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Rituale bei Schwangerschaft und Geburt (Adelheid Schrutka-Rechtenstamm) – Langtext

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.“ (Hermann Hesse)

Geburt als Übergang

Die Geburt eines Kindes ist allgemein menschlich, eine biologische Konstante; allerdings sind sowohl Verhalten und die notwendigen Handlungen rund um die Geburt als auch die Bedeutung und die Symbolik kulturgebunden, das heißt weltweit völlig unterschiedlich, ja bisweilen sogar gegensätzlich.

Ein Kind zu bekommen, Eltern zu werden, ist einer der wichtigen Übergänge im menschlichen Leben und bedeutet nicht nur für das Neugeborene einen Beginn. Die Geburt bedeutet auch den Statuswechsel von Frau zu Mutter, von Mann zu Vater und erfordert von den Beteiligten, sich auf die neue Situationen einzustellen, auf die Schwangerschaft, auf die Geburt selbst und schließlich auf das Leben mit dem Kind.

Traditionellerweise sind diese Übergänge im Lebenslauf von Ritualen bzw. Bräuchen begleitet, die den Menschen quasi kulturell unter die Arme greifen, damit sie wissen, wie „man“ sich in diesen Phasen verhält. Die Rituale legen den Ablauf des Statuswechsels fest, sie geben Handlungsanweisungen und strukturieren das Alltagsleben durch die Anwendung von bewährten Anpassungs- und Bewältigungsstrategien. Rituale gebieten und verbieten und geben dadurch Orientierung und Sicherheit, da man weiß, was man zu tun hat.

Beschäftigt man sich mit den Ritualen rund um die Geburt, scheint die Assoziation zum Konzept der „rites de passage“ nahe liegend, ein Modell, das, wie wohl oft zitiert, insgesamt von der Volkskunde erst ins jüngerer Zeit verstärkt rezipiert wurde. Die Auseinandersetzung mit diesem Modell hätte erlaubt, andere Fragen als die in der Volkskunde so beliebten nach z. B. der Genese von Bräuchen zu stellen. Die bekannte Grundthese von Arnold van Gennep lautet, dass Übergangsphasen im menschlichen Lebenslauf durch Riten geprägt sind, und ganz besonders gilt dies für die kritischen Momente im menschlichen Leben: Geburt, Pubertät, Hochzeit und Tod. Die „rites de passage“ gehen jeweils mit Veränderungen von Status, Beschäftigung, Aufenthalts- oder Wohnort einher. Das Modell von van Gennep ist jedoch nicht auf den menschlichen Lebenslauf beschränkt, sondern schließt Übergänge ganz allgemein mit ein, seien sie gesellschaftlicher, biologischer oder kosmischer Art. Immer wieder neue Schwellen wie Nacht, Jahreszeit, Adoleszenz trennen und vereinigen wieder, verändern Zustand und Form und stehen für Sterben und Wiedergeboren-Werden. Die Schwellen symbolisieren Handeln und Innehalten, Warten und Sich-Ausruhen, um dann erneut, aber anders zu handeln.

Die typische Abfolgeordnung, die auch Viktor Turner aufgegriffen hat, ist markiert durch Trennung, Umwandlung und Angliederung.[1429] Die Trennungsrituale lösen die Frau in der Schwangerschaft aus ihrem früheren Leben heraus, lassen sie davon Abschied nehmen und führen sie auch von der bisherigen Bezugsgruppe weg. Sie befindet sich sowohl physiologisch als auch sozial in einem besonderen Zustand. Die Geburt des Kindes selbst entspricht der eigentlichen Schwellen- oder Umwandlungsphase, der Turner besonderes Augenmerk beimisst. Die am Ritual Beteiligten sind „auf der Schwelle“ eine Art undefinierte Wesen, die nicht mehr auf die alten Rollen beschränkt sind, die aber ihre neuen noch nicht angetreten haben. Sie befinden sich in Formlosigkeit quasi außerhalb der von Gesetz, Tradition und Hierarchie fixierten Positionen. Dieser Phase entspricht die „communitas“ als undifferenzierte Gemeinschaft, die durch Direktheit, Einfachheit und Unstrukturiertheit beschrieben wird, eine Gemeinschaft wie sie bei traditionellen Geburten zu beobachten war.[1430] Auf die Geburt folgt die dritte Phase, in der Angliederungsriten die soziale Rückkehr der Frau und die Aufnahme ihres Kindes in die Gesellschaft regeln.

Die Übergangsrituale lassen die Brüche und Diskontinuitäten im zeitlichen und sozialen Lauf der menschlichen Existenz in den Vordergrund treten. Es sind symbolische Handlungen, die in einer ganz bestimmten Folge ausgeführt werden und die Ängste vor Veränderungen kanalisieren und die Betroffenen in die Gesellschaft einbinden, was gerade in Zeiten der Transformation von Bedeutung ist. Die Qualität der Übergangsrituale hat sich in der Industriegesellschaft verändert: sie sind einerseits institutionalisiert und globalisiert. Auf die Geburt bezogen bedeutet dies beispielsweise, dass es rechtliche Regelungen zum Schutz von Mutter und Kind gibt und dass in Kliniken, die zum wichtigsten Geburtsort avancierten, international vergleichbare Standards und Methoden Anwendung finden.

Andererseits wurden die ehemals öffentlichen Übergänge privatisiert und die Auflösung der normativen Handlungsdirektiven ermöglicht zunehmend die individuelle Gestaltung biografischer Zäsuren. Rund um Schwangerschaft und Geburt gibt es mittlerweile eine Fülle an individuellen Möglichkeiten, sich auf die Geburt vorzubereiten. Es kommt zu einer Vielzahl von Entscheidungen, die nunmehr privatisiert sind und nicht mehr dem traditionell geregelten, kulturspezifischen Ablauf von Schwangerschaft und Geburt entsprechen. Vielmehr sind Lebenseinstellung, Lebensstil, persönliche Vorstellungen und Werte für die Wahl der Geburtsumstände verantwortlich. Daraus allerdings zu schließen, dass es bei Schwangerschaft und Geburt keine ritualisierten Handlungen mehr gibt, greift zu kurz.

