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Medienmarken und Jugendkultur (Michelle Bichler, Eva Hammerer, Ingrid Paus-Hasebrink)

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Die Phase der Jugend

Die Phase der Jugend wird oft aus biologischer Sicht als Lebensabschnitt zwischen Kindheit und Erwachsensein definiert. Doch Jugend ist nicht nur eine Phase der körperlichen Geschlechtsreifung, sondern auch eine Zeit der Vorbereitung, die von zeitlichen, kulturellen und sozialen Faktoren geprägt wird. Die Heranwachsenden werden beruflich ausgebildet, in die Gesellschaft eingegliedert und entwickeln bzw. verfestigen ihre eigene Identität. Dieser Prozess kann zeitlich nicht genau eingegrenzt werden. Die Phase der Jugend ist somit dehnbar.

Heranwachsende setzen sich kritisch mit der Familie und mit Gleichaltrigen auseinander, um eigene kulturelle Werte, Ideale und Normen zu finden und zu verfestigen. Es werden Handlungsweisen erprobt und durch das Experimentieren mit unterschiedlichen Lebensstilen können schließlich eigene Identitäten entwickelt werden (= Collage-Identität).[154] Dieses Selbstständigwerden geschieht nicht nur durch das Imitieren und Erlernen bestehender gesellschaftlicher Normen, sondern durch selbsttätiges und eigenverantwortliches Aneignen von Fähigkeiten (= Selbstsozialisation).

Da dieser Lebensabschnitt vor allem durch Veränderungen geprägt ist, ist der Kontakt und Dialog mit Anderen für Jugendliche von besonderer Bedeutung, vor allem in Bezug auf ihre Identitätsentwicklung und ihre Neuorientierung. Neben der Familie spielen hier vor allem die Beziehungen zu Freunden und Gleichaltrigen (Peer-Groups) eine wichtige Rolle.

Jugendkulturen

„Das [die Jugendphase kennzeichnende] Streben nach Unabhängigkeit und das Ausprobieren neuer Lebensentwürfe verlangt […] die Abgrenzung von bisherigen Konzeptionen“[155] und hat damit eine Distanzierung der Jugendlichen von der elterlichen Autorität und deren Normen- und Wertesystem zur Folge – es entstehen eigene Jugendkulturen. Jugendliche schließen sich zu Cliquen und Gruppen mit eigenen Anschauungen, Wertesystemen, Verhaltensweisen und Lebensphilosophien zusammen, die sie von der Welt und der Kultur der Erwachsenen abgrenzen. Leitmotive sind hier vor allem die schrittweise Ablösung von den Eltern sowie die „Suche nach Zugehörigkeit und Kommunikation mit den gleichaltrigen Freunden“.[156]

Mittels eigener (jugendkultureller) Ausdrucksformen – einer eigenen „Jugendsprache“ –, eigener, alternativer Lebensphilosophien und Wertesysteme, eigener Präsentationsstile (Kleidung, Körperhaltung, Schmuck etc.) und eigener Interessen und Freizeitaktivitäten (Musik, Medien, Sport etc.) formen Jugendliche ihre eigene (Alltags)Kultur und Identität und grenzen sich damit nach außen ab – sowohl gegen die Erwachsenenkultur als auch gegen andere Jugendkulturen.[157] So entstanden im Laufe der Zeit verschiedene Jugendszenen, in denen sich Jugendliche mit gleichen kulturellen Interessen und Lebenseinstellungen gruppierten; zu den gegenwärtig populärsten Szenen gehören die HipHop-Szene , die Techno-Szene, die Szene der Computerspieler sowie die Snowboarder-Szene.[158] Vor allem die Themen rund um Musik, Sport und (neue) Medien sind Jugendlichen besonders wichtig. „Jugendkulturen sind [demnach] heute großteils mehrheitsfähige Freizeitkulturen.“[159]

