Musik hat den Menschen in Stadt und Land Salzburg immer viel bedeutet: sowohl im Alltag als auch bei Fest und Feier. Daran hat sich bis heute im Grunde nichts geändert. Nur, Musik im Alltag ist durch die großen Errungenschaften im Bereich der Tonübertragung und Tonkonservierung eine Musik aus der Konserve geworden. Radio, Fernseher, CD und Tonbandkassette geben heute jedermann die Möglichkeit, sich mit einem einfachen Knopfdruck zu jeder Tages- und Nachtzeit jede nur denkbare Musik anzuhören. Sehr viele nützen diese Möglichkeit auch. Eine Minderheit, um sich eine begrenzte Zeit lang ganz bewusst bestimmte Musik anzuhören. Für die Mehrheit ist Musik im Alltag als ständig präsenter Klanghintergrund wichtig geworden.
Das zeigt der Weg, den die Radiosender – unter ihnen auch die ORF-Regionalsender – heute mehrheitlich mit ihrem so genannten „Flächenprogramm“ eingeschlagen haben. Das heißt, im Hörfunk-Tagesprogramm läuft durchgehend – sporadisch von kurzen Informationen unterbrochen – nur noch modische Schlagermusik.
Mit diesem Flächenprogramm bedienen sie den Hörer, der – gleichgültig, bei welcher Arbeit er ist – Hintergrundmusik haben möchte und das Radio dementsprechend in der Früh ein- und am Abend ausschaltet. Für viele Salzburger Radio-Hörer ist das eine bedauerliche Entwicklung, denn sie würden im Regionalprogramm ganz gern untertags einmal die Möglichkeit haben, regionale Musik, d. h. Volksmusik des Landes, zu hören und nicht immer nur modische „Allerweltsmusik“.
Musik aus der Konserve hat bei der Festkultur im Land Salzburg keinen Platz. Bei der Fest- und Feiergestaltung geht es den Menschen – als Gegensatz zur Gegebenheit im Alltag – um das Erlebnis „lebendigen“ Musizierens. Univ.-Prof. Dr. Hans Paarhammer trifft die Erwartungshaltung eines Großteils der Salzburger, wenn er sagt: „Ein Fest … ist ein Erlebnis, das Kraft und Freude, Ermutigung, Trost und Zuversicht vermittelt und so in den neuen Alltag hinein belebend wirkt. … Es soll möglichst alle Sinne des Menschen ansprechen … damit Anlass, Inhalt und Sinn des Festes erlebbar werden und eine die Kräfte des Gemütes und Herzens ansprechende ‚Gestalt’ gewinnen.“[460] „Lebendige“ Musik, „Life-Musik“, ist ein wesentliches Element, um diesem Anspruch gerecht werden zu können, um ein Fest aus dem Alltag herauszuheben, um es zu einem besonderen Ereignis zu machen.
Damit stellt sich die Frage: Gibt es die Sänger und Musiker, die Festkultur mit dieser Erwartungshaltung möglich machen? Die Antwort für Salzburg und genau so auch für die übrigen Bundesländer: Ja, es gibt sie. 149 Musikkapellen mit über 6.700 Musikerinnen und Musikern spielen heute in Stadt und Land Salzburg auf. Dazu kommen noch viele, die in Instrumentalensembles unterschiedlichster Besetzungen mitwirken. Das Selbst-Singen ist in Familie und Geselligkeit zwar zur Ausnahme geworden, Chöre gibt es heute aber mehr als je zuvor. Der Chorverband Salzburg umfasst gegenwärtig insgesamt 416 Chöre (160 Allgemeine Chöre, 114 Kirchenchöre, 43 Jugendchöre, 74 Schülerchöre und 25 Musikschulchöre) mit über 10.000 Sängerinnen und Sängern. Ergänzt wird die Zahl der Chöre durch ca. 100 Singgruppen, die sich mehrheitlich der Pflege des Volksliedes annehmen.
Dass sich unzählige Salzburgerinnen und Salzburger in Musikkapellen (über 6.700 Musizierende) und Chören (über 10.000 Sänger und Sängerinnen) engagieren, das war für eine Zeit, in der es so einfach geworden ist, sich mit Musik zu umgeben, nicht zu erwarten. Logische Konsequenz der technischen Entwicklung im Bereich Tonübertragung und Tonkonservierung wäre eigentlich gewesen, dass nur wenige bereit sind, die Mühe, die mit dem Erlernen eines Musikinstrumentes verbunden ist, auf sich zu nehmen. In den 60er-Jahren hat es auch ausgesehen, als würde es so kommen. Das Gegenteil ist eingetreten. Nicht von selber.
Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts wurde – ausgehend von den volkskulturellen Verbänden – viel Mühe investiert, um die Jugend für das Selber-Musisch-Tätigsein zu motivieren und ihr im musikalischen Bereich optimale Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu geben. Das finanziell von Land und Gemeinden getragene Musikum Salzburg (vormals Salzburger Musikschulwerk) mit seinen vielen Musikschulen und Zweigstellen ist dabei für die volkskulturellen Verbände zum wichtigsten Partner geworden. Ihm verdanken wir es heute in erster Linie, wenn wir sagen können: Es hat in unserem Land noch nie so viele und so gut ausgebildete Musiker gegeben. Sie alle musizieren und singen für sich zur Freude, sicher auch um fallweise ein Konzert zu geben und um mitzuhelfen bei der Gestaltung der vielen großen und kleinen Feste und Feiern in Stadt und Land.
Was ist es für eine Musik, die unsere Musikkapellen, unsere Chöre, unsere Instrumental- und Vokalensembles in die Fest- und Feiergestaltung einbringen können? Der musikalische Bogen, den alle zusammen umspannen, ist breit. Viel breiter, als man es – wenn von Volkskultur die Rede ist – erwarten würde. Er reicht von der traditionellen Volksmusik bis hin zu Jazz und Pop, von Alter Musik über Klassik und Romantik bis zu Kompositionen zeitgenössischer Musik, von österreichischer Musik bis zur Musik anderer Länder und Kontinente. Viele, vor allem junge Musiker und Sänger, sehen heute einen besonderen Reiz darin, sich aktiv musizierend mit unterschiedlichsten musikalischen Richtungen auseinanderzusetzen. Das Offensein für Neues, für Fremdartiges schließt Wertschätzung vor dem Alten, vor dem Überlieferten keineswegs aus. Den Musikern und Sängern ist bewusst, dass gerade bei der Musikauswahl zur Fest- und Feiergestaltung auf Traditionen wohl Bedacht zu nehmen ist, und sie haben in der Regel ein gutes Gespür dafür, welche Musik zu welchem Anlass passt.
Viele Feste und Feiern bestehen aus zwei oder drei, was die Erwartungshaltung an die Musik betrifft, sehr unterschiedlichen Teilen: aus einem erhebenden, festlich-feierlichen Teil, aus einem Festmahl, zu dem man sich Tafelmusik wünscht und aus der anschließenden Geselligkeit, die auch wesentlich zu einem gelungenen Fest gehört. Gerade was den geselligen Teil betrifft – er ist oft auch mit Tanz verbunden – steht der Veranstalter vor keiner einfachen Aufgabe, denn die Erwartung der Festteilnehmer, der jungen und der älteren, liegt oft weit auseinander.
Nicht alle Musikausübenden eines Ortes sind in die Fest- und Feiergestaltung in gleicher Weise eingebunden. Der größte Anteil fällt heute den Musikkapellen zu. Sie sind am vielseitigsten, spielen in der Großbesetzung, aber auch in variablen Kleinbesetzungen (Flügelhornduo, Bläserquartett, Bläserquintett, kleine und große, traditionelle und „moderne“ Tanzmusikbesetzungen usw.).
Blasmusik ist nicht nur fürs Aufspielen im Saal oder in der Kirche geeignet, sie ist auch laut genug, um sie im Freien ohne Lautsprecher einsetzen zu können. Und unsere Blasmusikkapellen sind als einzige Klangkörper imstande, musizierend einen Umzug (etwa bei Jubiläumsfesten, bei kirchlichen Prozessionen oder Begräbnissen) anzuführen. Sie spielen ernste, feierliche Musik genau so wie Musik zum Tanz oder zur Unterhaltung, traditionelle Musik genau so wie „moderne“.
Unsere Blasmusikerinnen und Blasmusiker sind in bewundernswerter Weise bereit, neben einer Vielzahl an Proben (der Jahresdurchschnitt je Musikkapelle liegt hier bei 60) immer wieder da zu sein, um bei Konzerten, Veranstaltungen, Festen und Feiern, Gratulationen und Begräbnissen aufzuspielen. Im Jahresdurchschnitt sind das 65. Insgesamt heißt es also für jeden Blasmusiker, 125 Mal im Jahr zu proben und aufzuspielen.