Rituale sind symbolische Handlungen, die über sich hinausweisen und die ganz allgemein, um mit Hans-Georg Soeffner zu sprechen, Orientierung, Schutz und Sicherheit geben. Sie sind so etwas wie standardisierte kollektiv formalisierte Bewältigungsmechanismen für Unbekanntes.[1431] Rituale entlasten den Menschen davon, Handlungen neu zu gestalten zu müssen, sie erlauben ihm, auf tradierte und bewährte Muster zurückzugreifen. Eine wichtige gesellschaftliche Funktion der Rituale liegt darin, mögliche Störungen durch eine Steuerung und Kontrolle des Veränderungsprozesses abzuschwächen. Auf die wichtige Bedeutung des kommunikativen Faktors von Ritualen hat Ingeborg Weber-Kellermann hingewiesen.[1432] Sie dienen als normative Zeichen sowohl gleichzeitig der Identitätsstiftung gegenüber Gleichgesinnten als auch der Abgrenzung vom Anderen. Sich in rituellen Konventionen „richtig“ zu bewegen, verlangt von jedem Einzelnen die Beherrschung der jeweiligen „rituellen Idiome“ und dies hat nicht nur in historischen Kontexten seine Bedeutung, sondern auch in aktuellen Bezügen, wenn es darum geht, diejenigen symbolischen Handlungen zu wählen, die beispielsweise im sozialen Umfeld die größte Anerkennung bringen. Die spezielle Form der Bekanntgabe der Geburt des Kindes oder die Gestaltung der Tauffeier geben hier beredtes Zeugnis.

Gehören nun aber eigentlich symbolische Handlungen und Rituale angesichts der fortschreitenden Medikalisierung und Sicherheit der Geburt der Vergangenheit an? Das gesundheitliche Risiko einer Geburt war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts ungleich größer als heute, wo modernste medizinische Techniken der Geburtshilfe zur Verfügung stehen. Zusätzlich werden durch verschiedene Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft mögliche Risiken abgeklärt. Es kann aus verschiedensten Möglichkeiten frei gewählt werden, welcher Art der Geburtsvorbereitung jeweils der Vorzug gegeben wird, und auch bei der Geburt selbst sehen sich die werdenden Eltern einer Fülle an möglichen Wegen und Orientierungen ausgesetzt, aus denen scheinbar frei entschieden werden kann. Die Einschränkung „scheinbar“ ist notwendig, da die Entscheidungen im Zusammenhang mit den persönlichen Lebensumständen und Lebenseinstellungen fallen.

Die Weitergabe von Wissen erfolgt nicht mehr durch die Müttergeneration, sondern durch Kurse, Fachleute wie Ärzte oder Hebammen und verschiedenste Medien. Schwangerschaft und Geburt werden auf diese Art und Weise kontrolliert und erlauben ein großes Maß an Sicherheit, das auch mit der Abgabe von Verantwortung der Einzelnen an die professionellen medizinischen Helfer, verbunden mit Vertrauen in die neuen Kenntnisse und Methoden, in Zusammenhang steht. Dennoch existieren nicht nur in vormoderner Zeit, sondern auch aus heutiger Sicht rund um Schwangerschaft und Geburt Handlungen mit rituellem Charakter, deren Symbolik allerdings nicht mehr so offensichtlich ist, wie sie es aus unserer heutigen Sicht für die Vergangenheit war, sondern die, wie zu zeigen sein wird, eine Frage der Interpretation ist. Wer Teil des jeweiligen Systems ist, für den sind ihre Normen und Werte im Großen und Ganzen selbstverständlich, erst im Kulturvergleich oder auf der Metaebene zeigt sich, dass es auch andere Möglichkeiten gibt.

Kinderwunsch und Familienplanung

Um die Veränderungen rund um das Geburtsgeschehen in ihrer Symbolik zu analysieren, ist es notwendig, den Blick weiter zu fassen und auch Veränderungen in der Bedeutung der Geburt eines Kindes zu thematisieren. Vor der Geburt eines Kindes steht der Kinderwunsch, und dieser Wunsch wird durch kulturelle und gesellschaftliche Faktoren mitbestimmt, er ist also nicht per se eine allgemein menschliche Konstante, wie die Geschichte der Abtreibung zeigt.[1433] Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass aufgrund von Naturbeobachtungen der Zusammenhang zwischen Geschlechtsverkehr und Schwangerschaft zum autochthonen Wissen aller Kulturen gehört.[1434] Dies lässt sich auch durch verschiedenste Praktiken der Empfängnisverhütung, die auch bereits in den alten Hochkulturen existierten, zeigen.[1435]

Die Motive für den Kinderwunsch sind für die Startbedingungen des Kindes wichtig. Nichts, so mag es zunächst erscheinen, ist für ein Kind vorteilhafter, als sehnlichst erwartet zu sein. Mit dem Wunsch nach einem Kind können ganz unterschiedliche Vorstellungen wie Hoffnungen, Wünsche, Gefühle, Pflichten und Zwänge verbunden sein. In früheren Jahrhunderten, ja noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts waren Ehe und Elternschaft in Europa unmittelbar miteinander verknüpft und an Besitz gebunden, während ledige Mütter sozial ausgegrenzt wurden, negativen Sanktionen ausgesetzt waren und zum Teil in der Tötung des Kindes den letzten Ausweg aus ihrer misslichen Lage sahen. Zahlreiche Gerichtsakten geben detailliert über das Schicksal und die Beweggründe der verzweifelten Frauen Auskunft. Vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts erlaubten zahlreiche Findelhäuser durch ihre Einrichtung von Findlingskästen, so genannten „Drehladen“, in ganz Europa die anonyme Abgabe von Kindern. Die bekanntesten Institutionen waren das Findelhaus in Florenz und die „Maison des enfants trouvés“ in Paris. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in jüngster Zeit wieder eingeführt, um Neugeborene anonym an einem sicheren Ort abgeben zu können.[1436]

