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Salzburger Volkskultur heute (Lucia Luidold)

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Volkskultur – Eine „Sache der Moderne“

Heute, im beginnenden 21. Jahrhundert, eröffnet der Blick auf die Volkskultur vielschichtige Dimensionen, die mit der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung Europas zusammenhängen.

So ist „Volkskultur im öffentlichen Diskurs als eine Sache der Moderne zu etablieren, die mit der Geschichte und Gegenwart der Zivilisation weit mehr verwoben ist, als dies aus engem Blickwinkel und beim ersten Hinsehen vielleicht erscheinen mag.“[344] Damit verbunden ist auch eine offensive Auseinandersetzung der so genannten „Praktiker“ mit den Erkenntnissen der Wissenschaft, denn nur unter Berücksichtigung des Forschungsstandes ist Volkskulturarbeit in Richtung Zukunft ausgerichtet. Dabei muss offene Kulturarbeit dazu auffordern, „nicht mehr wertende Echtheitsfragen“[345] zu stellen, sondern versuchen, die Lebenswirklichkeiten in Vergangenheit und Gegenwart in den Blick zu bekommen.

Da „Kultur ist, wie der Mensch lebt und arbeitet“[346], kann der Begriff „Volkskultur“ eigentlich nur „Kultur“ meinen, auch wenn die Teilung der „Kultur“ in einzelne Förderungsbereiche der öffentlichen Geldgeber diesen Begriff erhalten, und ihr auch künftighin ganz bestimmte Merkmale beziehungsweise Förderbereiche zuschreiben wird.

Quo vadis Volkskultur?

Da sich gerade die Volkskultur auf ihre Fahnen heftet, die kleinräumigen, regionalen Kulturformen besonders zu beachten, ist sie gefordert, in ihrem Tun die gesellschaftlichen Entwicklungen mitzudenken, und in ihre Arbeit einzubeziehen, wenn sie sich als Kulturarbeit im Sinne eines prozesshaften Begleitens und Aufgreifens relevanter Themen versteht.

Inhaltliche Schwerpunkte für eine künftige Volkskulturarbeit lassen sich am Besten anhand einer Strategie der vielseitigen Beziehungen, wie sie aus der Befreiungstheologie bekannt ist[347], beschreiben. So wie diese Theologen ein kritisches Bewusstsein und ein Loslösen von Herrschaftsverhältnissen gefordert haben, und gegen das Fortschreiben von Abhängigkeitsideologien aufgetreten sind, so hat auch die Volkskultur die Aufgabe, neben dem großen Bereich der Aus- und Weiterbildung zur künstlerischen Verbesserung der Ausdrucksformen eine inhaltliche Komponente zu schaffen, die für eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Lebensalltag der Menschen eintritt.

Diese Auseinandersetzung kann auf mehreren Ebenen passieren und lässt sich neben Fortbildung und dem Kennenlernen eines künstlerischen Nebeneinanders auch mit Dialogbereitschaft oder interkultureller Verständigung beschreiben.

Einleitendes zur Volkskultur

Beschäftigt man sich mit dem Themenbereich Volkskultur in historischer und entwicklungsgeschichtlicher Hinsicht, so findet sich eine Kette von Gruppen-, Vereins- und kulturpolitischen Interessen und Aktivitäten.

Das Interesse am Volk und „seiner“ Kultur entstand im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert – in einer Zeit, in der viele eine traditionelle Kultur schwinden sahen, daher Heimweh nach „dem verlorenen Paradies“ hatten und eine Sehnsucht nach dem „einfachen Leben“ aufzuflammen begann. Die Entdecker dieser verschwindenden „Volkskultur“ meinten zu wissen, dass es sich hier um die letzte Bewahrungsmöglichkeit handelte, und waren eifrig dabei, noch alles ihnen wichtig Erscheinende festzuhalten, bevor es für immer in Vergessenheit geraten würde. Die Sagen- und Märchensammlung der Gebrüder Grimm ist aus genau diesen Gedanken entstanden und auch das erste Aufzeichnen von Volksliedern entspricht dem Wunsch von Intellektuellen dieser Zeit, die mit dem Sammeln und Dokumentieren eine neue Form von kulturellem Wissen schaffen wollten.

