächten empfinden, zu bewältigen. Einen besonderen Platz nehmen Rituale bei Übergängen ein. Lebenswenden können damit besser und sicherer bewältigt werden.
An erster Stelle der kirchlichen Rituale stehen die Sakramente – Symbolhandlungen, bei denen Menschen als Glaubende und symbolisch Handelnde tätig und erkennbar sind. Sakramente sind rituelle Handlungen, die eng an einen personalen Glauben in christlicher Gestalt gebunden sind.
Von besonderer Bedeutung sind die Rituale der Tauffeier. Sie sind Hilfe für die Eltern, die Familie oder den bereits erwachsenen Täufling, diesen Übergang im Glauben zu vollziehen (Kreuzzeichen, Übergießen mit Wasser, Salbung mit Chrisam, Überreichen des Taufkleides, Taufkerze, Effata-Ritus). Der nächste große Übergang im christlichen Glaubensleben ist die Firmung („confirmatio“ = Stärkung). Diese steht in ihrer Bedeutung und ihren Ritualen (Handauflegung, Salbung mit Chrisam) in engstem Zusammenhang mit der Taufe.
Die Eucharistiefeier ist das kirchliche Ritual, das am häufigsten gefeiert wird und nimmt unter den sieben Sakramenten den höchsten Rang ein („Eucharistie“ = „Danksagung“). In der katholischen Überlieferung wird das Sakrament „Messe“ genannt. Sie ist auch wichtiger Bestandteil der so genannten „rites de passage“ (Übergangsriten: Hochzeit, Sakrament der Weihe). Mit vielen wichtigen und hilfreichen Ritualen versehen sind auch das Sakrament der Buße (z. B. Bußgottesdienste), das Sakrament der Krankensalbung, Tod, Trauer und Begräbnis. Durch die Ausübung und Feier dieser Rituale kann das Leben neuen Sinn und ein Gefühl von Würde und göttlichem Wert bekommen.
Das gemeinsame Leben in der Familie wird von verschiedensten Ritualen geprägt. Rituale wirken gemeinschaftsbildend und schaffen Klarheit im Umgang miteinander. Beispiele für solche Rituale sind die unterschiedlichsten Formen der Begrüßung und des Abschieds, Morgen- und Abendrituale mit Kindern, Rituale rund um die Mahlzeiten (Tischgebet) sowie die Feier von Geburtstagen und anderen Jubiläen. An den Lebenswenden Geburt, Heirat und Tod treffen familiäre und kirchliche Rituale zusammen und ergänzen sich.
Das Kirchenjahr mit seinen geprägten Zeiten bietet viele Möglichkeiten zu gemeinsamen Ritualen innerhalb der Familie. Ein Schwerpunkt liegt in den meisten Familien sicherlich in der Gestaltung der Adventzeit (Adventkranz, Adventkalender, Barbarazweige, Heiliger Nikolaus). Auch der Heilige Abend und die Weihnachtszeit sind in jeder Familie von eigenen Ritualen geprägt. Die Fastenzeit wird üblicherweise mit weniger Ritualen als der Weihnachtsfestkreis begangen. Stärker ritualisiert ist die Karwoche (Palmbuschen, Eierfärben, Ostergebäck, Osterratschen). Große volkstümliche Bedeutung hat die Segnung der Speisen zu Ostern. In vielen Familien ist es Brauch, im Anschluss an den Ostergottesdienst ein feierliches Frühstück mit den gesegneten Speisen zu halten. Diese Rituale verleihen dem Jahr eine eigene Form, jeder Jahreszeit eine besondere Bedeutung und sie geben vor allem Sicherheit in der familiären und kirchlichen Gemeinschaft.