Bis ins 20. Jahrhundert gehörte das Kinderkriegen zum Wesen der Frau, und diese wurde über ihre Kinder definiert. In der vorindustriellen Gesellschaft brauchte man Kinder vor allem aus ökonomischen Gründen: als Arbeitskräfte, zur Alterssicherung, zur Vererbung von Besitz und Namen. Gefühle, die heute eine zentrale Bedeutung erlangt haben, waren nachgeordnet. Der Großteil der Bevölkerung in feudalen Systemen war in der Landwirtschaft tätig. Dabei spielten vor allem männliche Nachkommen eine besondere Rolle, man denke an den sehnlichst erwarteten Hoferben. Das Kind tritt als Objekt elterlichen Besitzes in Erscheinung. Mit der Industrialisierung, die abhängige Lohnarbeit und zunehmende soziale Absicherung durch den Staat mit sich brachte, vor allem aber mit dem Verbot der Kinderarbeit, traten die ökonomischen Vorteile des Kinderhabens zunehmend zurück. Die Entwicklung führte zunächst vom Kindersegen zur Kinderlast. Kinder arbeiteten nicht mehr mit, abhängige Lohnarbeit ersetzte Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und Alterssicherheit gab schließlich die gesetzliche Vorsorge als Rente. Heute bringen Kinder keine materiellen Vorteile, sie sind im Gegenteil mit finanziellem Aufwand verbunden und bedeuten vor allem für Frauen Einbußen in der beruflichen Entwicklung. Der Kinderwunsch kann heute als Projektionsfläche für unerfüllte eigene und utopische Wünsche gelten.

Der Kinderwunsch ist kulturell bestimmt und von zahlreichen äußeren Faktoren, vor allem aber von der Position der Frauen in der jeweiligen Kultur abhängig. Insgesamt verzeichnen die hochindustrialisierten Länder Europas seit den 1960er-Jahren einen deutlichen Geburtenrückgang. Die niedrigsten Geburtenraten im Jahre 2002 verbuchten Deutschland (8,8 Prozent), Griechenland (9,0 Prozent), sowie Italien und Österreich mit jeweils 9,6 Prozent. Statistisch beträgt das EU-Mittel 1,44 Geburten pro Frau.[1437]

Eine interessante Parallele ergibt sich im Vergleich der Kinderzahl und der Betreuungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand. In den Staaten, in denen die Versorgung der Kinder den ganzen Tag über gewährleistet ist, wie in Schweden oder Frankreich, zeigt sich, dass die Kinderzahl deutlich höher ist als in Ländern, in denen diesbezüglich individuelle Lösungen gefunden werden müssen, wie beispielsweise in Deutschland oder auch Österreich. Ob damit auch unterschiedliche kulturelle Bilder von Mutterschaft, Vaterschaft verbunden sind, wäre in diesem Zusammenhang sicherlich eine interessante Frage, ebenso wie die Thematik rund um die Bedeutung des Kindes und seine Erziehung vor der jeweiligen gesellschaftlichen Kulisse.[1438] Es nimmt jedoch nicht nur die Kinderzahl pro Familie ab, sondern es steigt die Zahl der kinderlosen Frauen und Männer insgesamt. Während vor 25 Jahren, also Anfang der 1970er-Jahre, in Deutschland noch 72 Prozent der Bevölkerung in Haushalten mit Kindern lebten, sind es heute nur noch 58 Prozent. Von den westdeutschen Frauen, die 1945 geboren sind, bekamen 13 Prozent keine Kinder, von den 1960 Geborenen wird jede Vierte kinderlos bleiben. Parallel dazu ist das Alter der Frauen bei der Geburt des ersten Kindes deutlich angestiegen.[1439]

Ungewollte Kinderlosigkeit kann zu tiefgehenden seelischen Verletzungen führen, wie Berichte sowohl aus früherer Zeit als auch der Gegenwart zeigen. Versuchte man „früher“ die „Schande der Unfruchtbarkeit“, von der vor allem Frauen betroffen waren, mit Zaubersprüchen, Heilkräutern oder durch Wallfahrten zu tilgen, so nehmen heute Paare, also Frauen und Männer, langwierige medizinische Untersuchungen und Verfahren auf sich, um den Wunsch nach Nachkommen zu realisieren.

Solange Ehe und Kinder noch als selbstverständliche Lebensbestimmung der Frau galten, war eine bewusste Entscheidung gegen Kinder sehr viel schwieriger, stand doch der massive Druck der gesellschaftlichen Erwartungen dagegen. Heute wird von der Frau nicht mehr selbstverständlich erwartet, ihren Lebensinhalt im Aufziehen von Kindern zu finden. Liebe und Sexualität, Ehe und Elternschaft bilden heute nicht mehr unauflösliche Begriffspaare. Die zunehmende Zuverlässigkeit der Empfängnisverhütung hat dazu sicherlich beigetragen. Die Emanzipationsbewegung hat der Frau neue Möglichkeiten der Lebensplanung eröffnet. Weibliche Berufstätigkeit und damit finanzielle Unabhängigkeit ist heute – zumindest in der Vorkinderphase – selbstverständlich. Der gesetzliche Schutz erwerbstätiger Frauen während der Schwangerschaft und der Mutterschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten verbessert. Ein mehrwöchiger bezahlter Mutterschaftsurlaub vor und nach der Geburt ist die Regel und auch die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub, wobei das Arbeitsverhältnis bestehen bleibt, hat sich in den industrialisierten Ländern durchgesetzt.