Für Salzburg sind hier zum Beispiel die Volksliedersammlung von Vinzenz Maria Süß „Salzburgische Volkslieder mit ihren Singweisen“ oder die Sonnleithner-Sammlung, die 1819 von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien in Auftrag gegeben wurde,[348] zu nennen.

Die Anfänge der Gebirgs-, Heimat- und Trachtenvereine

Bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert hat die wirtschaftliche Entwicklung die gesellschaftlichen Verhältnisse entscheidend verändert und damit den Grund für neue Gruppenbeziehungen gelegt. „Dieser Prozess läßt sich besonders am Beispiel des Handwerks ablesen. Auch hier löste sich der Gruppenzusammenhang in Haus, Zunft, Kirche und städtischem Leben auf. Die vielfältig durch Arbeit, Brauchtum und Haltung paternalistisch zusammengefügten ‚Stände‘ wurden zu den sozialen Klassen der industriellen Erwerbsgesellschaft, aus Meistern wurden Unternehmer, aus Gesellen Lohnarbeiter.“[349]

Auch auf die Landwirtschaft wirkte sich die neuzeitliche Wirtschaftsentwicklung aus: So musste einerseits die Produktion gesteigert werden, da die industrielle und städtische Bevölkerung stetig wuchs, und andererseits mussten durch Rationalisierung die überzähligen Arbeitskräfte in andere Wirtschaftszweige abwandern. Dies führte zu einer Landflucht von einst bäuerlichem Personal, das in den meist nächstgelegenen Zentralort oder in die Stadt zog.

Genau dort lässt sich auch der Anfang der Gebirgs-, Heimat- und Trachtenvereine festmachen. Es sind dabei romantische Spuren oder touristisch inspirierte Nachahmungen auf Nationalisierung auszumachen, aber auch wissenschaftlich-volkskundliche Bemühungen der damaligen Zeit, die deren Entwicklung vorangetrieben haben.

Die Heimatschutzbewegung

Der Heimatschutz, obwohl heutzutage fast vergessen oder fälschlich mit der gleichnamigen politischen Aktionsfront faschistischer Prägung in der Ersten Republik assoziiert, hat als Kulturbewegung wesentlichen Anteil an der Findung und Etablierung dessen, was mittlerweile als „typisch“ verstanden wird.

Man kommt dabei auch nicht umhin, den Volkskundler Viktor von Geramb zu nennen, der in den 1920er-Jahren in seinem Buch „Deutsches Brauchtum in Österreich“ bereits „ein auffallendes und weithin bemerkenswertes Wiederaufleben vieler Volksbräuche“ festhielt und diese „hoffnungsvolle Tatsache“ mit dem Wirken der „großen deutschen Heimatbewegung“ erklärte, die sich „in Heimatschutz, Heimatdichtung, Heimatkunst und in der Jugendbewegung allenthalben äußert(e)“.[350]

Die Aufladung von Bräuchen mit wortgewaltigen Sprachbildern wie „lebendig“, „gesund“, „gewachsen“, „verwurzelt“, „alt“, „uralt“, „echt“, war zu dieser Zeit bereits üblich. Eine Bedeutungszuschreibung, die damals Ergebnis heimatkundlicher Forschung war, da sie Altes, Vertrautes schwinden sah, und daher Bräuche wieder aufleben ließ, erneuerte, wieder belebte und pflegte. In Salzburg ist Karl Adrian zu einer „Heimat-Persönlichkeit“ geworden, die viel über die „Brauchwelt“ publizierte, und „Motor“ der Brauchtumspflege wurde.[351]