Jugend und Jugendkulturen im Wandel

Durch global zu beobachtende gesellschaftliche Entwicklungstendenzen erfuhr auch die Welt der Jugendlichen einen weit reichenden Wandel. Jugendliche haben heute einen viel größeren Freiheitsspielraum und mehr Möglichkeitsräume. Es kommt zu einer zunehmenden Aufsplitterung des Alltags, in dem sich einerseits die Zeit des Lernens und der Ausbildung verlängert, in welchem sich andererseits die Freizeit stärker in den Mittelpunkt drängt.[160] Daraus folgt, dass Jugendliche in verstärktem Maße in der Lage sein müssen, ihr Leben selbstverantwortlich zu planen. So kommt es zu einem wachsenden Spannungsverhältnis zwischen der Suche nach Orientierung und dem Bemühen um Selbstbehauptung.[161]

Die Interessen und Wertekonzepte der unterschiedlichen Jugendgenerationen haben sich im Laufe der Zeit ebenfalls geändert. Die Lebensstile der Jugendlichen sind heute viel mehr als früher von populärkulturellen Angeboten durchsetzt.[162] Waren in den jugendkulturellen Bewegungen der 1960er-Jahre noch Gemeinschaftssinn und eine gewisse Uniformierung in Abgrenzung zur Erwachsenenwelt zu erkennen[163], so findet sich heute eine unüberschaubare Anzahl verschiedener Jugendszenen mit jeweils unterschiedlichen Lebenskonzepten und Weltanschauungen. Deutlich zeigt sich, dass die Lebenseinstellungen und Werte von Jugendlichen keiner klaren ideologischen Linie folgen. Die heutige Jugendgeneration wählt aus der breiten und oftmals überfordernden Vielfalt an Orientierungsmustern individuell verschieden und flexibel jene Elemente aus, die sie für ihre aktuelle biografische Situation benötigen; sie mixen sich sozusagen ihren eigenen „Werte-Cocktail“.[164]

Medien und ihre Bedeutung für Jugendliche

Medien und Medienwelten sind heute Teil des Alltagslebens Jugendlicher und allgegenwärtig. Sie gewinnen somit durch ihre ständige Präsenz und ihre große Bedeutung im Alltagsleben neue Funktionen. Neben Unterhaltung und Freizeitaktivität dienen sie der Information, der Kommunikation, der Integration, der überregionalen und globalen Vernetzung. Sie ordnen Alltag, Beruf und Freizeit und den Kontakt mit Anderen.

Medien „liefern jenes Rohmaterial an Symbolen, Zeichen, aber auch Werthaltungen und Einstellungsmustern, mit deren Hilfe sich die Jugend als Generation selbst definiert und sich von der Erwachsenenwelt abgrenzt“.[165] In den Medieninhalten finden Heranwachsende Impulse, Bilder und Orientierungsrahmen für ihre eigenen Fragen, Vorstellungen und kulturellen Suchprozesse.

Medien werden somit zu Instanzen der Selbstsozialisation, indem Heranwachsende die medialen Inhalte nicht nur auf sich einwirken lassen, sondern mit ihnen arbeiten und sie in ihr Selbstkonzept einbeziehen.[166] Beide, also sowohl Jugendkulturen als auch Medien, sind heute aufeinander bezogen: „Jugendkulturen richten sich über die Medien an ihr Publikum, für die Medien sind sie zum reizvollen Dauerthema geworden.“[167]

Entstehung und Integration von Medienmarken in den Alltag von Jugendlichen

Das enge Verhältnis zwischen Medien und Peer-Groups bzw. Jugendkulturen spielt im Hinblick auf die Entstehung und Verbreitung von Medienmarken eine bedeutende Rolle. Bestimmte Modeerscheinungen, Lebenseinstellungen und Sprachstile bieten sich als verbindende Orientierungselemente und Identifikationssymbole im Interaktionsprozess zwischen Jugendlichen an und werden zu Marken stilisiert. Auch Medienangebote sind für den Heranwachsenden die Möglichkeit einer gemeinsamen Sinnstiftung und können demzufolge Markencharakter erlangen.