Studien über Familienplanung zeigen, dass die Kinderzahl mit der Position der Frauen in den jeweiligen Kulturen zusammenhängt. In Ländern, die mit dem Problem der Überbevölkerung zu kämpfen haben, zeigt sich, dass die Geburtenzahlen sinken, wenn die Frauen einen höheren Status, mehr Bildung erhalten und ihre Entscheidungsfähigkeit gestärkt wird, wenn ihre Rolle nicht auf Kinderkriegen reduziert wird. Eine Frau, deren Arbeit Geld bringt, hat einen „Wert“, der über ihre Gebärfähigkeit hinausgeht. Sie heiratet in der Regel später und hat eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber Mann und Familie. Frauen mit Grundschulbildung bekommen weniger Kinder als Analphabetinnen, sind sie ins Gymnasium gegangen, reduziert sich die Zahl gar um 50 Prozent. Und wird dieser gestiegene „Wert“ auch den Töchtern beigemessen, lässt der Druck, möglichst viele männliche Nachkommen zu gebären, nach.[1440]

Die Geburt eines Kindes verändert das Leben von Frauen viel stärker als das von Männern. Die Aufteilung der Geschlechterrollen scheint jedoch auch jenseits von Schwangerschaft und Geburt vorbestimmt: so ist Betreuung der Kinder nach wie vor Frauensache, ihre Sphäre ist die des Hauses, während der Mann die Familie versorgt. Dies gilt auch trotz Veränderung der Vaterrolle, wie dies speziell in Mittel- und Nordeuropa der Fall war: Obwohl der Erziehungsurlaub zunehmend auch von Vätern in Anspruch genommen werden kann, bleibt dies auch in Schweden, das noch den höchsten Anteil aufweist, die Ausnahme. Für Frauen stellt sich jedoch generell die Frage nach der Möglichkeit der Vereinbarung von Beruf und Familie. Ein Vergleich der Erwerbsquoten von Frauen und Männern in Europa zeigt deutliche Unterschiede. Während in Skandinavien die Zahlen der berufstätigen Männer und Frauen nur in geringem Maße differieren, so ist in Irland, Griechenland, Spanien oder Italien die Erwerbsquote der Männer doppelt so hoch wie die der Frauen. Interessant an dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass trotzdem gerade in Südeuropa die Geburtenrate stark gesunken ist und hinter den nordeuropäischen Ländern liegt.[1441]

Schwangerschaft und Geburt: historischer Wandel

Die Fakten und Umstände der Geburt werden weltweit in Erzählungen und Mythen gekleidet. In vielen offenbart sich ein bestimmtes Bild von der Welt und der Stellung, die der Mensch in ihr einnimmt.[1442] Im 19. Jahrhundert führte die nach innen gerichtete Denkweise der bürgerlichen Familie zur Abschirmung der Kinder von der Welt der Erwachsenen, von der Außenwelt. Dies brachte eine körper- und sexualfeindliche Erziehung mit sich. Kinder wurden nicht aufgeklärt, auch nicht anlässlich der Geburt eines Geschwisterchens: Die Rolle der Mutter – und erst recht des Vaters – wurde verschwiegen und stattdessen die Legende vom Klapperstorch verbreitet. Der Adebar ist in der Volksetymologie ein Glücksbringer und brachte in den meisten deutschsprachigen Gegenden die Babys und sollte auf diese Weise für die Kinder den Geburtsvorgang verhüllen. Der Storch brachte nicht nur das Baby, sondern den Geschwistern vielfach auch eine Tüte mit Süßigkeiten.

In zahlreichen Kulturen gibt es für die Schwangerschaft zahlreiche Regeln und Rituale für die Schwangere, denen Schutz- und Reinigungsvorstellungen zugrunde liegen. Die Regeln, wie eine Geburt „richtig“ vor sich geht, stimmen mit der jeweiligen Weltsicht der Menschen, mit ihren Vorstellungen vom Übernatürlichen, den Rollen von Mann und Frau oder ihrer technologischen Entwicklung überein.[1443] Generell suchte man, Schreck und Angst von den Gebärenden fernzuhalten, um ein „Versehen“, das heißt eine mittelbare Schädigung des Fötus zu vermeiden. Böse Einflüsse wurden durch Licht oder Feuer gebannt. In der Schwangerschaft gibt es unzählige Dinge, die eine Frau nicht tun darf: Ernährungsvorschriften und Verhaltensvorschriften kennzeichnen diesen Lebensabschnitt bis in die heutige Zeit und entsprechen der Sorge um die Gesundheit und Unversehrtheit des ungeborenen Kindes. Weit verbreitet sind auch immer noch astrologische Vorstellungen der symbolischen Bedeutung der Geburtsstunde. Die Nahrungstabus sind aus heutiger klinischer Sicht nicht immer günstig, unterstreichen allerdings das Erlebnis der Schwangerschaft als hervorgehobenen Zustand.[1444]

Im historischen europäischen Kontext des Geburtsgeschehens gab es zahlreiche sympathetische Vorstellungen, dass Gleiches wieder Gleiches hervorbringt und dass verwandte Prinzipien auch in diesem Kontext wirken. So soll das Lösen von Schürzen- und Schuhbändern, das Tragen von Korallen, das Umfassen von Blutsteinen oder das Aufschließen von Schlössern im Haus der Frau das Öffnen, das Gebären erleichtern, auch das Kriechen durch Felslöcher während der Schwangerschaft dient dem selben Zweck.[1445] Bei all diesen Beispielen muss jedoch beachtet werden, dass sie regional und zeitlich begrenzt auftraten und der Überlieferungsweg nicht immer kontrollierbar ist.