Der Reichsverband

Im Februar 1909 kam es zur Gründung des „1. Österreichischen Reichsverbandes für Alpine, Volks- und Gebirgs-Trachten-Erhaltungsvereine“ mit Sitz in der Judengasse 9, dem Gasthof „Zum Mohren“ in Salzburg.[352] Als Dachverband, der die Interessen der Trachtenvereine nach außen vertrat oder bei der Organisation von Festen behilflich war, gründete er zudem sein österreichweites Vereinsorgan, die „Alpine Volks- und Gebirgstrachten-Zeitung“,[353] die als Sprachrohr für die Verbreitung der Vereinsideen diente.

„Bereits in den ersten Jahrgängen der Zeitschrift begann ein Kampf gegen die Trachtenmode, die in den ersten Anfängen ausschließlich der Verbesserung in den eigenen Vereinen dienen sollte ..., sehr bald allerdings Ausgrenzungstendenzen gegenüber den in der Stadt getragenen Konfektions- und Touristen-Trachtenmoden erhielt. Gleichzeitig wurden liberale, internationale und sozialistische Ideen in dieser Zeitschrift angeprangert beziehungsweise offen attackiert.“[354]

So war die ideologische Richtung dieser Vereine bereits nach dem Ersten Weltkrieg häufig deutschnational ausgerichtet.[355] Dies verstärkte sich in den folgenden Jahrzehnten, bis ihre Ideen der Erhaltung und Belebung von Bräuchen, Trachten oder Volksliedern auch zu „Symbolen und Instrumenten der rassistischen Ideologie wurden“.[356]

Die Anfänge des Landes-Trachtenverbandes

Am 14. März 1926 fand in St. Johann im Pongau die konstituierende Gründungsversammlung des Landes-Trachtenverbandes statt. 25 Salzburger Vereine mit insgesamt 800 Mitgliedern sind unter dem Obmann August Neubauer und dem Schriftführer Kuno Brandauer beigetreten. Es wurden Vorträge abgehalten, „Preiswettsingen“ veranstaltet und Trachtenfeste organisiert. Man begann mit dem Druck von Notenheften, führte Volksmusikinstrumente wie Harfe, Hackbrett und Schwegel wieder ein, und Tobi Reiser der Ältere entwickelte 1936 ein neues chromatisches „Salzburger Hackbrett.“[357]

Es war aber auch die Zeit, in der – wenn auch oft nur verdeckt – die Hinwendung zu nationalsozialistischen Bestrebungen deutlich wurde. Obwohl entsprechend dem „Gesetz über die Überleitung und Eingliederung von Vereinen, Organisationen und Verbänden vom 14. Mai 1938“[358] alle Kulturvereine in Salzburg aufgelöst wurden, wurden der Salzburger Landes-Trachtenverband „unter dem kommissarischen Leiter Kuno Brandauer am 3. Juni 1939 freigestellt und mit Sondergenehmigung wiedererrichtet. Dieser nunmehr ‚Gauverband der Heimat- und Trachtenvereine im Reichsgau Salzburg‘ unterstand bis zur Gründung des Heimatwerkes [1942]‚ dem Schutz‘ der ‚Lehr- und Forschungsstätte für germanisch-deutsche Volkskunde‘ (begr. Herbst 1938) der ‚Außenstelle Süd-Ost‘ des ‚Ahnenerbes des Reichsführers SS Heinrich Himmler‘ unter Richard Wolfram.“[359]

„Ist wohl ein’ schöne Zeit“!?