Damit bestimmte Produkte, Medienangebote oder auch Figuren Markenstatus und eine gewisse Marktposition erreichen können, braucht es zum einen durchdachte Vermarktungsstrategien der Anbieter, andererseits müssen die angebotenen Produkte aber auch die Konsumenten und Rezipienten ansprechen und von ihnen als Marke an- und wahrgenommen werden. Die beste Strategie nützt den Anbietern nichts, wenn nicht die Rezipienten diese oder das Angebot (beispielsweise eine Sendung, einen Sender oder einen Produzenten) ablehnen. Nur durch dieses erfolgreiche Wechselspiel von Angebot und Nachfrage kann ein Produkt auf dem Markt überhaupt Fuß fassen und Erfolg haben.

Medienmarken aus Sicht der Anbieter

Für die Etablierung einer Medienmarke auf dem Markt gibt es kein universelles Erfolgsrezept. Wie eine deutsche Untersuchung[168] belegt, ist das erfolgreiche Positionieren einer Medienmarke am Markt in erster Linie davon abhängig, inwieweit sich das Produkt klar von anderen ähnlichen Angeboten abgrenzt. Es muss einen unverwechselbaren, einzigartigen Charakter besitzen.

Die Produzenten wollen sich durch die Einführung einer Marke von den übrigen Anbietern auf dem Markt abgrenzen, ihr Produkt bekannt machen und die Kunden so an die Marke binden. Dafür nutzen sie unterschiedliche Kanäle, um den Rezipienten attraktive Angebote mit Orientierungsfunktion zu bieten.[169] Die Produzenten setzen zu diesem Zweck Werbung ein, die zumeist über Massenmedien verbreitet wird. Ist die gewünschte Zielgruppe schließlich erreicht, promoten die Anbieter ihr Angebot noch auf anderen Wegen. So soll der Verkauf von Harry Potter-Büchern beispielsweise durch Events wie nächtliche Partys in Buchläden angekurbelt werden.

Die multimedialen Übertragungswege halten für die Anbieter eine Vielzahl von Vermarktungsmöglichkeiten bereit: „Auf der einen Seite wird es so immer schwieriger für die Anbieter, zu entscheiden, auf welchem Wege ihr Publikum tatsächlich erreicht werden kann. Andererseits ergeben sich für die Inhaber von Rechten eine Vielzahl von Optionen zur Auswertung von Marken.“[170]

Medienmarken aus Sicht jugendlicher Rezipienten 1

Die jugendlichen Rezipienten wählen die von ihnen bevorzugten Angebote und Figuren je nach Bedürfnis und Entwicklungsthemen aus. Finden Kinder und Jugendliche ihre Themen in den medialen Angeboten wieder, können diese durchaus Markenstatus bei ihnen erreichen. Dabei spielen externe Faktoren wie die Peer-Group, der Klassenverband oder ältere Geschwister eine große Rolle. Diese geben vor, was gerade im Trend liegt, welche Angebote rezipiert (angenommen) werden und welche nicht.

Erstaunlich ist, so zeigen die Ergebnisse einer deutschen Studie,[171] dass Kinder eine große Vielfalt an Markenbeziehungen im Hinblick auf die verschiedenen Medien entwickeln. Die Bandbreite an Lieblingsangeboten ist groß; „fast unüberschaubar erscheint das Spektrum an Fernsehsendungen, Hörkassetten, Büchern, Kinofilmen, Computerspielen, Zeitschriften und Comics“.[172] Die Aufmerksamkeit der Kinder differenziert sich mit der Zunahme an Medienangeboten weiter aus – wobei geschlechtsspezifische Unterschiede zu erkennen sind.[173] Neben speziellen Lieblingsfiguren aus Filmen, Fernsehsendungen und Computerspielen werden auch Film- und Fernsehsendungen selbst, diverse Programmreihen und sogar Fernsehsender genannt, zu denen Heranwachsende Markenbeziehungen aufbauen.