Das Geburtsgeschehen selbst ist in allen Kulturen ein wichtiger Vorgang, der nicht nur im Leben der Frau, sondern auch für die Familie und für das soziale Leben der Gemeinschaft von großer Bedeutung ist. Zu den verbreiteten Regeln gehört die Wahl einer vertrauten Umgebung für die Geburt. Dazu gehört auch die Anwesenheit von ausgewählten Personen, die Erfahrungen mit dem Geburtsgeschehen haben. Die Bedeutung dieser Gruppe für die Gebärende hat Maya Nadig besonders hervorgehoben, da sie für die Befindlichkeit der Frau von großer Bedeutung ist, indem sie eine angstfreiere Einstellung zum Geschehen entwickelt, verbunden mit einem Gefühl der Entspannung, Sicherheit und Ruhe.[1446]

Geburt und Geburtshilfe durchliefen vom späten 18. bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert einen tiefgreifenden Wandlungsprozess, in dessen Verlauf sich die Geburtshilfe zu einem Teilgebiet der medizinischen Wissenschaft entwickelte. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts leisteten fast ausschließlich Hebammen Geburtshilfe, die es als Berufsstand schon im Mittelalter gegeben hat und die ein großes Wissen und spezifische Fertigkeiten angesammelt hatten. Und wo es keine professionellen Helferinnen gab, unterstützen „kundige Frauen“ die Gebärenden. Die Kinder kamen zu Hause, in der vertrauten Umgebung der Frau, zur Welt. Mit dem Entstehen der ersten Entbindungsanstalten, der so genannten „Accouchiranstalten“, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, kam es zur „Vermännlichung“ der Geburtshilfe. Immer mehr Ärzte praktizierten als Geburtshelfer, was zu einer neuen Kultur des Gebärens führte, zur Medikalisierung der Geburt. Damit wurde ein Prozess eingeleitet, in dessen Verlauf die Geburt nicht mehr länger weibliche Domäne im vertrauten Ambiente blieb, sondern zunehmend von Ärzten überwacht und in Krankenhäuser transferiert wurde.[1447] Der neue Blick auf die Geburt war durch einen grundlegend neuen, rationalen Umgang mit Körper, Krankheit und Tod geprägt und beeinflusst das Geschehen bis in die Gegenwart. Die alten Rituale verloren nicht nur ihren äußeren Rahmen, sondern die Ängste wurden nun auf das Sicherheit ausstrahlende System der medizinischen Fachleute übertragen.

Dies führte dazu, dass gegenwärtig die Zeit der Schwangerschaft und Geburt durch medizinische Vorsorge und Versorgung geprägt ist, die eine größtmögliche Sicherheit für Mutter und Kind versprechen. Gerade an einer dieser routinemäßig und regelmäßig durchgeführten Untersuchungen lässt sich aber trotz aller rationalen Einstellung dennoch das Bedürfnis nach einer neuen Zeichenhaftigkeit und Ritualisierung rund um Schwangerschaft und Geburt zeigen: Am Beispiel der Untersuchungen mit der Ultraschalltechnik – entwickelt in den 1960er-Jahren von britischen Ärzten – wird deutlich, dass es sich hierbei um mehr als einen Teil der medizinischen Diagnostik handelt. Der Blick auf den Bildschirm, verbunden mit den erklärenden Worten und Gesten des Arztes, ist nicht nur für die werdende Mutter eine objektive Nachricht über den guten Verlauf der Schwangerschaft, zunehmend werden auch Väter in das Geschehen integriert und zum „Babyfernsehen“ oder dem „Kino aus dem Mutterleib“[1448] mitgenommen. Empirische Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die meisten Frauen nach dem Betrachten der Bilder neue Hoffnung und Sicherheit schöpften. Ihre Beziehung zum Ungeborenen wurde enger, sie empfanden weniger Angst und waren mehr als vorher zuversichtlich, dass ihre Schwangerschaft ein glückliches Ende nehmen würde.[1449] Aber nicht nur die regelmäßige Untersuchung erhält rituellen Charakter, sondern auch der Umgang mit dem gedruckten Bild des Fötus, das die werdenden Eltern mitnehmen dürfen, gibt beredtes Zeugnis von der innewohnenden Symbolik: es gilt nicht nur als nüchternes Untersuchungsergebnis, sondern wird als quasi erstes Foto des Kindes vorgezeigt und aufbewahrt. Es ist mehr als nur Teil der medizinischen Diagnostik und erlaubt einen ersten Kontakt und einen ersten Blick auf das Kind. Das Bild wird nicht nur zum Zeichen seiner Existenz, sondern zum Zeichen dafür, dass „alles in Ordnung ist“.

Barbara Duden spricht in diesem Zusammenhang von der Symbolkraft der Technik und kritisiert, dass die Frauen in ein dichtes rituelles Geflecht – vom ersten Bluttest bis zur letzten Eintragung in den Mutter-Kind-Pass –, eingefangen seien, mit deren Hilfe die Angst vor möglichen Gefahren beschworen werden soll: „Jede der rituell beschworenen Ängste liefert die Frau einer neuartigen Hilflosigkeit aus: nicht auf ‚ihre Natur’, nicht auf die Hebamme oder die Mutter Gottes kann sie hoffen; sie kann sich nur dem zusätzlichen Risiko der angebotenen Routinen unterwerfen.“[1450]

Die regelmäßigen Besuche beim Arzt, der Besuch von Geburtsvorbereitungskursen, das Lesen von Ratgebern über „richtiges“ Verhalten in der Schwangerschaft, all dies sind Praktiken, denen ein ritueller Charakter beigemessen werden kann. Die Befolgung der Regeln gibt ein größtmögliches Maß an Sicherheit, Schutz und Orientierung und erfüllt damit die anfangs erwähnten Richtlinien für Rituale. Dass es dabei ganz unterschiedliche weltanschauliche Herangehensweisen gibt, die sich in einer Fülle an unterschiedlichen Anweisungen und sogar gegensätzlichen Möglichkeiten manifestiert, bleibt sekundär. Die Wahl der Ratgeber, die Ansichten des Frauenarztes oder die Entscheidungen für eine bestimmte Klinik sind eben nicht zufällig, sondern entsprechen dem Lebensstil, den gesellschaftlichen Werten und den Vorstellungen von Körper und Geburt.[1451]

Wie unterschiedlich mittlerweile die Richtlinien um Schwangerschaft und Geburt sein können, zeigt ein Blick auf das Entstehen neuer Vorstellungen rund um die Geburt, wie sie beispielsweise seit den 1980er-Jahren unter dem Einfluss ethnologischer Forschungsergebnisse entstanden sind. Die Forscher zeigten auf, dass in den meisten Kulturen nicht im Liegen geboren wird, sondern hockend, sitzend, kauernd oder kniend. Die Gebärposition der Frau wurde damit in ein neues Licht gerückt und aus dem passiven „Entbunden-Werden“ sollte der Schwerpunkt wieder auf aktives „Gebären“ gelegt werden. Die Veränderung der physischen Lage kann als stellvertretend für ein Umdenken beim Geburtsgeschehen insgesamt gesehen werden.