Viele waren bereit, sich für die Erhaltung von Tracht und Brauch, für Volkslied, Volksmusik und Volkstanz einzusetzen und wirkten so – vielfach unbewusst – an der Realisierung der Ziele der Nationalsozialisten mit. „Nach Reiser haben seit Kriegsbeginn Volkslied und Volksmusik überall, in der Stadt und auf dem Lande, im Betrieb und in der Familie, ihren verlorenen Boden wieder gewonnen und die ‚artfremde‘ Musik fast gänzlich ausgerottet“.[360]

Als besondere Singform wurde im Jahre 1940 das „offene Singen“ über das Deutsche Volksbildungswerk und das Mozarteum propagiert, denn „jeder Laie sollte Sänger und Hörer zugleich sein, ‚offenes Singen‘ sollte das ganze Volk erfassen“.[361] Neben vielen Brauchveranstaltungen[362] oder Dorfabenden, fand im Jahre 1943 die 1. Salzburger Heimatwoche unter dem Motto „Ist wohl ein‘ schöne Zeit“[363] in der Stadt Salzburg statt.

Im Frühjahr 1945 war das Deutsche Reich besiegt. „Der Jubel der Anschlußtage, der Traum vom guten Leben, [...] versank nun endgültig in Zorn, Hilflosigkeit und Verzweiflung“[364]. Im Elend der Nachkriegszeit waren die Menschen gefordert, sich neu zu orientieren. „Hieß es während der NS-Herrschaft: Regionale-Salzburger-deutsche Volkskultur, in einer aufsteigenden hierarchischen Gliederung, so wurde 1945 der deutsche Überbau abgestoßen und durch den Österreichbezug ersetzt.“[365]

Dienststellenleiter: Kuno Brandauer

Mit der Trennung des amtlichen und des genossenschaftlichen Heimatwerkes, beziehungsweise mit der Umbenennung des ersteren in „Dienststelle für Heimatpflege“, erhielt der Landesverband 1948 in der neu geschaffenen Dienststelle für Heimatpflege in der Landesregierung eine Geschäftsstelle. Kuno Brandauer wurde Leiter dieser Dienststelle.[366]

In der Hauptsache bemühte sich Kuno Brandauer um die Gruppen und Vereine, und war zugleich Berater in Fragen zur Vereinstracht, aber auch Organisator und Initiator vieler volkskultureller Veranstaltungen.[367] Im März 1949 wurde er zum Landesobmann des Landes-Trachtenverbandes gewählt.[368] In seine Amtszeit fielen eine Reihe von erneuerten, wieder belebten und neuen Bräuchen wie zum Beispiel: „Die Wilde Jagd vom Untersberg“, der „Jakobischützentanz“ in St. Jakob am Thurn, der „Altsalzburger Bindertanz“, der „Salzburger Fackeltanz“ oder der „Glöcklerlauf“.[369]

Mit der Gründung des Salzburger Blasmusikverbandes im Jahre 1954 schlossen sich 124 Musikkapellen in Stadt und Land Salzburg in diesem Verband zusammen um vor allem die blasmusikalische Weiterbildung zu forcieren.[370]

Wie charismatisch, ideenreich und initiativ Kuno Brandauer seine Ideen auch realisierte, er setzte in seinem unermüdlichen Einsatz zu keiner Zeit eine inhaltliche Abgrenzung zu seinem Engagement vor und während des Zweiten Weltkrieges.

Dienststellenleiter: Ferdinand Gietl, Karl Merhaut

In die Amtszeit von Ferdinand Gietl (1960–1965) fielen die Gründung der Landesarbeitsgemeinschaft für Volkstanz im Jahre 1962 sowie die Einführung der Anton-Wallner-Gedenkfeier[371] als Erinnerung an den Freiheitskampf von 1809. Zu dieser jährlichen Feier kommen Formationen aller 104 Schützenvereine, Garden und Kompanien des Landes in einem der Bezirke oder in der Stadt Salzburg zusammen.