Neben den Musikkapellen kommt heute in der Fest- und Feiergestaltung auch den vielen traditionellen Tanzlmusikgruppen (an die 100 gibt es zurzeit im Land Salzburg, sie sind vielfach aus den Musikkapellen hervorgegangen) eine wichtige Aufgabe zu. Sie sind vor allem beim geselligen Beisammensein nach offiziellen Festakten mit oder ohne Tanz in kleinerem Kreis gefragt und spielen – im Gegensatz zu den „Bands“ – ohne Lautsprecher. Erfreulich, dass es heute viele Menschen gibt, denen nicht nur überlieferte Volksmusik gefällt, sondern die es auch schätzen, dass man sich bei Unterhaltungsmusik noch unterhalten kann.
Bei den großen Festen (meist mit riesigen Zelten) werden für den geselligen Teil – wenn nicht Musikkapellen aufspielen – vornehmlich „Bands“ engagiert, die mit Hilfe aufwendiger Lautsprecheranlagen – mit entsprechender Lautstärke versteht sich – volkstümliche Musik, Schlagermusik oder Popmusik spielen.
Chöre und Singgruppen wirken bei der Fest- und Feiergestaltung meist beim festlich-feierlichen Teil mit, vielfach beim Festgottesdienst – wenn dieser in der Kirche gefeiert wird – und beim Festakt; im geselligen Teil nur, wenn es sich um einen kleineren Kreis handelt.
Wenn wir an Feste und Feiern im Jahreslauf denken, so verzichten nur ganz wenige auf Musik. Im Vordergrund stehen für viele Menschen des Landes Salzburg die Feste und Feiern im Kirchenjahr. Da sind es zunächst die einfachen Sonntagsgottesdienste. Auch sie sind wichtige mit Musik gestaltete Gemeinschaftsfeiern, die wenigen übrigens, in denen die Teilnehmer – unterstützt von der Orgel – selber singen und damit aktiv die Musik stellen. Daneben stehen die hohen kirchlichen Feste und Festzeiten wie Advent und Weihnacht, Passion und Ostern, die nachösterlichen Feste der Erstkommunion und der Firmung, Pfingsten, Fronleichnam, Kirchweih, Patrozinium und Erntedank. Alle mit meist aufwendigem und von Ort zu Ort unterschiedlichem Musikprogramm.
Neben Fest und Feier im Kirchenjahr bilden die besonderen Ereignisse im Leben eines Menschen Anlass zu meist auch mit der Kirche verbundener Festgestaltung. Geburt, Hochzeit und Tod stehen hier im Vordergrund. Während die Geburt eines Kindes meist im engeren Familienkreis gefeiert wird, sind Hochzeit und Begräbnis Gemeinschaftsfeiern, die oft viele Menschen zusammenführen. Musik ist dabei – nicht zwingend aber doch sehr oft – wichtiges Element der Fest- und Feiergestaltung. Bei Hochzeiten hängen Umfang und Art der Musik sehr von den musikalischen Vorlieben des Brautpaares und ihren finanziellen Möglichkeiten ab. Beim Begräbnis ist neben den Wünschen der Familie auch mit entscheidend, ob und wie sehr der Verstorbene in das Gemeinschaftsleben eines Ortes eingebunden war.
Eine wichtige Gruppe im festlichen Jahreslauf sind die weltlichen Feste mit ihren immer wiederkehrenden Bräuchen und Brauchfesten wie zum Beispiel die Faschingszeit mit ihren Tanzfesten und Faschingsumzügen, das Aperschnalzen im Flachgau und das festliche Schnalzen der Herreiter in den Gebirgsgauen mit ihrer wohl einzigartigen musikalisch-rhythmischen Herausforderung an die Schnalzer, das Ratschengehen, die Lungauer Osterfeuer, die Georgifeste bzw. Georgiritte, das Maibaumfest, das Sonnwendfest, die festlichen Samsonumzüge im Lungau, die Rangglerfeste im Pinzgau und Pongau, die feierlichen Almabtriebe, die Leonhardifeste bzw. Leonhardiritte, das Kasmandlfahren im Lungau, die Laternenumzüge zu St. Martin, die Cäciliafeiern, die Kathreintanzfeste, die Krampus- und Perchtenläufe, das Anklöckeln oder das Sternsingen.
Musik bildet bei fast allen diesen Bräuchen und Brauchfesten einen wichtigen Bestandteil der Festgestaltung, sei es als Umzugsmusik, als Tanzmusik oder als Musik zur Geselligkeit. Auch Lied und Spruch gehören bei etlichen dieser Bräuche wesentlich zur Brauchgestaltung.