Die Vorstellung von der Geburt als natürlichem Prozess wurde auch von Geburtshelfern wie Frederik Leboyer oder Michael Odent in die öffentliche Diskussion gebracht.[1452] Das Schlagwort „sanfte Geburt“ und eine Neubewertung des Stillens sind Ausdruck einer neuen Symbolik rund um das Geburtsgeschehen. Formen des Tragens der Babys in Tüchern direkt am Körper werden aus anderen Ländern übernommen und als besonders positiv für die Entwicklung des Säuglings interpretiert. Aus kulturvergleichenden Studien wird das herausgefiltert, was man für die eigene Kultur als wünschenswert sieht und dann als „natürlich“ gepriesen. So wird teilweise auch der Schmerz bei der Geburt als „kulturspezifisch“ abgetan und als durch spezielle Techniken vermeidbar interpretiert. Diese Entwicklung ging auch an der Klinikgeburtshilfe nicht spurlos vorbei und hat zu Veränderungen der Kreißsäle geführt, in denen dem Wunsch der Frauen nach einer „wärmeren“ Atmosphäre Rechnung getragen wird. Auch das Angebot des „Rooming in“, die Möglichkeit, das Baby auch in der Nacht bei sich zu haben, oder die ambulante Geburt, zählen zu diesen Veränderungen. Heute reklamieren nicht nur die Vertreter und Vertreterinnen einer „alternativen“ Geburtshilfe die Natürlichkeit für sich, sondern auch die ärztlichen Geburtshelfer.[1453]

Veränderungen gibt es auch hinsichtlich der Rolle der Väter, deren Hilfe bei der Niederkunft zu allen Zeiten die Ausnahme war. Im Sinne einer „sanften Geburt“ werden sie zunehmend ins Geburtsgeschehen integriert, wenn sie die Partnerin psychisch und physisch bei der Geburt unterstützen oder beispielsweise zur Durchtrennung der Nabelschnur des Kindes, aufgefordert werden. Durch diese Handlung kann der Vater auch symbolisch zum Gebärakt beitragen, indem er die Verbindung zwischen Mutter und Kind trennt.

Diese Darstellung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Vertrauen in die so genannte „Gerätemedizin“, trotz aller Alternativen, doch bei weitem überwiegt, wie ein Blick in die Statistik zeigt: Nur 1,6 Prozent der Mütter verlassen innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt das Krankenhaus. Im Steigen begriffen sind auch die Kaiserschnittraten: Salzburg hat mit 12,7 Prozent im Jahre 2000 übrigens die österreichweit niedrigste Rate.[1454] Dies lässt die Vermutung zu, dass für die Mehrzahl die „Sanftheit“ der Geburt doch eher im Symbolischen verankert ist und im Ernstfall dann doch der Technik der Gerätemedizin vertraut.

Ein Blick über die Grenzen verstärkt noch das Bild von der immensen Bedeutung der Kulturspezifik und der Subjektivität der Werte im Zusammenhang mit Geburt: Im regionalen Vergleich in Europa fallen die Niederlande durch einen hohen Anteil an Hausgeburten auf, die seit den 1970er-Jahren konstant 35 Prozent betragen. Gleichzeitig weisen sie die niedrigste Säuglingssterblichkeitsrate auf. In Skandinavien und Mitteleuropa wird zunehmend die „Natürlichkeit“ von Schwangerschaft und Geburt in den Vordergrund gestellt. So wird beispielsweise in Schweden nur bei Komplikationen ärztliche Hilfe in Anspruch genommen. Im Unterschied dazu zeichnen sich andere Länder Europas, wie Staaten des ehemaligen Ostblocks oder Frankreich, durch eine hohe Interventionsrate und einen hohen Technisierungsgrad aus.[1455]

Nach der Geburt

Nach der Geburt kommt es zu verschiedenen Ritualen der Angliederung, die sich in der Institution des „Wochenbettes“ in fast allen Kulturen wiederfinden. Die Bedeutung liegt in einer besonderen Schutzzone für die Aufnahme der Mutter-Kind-Beziehung. Medizinisch gesehen ist das Wochenbett die Phase, die der Körper benötigt, um sich wieder auf den nicht schwangeren Zustand zurückzubilden und um die Folgen der Geburt zu verarbeiten. Auch in unserer Kultur wurde die junge Mutter von der Tagesarbeit befreit und erst wieder durch spezielle Rituale in die Gemeinschaft aufgenommen: der erste Kirchgang, die „Aussegnung“, sechs Wochen nach der Geburt als reinigender Ritus geben davon Zeugnis. Ein Zeitraum, der übrigens in zahlreichen Kulturen als Phase der Schutzbedürftigkeit der Mutter angenommen wird.