Der Einsatz von Karl Merhaut (1965–1975) galt zunächst der Schaffung der Organisationsstruktur für Bezirksverbände (vor allem Blasmusik und Heimatvereine). Weiters hat er mit seinen „Brauchtumsfilmen“ einmalige Dokumente geschaffen. Um die Jugend für Volksmusik, Volkstanz und Volkslied zu interessieren, veranstaltete Karl Merhaut 1966 die 1. Salzburger Brauchtumswoche im Schloss Winkelhof in Oberalm, organisierte die ersten Jungmusikerseminare und führte zum ersten Mal die Flachgauer Hochzeitslader zu einem Treffen zusammen; – alles Innovationen, die bis heute bestehen und über die Salzburger Volkskultur organisiert werden. Das Salzburger Landesfest 1970 mit Beteiligung aller Heimatvereine, Schützenkompanien und Musikkapellen des Landes fand unter seiner Federführung statt. „Es wird zur eindrucksvollen Dokumentation einer erfolgreichen Trachtenpflege in den Salzburger Vereinen und Musikkapellen.“[372]

Dienststellen- und Referatsleiter: Harald Dengg[373]

Nach der Pensionierung Karl Merhauts folgte der Lehrer Harald Dengg (1975–2000) als Leiter der Heimatpflege und – wie zuvor seine drei Vorgänger – zugleich als Landesobmann der volkskulturellen Landesverbände.[374]

Sein besonderes Bemühen galt der Jugend-Ausbildung, der Schaffung von Fortbildungsangeboten für die Vereinsfunktionäre und der Entwicklung der „Heimat- und Brauchtumspflege“ zur „Salzburger Volkskultur“. Ein großes Anliegen waren ihm auch die Heimatmuseen, die Volkskunst sowie die regionale Sprache. Die zahlenmäßig immer größer werdenden und sich immer selbstständiger organisierenden Landes- und Bezirksorganisationen der volkskulturellen Verbände veranlassten Harald Dengg Mitte der 1990er-Jahre zu zwei nachhaltigen Schritten:

  1. Änderung der Organisationsstruktur der Landesverbände. Ihre Leitung wurde ehrenamtlich tätigen Landesobleuten übertragen, deren Tätigkeit seither durch die Geschäftsstelle Unterstützung findet.

  2. Einleitung eines inhaltlichen Diskurses, der in Kulturprojekten in Zusammenarbeit mit Instituten, Kulturinitiativen oder Bildungseinrichtungen ihren Ausdruck findet und von Lucia Luidold als seiner Mitarbeiterin und nun Nachfolgerin (seit 1. Februar 2000) weiterentwickelt werden.[375]

Volkskultur heute – eine „Kulturelle Nahversorgung“

Vor dem Hintergrund des Wissens um die Anfänge der Heimat- und Trachtenverbände, deren Ideen auch der politischen Bewegung entgegenkamen, und vor dem Hintergrund einer mangelnden inhaltlichen und personellen Abgrenzung nach dem Krieg, sind wir auch heute noch mit „damaligen Bewertungen“ konfrontiert. Diese prägten ein spezielles Werte- und Ästhetikbewusstsein. Eine zeitgemäße, von öffentlicher Hand geförderte Volkskulturarbeit, kann damit ihrem Anspruch jedoch nicht gerecht werden, wenn Volkskultur als die Gesamtheit der überlieferten, aus der Tradition entwickelten, aber auch gegenwärtigen kulturellen Äußerungen einer bestimmten Region[376] bezeichnet wird. Daraus ergeben sich für die Arbeit mit den volkskulturellen Vereinen und Verbänden zwei Schwerpunkte:

  1. Volkskulturelle Weiterbildung Einerseits ist es das Anbieten und Betreuen eines Fortbildungsangebotes auf Landes- wie auch auf Bezirksebene um die musischen Interessen zu fördern, und ein Angebot zu liefern, aus dem die Musiker, Musikerinnen, Sänger, Sängerinnen oder Tänzer, Tänzerinnen ihren Neigungen entsprechend sich weiterbilden und Neues kennen lernen können.