Medienmarken aus Sicht jugendlicher Rezipienten 2

Neben Alter und Geschlecht spielen aber auch lebensweltliche Hintergründe sowie die Schulbildung eine wesentliche Rolle im Umgang mit Medienangeboten und demzufolge auch im Aufbau von Markenbeziehungen zu Medien. So unterliegen Hauptschüler eher einem Gruppenzwang als Gymnasiasten. Diese gehen mit Medien und Werbung deutlich kritischer um als formal niedriger gebildete Schüler und Schülerinnen.[174]

Vor allem für Heranwachsende, die sich in speziellen kommunikativen Problemlagen befinden, erhalten bestimmte Medienangebote einen wichtigen Stellenwert, wie die deutsche Studie „Medienkindheit – Markenkindheit“[175] deutlich macht. „Mit Hilfe der multimedial vermarkteten und von den Kindern entsprechend multimedial genutzten Symbolangebote [...] suchen sie zu einem stabilen Selbstkonzept zu gelangen, ob aus Mangel an attraktiven realen männlichen Vorbildern, den fehlenden Vätern [...], um sich den ersehnten Platz in einer Peer-Group zu erringen oder sich explizit von Anderen abzugrenzen oder um in der Identifikation mit dem verehrten, omnipotenten Helden die quälende oder die mit bitteren persönlichen Kränkungen versehene Außenseiterposition zumindest virtuell zu kompensieren.“[176]

Medienkompetenzen – Jugendeinrichtungen sind nötig

Medienkompetenzen sollten neben dem Elternhaus auch in Schulen und außerschulischen Einrichtungen vermittelt werden. Den Heranwachsenden soll zum Beispiel in Jugendeinrichtungen ein selbst bestimmter und kritischer Umgang mit Medien und medialen Zusatzprodukten ermöglicht werden.

Jugendeinrichtungen als eigens bereitgestellte Räume dienen Jugendlichen als Treffpunkte. Hier können sie soziale Kontakte mit Gleichaltrigen eingehen und werden als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt und ernst genommen und können ihre Umwelt selbst mitgestalten. In diesen Einrichtungen werden jungen Menschen auch Medien zur Verfügung gestellt oder Möglichkeiten geboten, selbst im medialen Bereich tätig zu werden, wie beispielsweise eigene Filme zu drehen oder Radiobeiträge zu gestalten. Es genügt aber nicht, den Jugendlichen einen Internetzugang zur Verfügung zu stellen. Medienpädagogische Konzepte sind hierfür auch in der außerschulischen Jugendarbeit notwendig. Auch für die Betreuer gilt es, sich in diesem Bereich weiterzubilden, um den Jugendlichen die notwendigen Kompetenzen vermitteln zu können.

Jugendarbeit – auch mit Medien – kostet etwas. Sie ist jedoch im Hinblick auf die Zunahme von Medien insbesondere kommerzieller Art von hoher, wachsender Relevanz. Dies gilt vor allem in Bezug auf sozial schwächer gestellte und formal niedriger gebildete junge Menschen; diese benötigen in besonderer Weise Hilfestellungen, um ihnen Chancen zu einem kompetenteren und selbstbestimmten Medienumgang zu bieten.[177]



[154] [Kähler 2001] S. 22. – [Kromer 1998], S. 12.

[155] [Kromer 1998], S. 13.

[156] [Sander 2001], S. 17.

[157] [Sander 2001], S. 18. – [Baacke 1998].

[158] [Großegger/Heinzlmann 2002], S. 6.

[159] [Großegger/Heinzlmann 2002], S. 123.

[160] [Thole 2002], S. 653–684, hier S. 663.

[161] [Thole 2002], S. 653–684, hier S. 663.

[162] [Luger 1998], S. 2–13, hier S. 6.

[163] [Luger 1998], S. 2–13, hier S. 7.

[164] [Großegger 2004], S. 153–171, hier S. 153–171, hier S. 154.

[165] [Kromer 1998], S. 10.

[166] Vgl. [Paus-Haase 2000], S. 55–81.

[168] [Dreier 2004].

[169] [Dreier 2004].

[170] [Dreier 2004], hier S. 106.

[172] [Hasebrink 2004], hier S. 236.

[173] Vgl. [Hasebrink 2004], hier S. 237.

[174] Vgl. [Hasebrink 2004], hier S. 156f.

[175] [Paus-Hasebrink 2004a].

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