Für das Kind ist historisch gesehen die christliche Taufe das wichtigste Ritual, das die Geburt als Übergang vom Natürlich-Kreatürlichen ins Menschliche und in die Gemeinschaft symbolisch nachvollzieht.[1456] Die Taufe hat entsprechend der christlichen Tradition in Europa bis heute weite Verbreitung. Als Führer bei diesem Übergang erscheinen die Paten, die von nun an zur erweiterten Verwandtschaft des Kindes gehören. Die Taufe ist mindestens seit dem Jahre 500 bezeugt, die Patenschaft das erste Mal auf dem Mainzer Konzil 813: die „patres“ und „matres spirituales“ sollen die christliche Erziehung des Kindes überwachen und im Todesfall der leiblichen Eltern deren Stelle einnehmen. In der Fülle der begleitenden Bräuche erweist sich die außerordentliche Bedeutung dieses Festes, so bedeutet z. B. die Inszenierung des Taufessens im bäuerlichen Milieu auch die Aufnahme in die Dorfhierarchie. Leute aus ärmeren Schichten baten gerne Reichere um die Patenschaft für ihre Kinder wegen der Geschenke. Der reiche Bauer mit vielen Patenkindern war sich der Unterstützung seiner Vorhaben durch die Kinder gewiss. In Patenschaft und Taufe vermischen sich also religiöse und weltliche Elemente. Gekennzeichnet ist die Taufe durch das Prinzip der Gegenseitigkeit: Ehrfurcht und Achtung, Glückwünsche zu Festen durch den Täufling und festgelegte Gaben bis zur Ausschulung bzw. bis zur Hochzeit wie Kauf des Taufkleides, Überreichung des Patenbriefes, zu jedem Weihnachtsfest ein Kleidungsstück, zu Neujahr eine Brezel.[1457]

Anzeichen von rituellen Handlungen finden sich aber auch nach der modernen Geburt, denn der Einschnitt im Leben der Frauen und Männer durch die Geburt lässt nach wie vor eine symbolische Absicherung erwarten. Dies lässt sich anhand des Verschickens von Geburtsanzeigen oder des Anbringens von Babykleidern am Haus als sichtbares Zeichen der Begrüßung und Aufnahme des Neugeborenen daheim exemplifizieren. Nach dem Geburtsvorgang erlebt das Kind die soziale Geburt, in der es begrüßt und gefeiert wird.

Schwangerschaft und Geburt sind kulturell geprägt und in keiner Gesellschaft ein bloß „natürliches“ Ereignis. Im historischen Kontext lassen sich gerade im Bereich um die Geburt eines Kindes gravierende Änderungen beobachten, die das, was als nützlich oder opportun gilt, oft ins Gegenteil verkehren. Das Verhalten vor, bei und nach der Geburt ist also von unterschiedlichen sozialen und kulturellen Gegebenheiten abhängig. Die Art, wie ein Neugeborenes auf die Welt kommt, lässt Rückschlüsse auf Normen und Werte der jeweiligen Gesellschaft zu. Das Selbstverständliche ist also nur scheinbar selbstverständlich und muss relativiert werden, indem es vor dem kulturellen Hintergrund interpretiert wird.

Verwendete und weiterführende Literatur

[Badinter 1980] Badinter, Elisabeth: Mutterliebe. München 1980.

[Beck-Gernsheim 1989] Beck-Gernsheim, Elisabeth: Mutterwerden – der Sprung in ein anderes Leben. Frankfurt/M. 1989.

[Beck-Gernsheim 1984] Beck-Gernsheim, Elisabeth: Vom Geburtenrückgang zur Neuen Mütterlichkeit? Über private und politische Interessen am Kind. Frankfurt/M. 1984.

[Böttcher 1998] Böttcher, Annette; Nickel, Horst: Mütterliche Einstellungen und familiale Veränderungsprozesse beim Übergang zur Elternschaft im Kulturvergleich. Untersuchungen an werdenden Erst- und Zweitmüttern aus der Bundesrepublik Deutschland, Georgia/USA und Südkorea. In: Psychologie in Erziehung und Unterricht. Zeitschrift für Forschung und Praxis. Jg. 45. 1998, S. 92–112.

[Borkowsky 1988] Borkowsky, Maya: Krankheit Schwangerschaft? Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett aus ärztlicher Sicht seit 1800. Zürich 1988.

[Brähler/Unger 1996] Brähler, Elmar; Unger, Ulrike (Hg.): Schwangerschaft, Geburt und der Übergang zur Elternschaft. Opladen 1996.

[Cantauw 1999] Cantauw, Christiane: „Der Mutter Priestertum am Kinde“. Der Muttersegen zwischen 1920 und 1960. In: Heidrich, Hermann (Hg.): Frauenwelten. Arbeit, Leben, Politik und Perspektiven auf dem Land. Bad Windsheim 1999, S. 257–262.

[Cattermole-Tally 1987] Cattermole-Tally, Frances: Geburt, Geburtslegenden. In: Brednich, Rolf W. (Hg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Band 5. Berlin, New York 1987, Sp. 805–816.

[Centlivres 1992] Centlivres, Pierre: Die Übergangsriten heute. In: Hugger, Paul (Hg.): Handbuch der schweizerischen Volkskultur Bd. 1. Zürich 1992, S. 223–230.

[Coester-Waltjen 1986] Coester-Waltjen, Dagmar: Mutterschutz in Europa. Der Schutz der erwerbstätigen Frauen während der Schwangerschaft und der Mutterschaft in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften (= Schriften des Deutschen Juristinnenbundes, 2). München 1986.

[Engstler 1997] Engstler, Heribert: Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik. Lebensformen, Familienstrukturen, wirtschaftliche Situationen der Familien und familiendemographische Entwicklung in Deutschland. Erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt. Bonn 1997.

[Ernst 1997] Ernst, Johanna U: Wehgeschrei und Halleluja! Frauen erzählen über Gebären und Geburt. (Lebens-Erfahrungen) Freiburg 1997.

[Gélis 1989] Gélis, Jacques, Die Geburt. Volksglaube, Rituale und Praktiken von 1500–1900. München 1989.

[Glogger-Tippelt 1988] Glogger-Tippelt, G.: Schwangerschaft und erste Geburt. Stuttgart 1988.

[Gennep 1986] Gennep, Arnold van: Übergangsriten (Les rites de Passage), Frankfurt/New York 1986 (orig. 1909).

[Gobrecht 2002] Gobrecht, Barbara: Pate, Patin: In: Brednich, Rolf W. (Hg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Band 10. Berlin 2002, Sp. 612–620.

[Hampe 1995] Hampe, Ruth: Frau und Geburt im Kulturvergleich. (= Europäische Hochschulschriften, 00041) Frankfurt 1995.