  2. Volkskulturelle Projekte[377]

Mit den St. Johanner Friedenstagenmöchten sich die Veranstalter mit regionalen Kulturformen beschäftigen und nach Möglichkeiten zur Förderung von Solidarität – auch mit der so genannten 3. Welt – suchen sowie Strategien für ein künftiges Miteinander in der Gesellschaft entwickeln.

„Volkskultur creativ“, „Mit allen Sinnen“, „Jungmusikerkurse“, „Singwochen“, ...

Mit dem Projekt „Volkskultur creativ“ werden in Grödig in Memoriam Tobias Reiser (1946–1999) Workshops angeboten. Ziel dieses Projektes ist es, ausgehend von der alpenländischen Volksmusik das Experimentelle, das Fremdklingende auszuprobieren und zuzulassen.

Im schulischen Bereich bietet das Volksliedwerk seit mehreren Jahren das Projekt „Mit allen Sinnen“ an, an dem Schülerinnen und Schüler einen sehr individuellen Zugang zur Musik, zum Tanz und zum Singen bekommen können. Die Beschäftigung mit regionaler Musik als auch mit der überlieferten Musik der Zuwanderer vermag Toleranz und besseres Verstehen in den Schulen zu fördern.[378]

Weiters sind die Ausbildungsseminare der Jungmusiker und -musikerinnen anzuführen, die vom Salzburger Blasmusikverband unter dem Motto „Pro Blasmusik“ veranstaltet werden: Die Teilnehmer können neben Marschmusik auch Kenntnisse im Ensemblespiel erwerben und lernen einen breiten Bogen von Traditionsmusik bis zu klassischen und zeitgenössischen Stücken kennen. – Ein Nebeneinander musikalischer Stile, das für die jungen Musikerinnen und Musiker heute bereits selbstverständlich ist.

Eine umfassende Weiterbildung erfahren Interessierte aller Altersstufen auch im Bereich des chorischen Singens, des Volkstanzes, des Volksliedes und der Volksmusik.

Volkskulturelle Projekte

Als weiteren inhaltlichen Schwerpunkt setzt die „Salzburger Volkskultur“ neben der volkskulturellen Weiterbildung auf Projekte, die aus regionalen Anliegen entstehen, und mithelfen sollen, die „Nahversorgung“ an kulturhistorischem Wissen zu garantieren und auch neue Forschungsergebnisse zu vermitteln. Als besonderes Beispiel zeigt die Publikation von Franz Hochwarter über „Die Gasteiner Perchten“[379] neben deskriptiven (beschreibenden) und farbenprächtigen Ausführungen auch wissenschaftliche, kultursoziologische Kenntnisse zum Perchtenbrauch, die die Geschichte und den Brauch in Gastein unter diesem Gesichtspunkt erläutern.

In diese Reihe lässt sich auch das Projekt „Bräuche im Salzburger Land“ einfügen, das mit der nun dritten und letzten CD-ROM-Scheibe seit dem Jahr 2000 gemeinsam mit dem Landesinstitut für Volkskunde und der Universität Salzburg realisiert wurde. Aus Sicht der Volkskultur ist diese Reihe eine unverzichtbare Materialsammlung, die ausgehend von den kulturhistorischen und soziologischen Voraussetzungen der Gesellschaft die Bräuche in Salzburg in den Mittelpunkt rückt. Da Volkskulturarbeit auch viel mit Weiterbildung zu tun hat, liefert diese CD-ROM-Reihe auf ca. 7.000 Seiten, mit mehr als 2.000 Bildern und 110 Videos und 250 Audios eine Fülle von neuen Erkenntnissen, und stellt Zusammenhänge her, die unmittelbar unser Leben und unser Arbeiten betreffen.