Besondere Höhepunkte im Jahreslauf einer Gemeinde sind die Jubiläumsfeste der Vereine in den Sommermonaten (Musikfeste, Chorfeste, Schützenfeste, Feuerwehrfeste, Feste von Heimat- und Brauchtumsvereinen …). Der jubilierende Verein lädt nicht nur alle Ortsvereine zum Mitfeiern ein, sondern meist auch eine Vielzahl an befreundeten Vereinen aus nah und fern. 30 bis 50 Vereine sind es da nicht selten, die dem jubilierenden Verein die Ehre geben und seinen Geburtstag damit zu einem großen Gemeinschaftsfest machen.
Bei den Jubiläumsfesten der Vereine bildet – stärker als bei den Bräuchen – die Musik ein ganz wesentliches Element der Festgestaltung. Dabei sind es vor allem die Musikkapellen, auf deren Mitwirken kein Festveranstalter verzichten möchte. Ihnen gelingt es in besonderem Maß, einem Jubiläumsfest den rechten Festcharakter zu geben, sei es beim Aufmarsch der Vereine, beim meist als Feldmesse gefeierten Festgottesdienst, beim Festakt, beim festlichen Umzug oder beim geselligen Beisammensein. Es ist in den letzten Jahrzehnten zur Selbstverständlichkeit geworden, dass die anwesenden Musikkapellen – oft sind es 10, 20 oder noch mehr – beim Festgottesdienst und Festakt gemeinsam aufspielen und damit jedes dieser Feste auch zu einer großartigen Demonstration der Blasmusik machen. Wenn 20 Musikkapellen zusammen eine Festmusik, einen festlichen Marsch oder die Landeshymne spielen, so ist das ein so erhebendes Musikerlebnis, dass es noch lange in den jedem Fest folgenden Alltag belebend hineinwirkt.
Bei den Jubiläumsfesten der Chöre steht natürlich bei der Festgottesdienst- und Festaktgestaltung die Chormusik im Vordergrund. Zusätzlich ist bei Chorfesten auch ein „Plätzesingen“ wichtiger Bestandteil im Festprogramm, bei dem jeder der teilnehmenden Chöre eingeladen ist, ein kleines Chorkonzert zu bestreiten und damit Einblick in sein Liedprogramm zu geben. Bei den Jubiläumsfesten der Heimat- und Brauchtumsgruppen sind Volksmusik, Volkslied und Volkstanz wesentliche Gestaltungselemente des Festprogramms.
Die Leistungen, die die Musiker und Sänger für die Fest- und Feiergestaltung erbringen, werden von der Salzburger Bevölkerung wohl honoriert. Honoriert durch Wertschätzung, die man den Mitgliedern der Musikkapellen, Chöre und Instrumental- und Vokalensembles entgegenbringt. Honoriert aber auch in materieller Hinsicht. Bevölkerung, Gemeinde und Pfarre eines Ortes helfen zusammen, um die Voraussetzungen, die die Musikkapellen vor allem aber auch die Chöre für ihre Arbeit brauchen, zu schaffen. An finanzieller Hilfe für das Zustandebringen schöner Probensäle, guter Musikinstrumente und attraktiver Musiker- bzw. Sängertrachten fehlt es heute in keiner Salzburger Gemeinde. Und auch für die Ausbildung der jungen Musiker im Musikum Salzburg (vormals Salzburger Musikschulwerk) sind Land und Gemeinden bereit, jährlich einen beachtlichen Betrag zu bezahlen. Beides, die hohe Wertschätzung und die materielle Hilfestellung, ist die beste Garantie dafür, dass die Bereitschaft junger Menschen, sich aktiv der Musik zuzuwenden, weiter bestehen wird.
Österreich und insbesondere auch Salzburg bezeichnen sich immer wieder gerne als Land der Musik. Ob diese Aussage zu Recht besteht, hängt nicht nur von Festspielen mit den besten Künstlern der Welt und Besuchern aus allen Teilen der Erde und einer Musikuniversität mit weit über Österreich hinaus reichendem Ansehen ab. Entscheidend ist auch, welchen Stellenwert die Salzburger selbst der Musik in ihrem Leben geben. Ein Blick in die Fest- und Feiergestaltung in Stadt und Land ist da wohl die beste Bestätigung, dass sich die Bedeutung, die die Salzburger der Musik für die Gestaltung des eigenen Lebens geben, sehen lassen kann.