[Hoonakker 1994] Hoonakker, Ernst W.: Die Geschichte der Empfängnisverhütung. München 1994.

[Huwiler 1995] Huwiler, Kurt: Herausforderung Mutterschaft. Eine Studie über das Zusammenspiel von mütterlichem Erleben, sozialen Beziehungen und öffentlichen Unterstützungsangeboten im ersten Jahr nach der Geburt. Bern u. a. 1995.

[Kitzinger 1980] Kitzinger, Sheila: Mutterschaft in verschiedenen Kulturen. München 1980.

[Klomann/Nyssen 1994] Klomann, Annette; Nyssen, Friedhelm: Der Kinderwunsch – Gegenwart und Geschichte (= Europäische Hochschulschriften, 00592). Frankfurt 1994.

[Kniebiehler 1996] Kniebiehler, Yvonne: Geschichte der Väter. Eine kultur- und sozialhistorische Spurensuche. Freiburg, Basel, Wien 1996.

[Krober 1990] Kroeber-Wolf, G. (Hg.): Der Weg ins Leben. Mutter und Kind im Kulturvergleich. Frankfurt/M. 1990.

[Kuntner 1985] Kuntner, Liselotte: Die Gebärhaltung der Frau. München 1985.

[Kunz 1995] Kunz, Jürgen: Die Couvade. Feilschen um die soziale Vaterschaft oder Anpassung an weibliches Partnerwahlverhalten? (= Edition Wissenschaft, 00001). Tectum 1995.

[Labouvie 1998] Labouvie, Eva: Andere Umstände. Eine Kulturgeschichte der Geburt. Köln 1998.

[Land 1989] Land, Jördis: Verhaltensempfehlungen für die Schwangerschaft im Spiegel der Ratgeberliteratur 1880–1980, Essen 1989.

[Leboyer 1981] Leboyer, Frederik: Geburt ohne Gewalt. München 1981.

[Metz-Becker 1997] Metz-Becker, Marita: Der verwaltete Körper. Die Medikalisierung schwangerer Frauen in den Gebärhäusern des frühen 19. Jahrhunderts. Frankfurt, New York 1997.

[Nadig 1998] Nadig, Maya: Körperhaftigkeit, Erfahrung und Ritual. Geburtsrituale im interkulturellen Vergleich. In: Hauser-Schäublin, Brigitta; Röttger-Rössler, Birgitt (Hg.): Differenz und Geschlecht. Neue Ansätze in der ethnologischen Forschung. Berlin 1998, S. 23–53.

[Odent 1986] Odent, Michael: Erfahrungen mit der sanften Geburt. München 1986.

[Quaiser-Pohl 1996] Quaiser-Pohl, Claudia: Übergang zur Elternschaft und Familienentwicklung in Deutschland und Südkorea. Eine interkulturelle Untersuchung. (= Internationale Hochschulschriften, 00191). Frankfurt 1996.

[Rotthaus 1999] Rotthaus, Wilhelm: Kindheit in einer gewandelten Welt. Ende der Erziehung oder Beginn einer neuen Beziehung zwischen Kind und Erwachsenem. 1999.

[Schiefenhövel 1995] Schiefenhövel, Wulf u.a. (Hg.): Gebären – Ethnomedizinische Perspektiven und neue Wege. (= Curare Sonderband 8) 1995.

[Schlumbohn 1989] Schlumbohn, J. u.a.(Hg.): Rituale der Geburt. Eine Kulturgeschichte. München 1989.

[Schülein 1990] Schülein, Johann A: Die Geburt der Eltern. Über die Entstehung der modernen Elternposition und den Prozess ihrer Aneignung und Vermittlung. Frankfurt/M. 1990.

[Seidel 1998] Seidel, Hans C: Eine neue „Kultur des Gebärens“. Die Medikalisierung von Geburt im 18. und 19. Jahrhundert in Deutschland. (= Medizin, Gesellschaft und Geschichte, 00011). Stuttgart 1998.

[Soeffner 1991] Soeffner, Hans-Georg: Zur Soziologie des Symbols und des Rituals. In: Jürgen Oelkers; Wegenast, Klaus (Hg.): Das Symbol – Brücke des Verstehens. Stuttgart, Berlin, Köln 1991, S. 63–81.

[Staupe/Vieth 1993] Staupe, Gisela; Vieth, Lisa: Unter anderen Umständen. Zur Geschichte der Abtreibung. Dresden, Berlin 1993.

[Turner 1989] Turner, Viktor: Das Ritual. Struktur und Anti-Struktur. Frankfurt/M., New York 1989 (orig. 1969).

[Weber-Kellermann 1985] Weber-Kellermann, Ingeborg: Saure Wochen. Frohe Feste. Fest und Alltag in der Sprache der Bräuche. München, Luzern 1985.

[Zglinicki 1983] Zglinicki, Friedrich von: Geburt. Eine Kulturgeschichte in Bildern. Braunschweig 1983.



[1430] [Turner 1989a]. – Vgl. auch [Nadig 1998].

[1436] Im Land Salzburg finden sich so genannte „Babynester“ in der Stadt Salzburg beim St. Johanns-Spitals der Landeskliniken Salzburg und im Krankenhaus Hallein. Vgl.

[1437] Quelle: Statistik Austria

[1440] Studie des IIASA-Instituts. Zitiert in: Profil 1998. Nr. 6.

[1441] Quelle: Jahrbuch des europäischen statistischen Amtes. Eurostat.

[1445] Vgl. [Schievenhövel/Wulf 1995].

[1446] [Nadig 1998], S. 23–53.

[1448] So bezeichnet in der Zeitschrift „Eltern“, Februar 1996. Vgl. https://www.eltern.de/

[1451] Empirische Ergebnisse des Projektes „Elternwerden“, durchgeführt unter Leitung der Autorin am Volkskundlichen Seminar der Universität Bonn.

[1452] [Odent 1981].

[1455] ibau Wirtschaftsnachrichten online, 13. Jänner 2003. http://www.ibau.de/forum/wirtschaftsnachrichten/

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