Dachverband Salzburger Volkskultur

Die sechs volkskulturellen Landesverbände (Landesverband der Salzburger Heimatvereinigungen – Landesobmann Erwin Eder, Landesverband der Salzburger Schützen – Landeskommandant Franz Meißl, Salzburger Blasmusikverband – Salzburger Blasmusikverband – interimistisch: DDr. Manfred König, Salzburger Volksliedwerk – Vorsitzende Roswitha Meikl, Salzburger Landesarbeitsgemeinschaft für Volkstanz – Leiter Michael Nußdorfer und Chorverband Salzburg – Präsident Hanspeter Lugstein) sind derzeit im Dachverband der Salzburger Volkskultur zusammengefasst. Der Dachverband ist für die Zusammenarbeit und die finanzielle Abwicklung gemeinsamer Projekte zuständig. Dies bezieht sich in erster Linie auf das Verbandspersonal, auf gemeinsame Publikationen wie die Zeitschrift Salzburger Volkskultur oder den Brauchtumskalender, auf die Bibliothek und das Fotoarchiv sowie das Volksliedarchiv und das Musikarchiv.

Zahlenmäßig formuliert sind 332 Heimatvereine und Brauchtumsgruppen mit rund 14.000 Mitgliedern, 149 Musikkapellen mit 6.700 Mitgliedern, 104 Schützenkompanien mit rund 5.350 aktiven Mitgliedern, 416 Chöre mit rund 10.000 Sängerinnen und Sängern, zirka 1.000 Mitglieder im Salzburger Volksliedwerk und rund 110 Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft für Volkstanz im Dachverband organisiert.[380]



[344] [Tschofen 1994, S. 11]

[347] Der Bischof Antonio Fragoso formulierte diese Strategie der Theologie der Befreiung, um das alte Schema der Beziehungen mit einseitiger Entscheidungsfindung aufzubrechen und um zu einer neuen Herausforderung für unser Gewissen und für unser Bewusstsein zu gelangen. Zitiert in: [Eder 1996].

[351] Vgl. [Adrian 1924]; Karl Adrian hat darin zahlreiche Bräuche des Lebens- und Jahreslaufes aufgezeichnet, sowie Volksspiele und Tänze dokumentiert. Seine Aufzeichnungen sind bis in jüngste Zeit Anleitungen für Wiederbelebungen. So wird zum Beispiel das Sommer- und Winterspiel seit 1996 vom Gollinger Trachtenverein D‘ Rabenstoana alljährlich aufgeführt. Vgl. [Luidold 1996b]. Auch der Maxglaner Hexenzug wird als Faschingsumzug im Salzburger Stadtteil Maxglan in Anlehnung an die Aufzeichnungen von Karl Adrian wieder durchgeführt.

[362] Z. B. Aperschnalzen St. Johann 1943, Oberndorfer Piratenschlacht 1943, Küfertanz in der Stadt Salzburg 1943, Schwerttanz in Hallein 1943, Ranggeln und Wasenschießen auf dem Hundstein und an weiteren Orten im Pinzgau und Pongau 1943 und 1944, Perchtenlauf in Gastein 1944. Vgl. [Kerschbaumer 1988], S. 243.

[363] Detaillierte Beschreibung mit Programmablauf der Heimatwoche. In: [Kerschbaumer 1988], S. 243f.

[366] Der Landes-Trachtenverband wurde am 14. März 1948 wiedergegründet. Im Bischofssaal des Residenz-Neugebäudes fand unter dem Protektorat von Landeshauptmann Josef Rehrl und Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Peyerl die Gründungsversammlung statt. Vgl. [DenggH/Riedler 1990], S. 50.

[367] Vgl. Dengg, Harald: Gestern, Heute, Morgen. Heimat- und Brauchtumspflege in Salzburg. In: Schriftenreihe des Landespressebüros und der Salzburger Heimatpflege, Salzburger Landesfest 1990. 100 Jahre Brauchtumspflege. Salzburg 1990, S. 36.

[368] Dengg, Harald: Gestern, Heute, Morgen. Heimat- und Brauchtumspflege in Salzburg. In: Schriftenreihe des Landespressebüros und der Salzburger Heimatpflege, Salzburger Landesfest 1990. 100 Jahre Brauchtumspflege. Salzburg 1990, S. 36.

[369] Siehe dazu auf den CD-ROMs „Im Winter und zur Weihnachtszeit“ (CD-ROM I) und „Vom Frühling bis zum Herbst“ (CD-ROM II) die folgenden Beiträge: Freudl, Adolf: Wilde Jagd und Grieshofer, Franz: Das „Wilde Gjoad“ vom Untersberg (beide CD-ROM I); Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Die Jakobischützen in St. Jakob am Thurn (CD-ROM II); Weber, Wolfram: Der Salzburger Fackeltanz (CD-ROM II); Freudl, Adolf: Glöckler (CD-ROM I).

[371] Näheres zu Anton Wallner in: [Zaisberger 1996], S. 222f. Zwei Schützenkompanien im Pinzgau sind nach ihm benannt: Die „Historische Anton-Wallner-Schützen Taxenbach“ und das „Historische Anton-Wallner-Schützenkorps Krimml“.

[373] Eine ausführliche Abhandlung vgl. [Luidold 2000].

[374] Der Salzburger Blasmusikverband mit sechs Bezirksverbänden, der Landesverband der Salzburger Heimatvereinigungen mit sechs Gauverbänden, der Landesverband der Salzburger Schützen mit ebenfalls sechs Bezirksverbänden, die Salzburger Landesarbeitsgemeinschaft für Volkstanz und das Salzburger Volksliedwerk. (Der Salzburger Chorverband wurde offiziell erst nach der Pensionierung von Harald Dengg gegründet. Die Weichen für die Gründung im Jahr 2000 stellte er aber noch in seiner Amtszeit.)

[375] Zu den Vorhaben und Grundsätzen der Tätigkeit von Lucia Luidold als Referatsleiterin der Salzburger Volkskultur siehe auch [Luidold 1999].

[377] „Friedenstage in St. Johann im Pongau“ Exemplarisch für die vielen Aktivitäten der volkskulturellen Vereine und Verbände sei eine Projektreihe vorgestellt, die seit dem Jahr 2000 von allen Landesverbänden der Volkskultur mitgetragen wird: Die St. Johanner Friedenstage. Mitgetragen und maßgeblich unterstützt werden die Veranstaltungen von volkskulturellen Gruppen, Eine-Welt-Initiativen und Schulen von St. Johann und Umgebung. Ausgangspunkt war die Deklaration der Vereinten Nationen im Jahre 2000, sich „gegen eine Kultur der Gewalt, für eine Kultur des Friedens“ einzusetzen. Für die Volkskultur ist dieses Projekt in mehrerlei Hinsicht interessant, denn heute, wo sich die Welt um uns neu zu formieren beginnt, wo einerseits das gemeinsame Europa propagiert wird und andererseits verstärkt in Regionen gedacht wird, brauchen wir eine Bewusstmachung dieser Veränderungen. Damit ist weder Beherrschung noch Ausgrenzung gemeint, sondern eine Auseinandersetzung, die das Gegenüber ernst nimmt. Viele volkskulturelle Vereine zeigen vor, wie ein Miteinander über Alters- und Parteigrenzen hinweg in einem Dorf gelingen kann. Über dieses örtliche Engagement hinaus ist es natürlich ein unschätzbarer Wert, wenn Menschen zudem für konkrete Projekte Hilfestellungen geben. Die Friedenstage sind eine gemeinsame Veranstaltung der Gemeinde St. Johann, der Salzburger Volkskultur, der Leopold-Kohr-Akademie und des Vereins INTERSOL.

[378] Vgl. [DenggH/MeiklR 1997], S. 137.

[380] Zahlen laut Aufzeichnungen in der Geschäftstelle der Salzburger Volkskultur am 30. April 2004. Unterstützung erhalten die ehrenamtlichen Funktionäre in der Geschäftsstelle der Salzburger Volkskultur.

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